Am Stadttor - Wer nach Rom will soll sich Zeit für die ordentliche Durchsuchung und Befragung nehmen!

  • Und so machte Stilo seine erste Begegnung mit den hiesigen Sitten und Gebräuchen, denn er hatte das Pech, beiseite gewunken zu werden. Vielleicht lag es an dem klangvollen Klimpern der Münzen, die er zuvor schon von weitem sichtbar aus seiner Geldbörse geangelt hatte. Die sichtbare Anwesenheit von Geld versprach immer ein dickes Bestechungsgeld, um nicht in eine der verhassten langwierigen Gepäckkontrollen zu geraten. Viele Reisende nahmen diese Gebühr in Kauf und zogen unbehelligt ihres Weges, während Geizkragen unter diversen Vorwänden oft stundenlang aufgehalten wurden.


    "Salve, Reisender." Ferox schaute zu dem Reiter hinauf. "Namen und Anliegen?"


    Alle anwesenden Urbaner wirkten auffällig freundlicher als normal - ein deutlicher Hinweis, dass sie bei diesem Reisenden auf eine privat finanzierte Entlohnung ihrer Mühen hofften. Sie standen allerdings quer über die Straße, so dass der Reiter sein Pferd nicht einfach um sie herum lenken könnte.

  • Sein Pferd schoss leicht hoch und Stilo packte die Zügeln fester an sich und beruhigte sein Pferd. Er sah in die freundlichen Blicke der Urbanen die sich nun auch seitlich an ihn stellten sodass er praktisch fast umzingelt war. Die anderen Reisenden stellten sich dahinter auf und warteten geduldig. Stilo, der die Blicke der Wachen richtig interpretiert hatte wusste dass dies eine Angelegenheit von ein paar Sesterzen sein würde...

    Nun blickte er nach unten und sah auf einen der Wachen herunter - sichtlich beeindruckt von der Uniform der Urbanen.


    "Salve, mein Name ist Sextus Iunius Stilo, Herr" erwiderte Stilo während er versuchte, so freundlich wie möglich zu lächeln. " Ich bin hier um meine Familie zu Besuchen. Dürfte ich fragen in welche Richtung ich müsste um in die Domus der Iunier zu gelangen, Herr?


    Da er sich sicher war, dass er hier ein paar Sesterzen liegen lassen müsste wollte er doch den bestmöglichen Nutzen von der Situation schöpfen und zumindest die Richtung in der er gehen musste erfahren.

  • "Wenn du Rom durchqueren willst, um noch Erledigungen zu machen oder dich umzuschauen, folge der Straße in Richtung Palatin. Wenn du im Zentrum bist, wirst du es an den Gebäuden und an dem Gedränge merken. Frage dich durch zum Forum Romanum. Dort biegst du ein in die Via Flaminia. Du brauchst ihr nur zu folgen. Irgendwann findest du linker Hand die Domus Iunia. Wenn du vor einer Brücke stehst, bist du zu weit. Die Domus Iunia liegt im Nordwesten Roms am Hang des Quirinal - außerhalb der Stadtmauern. Du kannst also auch außen herumgehen, allerdings ist es dann ein Stückchen weiter."


    Vor allem müsste Iunius Stilo in dem Fall kein Bestechungsgeld zahlen, weshalb Ferox für diesen Tipp einen giftigen Blick von Ramnus erhielt. Aber die Gens Iunia erfreute sich nun mal eines geachteten Namens, so wie die Gens Germanica, weshalb Ferox dem jungen Burschen gern ein Stückchen entgegen kam. Vielleicht gab es ja stattdessen Geld für die Auskunft.


    "Und den Herrn kannst du ruhig weglassen, du bist ja kein Sklave."

  • Stilo versuchte sich alles einzuprägen wusste aber bereits dass er sich irgendwann verlaufen würde. Aber er wollte nicht nochmal nachfragen denn ein Blick nach hinten verriet ihm dass die Geduld der Wartenden langsam am schwinden war. Auch merkte er wie ihm vor Scham das Blut hochschoss und seine Backen langsam erröteten. Die Anrede mit dem Herrn musste er sich abgewöhnen, auch wenn dies so in ihm vertieft war.


