Sacerdos Decima Valeria

  • Valeria nächtigte inzwischen auf der schmalen Pritsche in dem Hinterzimmer des Capitols, das sonst für Notfälle genutzt wurde. Gerade aber war ein Brief angekommen, den Valeria sogleich beantworten würde. Auch Helena würde sie wieder schreiben. Und Mattiacus, aber das würde eher ein geschäftlicher Brief werden. Mit Arria begann sie.



    Petronia Arria
    Casa Rediviva
    Tarraco, HISPANIA




    Liebe Arria,


    ich danke dir herzlich für deine lieben Worte. Inzwischen geht es mir viel besser und ich muss nicht mehr immer an den Sohn denken, den ich neun Monate unter meinem Herzen trug und der nun allein im Elysium auf mich und seinen Vater warten muss.


    Du hast natürlich Recht, Maximian war der Vater des Kindes. Von ihm erzählte ich dir schon sehr oft. Wir dachten, dass er auf dem Meer umgekommen sein musste, weil er so lange nichts von sich hatte hören lassen. Doch dann tauchte er plötzlich wieder auf und erzählte, dass ihn und meinen geliebten Bruder ein Fieber geplagt hatte, dem mein kleiner Bruder schließlich erlag. Nun ist mein Sohn nicht mehr allein. Ich bin davon überzeugt, dass Romanus gut auf ihn achten wird.


    Doch nun zu deiner Frage nach Livianus. Nach der Geburt war ich einsam und allein. Maximian war verschwunden und niemand, nicht einmal seine Familie, dachte, dass er jemals wieder lebendig auftauchen würde. In dieser Zeit hat mir Livianus beigestanden, er vor kurzem seine Frau verloren hatte und nachvollziehen konnte, wie ich mich fühlte. Nun, was soll ich sagen? Zeiten der größten Not schmieden die Menschen zusammen, so auch ihn und mich. Gegenwärtig ist er mit seinem Kommandostab (er ist Legatus Legionis der IX Hispania gewesen) auf dem Weg nach Mantua, der Kaiser hat ihm dort das Kommando über die Legio Prima übertragen. Ich selbst wohne nun nicht mehr im Castellum, sondern habe ein kleines Notfallzimmer im Capitolinium in Colonia bezogen. Ob und wann ich Livianus folgen werde, steht noch in den Sternen.


    Ach, Arria, hier im Cultus Deorum der Privinz geht derzeit auch alles drunter und drüber. Ich hörte, dass man in Tarraco in den Marstempel eingebrochen hat? Nun, in Mogontiacum war das ebenfalls der Fall. Leider nehmen es die wenigsten Menschen hier ernst, wenn so etwas geschieht, sodass der Einbruch erst zwei Tage später und nur durch einen Zufall entdeckt wurde. Auch scheint es erhebliche Probleme mit der Kommunikation zu geben, dein Geliebter jedenfalls ist in meiner Achtung leider sehr gesunken. Ich kann dir nicht sagen, ob seine Wesensveränderung an der Adoption in einen patrizische Gens liegt oder mit der Sehnsucht nach dir zusammen hängt. Aber das sind Interna, mit denen ich dich nicht langweilen will. Sicher hast du derzeit genug zu tun.


    Du schreibst, dass dein Vater in die Politik gegangen ist. Er ist Quaestor hier in Germanien und Ausrichter der Spiele, richtig? Leider bekomme ich nicht so viel von Mogontiacum mit, wie ich gern hätte, aber er scheint von sich reden zu machen. ich wünsche ihm alles Gute.
    Doch erzähl, warum wohnst du nun bei Helena? Wohnt nicht Glabrio, mein Nachfolger an der Schola, auch noch in Hispania? Du bist doch sicher nicht die einzige deiner Familie, die noch in Tarraco lebt?


