Cubiculum | Caius Flavius Aquilius

  • Jetzt tat sie genau das, was Straton an Frauen am ehesten abgestellt hätte, wäre er ein Schöpfergott gewesen - Tränen waren einfach ungerecht, denn sie nahmen einem Mann grundsätzlich die Möglichkeit, hart und direkt zu sein. Es war wohl naturgegeben, bei Tränen immer sofort auch mit einer Regung des Mitleids kämpfen zu müssen, und auch wenn Straton seine Gefühle normalerweise gut im Griff hatte, so war es doch die verhängnisvolle Kombination zwischen Bridhes Tränen und dem Thema, dass es ihm dieses Mal nicht ohne weiteres möglich war, dies alles zu ignorieren. Innerlich seufzend trat er weiter auf sie zu und setzte sich auf die Kante des Betts, in welchem sie lag, um ihr dann ein Taschentuch zu reichen.
    "Ich kenne dieses Gefühl, Bridhe, und doch, ich lebe weiter, ein bisschen erfahrener als zuvor. Irgendwann verliebt sich wohl jeder Mensch einmal in einen anderen, und wird enttäuscht oder unglücklich, und man beginnt, das eigene Leben und den Sinn desselben in Frage zu stellen. Aber willst Du wirklich einem Mann nachtrauern, der Dich schlägt? Der anscheinend nichts mehr von Dir wissen will? Natürlich tut es weh und das wird es noch eine ganze Weile tun, aber das Leben an sich besteht doch aus mehr als aus einem einzigen anderen Menschen. Ich würde vermuten, es gibt in diesem Haushalt nicht nur einen, der Dich vermissen würde, wenn Du Dich tötest, sondern mehrere."


    Natürlich würde sie das nicht unbedingt trösten, aber es musste auch einmal gesagt werden. "Was siehst Du als Sinn des Lebens, Bridhe? ICh kenne unseren Herrn, und er ist selten wirklich ungerecht. Vielleicht in vielem sogar viel zu geduldig und nachsichtig, und ich glaube kaum, dass er Dich ewig als Sklavin besitzen wird wollen. Ich rate Dir, mache etwas aus Deinen Talenten, lerne die Dinge, die Dir später nützen können, Du hast durch diese Sklavenschaft auf Deine Lebenszeit einen reichen Mann gewonnen, der beginnt, auch mächtig zu werden, der Dich stets unterstützen wird, auch wenn Du freigelassen sein solltest - und jeder Sklave kann sich auch freikaufen, wenn der Herr damit einverstanden ist. Du solltest ihn, wenn Du als Sklavin so unglücklich bist, danach fragen, ob er damit einverstanden wäre. Warum versuchst Du nicht mit einem Instrument die Meisterschaft zu erstreben? Künstler sind in Rom gefragt, vorallem bei so vielen patrizischen Haushalten, und damit könntest Du sehr wohl Geld verdienen." Warum diese jungen Leute immer so bereitwillig vor Wände rannten, das würde Straton nie verstehen. Wo war das Geschick geblieben, sich selbst aus den Tiefen des Lebens zu ziehen, wieder neu zu beginnen, alle sich bietenden Chancen zu nutzen? Zu viele waren eher selbstmitleidig.

  • Plötzlich saß er auf der Kante des Bettes neben mir und reichte mir ein Taschentuch. Ich trocknete meine Tränen damit und dann geschah das, was ich noch vor wenigen Minuten für unmöglich gehalten hatte. Straton zeigte Verständnis. So, er kannte also auch dieses Gefühl! Kaum zu glauben! Doch seinen Worten konnte ich auch entnehmen, dass er nicht wirklich verstanden hatte, warum ich es getan hatte. Wie sollte er auch! Denn Severus dunkles Geheimnis hatte ich bislang nur Luca anvertraut, als ich im balneum gelegen hatte.