    "Danke dir" sagte er lächelnd zum den netten Urbanen mit dem er am Sprechen war. "Ich werde durch die Stadt gehen. Es ist mein erstes Mal dass ich hier bin und ich will mir einen groben Überblick verschaffen." Am liebsten wäre er umgedreht und um die Stadtmauer herum geritten - allerdings war es ihm bereits peinlich genug und er wollte nun nicht an der wartenden Menge wieder vorbei.

    Stilo bückte sich vor um etwas leiser zu sprechen und schaute den Urbanen an.

    "Verzeihe mir, ich bin dass erste Mal von zu Hause weg. Darf ich dir..nein, ich muss, ich weiß. Aber sage mir bitte, wie viel Sesterzen darf ich dir für deine Hilfe geben?

    Außerdem möchte ich dies wirklich, da du so nett zu mir bist!" ,sagte Stilo mit einer jugendlichen Naivität.

  • Als dem Jüngling das Blut in die Wangen schoss, musste Ferox schmunzeln. Aber besser, Iunius Stilo erfuhr es von einem Haufen Soldaten am Stadttor als vor irgendeinem, den er von sich beeindrucken wollte. Als er meinte, er müsse die Milites entlohnen, schüttelte Ferox nur grinsend den Kopf.


    "Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Wir sind schließlich keine Wegelagerer, wir sind jene, die Wegelagerer bekämpfen." Dass es in der Realität der römischen Stadttore anders aussah, wusste jeder, aber ein Urbaner würde das niemals aussprechen. "Aber wenn du uns eine Aufwandsentschädigung zuteil kommen lassen möchtest, da wir unser Bestes gegeben haben, dir eine schnelle und sichere Weiterreise zu ermöglichen, wären wir über, sagen wir 75 Sesterze sehr glücklich. Das Geld kommt guten Zwecken zugute."


    Nämlich ihrem ausschweifenden Feierabend in einer Taberna. Jetzt wirkten die Urbaner noch freundlicher als zuvor. Im Endeffekt wurde ja niemand zum Bezahlen gezwungen, manchmal ergab sich lediglich die Notwendigkeit zu aufwändigen Untersuchungen, weshalb sich die Dinge gänzlich ohne Absicht beträchtlich in die Länge ziehen konnten. Aber einen römischen Bürger aus einer angesehenen Gens würden die Urbaner nicht über das gebotene Maß hinaus striezen. Es gab Grenzen, die nicht überschritten werden durften, ohne dass der Vorgesetzte bei einer Beschwerde reagieren musste.


    Abgesehen davon mochte Ferox das Bürschlein irgendwie und wollte es nicht weiter ärgern. Er hielt die Hand auf, während im Hintergrund Tarpa vor sich hin murmelnd das schöne Pferd lobte, dass der Jüngling besäße.

  • Sichtlich unbeholfen grinste Stilo zurück. Ihm war es peinlich und er hoffte sogar, dass er den Urbanen nicht durch seine Aussage beleidigt hatte, schließlich war er so unerfahren und das merkte man ihn wohl an. Die freundliche Art des Urbanen aber beruhigte ihn wieder.


    Er spürte die Blicke der anderen Wachsoldaten und auch die der wartenden, die langsam aber sicher auch ungeduldig wurden - die meisten traten bereits von einem Fuß auf den anderen und fast alle starten Stilo genervt an.


    Sogleich nickte er und holte seine Börse hervor und öffnete diese. Man konnte gut die perfekte Naht am Riemen erkennen, ein Zeichen dafür, dass diese selten benutzt wurde und wahrscheinlich sogar nur für diese Reise gekauft wurde. Klimpernd schaute er sich die Münzen an um einen groben Überblick zu erhalten und stellte erschreckt fest, dass nur noch knapp 80 Sesterzen vorhanden war. Sofort schaute er mit offenen Mund den freundlichen Urbanen an und nahm seinen ganzen Mut zusammen. "Ich weiß, ich hoffe, ich habe dich nicht beleidigt mit meiner Aussage, Verzeihung. ".

