An Decima Seiana
Habitatio Aeliana
Alexandria
Aegyptus
Grüss Dich Schwesterherz,
was, das warst wirklich Du, mit dem Artikel in der Acta??! Bona Dea, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich doch nie im Leben die Kameraden derart mobilisiert! Ich glaube Dir ja, dass Du es nicht böse gemeint hast, aber Du musst verstehen, für uns war es wirklich sehr kränkend das zu lesen. Nach allem was wir geleistet haben, und den Opfern die wir gebracht haben. Das alles ist kein einziges Mal richtig gewürdigt worden. Es gibt kein Denkmal für die Gefallenen, und wir Überlebenden haben nicht ein einziges Mal eine Geste der Anerkennung bekommen, nicht mal ein Donativum. Das ist schon sehr ernüchternd, man darf den Kopf hinhalten für das Imperium, kommt nach Hause und wird bloss bekrittelt. Schliesslich war es nicht unsere Schuld, dass die Praetorianer den Kaiser nicht gut genug geschützt haben. Oder wahrscheinlich kann man nicht mal der Garde was anlasten, die Bogenschützen der Parther sind einfach zu gut.
Klar war die Schlagzeile in der Imago plump, aber für mich war das ein 'Willkommen zurück', bei dem mir warm ums Herz wurde, während die Reaktion der Acta auf unseren Leserbrief ja wohl absolut unzulänglich war! Sonst werden lang und breit auch die allerschwachsinnigsten Briefe abgedruckt, aber unseren Protest hat man um den aussagekräftigsten Teil, nämlich die vielen, vielen Unterschriften aller Dienstgrade vom Miles bis zum Legatus, beschnitten. Das fand ich damals wirklich blöd, und kann mich heute immer noch drüber aufregen! Unter Lucilla hätte es das nicht gegeben. Aber das soll jetzt nicht gegen Dich gerichtet sein, ich denke es ist sowieso schwer, als Zivilist über militärische Dinge zu berichten, ich glaube Dir, dass es anders gemeint war, und sowieso kann ich Dir eh nicht wirklich böse sein. Naja, und ich hoffe Du bist mir auch nicht böse. So mit Abstand betrachtet ist es fast komisch, dass ausgerechnet Du den Artikel geschrieben hast, und ich den Leserbrief.
Ja... was Du sonst noch geschrieben hast, ist mir viel im Kopf herumgegangen. Ich weiss nicht so recht was ich dazu sagen soll. Natürlich klingt das phänomenal, was Du von Ägypten erzählst, und Deine Beschreibungen haben wirklich mein Fernweh geweckt. Ich bin auch ganz begeistert davon, und stolz, dass Du Dich an so einer berühmten Bildungsstätte wie dem Museion betätigen wirst. (Manchmal träume ich ja selbst noch davon, alles hinzuwerfen, und doch noch nach Alexandria zu gehen, und dort Flötenspiel und Philosophie zu studieren... aber ich träume nur, ich werde es natürlich nicht tun. Ich stehe nun mal im Dienste des Kaisers und habe meine Pflicht zu tun.) Sicher bist Du eine sehr gute Lehrerin, mir kam schon bei dem Cursus Continuus der Gedanke, dass Du so etwas doch auch mal machen solltest.
Das heisst also, Du willst wirklich in Alexandria bleiben... Ich kann nicht behaupten, dass ich das nicht verstehen könnte, was Du mir als Deine Beweggründe genannt hast. Und, naja, ich fürchte ich habe kein Recht, Dir Vorwürfe zu machen. Nachdem ich meinen letzten Brief abgeschickt hatte, fand ich manche Worte dann doch zu harsch. Also, es tut mir leid, ich weiss dass ich kein Recht habe, Dir gegenüber den Moralprediger zu geben.
Und jetzt kommt das 'aber'. Aber ich weiss, wie schnell man abrutschen kann! Gut, Du bist vernünftiger als ich, also wirst Du wohl nicht die selben Fehler machen wie ich, aber trotzdem... Du willst frei sein, Dich ausleben, Du sagst, es ist Dir egal was die Leute sagen, aber wir leben nun mal nicht alleine auf der Welt, sondern eingebunden in eine Gesellschaft, wo der Ruf sehr wichtig ist, und wo man sich mit einer unbedachten Tat - wie zum Beispiel als unverheiratete Frau bei irgendeinem Mann zu wohnen - schnell mal die Zukunft ruinieren kann.
Ausserdem machst Du Dich damit weniger 'wertvoll' für jeden Mann, denn wir wollen nicht das, was wir leicht bekommen können. Was einem in den Schoß fällt, bleibt nicht lange interessant. Sollte Dein Aelier ernsthafte Absichten haben, muss er auf jeden Fall erst mal bei mir anfragen. Onkel Meridius ist nicht da, Onkel Livianus noch immer verschollen, und auch wenn Du sui iuris bist, bin ich schliesslich Dein Bruder und es gehört sich so.
Und unbedingt musst Du Dir einen Leibwächter zulegen, gerade bei den ganze Reisen in riskante Gebiete, die du da geplant hast! Ich sende Dir hier etwas Geld dafür mit, und ich bestehe absolut darauf, dass Du es annimmst, und Dir damit einen kräftigen, zuverlässigen Sklaven kaufst, das dient dann zu meiner Beruhigung, also ist es purer Eigennutz von mir, ergo kannst Du das Geld ruhig nehmen, zurücknehmen werde ich es nämlich nicht. Basta.