    Es ist alles meine Schuld, weswegen er das getan hat! Ich habe ihn betrogen und was noch viel schlimmer ist, wegen mir hat er… er hat… Nein, ich traute mich nicht, es noch einmal auszusprechen. Alleine der Gedanke, dass Severus einen Menschen getötet hatte, um damit an Geld für den Halsreif heranzukommen, ließ mich immer wieder erschaudern. Ich war der Grund dafür gewesen, warum ein Mensch sein Leben lassen musste. Wer sollte mich denn vermissen? fragte ich mit ruhiger Stimme. So etwas Ähnliches hatte auch Luca gesagt. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, wirklich vermisst zu werden. Was war ich denn schon? Wer war ich denn schon? Die einzigen die mich vermissen, sind meine Geschwister und mein Vater. Für sie bin ich schon tot, antwortete ich selbst auf meine Frage. Seine Frage nach meinem Sinn des Lebens rüttelte mich wieder auf. Was war der Sinn des Lebens? Früher hätteich sofort darauf antworten können! Doch jetzt hatte sich alles verändert. Für mich bestand der Sinn des Lebens, eines Tages einen Mann kennenzulernen, der mich liebt und mit dem ich eine Familie gründen kann. Kinder zu haben, die ich mit viel Liebe und nach den Traditionen meines Volkes großziehe. Zusehen, wie sie wachsen und gedeihen. Ein friedliches und zufriedenes Leben leben. Das war es, was mir einst bestimmt war. Ich wandte meinen Blick von Straton ab. Er sollte nicht sehen, was in jenem Augenblick in mir vorging. Doch er redete und redete immer weiter. Ich sollte meine Talente nutzen, dann konnte ich mich freikaufen. Freikaufen? Wie soll das gehen? Ich dachte, das Geld, welches ich verdiene, gehört sowieso ihm! Ist es nicht so? Und dann, wenn ich tatsächlich wieder frei sein sollte, kann ich dann wieder zurück? Das alles war so schwer zu glauben. Ich erinnerte mich an seine Worte, als ich mich mit ihm in Aquilius Arbeitszimmer unterhalten hatte. Da hatte er mir jegliche Illusion genommen, bald wieder frei zu sein. Was sollte ich denn jetzt glauben? Alles war so verworren! Diese eigenartigen Gesetze und Bestimmungen, die es gab, um jemanden wie mir, das Leben schwer zu machen. Das würde ich nie so recht verstehen.

  • "Nun ... es gibt durchaus auch in diesem Haus Menschen, denen Du etwas bedeutest. Überlege, wo Du liegst - das ist das Bett des Herrn, nicht das Deine, und auch wenn Du hier bisweilen liegst, ist es doch sein Vorrecht, Dich zu jeder Zeit hinauszuwerfen, wenn ihm danach sein sollte. Tut er das? Nein. Heute nacht hat er auf seinem Reisebett im Arbeitszimmer geschlafen, damit Du in Ruhe gesund werden kannst. So etwas tut man nicht bei einem Menschen, der einem vollkommen egal ist. Auch der junge dominus Lucanus scheint Dich zu mögen - und glaubst Du wirklich, dass Dich sonst kein Mensch auf dieser Welt leiden kann? Gibt es keine anderen Sklavinnen, die Dir Freund sind? Keine anderen Menschen, deren Gesellschaft Dir angenehm ist?" Er betrachtete die verzweifelte junge Frau von der Seite und kam wieder zu dem Schluss, dass sie wohl noch weit davon entfernt war, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen - aber das wurde gemeinhin von Sklaven auch nicht erwartet. Auch unter den freien Bürgern Roms hatte Straton wenig genug kennengelernt, die bereit gewesen wären, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und selbst zu denken, wie sollte dieser Wille also einer Sklavin erwachsen, die stets dazu gezwungen war zu gehorchen?