    Stilo setze ein schüchternes Lächeln auf und bückte sich wieder nach vorne um ganz nah an den Urbanen zu kommen. "Ich kann 50 Sesterzen erübrigen, wenn ich den Rest den ich noch besitze auch gebe, dann habe ich nichts mehr übrig."


    Stilo regte sich innerlich auf da sein Vater ihn ermahnt hatte sparsam mit dem Geld umzugehen. Sofort dachte er an die feuchtfröhlichen Abende in den zahlreichen Tavernen auf der Via Appia und der Via Popilia. Die Händlergruppe die ihn begleitet hatte bestellten immer den besten Wein und davon gleich mehrere Krüge und jedes Mal, wenn der Wirt die Sesterzen sehen wollten zeigten alle auf Stilo, der natürlich ebenfalls seine komplette Vernunft mit dem besten Falerner runtergespült hatte. Und genauso wusste Stilo, dass auch dieses Mal sein Geld für Wein dahinschwinden würde, denn im Endeffekt drehte sich doch alles nur ums Vergnügen.

    Wahrscheinlich musste er auch heute nichts zahlen, aber eine Sache war es sich zu Hause wo er alle kannte durchzusetzen, eine vollkommene andere Sache war es hier, vor dem Stadttor der größten Stadt der bekannten Welt. Aber die freundliche Art des Urbanen ließ ihn keine andere Option übrig - es war einfach schwer zu verstehen für Stilo.

    Voller Hoffnung schaute er den Urbanen an und wieder kam sein schüchternes Lächeln zum Vorschein.

    Mit einer sanften Bewegung fing er an, die Münzen zusammenzuzählen und war bereit, sie in die offene Hand des Urbanen zu legen sobald die Zustimmung dazu kam.

  • Das Lächeln des Urbaners verrutschte bei der Rechnung des Burschen. Typisch. Diejenigen, die sich eine dicke Bestechung aufgrund offensichtlichen Wohlstands leisten konnten, drohten beim kleinsten Fingerzeig auf das Gepäck lautstark mit irgendwelchen einflussreichen Verwandten. Und diejenigen, die bereit waren zu zahlen, besaßen zu wenig, als dass es sich lohnen würde. Die Urbaner hatten es nicht leicht in diesen Tagen. Und was für zarte Hände dieser Bursche hatte, wie er da mit spitzen Fingern in seinen Münzen herum pickte. Gepaart mit einer offensichtlich harmoniebedürftigen Art könnte er schnell an den Falschen geraten.


    "Halte dich an den von mir beschriebenen Weg", mahnte Ferox. "Er ist sicher. Lass dich vor allen Dingen nicht ohne Begleitung nach Sonnenuntergang in die Subura locken. Und nein, du hast nicht mich beleidigt, sondern dich selber. Das hat ein Spross deines Hauses nicht verdient."


    Ferox zog seine Hand wieder ein und stemmte sie in die Hüften. Einem armen Schlucker das letzte Geld zu nehmen kam nicht in Frage. Dafür war er nicht Urbaner geworden, da waren er und die anderen sich einig. Es würde sich ein anderer finden, der ihnen den Feierabend finanzierte, einen reichen Schnösel, dem das bisschen Bestechungsgeld nicht weh tat.


    Mit dem Kopf wies er in Richtung des Tores. "Gute Reise. Jetzt hau schon ab."

  • Sichtlich irritiert von dem zurückziehen der Hand des Urbanen schaute Stilo in den anderen Gesichter der Wachhabenden die sich allmählich umdrehten und schon die nächsten wartenden bemusterten - wahrscheinlich in der Hoffnung ein profitableres Geschäft abzuschließen. Dennoch wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Er hörte die Wörter des Urbanen genau an und merkte sofort, dass dieser wirklich nur das beste für ihn wollte. Er fixierte sein Blick freundlich und meinte "Danke, ich werde deinen Rat befolgen und ich verspreche bei den Göttern ich werde dies niemals vergessen und mich dir erkenntlich zeigen"


    Er kramte nochmals in seiner Börse rum bis er fünfzig Sesterzen zusammen hatte und streckte Sie dennoch dem netten Soldaten hin.