    Leider bin ich momentan die einzige Decima, die in Colonia lebt. Aber ich sehe es positiv und versuche, mich möglichst in die Arbeit zu knieen. Hast du die Probatio schon abgelegt? Ich habe mich nun für die II. angemeldet und bin gespannt, was da auf mich zukommt.


    Ich freue mich auch, dich endlich mal wiederzusehen!
    Mögen die Götter dich behüten und du mir bald zurückschreiben, ehe ich vor Einsamkeit vergehe. :)



    Valeria


  • Rediviva Helena
    Casa Rediviva
    Tarraco, HISPANIA



    Liebe Helena,


    ich habe mich sehr über deinen Brief gefreut, auch wenn er spät kam. Das macht gar nichts. Ich habe gehört, was in letzter Zeit in Tarraco geschehen ist und kann daher nachvollziehen, dass du sicherlich andere Dinge zutun hast als mir zu schreiben. Auch möchte ich dir für dein Beileid danken. Mich tröstet der Gedanke, dass ich meinen Sohn eines Tages wiedersehen werde, so wie du den deinen.


    Inzwischen geht es mir auch wieder viel besser, was nicht zuletzt an Livianus liegt, den du auch kennen dürftest und der mir nach dem Verlust meines Sohnes sehr geholfen hat. Wir kamen uns näher und sind nun so etwas wie ein Paar, wenngleich wir momentan viele tausend Meilen getrennt sind. Livianus wurde nämlich zusammen mit seinem Stab vom Kaiser nach Mantua versetzt, um dort der Prima zu dienen. Kurz vor seiner Abreise ist auch Maximian wieder aufgetaucht, obgleich alle schon dachten, dass er auf See verschollen sein musste. Es brach mir beinahe das Herz, als er mir vom Fiebertod meines kleinen Bruders, Romanus, berichtete und ich ihm anschließend von Livianus erzählen musste. Es scheint nichts zu geben, was ich richtig machen kann derzeit. Auch hier im Cultus Deorum gibt es erhebliche Diskrepanzen, die ich aber nicht vollkommen auf meine Kappe nehme, da der Pontifex Iulianus ebenfalls einen nicht unerheblichen Teil trägt. Ich versuche, mich mit dem Dienst in dem Tempeln weitestgehend zu beschäftigen, hinzu kommen noch Petronia Livia und Petronia Fabia, meine beiden Schülerinnen, die bald ihre Prüfung zu Sacerdotes ablegen können. Und dann, mal sehen. Ob und wann ich aus Germanien fortgehen werde, wird sich noch zeigen.


    Ich würde mich freuen, auch von dir bald wieder Neuigkeiten zu hören. Ich wünsche dir das Beste, Helena.


    Mögen die Götter stets mit dir sein.
    Valeria


  • Marcus Decimus Livianus
    Castellum Legionis I
    Mantua, ITALIA



    Liebster Marcus,


    du bist noch gar nicht so lange fort und trotzdem vermisse ich dich schon. Inzwischen habe ich die kleine Kammer hinten im Capitolinium bezogen und werde dort wohl noch eine Weile bleiben, wenn es niemanden stört. Du kannst deine Briefe also in den Tempelbezirk schicken.


    In Kürze finden hier in Mogontiacum Spiele statt. Ich habe überlegt, ob ich vielleicht hingehen sollte. Ablenkung tut ja bekanntlich gut und ich habe das Gefühl, dass sie mir gut tun würde. Andererseits würde ich mich damit vielleicht in Situationen hineinbugsieren, in die ich gar nicht kommen möchte, Maximian betreffend, weißt du? Eine schwierige Entscheidung. Mal sehen, ob ich hingehen werde.


    Des weiteren suche ich derzeit fieberhaft nach einer Leibsklavin. Ich habe inzwischen bemerkt, wie dringend ich doch jemanden brauche, der mir etwas zur Hand geht. Ich werde also weiterhin die Augen offen halten und bei Gelegenheit zuschlagen.