    "Eine Familie gründen kannst Du überall, und mit einem Mann leben sicherlich auch - was immer zwischen Dir und Severus geschehen ist, es sollte Dir doch auch Stoff zum Nachdenken geben, dass er Dich offensichtlich so sehr verletzt hat, dass man es heute noch sieht. Ist das wirklich die erfüllte Liebe, wenn Du Schläge befürchten musst, sobald Du einen Fehler begehst? Ich wage das zu bezweifeln." Nun kam wieder die übliche, nüchterne Überlegung bei ihm durch, und Straton führte seine Gedanken in derselben rationalen Art und Weise fort, die er so oft bemühte, wenn es darum ging, Verworrenes zu ordnen.
    "Was das Freikaufen angeht - nun, es ist nicht alltäglich, aber es ist doch auch ein Weg, der sich Sklaven eröffnet, die das Vertrauen ihres Herrn besitzen. Letztendlich muss jeder Herr an seinen Namen denken, den ein freigelassener Sklave tragen wird, und das ist im Fall unseres Herrn der einer Familie von römischen Kaisern. Du kannst, wenn Dein Herr damit einverstanden ist, versuchen, Dich freizukaufen, indem Du eigenes Geld verdienst - man vereinbart üblicherweise einen Preis, und der Sklave erhält die Möglichkeit, an vorher bestimmten Tagen auf eigene Rechnung zu arbeiten oder Dinge herzustellen, die er auf eigene Rechnung verkaufen kann. Faktisch geht das Geld an den Herrn, der den Sklaven dann freilässt, wenn der vereinbarte Betrag erreicht ist. Man kann natürlich auch insgeheim sparen, aber das bringt meist mehr Ärger als Nutzen."

  • Natürlich war mir bewusst, wo ich lag. Hatte ich mich doch mit letzter Kraft am Abend zuvor hierher begeben. Und dass ich heute Morgen hier alleine erwacht war, hatte mich auch nicht im Mindesten überrascht. Etwas überrascht war ich allerdings, als Straton mir erläuterte, wo Aquilius den Rest der Nacht verbracht hatte.
    Ich wollte dem etwas entgegensetzten, doch irgendwie fehlten mir in diesem Augenblick die Worte. Nein, nicht die Anderen waren dafür verantwortlich, dass ich mich nun alleine und verlassen fühlte.


    Ich muss leider gestehen, dass ich nach all der Zeit, die ich jetzt schon hier bin, niemanden so recht kenne.

    Das war wirklich das vernichtende Fazit, das ich nun ziehen musste. Während ich mit Severus zusammen war, hatte ich kaum Augen für die anderen Sklaven. Eine richtige Freundin unter den Sklavinnen hatte ich nicht wirklich. Zu sehr hatte ich mich an Severus gehalten und hatte unbewusst seine Meinung über die Anderen mit übernommen. Ich weiß nicht mehr, was ich noch denken soll!


    Er hat mich doch geliebt! Er hat sogar… Straton er hat sogar etwas ganz furchtbares begangen, nur um mir diesen Schmuck zu schenken. Das habe ich jetzt herausgefunden. Und wenn diese Tat ans Licht kommt, ist Severus verloren! Als ich ihn gestern am frühen Morgen angetroffen hatte, war er blutverschmiert und auch verletzt!


    Ich hatte wieder dieses Bild vor Augen. Das viele Blut überall und seine Wunde, die ich notdürftig versorgen wollte. Das machte mich immer noch fassungslos. Erst als Straton mir zu erklären versuchte, was es tatsächlich mit dem Freikaufen auf sich hatte, riss ich mich wieder von meinen Gedanken los und hörte ihm aufmerksam zu. Ich fragte mich nur, warum Aquilius mir eine solche Option nie gestellt hatte. Vielleicht sollte ich ihn wirklich danach fragen.


    Wie lange kann so etwas dauern? Ich weiß nicht, was er für mich bezahlt hat.


