ZitatDie heutige inflationäre Vergabe von Rittertiteln mit den Zuständen in den Zeiten zu vergleichen, die ich angesprochen habe, willst du mir jetzt aber nicht ernsthaft als Argument verkaufen, oder?
Inflationäre Vergabe von Titeln gab es schon in der Antike und erst recht im Mittelalter. Diese mussten jedoch nicht unbedingt eine Bedeutung haben. Man muss daher aufpassen, ehe man zu schnell Feststellungen trifft. Es ist mit Sicherheit nicht Fakt, dass Frauen als gepnazerte Reiter in militärischen Schlachten zum Einsatz kamen. Gut, es mag vereinzelte Ausnahmen gegeben haben, Ausnahmetalente, daraus lässt sich jedoch nicht auf ein System von lehensabhängigen Frauen schließen, die ihre Gefolgschaft gegenüber ihrem Lehnsherrn mit der Heeresfolge ausdrückten.
ZitatAuf dem um ~1300 verfassten I.33 (auch Walpurgis-Fechtbuch genannt) findet sich auf den letzten Seiten ein Bild von einer Frau mit Schwert und Buckler, auch dies ein Fakt. Siehe hier.
Ich hab schon ein Dutzend von mittelalterlichen Zeichnungen von Frauen in Waffen gesehen. Das eine sind legendenhafte Darstellungen und Wundergeschichten, in denen immer etwas ungewöhnliches geschieht, damit die Geschichte überhaupt interessant wird. Ein netter erzählerischer Trick also. Das andere sind juritische Fälle, in denen auf das Mittel des Duells zurückgegriffen wurde. Oft wurden den männlichen Kontrahenten der Frauen ein Arm auf den Rücken gebunden, oder sie wurden bis zur Hüfte in den Sand eingegraben, um eine "Chancengleichheit" herzustellen. Oder man griff eben auf die professionellen Fechter zurück, die für eine Dame einsprangen. Kurz: Frauen griffen natürlich und logischweise aus Gründen der Selbstverteidigung auch zur Waffe. Mit welchem Erfolg ist die andere Frage. Dass sie in obigem geschilderten Fall die Stadtfrauen (sicher nicht alleine) die Mauren erfolgreich abwehrten ist etwas ganz anderes, als daraus zu schließen, dass hier eine Horde von Damen auf dem Pferderücken auf offenem Feld gegen die Mauren ritt. Solche Geschichten gehören in den Bereich der Legendenbildung und sind eigentlich antiker Amazonenmythos.
ZitatDer Militärhistoriker Salmonson hat weiterhin die Erfolge britischer Heerführer im Mittelalter miteinander verglichen und merkte an, dass eine gewisse Aethelflaed, Lady von Mercia, wohl die erfolgreichste gewesen war ... und man sie leider nur kennt, weil sie die Tochter Alfreds des Großen gewesen ist.
Viele kann er nicht verglichen haben, wenn er auf eine Frau aus dem frühen Mittelalter zurückgreift. Zumal ich es problematisch finde, die Leistungen quer durch die Zeit zu beurteilen.
ZitatWeiters hätten wir noch Eleonore von Aquitanien, die an vorderster Front mit in den Kreuzzug ritt.
So weit ich weiß, verbrachte Eleonore von Aquitanien ihre Zeit damit, in England das Lösegeld für ihren gefangenen Sohn Richard Löwenherz aufzutreiben, der von einem Kreuzzug zurückkehrend Geisel des Leopold von Österreich wurde. Dass Richard seine Mutter mit auf den Kreuzzug genommen hätte, ist mir neu.
ZitatNatürlich waren diese gemessen an ihrer prozentualen Vertretung in der damaligen Zeit alles Ausnahmen. Aber bei weitem nicht so selten wie du es hier hinstellen willst.
Dass das Mittealter nicht so statisch war, wie die meisten vertreten wird ja gerade aus dieser Darstellung klar. Das Mittelalter war ziemlich mobil. Doch bitte ich zu unterscheiden, zwischen oben genannten Fällen und dem Kriegersystem des Mittelalters. Es ist nicht Standard und auch nicht usus, dass Frauen als Panzerreiter fungieren. Und DAS verstehe ich vornehmlich unter einem "Ritter". Dass Frauen aus welchen Gründen auch immer, hier und dort ebenfalls so bezeichnet werden, oder gar in einem Orden landen (Ordensgründungen waren im Mittelater der letzte Schrei) ist jedoch was anderes.
ZitatEs war nunmal die Kirche (in Form der Mönche in den Klostern), die die Geschichte festgehalten hat. Und wie die Kirche zur Rolle der Frau steht - auch heute noch - wissen wir doch mittlerweile alle, oder?
Die böse Kirche. Ich kann es bald nicht mehr hören. Ich selbst bin kein Freund der Kirche, um es mal klar zu stellen, doch als Historiker weiß ich, dass man nicht alles auf die böse Kirche abschieben kann. Wie ist es denn mit der Stellung der Kirche zur Frau? Wir sind immer schnell mit Pauschalurteilen, Fakt ist jedoch, dass die Regelung der kirchlichen Heirat für die Frauen gesellschaftspolitisch ein gewaltiger Fortschritt war. Fakt ist, dass sich die Kirche der Frauen annahm (nicht nur in ihren unzähligen Heiligenkonstrukten und der "Mutter Gottes"), dass sie im Vergleich zu den vorherigen Strukturen diese in sichere Kontexte einbettete. Klar, nicht zu vergleichen mit den Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten, dennoch fortschrittlich. Hast Du eigentlich gewusst, dass das Zölibat eine sehr späte Erfindung des Mittelalters ist? Dass es tausende von mittelalterlichen Priestern gab, die verheiratet waren oder Geliebte hatten? Okay, aber das wäre wieder eine andere Debatte.