    Wie geht es dir? Bist du gut angekommen und hast dich schon eingelebt? Wie ist das Praetorium in Mantua? Man sagt ja, dass die Castelli gleich aufgebaut sind, stimmt das wirklich? Mir selbst geht es sonst soweit gut. Ich hoffe, dass du wohl auf bist und mir ganz schnell zurückschreibst.



    In Liebe,
    Valeria


  • Marcus Decimus Mattiacus
    Casa Decima
    Rom, ITALIA


    EILBRIEF



    Salve Mattiacus!


    Wir haben uns lange nicht gesehen und lange nichts voneinanser gehört; und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es einen für mich unschönen Anlass gibt, diesen Brief zu schreiben. Trotzdem hoffe ich, dass es dir gut geht und du mit deiner Kandidatur zum Quaestor Erfolg haben wirst.


    Der Grund aus dem ich dir schreibe, ist ein Edictum des amtierenden Aedils, das ich an diesen Brief angehängt habe. Ich war ehrlich überrascht, als ich es in meinem Postkasten fand, und zugleich bestürzt, als ich die Summe las, die ich zu zahlen habe. Um ehrlich zu sein, kann ich selbst für diese Gebühren nicht aufkommen und müsste mir das Geld leihen oder jemanden bitten, die Summe zu zahlen. Doch was mich mehr verwundert ist, dass dieses Edictum erst jetzt kommt, wo sich doch die besagten Betriebe schon seit mindestens fünf Wochen in meinem Besitz befinden und ich seit exakt dieser Zeit meine produzierten Waren zu diesem Preis anbiete. Hätte ich gewusst, dass ich nur wenig unter dem gesetzlichen Mindestpreis anbiete, hätte ich den Angebotspreis natürlich sofort korrigiert und nicht erst nach fünf Wochen Angebotszeit.


    Meinst du, du könntest dich für mich einmal informieren, ob man die Strafe aufgrund dieser Tatsachen nicht irgendwie mildern oder auch rückdatieren kann? Das wäre sehr lieb von dir und würde mir sehr weiterhelfen.



    Vale bene.
    Decima Valeria

  • Imperiosus erreichte nun nach einer langen und nervenaufreibenden Reise CCAA und auch den Tempelbezirk.
    Er war bisher noch nie da, aber es schien hier doch sehr schön.
    Nachdem ihm von einem Priester der Weg zu einem Officium gewiesen wurde, was ihn zwar verwunderte, er es aber doch gelassen nahm, fand er dieses und klopfte an.

  • Valeria korrigierte gerade Übungsprüfungen von Livia und Fabia. Es gab kaum etwas, das sie fort streichen und ersetzen musste, so gut hatten die beiden gelernt und sich vorbereitet. Da klopfte es und Valeria bat den Draußenstehenden herein, ohne aufzusehen.

  • Wahrscheinlich blieb die gewünschte Reaktion des Pontifex aus, denn Valeria zeigte so gut wie keine. Sie hatte erwartet, dass der adoptierte Patrizier sie nach seinem offensichtlichen Besuch in Rom, der ja offensichtlich dem Zwecke galt, sich zu beschweren - und zwar über sie - besuchen würde. Entweder, um aufgrund falsch dargelegter Tatsachen von ihrer Entlassung aus dem Dienst an den Göttern zu sprechen - oder aber, um das zu tun, was das Pontifex Maximus ihm aufgetragen hatte. Dass er sich entschuldigen wollte, konnte sie nur schwerlich glauben.


    "Salve Pontifex", sagte sie daher, ohne eine Wertung von sich zu geben und sah nur kurz auf.
    "Setz dich doch, ich bin gleich fertig."


    Valeria schrieb ihren Kommentar noch rasch unter Livias Übungsprüfung, legte den Griffel weg und schob die Tafel so fort, dass der Pontifex ihre Arbeit sehen konnte, wenn er das denn wollte, ehe sie vollends aufsah.
    "Was führt dich nach Colonia?"