    An jenen Tag auf dem Sklavenmarkt erinnerte ich mich nur ungern zurück. Außerdem war ich zu jenem Zeitpunkt der Sprache so gut wie nicht mächtig. Ich erinnerte mich nur an die Gestik der Menschen, die vor dem Podest standen und mich angafften und an den Schlag in mein Gesicht, den ich bekommen hatte, nachdem ich zu fliehen versucht hatte.

  • Still betrachtete der Grieche die junge Frau und überlegte sich, wie es ihm wohl ergangen wäre, wäre er nicht als Sklave aufgewachsen, hätte er nicht die Gelegenheit gehabt, seine Bildung schon im frühesten Kindesalter zu erweitern und all jene Kenntnisse zu erwerben, die ihm nun im täglichen Tun hilfreich waren. Wäre er irgendwann an derselben Gabelung angelangt, an der Bridhe nun zu stehen schien, ohne das Wissen, wie es weitergehen sollte? Kamen alle 'gefangenen' Sklaven unzweifelhaft an jene Gabelung? Die wenigsten Sklaven aus dem Haushalt der Eltern seines Herrn waren zuvor frei gewesen, und so fehlten ihm da die Vergleichsmöglichkeiten, ausfsässige Sklaven waren recht schnell auf einem der flavischen Landgüter gelandet, um die Herren nicht zu verärgern. Wahrscheinlich wäre es Bridhe in absehbarer Zeit nicht anders ergangen, je weiter der Einfluss Severus' gereicht hätte.
    "Hast Du Dir die Mühe gemacht, außer Severus jemanden ernsthaft kennenzulernen? Letztendlich ist die Liebe flüchtig, aber ohne Freundschaften wirst Du in einem großen Haushalt wie diesem nicht überleben können." Wer allein stand, wurde deutlich schneller zu unangenehmen Arbeiten eingeteilt, hatte niemandem, der ihm helfen konnte ... es war letztendlich ein stetiger Zirkel des Seins.


    Den Kopf schieflegend, lauschte Straton den Worten der jungen Frau, um dann sinnierend zu antworten. "Solange seine Tat nicht auf den Herrn zurückfallen kann, wird ihm daraus wohl kein Nachteil erwachsen - aber was hast Du erwartet? Er war wohl Krieger in seiner Vergangenheit, wenn ein Mann nichts anderes gelernt hat, wird er auch weiterhin kämpfen, um Geld zu verdienen - und das hat er ja offensichtlich dann für Deinen Schmuck ausgegeben. Bisher hat sich kein Fremder hier gemeldet, um ihn anzuklagen, ich denke, es wird auch nicht mehr passieren, so kannst Du einstweilen beruhigt sein, Bridhe," sprach der Grieche nachdenklich und durchaus nicht überrascht. Die Information über Severus, die er ohnehin im Hinterkopf behalten hatte, erweiterte er um die neuen Stichpunkte und wandte sich dem nächsten Themenpunkt zu. "Das kann ich Dir genau sagen. Dreitausendfünfhundert Sesterzen, was für eine ungebildete Sklavin wie Dich sehr viel Geld ist. Normalerweise wäre Dein Preis wohl zwischen fünfhundert und tausend Sesterzen angemessen gewesen."

  • Kopfschüttelnd musste ich seine Frage beantworten. Echte Freundschaften waren aus meinen Begegnungen mit den anderen Sklaven nicht erwachsen. Man sprach das nötigste und ging einigermaßen freundlich miteinander um, sofern man sich sympathisch war. Natürlich gab es unter den Sklaven auch diejenigen, die einem gegenüber von Anfang an eher feindselig eingestellt waren. Doch größtenteils war es Severus Einfluß gewesen, der mich immer zurückgehalten hatte, sie näher kennenzulernen. Cungha war die einzige, die wirklich freundlich zu mir war. Doch das lag daran, dass Cungha einfach zu jedem freundlich war.