    "Bitte, es wäre eine Beleidigung mir gegenüber wenn du dies nicht annimmst. Du hast mir sehr geholfen und ich weiß sowas zu schätzen" sagte er voller Überzeugungen und war zufrieden und bereit, anschließend seines Weges zu gehen.


  • Ferox wollte das Geld von sich weisen und fuchtelte schon abwehrend, doch die schinkengroße Faust von Ramnus schob sich über seine Schulter und schloss sich gierig um die Münzen. Das Klimpern wurde begleitet von einem zufriedenen Grunzen, als sie auf Nimmerwiedersehen im Geldbeutel des riesigen Urbaners verschwanden. Für irgendwelches gutherziges Getue hatte er kein Verständnis. Um seinen Kameraden nicht bloßzustellen, konnte Ferox keinen Einspruch erheben und tat jetzt, als sei schon alles so in seinem Sinne. Er beschloss jedoch, sich im Gegenzug das Gesicht und den Namen des Iuniers zu merken und ihm zur Seite zu stehen, sollte er jemals Hilfe brauchen. So sah er ihn fest an, als er sagte:


    "Danke für die Spende, Iunius Stilo. Unsere Arbeit wird viel zu selten gewertschätzt. Du weißt, worauf es im Leben ankommt, und dass Ordnung und Sicherheit auf den Straßen nicht selbstverständlich sind. Dafür ist die Gens Iunia bekannt - ich habe ein paar Jahre lang mit einem Iunius Scato gemeinsam gedient und muss es wissen. Also dann, ich wünsche eine gute Weiterreise."

  • Als das Geld verschwand musste Silo unwillkürlich lachen, denn damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Aber sei es drum, er fühlte sich bekräftigt und wusste dass es das richtige war. Er hoffte, dass alle Wachhabenden vom gleichen Schlag waren und auch so ein ausgeprägten Sinn für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit in sich trugen - und nicht nur im Gedanken bei der nächsten Taverne oder beim warmen schoß einer Dame waren. Dies war schließlich auch der Grund warum er hier war, er wollte die gleichen Werte vertreten wenn er sich bei einer Legion melden würde.

    Er schwor sich, an dem Tag hier vorbei zu kommen und falls der Urbane Dienst hatte, sein Versprechen gut zu machen und ihm etwas zu schenken.


    "Eure Arbeit wird geschätzt, von mir zumindest. Weißt du, ich will später ebenfalls dienen, bei den Legionen denke ich. Und trotzdem hatte ich heute eine wertvolle Lektion erhalten. Die erste um genau zu sein. Dafür möchte ich dir danken. Iunius Scato sagst du? Mein Vater hat mir viel über ihn erzählt aber ich habe ihn noch nicht persönlich kennengelernt. Sobald ich ihn kennenlernen werde, berichte ich ihn von dir. "


    Stilo nickte zufrieden und richtete sein Blick nun in Richtung des Stadttores. Selbstverständlich hatte er die Wegbeschreibung vergessen aber das war vollkommen egal. Er war dort wo er sein wollte und konnte schon ein Blick auf das Getöse in der Stadt erhaschen. Händler die in jede Richtung wanderten und ihre Waren vor dem Tor anpreisten. Er gab seinen Pferd mit der flachen Hand einen sanften Klatscher auf die Hüfte und sein Ross begann allmählich sich nach vorne zu bewegen. Noch einmal drehte er sein Kopf den Urbanen zu, die nun aber mittlerweile wieder Ihre Beschäftigung nachgingen. "Ich bin bereit Vater - leben heißt kämpfen" flüsterte Stilo vor sich hin und passierte das Stadttor. "Ich bin bereit..."

  • Der Weg von der Nekropole an der Via Appia zum nächsten Stadttor war nicht weit. Irgendwann, mit den Füßen tastend, näherte Python sich mit dem reglosen Körper von Titus über den Schultern dem Stadttor. "Hilfe", rief er. "Ich brauche Hilfe!"