  • Imperiorus setzte sich ohne jegliches Mimikspiel auf den Stuhl, welcher ihm zugewiesen wurde und dachte, zu seiner Überraschung, nicht an Rachegedanken, sondern seine Familie, der er mal wieder ein wenig mehr Zuwendung zeigen sollte.
    Als sie fertig war blieb er noch einige Sekunden regungslos sitzen und antwortete sogleich kühl, als er gefragt wurde.


    "Meine Pflicht."


    Sagte er knapp und machte eine Pause.


    "Du bist ohne irgend eine Erlaubnis, seitens meiner Wenigkeit oder der des Collegium Pontificium abgereist. Doch darüber will ich mich nicht streiten, du kannst hier bleiben, das Collegium Pontificium hat entschieden. Man berichtete mir in Mogontiacum von einem Tempeleinbruch, was weißt du darüber? Es wurde in Rom beiläufig erwähnt, ich wüsste gerne Details. Wurde denn schon jemand gefasst, was sagen die Leute?"

  • Valeria blickte den Pontifex eine Weile ausdruckslos an. Davon, dass man in den letzten Tagen der Schwangerschaft als Priesterin ohnehin keine große Hilfe war, schien der noch nichts gehört zu haben. Aber inzwischen stand sie über diesen Dingen und überging das Thema stattdessen, über das der Pontifex, so großzügig wie er war, nicht mehr streiten wollte.


    "Nun", begann Valeria und lehnte sich zurück.
    "Ich kam nach Mogontiacum, sobald ich hier eine Vertretung für meinen Dienst fand, um mit dir zu sprechen, wie du es mir durch die Sacerdos Aurelia Antonia ausrichten ließest. Bei meinem Besuch konnte ich dich nicht finden.....stattdessen fand ich im Morgengrauen die offene Tür des Marstempels. Scheinbar hatte dort nur ein Discipulus Nachtwache, was an sich ja nicht schlimm ist. Doch hat er von dem Raub nichts mitbekommen. Inzwischen wurden sowohl in Mogontiacum als auch hier dem Mars große Sühneopfer dargebracht, die auch angenommen wurden. Die Spiele werden meines Wissens nach ebenfalls ein Opfer für Mars beinhalten und ich habe Rom darüberempfohlen, dort ebenfalls ein großes Opfer zu vollziehen. Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast, aber in Tarraco ist das gleiche geschehen wie in Mogontiacum."


    Valeria sah den Pontifex ernst an. Sie vermutete, dass der Tempel auch während seiner Anwesenheit ausgeraubt worden wäre. Ein Mann mehr oder weniger hätte da wohl nicht viel ausgemacht.


    "Derzeit sucht der Regionarius nach den Frevlern, aber es sieht wohl nicht gut aus. Ich stehe in engem Kontakt zu dem Sacerdos Titus Tarquinius Thermus, der ja aus Colonia stammt, den ich aber in deiner Abwesenheit nach Mogontiacum in den Marstempel geschickt habe. Er ist ein älterer Mann, der schon lange im Dienste der Götter steht und die administrativen Aufgaben in den Tempeln übernommen hat, damit so ein Frevel nicht noch einmal geschieht. Ich dachte mir, dass dies auch in deinem Interesse liegen würde", erklärte sie.

  • Imperiosus hörte ihr mit Interesse zu, denn er hatte bisher keine Ahnung was geschehen war. Als sie erwähnte, dass das Gleiche auch in Tarraco passiert wäre, da überkam ihn ein leichtes Schaudern, denn die Götter schienen nicht gerade glücklich. Sein nächster Gedanke führte ihn zu Arria, die ja in Tarraco ihren Dienst verrichtete und er noch nicht wusste wie es ihr ging, hoffentlich gut, er würde den Göttern dafür noch opfern.