    Nein, das habe ich nicht! Ich habe nur Cungha und dich!


    Wobei ich mich manchmal wirklich fragte, ob Straton jemals mein Freund sein wollte. In Zukunft müßte ich neue Kontakte knüpfen und diese auch pflegen. Ich müßte einen Neuanfang wagen, auch wenn dies vielleicht schwierig wäre. Früher hatte ich eigentlich wenig Probleme damit gehabt, auf fremde Menschen zuzugehen. Mit etwas gutem Willen, müßte ich es doch auch jetzt wieder schaffen.


    Erst als Straton wiederüber die Folgen von Severus´ Bluttat sprach, trafen sich unsere Augen wieder. Solange sich niemand melden würde! Nun, noch war nicht allzuviel Zeit vergangen, seitdem Severus seine Tat begangen hatte. Er hatte auch etwas davon gesagt, der Kerl hätte es verdient, zu sterben. Doch all das änderte nichts für mich. Meine Angst und mein Schuldgefühl bleib und es würde mich sicherlich auch noch eine ganze Weile begleiten. Auch wenn Straton mich jetzt beruhigen wollte, schaute ich ihn trotzdem sorgenvoll an.
    Als er mir jedoch die Summe nannte, die Aqulius für mich bezahlt hatte, wich die Sorge aus meinem Gesicht und machte Platz für ein gewisses Maß an Erstaunen.


    Dreitausendfünfhundert? Wie soll ich jemals eine so hohe Summe aufbringen?


    Es würde Jahre brauchen, um so viel Geld zusammen zu tragen! Ich machte mir keine Hoffnungen mehr, dass dies schnell erledigt sein würde. Trotzdem hatte ich den Entschluß, ihn diesbezüglich zu fragen, nicht aufgegeben. Ich müßte den richtigen Zeitpunkt abpassen.

  • "Dann wird es Zeit, dass Du an diesem Umstand etwas änderst, Bridhe. Nur wer sich aufgibt, ist wirklich alleine, für alle anderen Menschen gibt es stets Hoffnung," sagte Straton ernst und ließ die in ihren Worten ungestellte Frage ohne eine eindeutige Antwort, denn eine solche hatte er nicht. Waren sie befreundet? Verglich er sein Verhältnis zu ihr mit dem zu seinem Herrn, dann sicher nicht. Aber er war seit jeher auch ein Mensch gewesen, der sich in vielem selbst genügt hatte und darob war er wenig besorgt darum, eventuell über zu wenige wirklich enge Verbindungen zu verfügen - er hatte schlichtweg nie danach gesucht und würde es wohl auch nie tun. Langsam erhob er sich von Aquilius' Bett, ließ ihr aber das Taschentuch vorerst, richtete sich dann auf und straffte seine Gestalt wieder in jene Haltung, die einen unbeteiligten Beobachter oft vermuten ließ, er hätte einen Stock verschluckt.


    "Nun, einen Grundstock besitzt Du bereits - Deinen Halsreif. Und der Rest wird sich sicher finden lassen, solltest Du bereit sein, dafür Mühe und Anstrengung zu opfern. Musikalisches Talent ist in Rom gefragt, und an Deiner Stelle würde ich mir Gedanken darüber machen, ob Du dies nicht ausbilden willst. Der Herr schätzt Deinen Gesang, wie er mir sagte, und ich bin mir sicher, er würde Dir einen Lehrer beschaffen, wenn Du es wirklich willst." Dreitausendfünfhundert Sesterzen ... ja, für eine junge Frau war das viel Geld, aber es war zumindest ein Rahmen, eine Möglichkeit, mehr als nichts, mehr als ein stetig über einem Menschen schwebendes Damoklesschwert, weil er nichts konnte und zu nichts Talent besaß.