  • Ferox war nicht am Tor, da er sich zu jener Zeit in der Castra Praetoria dem Archiv der Fallakten widmete. Dafür schoben Ramnus und Pullus gerade mit ihren übrigen Kameraden Wachdienst. Als jemand, der einen schlaffen Körper trug, um Hilfe schrie, hob Ramnus zunächst nur müde eine Braue. Kranke Zivilisten zu versorgen fiel nun wirklich nicht in ihren Aufgabenbereich. Trotzdem bequemte er sich ein paar Schritte nach vorn, um sich dem schreienden Mann zu widmen.


    "Salve. Der nächste Medicus ist gleich die Straße runter und dann links." Er fand nicht, dass die um Hilfe rufende Gestalt so aussah, als könne sie sich die Dienste eines Arztes leisten, aber er vertrat die Auffassung, dass an dieser Stelle seine Pflichten als Soldat endeten - auch, wenn der schlaffe Patient der Kleidung nach wohl ein römischer Bürger war. Man konnte sich schließlich nicht um alles Elend der Welt kümmern, selbst wenn Ramnus gewollt hätte. Er hatte seine Befehle, wie er zufrieden feststellte.

  • "Dieser Mann lag schwerverletzt beim Gräberfeld! Oder vielleicht ist er sogar tot! Er gehört nicht zu mir, was soll ich denn jetzt tun? Ich kann ihn doch nicht liegen lassen, aber mitnehmen geht auch nicht!" Nach kurzem Zögern fügte Python hinzu: "Ich kann nicht gut sehen, aber was ist, wenn das zufällig eine wichtige Persönlichkeit wäre?"

  • Ramnus glaubte nicht daran, denn wie hoch war die Wahrscheinlichkeit dafür? Dennoch bequemte er sich, einen näheren Blick auf das zu werfen, was der vernarbte Mann da schleppte. "Den Medicus kannst du dir sparen", sagte er ruhiger und sanfter als man es sonst von ihm kannte. Er winkte seine Kameraden heran, um dem Unglücklichen seine traurige Last abzunehmen. Ein Senator oder dergleichen war es zum Glück nicht. Der wäre auch kaum mutterseelenallein vor der Stadtmauer herumgeschlendert. Auf den ersten Blick konnte Ramnus keine Hinweise auf einen gewaltsamen Tod erkennen, aber er war kein Fachmann.


    "Nimm es nicht schwer. In einer Stadt wie Rom sterben täglich hunderte Leute, vielleicht sogar tausende. Auch bei jungen Leuten bleibt manchmal einfach das Herz stehen, besonders bei einer Hitze wie dieser. Wir kümmern uns um alles Weitere. Es gibt öffentliche Bestattungsvereine. Falls sich niemand melden sollte, der diesen Toten sucht, wird er trotzdem ein angemessenes Begräbnis erhalten. Wir nehmen noch deine Personalien auf und bitten um eine kurze Beschreibung, wo du den Toten gefunden hast, und dann kannst du gehen." Er blickte zu Pullus. "Übernimmst du?"


    "Mach ich." Pullus blickte den vernarbten Mann an. Es gab zu wenig Leute, die halfen, wenn sie eine hilflose Person im Grase liegen sahen. So tat es ihm etwas leid, dass Ramnus so grob reagiert hatte, auch wenn er im Grunde recht hatte. So sagte er bewusst freundlich: "Es dauert nicht lange. Komm." Er gab den Weg in die Wachstube vor.

  • Wohin auch immer der Soldat ihn führen mochte, Python würde folgen. Er fragte sich, ob die Cohortes Urbanae ihn zum Opferlamm erklären würden, wo er doch so praktisch mit einem Toten vorbeispaziert kam, doch was hätten sie davon? Aus eigener Erfahrung wusste er, dass die Ordnungshüter sich kaum um die alltägliche Verbrechensbekämpfung kümmerten, die vielmehr Privatsache war. Vielleicht war der Tote ja unwichtig genug, es dabei bewenden zu lassen?