    "Ich habe wochenlang auf dich gewartet, aber ich verstehe, ich hätte länger warten sollen. Warum konntest du mich nicht finden? Ich habe doch meinem Scriba aufgetragen alle Priester über meinen Weggang zu informieren, hast du dich denn angemeldet? Denn dort sitzt er öfters und hätte dir das sofort sagen können."


    Er senkte seinen Blick nach unten.


    "Aber das ist ja nun auch egal, ich bin wieder da, wenn auch nicht mehr lange. Aber warum war nur ein Discipulus Nachts im Tempel, wo sind denn die Popae gewesen, der zuständige Sacerdos? Es ist merkwürdig, aber man kann keinem einen Vorwurf machen, schließlich hausen wir nicht in den Tempeln, die Götter wären erzürnt. Es ist nur sehr erschreckend, dass selbst vor solch einem Frevel nicht halt gemacht wird, ich wüsste gerne die Intention dieser Frevler. Könnten es Christen sein? Sie sollen ja keine Achtung vor unseren edlen Göttern haben."

  • "Ich teilte der Sacerdos Aurelia Antonia mit, dass ich den Besuch bei dir mit einer Reise nach Mogontiacum verbinden würde, die ich ohnehin täten musste. Ich dachte, sie hätte dir dies ausgerichtet."


    Scheinbar nicht. Sie war zwar Handlunger und Sprachrohr, doch schien das nur in eine Richtung zu funktionieren, dachte sich Valeria und hob eine Braue. Auch, dass sie anderthalb Wochen nach der Aufforderung vor dem Tempel gestanden hatte, wie es verlangt gewesen war, ließ sie unerwähnt. So viel zu 'wochenlang'.


    "Wie dem auch sei. Ich persönlich vermute keine Christen dahinter, denn scheinbar hat ihr Gott eine Art Gesetzestafel aufgestellt, die ihnen zwar aufträgt, keine weiteren Götter anzubeten, aber auch, den Nächsten wie sich selbst zu lieben."


    Komische Vorstellung. Bei dem Pontifex hätte sie das nie im Leben hinbekommen. :D


    "Ich vermute aufständische Germanen dahinter, oder aber Römer, die vom rechten Pfad abgekommen sind. Anders kann ich mir diese Nacht-und-Nebel-Aktion nicht erklären."

  • "Nun, Aurelia Antonia wollte nach Rom aufbrechen, diesen Umweg wollte sie scheinbar nicht nehmen. Aber nun weiß ich ja bescheid."


    Aber es verwunderte ihn, dass nun die Sacerdos Aurelia als Tabelarius fungieren sollte. Und lange genug hatte er schon auf die Sacerdos gewartet, wenn er sich nur daran erinnerte, dass die Sacerdos Aurelia schon nach einigen Tagen nach der Ankunft Valerias bei ihm angekommen war, so wunderte es ihn immer noch warum sie so lange auf sie warten ließ. Doch da sie schon bei der Sacerdos waren, so musste er es nun ansprechen.


    "Den Nächsten lieben, naja, denn der Begriff `der Nächste`ist ein weitreichender. Darunter kann man sich alle Menschen vorstellen, doch ebenso auch Gleichgesinnte, die die `Nächsten`sind und nicht feindlich gesinnte oder die anderer Auffassung, anderem Glauben. Daher würde ich diese Christen nicht ausschliessen. Römer würden - da bin ich mir sicher - niemals ihren eigenen Kriegsgott erzürnen wollen, das wäre pure Dummheit, denn er beschützt die Grenzen zu den Barbaren und führt das Schwert gegen sie. Die Tatsache, dass diese Frevel auch in Hispania begangen wurden, lässt nur den Entschluss zu, dass dies das Vergehen der Christen ist. Organisierten Frevel gibt es nicht, außer man will Aufmerksamkeit und das scheint mir eher zuzutreffen, sie wollen uns ihre `Macht`wohl demonstrieren."