  • Schweigend nickte ich. Natürlich stimmte es, was er sagte. Mein Problem war nur, ich hatte mich schon aufgegeben! In jenem Moment, als ich in das Wasser gestiegen war, hatte ich abgeschlossen. Ich müsste erst wieder Vertrauen in mir selbst finden, bevor ich jemand Anderem vertrauen konnte. Ein langer steiniger Weg tat sich vor mir auf, den ich zu gehen hatte.
    Straton erhob sich wieder und meine Augen folgten ihm bis er wieder in seiner üblichen steifen Haltung vor mir stand. Es war bemerkenswert, dass er es trotz allem geschafft hatte, einen Augenblick lang, aus sich herauszugehen. Auch wenn es nur ein klitzekleines Stückchen war. Ihn jetzt so zu sehen, hätte man ihm das nie zugetraut. Doch erst die Erwähnung des Halsreifs, brachte mich aus meiner Ruhe! Der Halsreif ein Grundstock? Niemals! Dieses Ding würde ich niemals mehr anrühren, geschweige denn daraus einen Gewinn schlagen. Bei passender Gelegenheit müsste ich wohl oder übel mit der Sprache heraus, woher der Schmuck stammte. Doch im Moment war der Halsreif eh nicht mehr an seinem alten Versteck.


    Den Halsreif rühre ich nicht an! Daran klebt Blut! Damit möchte ich nichts zu tun haben. Außerdem ist er nicht mehr an seinem Platz. Ich habe ihn getragen, als ich ins Wasser ging. Luca hat ihn an sich genommen.


    Beinahe hätte ich überhört, was er sonst noch sagte. Eine musikalische Ausbildung? Ja, das hatte Aquilius selbst einmal vorgeschlagen. Damals war ich aber, eher aus Scham, dagegen abgeneigt. Doch wenn sich mir dadurch die Möglichkeit erschließen würde, eines Tages wieder frei zu sein, müsste ich einfach nur über meinen Schatten springen und es doch versuchen.


    Nun gut. Ich werde ihn darum bitten.


    Nur wer mich wirklich kannte, konnte sich einigermaßen vorstellen, was in mir vorgehen musste. Jemanden um etwas bitten zu müssen, was man eigentlich gar nicht so recht wollte!

  • Kurz hob der Grieche eine Augenbraue, als eine neue Spielfigur das Spielbrett des flavischen Haushalts in dieser Angelegenheit betrat, die er bisher nicht unbedingt mit eingerechnet hatte - aber gut, man konnte Annahmen auch nachträglich korrigieren, und so kam Lucanus wieder auf die Liste der Mitspieler im Halsreif-Drama. Es erweiterte zudem die sich ergebenden Möglichkeiten um einige recht amüsante Details, die vielleicht noch etwas Würze in das gesamte Spiel bringen würden, nun, man würde abwarten müssen, und Geduld zählte zu den Stärken des Griechen, der keiner Betrachtung einer menschlichen Tragikomödie jemals abgeneigt gewesen war. Hätte man die Verwicklungen der Flavier jemals als Bühnenstück aufgeführt, wäre der Erfolg sicher gewesen.


    "Ich glaube kaum, dass er Dir diesen Wunsch abschlagen wird," meinte Straton sinnierend und wandte sich dann der Türe zu, durch deren Öffnung man schon Cungah nahen hören konnte, zweifelsohne mit der zuvor erwähnten Brühe. "Und jetzt ruhe Dich aus, Bridhe, Du wirst wieder zu Kräften kommen und dann wird sehr vieles anders aussehen, als es das in dem Augenblick der Dunkelheit getan hat." Er nickte ihr noch einmal zu und trat dann beiseite, um der fülligen Schwarzen Platz zu machen, die mit ihren großen, weichen Händen eine irdene Schale trug, aus der es verlockend dampfte und roch. "Da ist sie, die gute Brühe für mein Mädschen!" kündigte sich Cungah gutgelaunt an, sie schien so fröhlich, als müsse sie Bridhe durch ihr Lächeln wieder genau den Mut machen, der ihr zuvor gefehlt hatte. "Wenn noch etwas gebraucht wird, lasst es mich wissen," sagte Straton und ging nach einem Nicken auch gen Cungah hinaus, um sich seinen anderen Aufgaben zu widmen, während Cungah sich zu Bridhe setzte und ihr die Schale mit der wohlriechenden heißen Flüssigkeit darin einladend hinhielt.

