Jetzt tat sie genau das, was Straton an Frauen am ehesten abgestellt hätte, wäre er ein Schöpfergott gewesen - Tränen waren einfach ungerecht, denn sie nahmen einem Mann grundsätzlich die Möglichkeit, hart und direkt zu sein. Es war wohl naturgegeben, bei Tränen immer sofort auch mit einer Regung des Mitleids kämpfen zu müssen, und auch wenn Straton seine Gefühle normalerweise gut im Griff hatte, so war es doch die verhängnisvolle Kombination zwischen Bridhes Tränen und dem Thema, dass es ihm dieses Mal nicht ohne weiteres möglich war, dies alles zu ignorieren. Innerlich seufzend trat er weiter auf sie zu und setzte sich auf die Kante des Betts, in welchem sie lag, um ihr dann ein Taschentuch zu reichen.
"Ich kenne dieses Gefühl, Bridhe, und doch, ich lebe weiter, ein bisschen erfahrener als zuvor. Irgendwann verliebt sich wohl jeder Mensch einmal in einen anderen, und wird enttäuscht oder unglücklich, und man beginnt, das eigene Leben und den Sinn desselben in Frage zu stellen. Aber willst Du wirklich einem Mann nachtrauern, der Dich schlägt? Der anscheinend nichts mehr von Dir wissen will? Natürlich tut es weh und das wird es noch eine ganze Weile tun, aber das Leben an sich besteht doch aus mehr als aus einem einzigen anderen Menschen. Ich würde vermuten, es gibt in diesem Haushalt nicht nur einen, der Dich vermissen würde, wenn Du Dich tötest, sondern mehrere."
Natürlich würde sie das nicht unbedingt trösten, aber es musste auch einmal gesagt werden. "Was siehst Du als Sinn des Lebens, Bridhe? ICh kenne unseren Herrn, und er ist selten wirklich ungerecht. Vielleicht in vielem sogar viel zu geduldig und nachsichtig, und ich glaube kaum, dass er Dich ewig als Sklavin besitzen wird wollen. Ich rate Dir, mache etwas aus Deinen Talenten, lerne die Dinge, die Dir später nützen können, Du hast durch diese Sklavenschaft auf Deine Lebenszeit einen reichen Mann gewonnen, der beginnt, auch mächtig zu werden, der Dich stets unterstützen wird, auch wenn Du freigelassen sein solltest - und jeder Sklave kann sich auch freikaufen, wenn der Herr damit einverstanden ist. Du solltest ihn, wenn Du als Sklavin so unglücklich bist, danach fragen, ob er damit einverstanden wäre. Warum versuchst Du nicht mit einem Instrument die Meisterschaft zu erstreben? Künstler sind in Rom gefragt, vorallem bei so vielen patrizischen Haushalten, und damit könntest Du sehr wohl Geld verdienen." Warum diese jungen Leute immer so bereitwillig vor Wände rannten, das würde Straton nie verstehen. Wo war das Geschick geblieben, sich selbst aus den Tiefen des Lebens zu ziehen, wieder neu zu beginnen, alle sich bietenden Chancen zu nutzen? Zu viele waren eher selbstmitleidig.