    Sagte er schon eher spöttisch, als spekulativ. Sein Entschluss stand fest, es konnten ja nur die Christen sein, denn der Paragraph, welcher sie schützen sollte, er war nun gestrichen und nicht zu sehen. Dies konnte eine Reaktion der Christen gewesen sein, nein, er war sich sicher, dass es eine war. Vielleicht waren diese Heiden schon Vogelfrei, er hätte sich informieren müssen.


    "Aber wenn wir schon von Aurelia Antonia sprechen, so weißt du sicherlich, dass sie mich auf ihrer Rundreise durch Germania aufsuchte. Sie berichtete mir von einigen negativen Eigenschaften, die ihr an dir aufgefallen seien, sie hätte den Anschein, dass du der Ansicht wärst sie müsse weichen. Was sagst du dazu?"

  • "Ich habe den Aushang gesehen, dass sie gegangen ist und der Tempelbezirk deswegen unbesetzt sei", sagte Valeria mit einem Ton, der verriet, was sie davon hielt.
    "Persönlich mitgeteilt hat sie mir nicht, dass sie geht. Ich stand praktisch von heut auf morgen mit mehr Aufgaben da, aber ich habe es hinbekommen. Kommunikation scheint nicht ihre Stärke zu sein."


    Valeria äußerte sich nicht zu seiner waghalsigen Spekulation. Die ihre war ja ebenso waghalsig gewesen. Wissen, wer den Tempel hier und auch den in Tarraco geschändet hatte, konnten sie beide erst, wenn die Schuldigen gefasst waren.
    Der Mann kam nun auf die Aurelierin zu sprechen und Valeria konnte nicht umhin, leicht spöttisch zu grinsen. Sie wurde jedoch rasch wieder ernst.


    "Nun, ich bin ihr nicht hinterhergelaufen und habe um Erlaubnis für dieses und jenes gebeten, das stimmt. Doch habe ich versucht, mit ihr zu sprechen. Sie schien kein Interesse daran zu haben. Auch was die Opfer anbelangte, schien sie mir desinteressiert. Beim Opfer zu Ehren der Iuno Caprotina wollte ich, dass wir das Opfer gemeinsam durchführen. Sie lehnte ab. Sage mir, Pontifex, was hätte ich tun sollen? Diese Sacerdos scheint zu befürchten, dass ich ihr den Rang ablaufen will. Statt gemeinsamer Arbeit will sie ihr eigenes Brot backen."

  • "Der Tempelbezirk ist doch immer besetzt, schließlich sind hier auch noch andere Sacerdotes. Oder irre ich mich CCAA bezüglich?"


    Blickte er sie fragend an und versuchte was an ihren Augen zu erkennen. In Rom schnappte er die wagahlsige Behauptung auf, dass Menschen, wenn sie lügen immer in nach oben oder in die Seite schauen, dies Abwechselnd und auch manchmal hast nach vorne. Zumindest versuchte er zu erkennen, ob ihre Augen auch so umher sprangen, denn er hatte von Antonia anderes vernommen. Und das Grinsen gefiel ihm auch nicht, denn es war spöttischer Natur und kräftigte nur Antonias Aussagen und Behauptungen.


    "Nun, sie sprach von keinerlei Kooperationsbereitschaft. Aber das scheint nun deiner Aussage gänzlich zu widersprechen. Habt ihr schon miteinander diesbezüglich gesprochen? Ahja, wo ist denn ihr Officium, ist es gleich hier oder müsste ich anderswo hin?"

  • Valeria nickte.
    "Nein, du irrst nicht. Scheinbar irrte die Sacerdos Aurelia Antonia, denn genau das war ihr Wortlaut. Als ich den Aushang fand, ersetze ich ihn natürlich umgehend. Man kann gläubige Römer nicht von den Tempeln fernhalten, nur weil eine Sacerdos im Urlaub ist."