  • Ungerührt, seine Bemerkung betreffend, saß ich immer noch aufrecht im Bett. Alleine durch seine Ansprache würde ich so schnell keinen neuen Lebensmut finden.
    Dann öffnete sich plötzlich die Tür. Mein Blick fiel auf die eintretende Cungah, die ihre Drohung wahr gemacht hatte. Sie hatte eine große Schale dampfenden Inhalts mitgebracht, die sie mir auffordernd entgegen hielt. Straton machte sich derweil wieder auf. Mit einem Danke, quittierte ich sein Angebot und wandte mich Cungah zu. Das ist wirklich sehr lieb von dir Cungah, aber.. Eigentlich wollte ich die Brühe, die sie extra für mich zubereitet hatte, ablehnen. Doch keine Chance! Ihr Gesicht verriet alles. Sie würde keine Widerrede dulden. So nahm ich ihr die Schale ab und begann vorsichtig davon zu trinken. Sofort spürte ich die wohltuende Wirkung des Heißgetränks.


    So ist´s brav mein Mädschen! sagte Cungah lächelnd. Bald wirst du wieder gesund werden!


    Ich tat mir schwer damit, ihr Lächeln zu erwiedern. Cungah setzte sich neben mich auf das Bett und beobachtete genau, aufdass ich auch ja die ganze Brühe trank. Doch sie konnte unbesorgt sein. Ich tat ihr den Gefallen. Schließlich reichte ich ihr wieder die leere Schale und bedankte mich. Noch einmal strich Cungah mir über die Stirn und nickte lächelnd.


    Ich werde dich jetzt allein lassen, damit du dich ausruhen kannst. Wenn du etwas brauchst, ruf mich einfach. Mama Cungah tut und macht alles für dich!


    Noch einmal nickte ich ihr leicht zu und ließ mich dann sachte zurück auf das Bett gleiten. Meine Augen starrten zur Decke und meine Gedanken kreisten um das Geschehene.

  • Ein junger Sklave, ohne Flaum am Kinn und mit einer jugendlich glatten Brust, die unter der flavischen Sklaventunika versteckt war, eilte den Gang entlang. Im Arbeitszimmer des Herrn hatte er es bereits versucht, aber dort nur gähnende Leere vorgefunden. Darum führten ihn seine Füße nun zu dessen Cubiculum. Der Junge hoffte inständig, den Flavier dort auch ausfindig zu machen, denn er wollte ungerne den kritischen Blick von Acanthus an der Porta riskieren, sollte er den Flavier nicht finden. Eilends trat er zur Tür und klopfte. "Dominus Flavius?", rief er durch die Tür hindurch. "Da ist ein Bote für Dich. Von Senator Purgitius Macer!"

  • Vom tablinum kommend, stampfte ich wuterfüllt auf direktem Wege zu Aquilius´ cubiculum.
    Ich riss die Tür auf, trat ein und knallte sie hinter mir zu. Die Tür konnte nichts dafür! Doch besser sie, als ein Unschuldiger, den ich in diesem Moment aufs übelste hätte beschimpfen können.
    Ich war so aufgebracht! Wie diese Claudierin in seinem tablinum gesessen hatte und ihm wahrscheinlich schon die schlimmsten Horrormärchen über mich geflüstert hatte!
    Zu meinem Ärger kamen auch noch Rückenschmerzen hinzu. Ich ließ mich auf dem Bett nieder und konnte nur eins, warten!

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