  • Die Urbaner nahmen dem Mann den Leichnam ab und trugen ihn in den Krankenraum. Entgegen aller Hoffnungen untersuchte ein Capsarius den reglosen Körper, um festzustellen, ob er tatsächlich das Reich der Lebenden verlassen hatte. Leider bestätigte sich, dass hier nichts mehr zu machen war, denn die Halswirbelsäule war vollständig gebrochen. Eine blutende Platzwunde am Kopf und einige kleine Schürfwunden an den Gelenken ließen einen schweren Sturz vermuten. So wurde der Abtransport geregelt.


    Für zwei Tage würde man den Toten bei den Cohortes Urbanae lagern, falls sich doch noch Hinweise auf ein Verbrechen ergaben oder jemand Anspruch auf den Leichnam erhob. Wäre dies nicht der Fall, würde sich einer der Bestattungsvereine des Toten annehmen und nichts als ein Eintrag in die Akten an ihn erinnern.


    Python aber wurde in die Castra Praetoria geleitet.

  • Alte, neue Welt


    Die Räder der Kutsche klapperten über die Via Appia auf Roms Stadtmauern zu, während die über Fusca hereinbrechenden Sinneseindrücke mit jedem zurückgelegten Meter an Intensität zunahmen. Wo vormals, in den Weiten der italischen Landen, nur das Schnaufen der Pferde und der enervierende Klang von Metall auf Stein zu hören gewesen war - unterbrochen vom seltenen Schnalzen einer Peitsche -, füllten nun verschiedenste Sprachen, schwere wie leichte Schritte und die Klänge des Lebens die Luft; - vom Schreien der Kinder bis zum Streit der Unversöhnlichen. Fusca schob mit zwei Fingern den Vorhang am Fenster zur Seite, schuf eine ausreichend große Öffnung und schürzte die Lippen, als sie in der späten Abendsonne die sieben Hügel des römischen Herzens erblickte. Es lag viele Jahre zurück, seit sie Rom auf Geheiß ihres Vaters hin hatte verlassen müssen, um in Griechenland ihr Leben zu bestreiten. Weit abseits von ...


    Abrupt wurden Fuscas Gedanken unterbrochen, als eine feingliedrige Hand in den Vorhang griff und ihn zur Seite riss. "Wir sind da, Domina!" Das weich gezeichnete, sonnengebräunte Gesicht Ralloús, ihrer persönlichen Sklavin, starrte Fusca aufgeregt entgegen. Als diese vor Schreck auf der Bank beinahe hintenüber fiel, wandelte sich die Aufregung der Sklavin jedoch in Entsetzen. "Verzeiht mir, Domina! Das ..." Fusca schnaubte unwillig und richtete sich wieder auf, zupfte an ihrer Stola und warf Ralloú einen zornigen Blick zu. "Wie wäre es mit Klopfen?" Die junge Sklavin, die sich auf das Trittbrett der Kutsche geschwungen hatte, nickte betreten. "Ja, ich weiß, dass wir am Ziel sind", fügte Fusca schließlich in ruhigerem Tonfall hinzu. Zwei Monate. So lange hatte die Reise nach Rom gedauert. Eine Zeit der Strapazen und auch Unsicherheiten. Nun aber konnte sie beginnen, die Stadt - und mit ihr ein Imperium - zu erobern.

    Das Stadttor wuchs in die Höhe empor und seine Ausmaße wurden umso beeindruckender, als die Kutsche in den langen Schatten des massiven Steinbaus eintrat. Seine Geschwindigkeit hatte das Gefährt nun, umringt von so vielen kommenden und gehenden Menschen, deutlich reduziert. Fusca klopfte ihr Herz bis zum Hals, denn was sie sich vormals nur ausgemalt hatte, wurde nun Wirklichkeit. Da rief eine befehlsgewohnte Stimme plötzlich: "Halt!"