    Sie schüttelte unwirsch den Kopf, sah den Pontifex dabei aber geradewegs an.


    "Keinerlei Kooperationsbereitschaft? Ja, das würde ich unterschreiben, wenn es um sie ginge. Ich habe mein bestes gegeben, doch ich laufe niemandem händeringend hinterher, wenn er so offenkundig zur Schau stellt, dass ihm nichts an Zusammenarbeit liegt. Wir haben diesbezüglich auch nicht miteinander gesprochen. Wie auch? Zuerst fühlte sie sich nicht im Stande dazu und nun ist sie in Rom. Ihr Officium befindet sich gleich nebenan."


    Langsam fragte sich Valeria, was genau der Pontifex hier wollte. Einfach ein bisschen über die Tempel und den Dienst reden, über die Beziehungen zwischen den Sacerdotes - oder hatte er eine Aufgabe vom Kaiser bekommen? Sie ließ sich allerdings nichts anmerken und wartete darauf, was nun kommen würde.

  • "Sie ist noch nicht zurückgekehrt?"


    Fragte er überrascht und verstummte sogleich.


    "Eigentlich wollte ich mit ihr sprechen. Hmm."


    Er hoffte die Beiden an einen Tisch setzen zu können und als Vermittler zu fungieren, aber das schien nun unmöglich.


    Ihr solltet der Götter wegen miteinander sprechen und euch auf eure Aufgaben besinnen. Ihr seid Sacerdotes Publicae, ihr seid keine Rivalen. Vielleicht könnte man eure Aufgaben, die ihre beide als Sacerdotes Iunonis wahrnehmt, aufteilen. Wie ich sehe hast du, als ich reinkam, Ergebnisse deiner Discipulae kontrolliert. Vielleicht ließe sich hier die Arbeit aufteilen, dass du dich um die Ausbildung kümmerst und die Sacerdos Publicus Aurelia Antonia um die Opfer im Tempel der Iuno. In den anderen Kulten dieser Stadt gibt es keine Streitigkeiten, nehme ich an?"

  • "Nein, und sie sagte auch nicht, wie lange sie fernbleibt. Genaugenommen hat sie gar nichts gesagt", sprach Valeria.


    "Pontifex", sagte sie dann in resignierendem Tonfall.
    "Ich verstehe, dass du dich zwischen zwei oder gar mehreren Stühlen siehst. Du darfst deines Amtes wegen niemanden bevorzugen und musst versuchen, die Wahrheit zu finden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das manchmal sehr schwer sein kann und dass einem manches Mal selbst die reinste Wahrheit vorkommt, als sie sie eine Lüge. Du sollst wissen, dass ich die niemals bewusst angelogen habe, das schwöre ich bei Iuppiter."


    Valeria sah Imperiosus ernst an. Wie log auch jetzt nicht. Dass sie bei Iuppiter schwor, sollte jeglichen Zweifel ausräumen, den Arrias Geliebter noch haben mochte - und derer gab es sicherlich einige.


    "Meine beiden Schülerinnen werden in Kürze die Probatio absolvieren. Leider gibt es außer ihnen nur noch einen Discipulus, welcher derzeit der Sacerdos Sabina Calvina unterstellt ist. Du weißt zudem auch sicher, dass es keine Unterscheidungen mehr gibt, sondern wir alle als Sacerdotes einem Sinne dienen: den Menschen die Götter wieder nahe zu bringen, nicht nur eine bestimmte Gottheit. Nach wie vor fühle ich mich zu Iuno am meisten hingezogen und verspüre etwas wie Geborgenheit, wenn ich in ihrem Tempel weile. Wir haben hier in Colonia keine festen Opferpläne, wer welcher Gottheit opfert. Es ist eher ein routierendes System, sodass jeder mal jeder Gottheit opfert, wenn Feste anstehen. Ich selbst habe das Marsopfer durchgeführt, da unser einziger männlicher Sacerdos, Tarquinius Thermus, derzeit in Mogontiacum ist und dort das Opfer leitete."