Was die Familie angeht, so gibt es mehrere gute Neuigkeiten. Von Appius habe ich einen Brief aus Germanien bekommen. Er ist wie geplant zur Secunda gekommen, und schreibt von seiner harten Ausbildung, aber auch dass es ihm gutgeht, und dass er diese schreckliche Sache mit seiner Freundin langsam verwindet.
Tante Lucilla hat einen Sohn zur Welt gebracht! Caius Germanicus Cossus heisst er, und ist gesund und munter. Ich habe ihn noch nicht zu Gesicht bekommen, da sie immer noch auf dem Land bei Grosstante Drusilla sind, aber ich glaube, dass es Lucilla bestimmt schon bald in die Stadt zurückziehen wird.
Dann ist noch etwas sehr überraschendes passiert. Zwei Zwillingsgeschwister, Flavus und Flava sind hier aufgetaucht, sie kommen aus Britannien und sind die Kinder von Livianus! Ihre Geschichte klingt erst mal unglaublich, aber die Ähnlichkeit mit ihrem Vater bestätigt sie. Livianus weiss nichts von ihnen, denn ihre Mutter ist bei der Geburt gestorben, er stand damals in Germanien im Felde, und die Grosseltern, bei denen die beiden aufgewachsen sind, haben ihm die Existenz der beiden einfach verheimlicht! Verrückt, oder, was für Geschichten das Leben manchmal hervorbringt.
Beim Equus October bin ich mitgefahren, das war wirklich ein einmaliges Erlebnis. Onkel Meridius hat mir seinen Segen gegeben, und ich bin mit einem todschicken goldenen Gespann gestartet. Du kannst Dir nicht vorstellen, was das für ein Gefühl ist, über die Bahn zu jagen, umtost vom Gebrüll der Menge. Die Konkurrenz war aber ganz schön tückisch. Dreimal darfst Du raten, wie es ausgegangen ist.
Ich muss nochmal auf das Thema Freiheit und so weiter zurückkommen... Es fällt mir schwer, meine Gedanken dazu in eine niederschreibbare Form zu bringen. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir Geschwister - wir alle! - so sehr den Drang haben, eigene Wege zu gehen. Mittlerweile bin ich wieder "eingeschert", und Appius ja auch. Ich bin da in meinem Inneren aber immer noch zwiespältig, manchmal kommt es mir vor, als hätte ich mir eine Maske aufgesetzt, die nun mehr und mehr mit meinem Gesicht verwächst. Ich glaube an das was ich tue, ich bin gerne Centurio, und ich möchte meiner Familie Ehre machen... aber ich muss auch viel von mir selbst verleugnen, das ist der Preis dafür, und manchmal fällt mir das schwer, dann schlafe ich schlecht, und träume beängstigende Dinge. Es gibt sogar manche "Träume", die mich in den Tag hinein verfolgen, Sachen vom Feldzug. Ich meine nicht, wie gewöhnliche Tagträume, sondern viel realer. Oder eigentlich vollkommen 'real' in dem Moment, danach erkenne ich erst, dass es nur ein Hirngespinst war. Der Feldzug hängt mir nach, das was ich erlebt habe, und was ich im Rahmen meiner Pflicht getan habe. Aber das klingt jetzt dramatischer als es ist, ich habe das im Griff und bin sicher, dass es sich mit der Zeit wieder legen wird. Ich bin halt einfach von meinem Wesen her nicht jemand, den es kalt lässt zu töten. (Es ist so merkwürdig, an manche Dinge erinnere ich mich in allen Details, als wären sie tief eingraviert in meinen Kopf, andere sind nebulös geworden, so das sich mir überhaupt nicht mehr sicher bin, was da wirklich passiert ist.)
Was ich eigentlich sagen wollte - ich glaube Freiheit hat ihren Preis, aber Anpassung genauso. Vielleicht ist es möglich, ganz man selbst zu sein, ohne dabei die anderen vor den Kopf zu stossen... oder eine Balance zu finden, bei der es einem doch gut geht, und man mit sich selbst im Reinen ist... ich hoffe dass das möglich ist, und eigentlich traue ich es vor allen anderen Dir zu, das hinzukriegen. Und mach Dir keine Vorwürfe, wegen der Gedanken an unsere Eltern! Es ist, wie es ist, Gedanken ändern nichts daran. Du warst diejenige, die bei Mutter geblieben ist, Du hast die Stellung gehalten und alles für sie getan, während ich weggegangen bin, obwohl ich wusste, dass es nicht gut um ihre Gesundheit stand. Du hast Dir wirklich nichts vorzuwerfen. Mutter war nun mal sehr streng. Sie hat uns geliebt und wir haben sie geliebt, und ich will nicht schlecht über sie reden, sie hatte gewiss ihre Gründe und sie hatte in vielen Dingen im Prinzip recht... aber es hat uns doch allen förmlich die Luft abgeschnürt! Es ist nicht verwerflich, wenn man erleichtert ist, wieder atmen zu können. So sehe ich das jedenfalls.
Vale meine liebe Schwester! Halt mich auf dem Laufenden!
Dein Faustus
überwiesen danke