  • Diese Stimme gehörte zu Ferox. Während die anderen der Kutsche den Weg versperrten, begab er sich zur Einstiegsöffnung. "Salve!", grüßte er freundlich, denn er war ein netter Urbaner, so lange man ihm nicht dumm kam. "Name der Reisenden und Grund der Einreise? Werden mit dem Gepäck auch Waren eingeführt?"

  • Der Kutscher, ein Mann mit schütterem, grauen Haar, der seinem Lebensende näher war als seiner Geburt, beäugte die Soldaten misstrauisch und folgte Nero Germanicus Ferox mit reserviertem Blick, gab jedoch keinen Laut von sich; - was nicht weiter verwunderlich war, fehlt ihm als Folge jugendlicher Missetaten doch die Zunge. Der Reiseunternehmer aus Brundisium hatte Fusca über diesen Umstand aufgeklärt, ihr jedoch nicht verraten, welchen Vergehens der Mann sich einst schuldig gemacht hatte. Seinen Beschwörungen, der Kutscher sei die Zuverlässigkeit in Person, hatte Fusca - auch aus Ungeduld - letztlich Glauben geschenkt. Und dies bis hierhin nicht bereut.


    "Meine Herrin ist ...", weiter kam Ralloú nicht, denn in jenem Moment öffnete sich begleitet vom Knarzen der Scharniere die Kutschentür. "... Seia Fusca", beendete Fusca den Satz der Sklavin und setzte ihren Fuß auf die Straße. Ihre haselnussbraunen Augen hielt sie dabei unentwegt auf Ferox gerichtet, den Kopf leicht zur Seite geneigt, während ein freundliches Lächeln ihre Lippen umspielte. Fusca betrachtete den Mann, strich von seinem Hals abwärts über seine Arme und seine Brust, eine Musterung, die kaum einen Atemzug andauerte und doch unübersehbar war. Dann wandte sie sich seinem Gesicht zu. "Mein Weg führt mich von Griechenland zurück in meine Heimatstadt und mein Ziel ist die Domus Iunia." Fusca deutete mit ausgestreckter Hand auf die Truhe, die rückwärtig an der Kutsche befestigt war. "Nur meine persönliche Habe, keine Waren. Das heißt, soweit Geschenke für die Familie hiervon ausgenommen sind."

  • Ramnus kontrollierte kurz die Kutsche von allen Seiten, blickte auch in sie hinein und unter sie. Er betrachtete die Gesichter aller Reisenden, doch es war niemand unter ihnen, der gesucht war oder verdächtig wirkte. Ramnus gab Ferox ein Zeichen, dass alles in Ordnung sei.


    Ferox musste sich während der Wartezeit die ungenierten Blicke der jungen Dame gefallen lassen. Einen Moment fragte er sich, ob seine Rüstung dreckig war. Das schäbige Grinsen von Asper im Hintergrund ließ Ferox dämmern, dass noch andere Assoziationen im Raum standen. Natürlich, sie war eine Seia ... mit einem Anflug von Verzweiflung dachte Ferox an den gleichnamigen Prätorianer, mit dem er viel zu oft zusammenarbeiten musste, und den er als manipulative Spielernatur erlebt hatte. Der schaute einen genau so an. Das dichte schwarze Haar, die braunen Augen ... mit Sicherheit war Seia Fusca mit ihm nicht nur weitläufig verwandt.


    "Geschenke sind kein Problem. Bei Tag dürfen Karren und Gefährte zwar nicht in die Stadt einreisen, aber du hast Glück, die Sonne geht gerade unter. Ihr seid das erste Gefährt und werdet noch gut durchkommen, wenn ihr nicht trödelt. Grüße an Seius Stilo von Germanicus Ferox", sagte er mit einem schmalen Lächeln.


    Vor der Kutsche öffneten die Urbaniciani das Stadttor von Rom. Diejenigen, welche der Kutsche den Weg versperrt hatten, traten zur Seite. Vor lauter Verwirrung vergaß Ferox, auf eine Bestechung hinzuarbeiten und ließ die Kutsche trotz des offensichtlichen Wohlstands der Seia Fusca einfach so passieren. Asper, der Kamerad, der eben noch schäbig gegrinst hatte, zog einen Flunsch.

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