    Sie holte Luft und sah den Mann fragend an, einen Vorschlag zur Güte machend.
    "Von daher glaube ich, dass dein an sich guter Plan nicht ganz aufgehen wird. Ich könnte allerdings einen öffentlichen Plan aufstellen, wer wann welches Opfer leiten wird, da es im Falle der Aurelierin nicht anders zu gehen scheint. Was hältst du von dieser Idee?"

  • "Ich will nur, dass ihr euch der Götter willen einig seid und ein wenig arrangiert, doch zwischen zwei Stühlen sehe ich mich derzeit nicht, denn ich bin nur hier, um zu vermitteln und nicht einfach zu befehlen wer was zu machen hat."


    Doch er verstand nicht was sie ihm sagen wollte, sie ihn niemals bewusst anlog. Er wollte dies nicht wieder aufkommen lassen, doch wenn sie ihm dies mitteilte, da kam auch er nicht um eine Frage drumrum, die er ihr schon lange stellen wollte.


    "Dann verrate mir doch endlich warum du gelogen hast, wenn du sagst du hättest nicht bewusst gelogen. Es muss da etwas geben, doch ich kann dich nicht verstehen, wenn ich nicht weiß was es ist."


    Ob ein kurzes Lächeln hier angebracht war? Er wusste es nicht, wollte nicht das Risiko eines Missverständnisses eingehen und ließ seine Mimik wie gewohnt neutral wirken.


    "Ich verstehe, wirst du auch nicht mehr lange unterrichten können, wenn es keine Discipuli mehr gibt. Einen Plan auszustellen klingt auf den ersten Anschein hin schlüssig und sinnig, wenn ihr euch nicht einig seid, aber es würde dann wieder einen gewissen Beigeschmack aufzeigen, der verraten würde, dass der Cultus Deorum einige Meinungsverschiedenheiten hat, das muss vermieden werden. Deshalb würde ich es nicht begrüßen, wenn der Plan öffentlich aushängt, es wäre zu offensichtlich, die Menschen darauf hin unsicher und nur interessiert. Und solch ein Interesse wäre in dieser Zeit nicht gut, nicht für die Menschen, die zu häufig ihre Nasen in fremde Dinge stecken, als auch für den Cultus Deorum. Vielleicht solltet ihr euch eine private Liste machen, euch abwechseln, wenn eine von euch krank ist, dann opfert die Andere für sie, bis die eine wieder genesen ist. Diesen Plan könntet ihr zusammen ausarbeiten, wenn die eine keine Zeit hat oder bestimmte Feiertage ihr am Herzen liegen, so kann man dies besser einbinden und darauf Rücksicht nehmen. Was hälst du davon?"


    Er würde es doch eher begrüßen, wenn eine von den Beiden nach Moguntiacum gehen würde, doch das hatte er nicht zu entscheiden, dies sollte nur aus freiem Willen geschehen, nicht unter Zwang.

  • Valeria hörte den Ausführungen des Pontifex zu. Sie hätte auch nicht vorgehabt, diesen Plan öffentlich auszuhängen, Gleich heute noch würde sie sich daransetzen und einen Plan für den Sextilius und den September ausarbeiten. So nickte sie.


    "Er wird nicht veröffentlicht werden und nur der Priesterschaft zugänglich sein."


    Was die weiteren Worte des Mannes anging, runzelte Valeria die Stirn und sah fragend drein.
    "Iulianus", sagte sie und klang dabei leicht genervt, weil das Thema schon wieder angeschnitten wurde. Sie seufzte und fuhr fort, den Mann vor sich dabei fragend musternd.
    "Mit welchen Aussagen, glaubst du, habe ich dich angelogen?"

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