[Palatin] Curia Saliorum Palatinorum

  • Ich flegelte auf einer Liege irgendwo weit hinten - und hatte schweigend und mit einem Weinbecher in der Hand zugesehen, wie alle nacheinander eingetroffen waren, flankiert von zwei Männern, die im doch etwas gesetzteren Alter waren und mir die ganze Zeit irgend etwas von Kaltbädern erzählten, die besonders gut gegen diverse Zipperlein wären, die ich, mit etwas Glück, wohl nie bekommen würde. Des Themas wegen, dem sich zu entziehen ausgesprochen unhöflich gewesen wäre, einigermaßen verzweifelt, hatte ich mein Heil im Wein gesucht und prostete Aristides aus dem hintersten Eck wehleidig zu. Noch schlimmer als alte Weiber waren alte Männer, die sich ewig lange darüber ausließen, dass sie keinen mehr hochbekamen, mir schien, als müsse diese ausgesprochen deplorable erektile Dysfunktion bald auf mich abfärben, würde ich mich nicht endgültig betrinken. Was hätte ich doch darum gegeben, neben Gracchus oder Aristides liegen zu können, aber nein, ich war natürlich zu früh erschienen und war nun unwilliger Zuhörer des Gesprächs der beiden alten Herren.


    Als Manius dann endlich die Sitzung offiziell eröffnete, war ich erleichtert, brachte es meine Liegenachbarn doch zum Verstummen, und ich hoffte, auf meiner Liege möglichst klein zu wirken, um nicht irgendwen dazu zu animieren, mich für ein Amt zu nominieren, auf das ich nicht unbedingt große Lust hatte.. wenigstens war der Wein trinkbar und es gab viel davon ... Mars würde mich schon verstehen, und so opferte ich ihm freigiebig immer wieder einen guten Schlenker aus meinem Becher auf den Boden, bevor ich selbst trank und hoffte, es möge schnell vorbei sein.

  • "Ach herrje, ach herrje! Zahir, so beeile dich doch!" spornte Myrtilus seinen nubischen Sklaven an. Welcher allerdings zuerst die Stufen der curia erklommen hatte und oben sogar auf den alten Mann warten musste, welcher nun mal etwas länger brauchte. Bald jedoch war er angekommen, und kaum hatte er etwas verschnauft, betrat er auch schon das eindrucksvolle Gebäude der salii palatini. Man hatte bereits angefangen, und Myrtilus bedauerte sein Zuspätkommen durchaus. Es war nicht gerade förderlich, wenn man zu seiner ersten Sitzung als Salier in Rom zu spät kam. "Meine Herren, verzeiht mein spätes Erscheinen." Glücklicherweise hatte er die letzten Worte noch mitbekommen, es ging also um die Wahl eines neuen magister oder um die Verlängerung des Flavius Gracchus. Myrtilus hatte schon von diesem Mann gehört, der zur Zeit decemvir litibus iuacandis war und dieses Amt mit Bravour ausfüllte, wenngleich er wie nebenbei noch den Tempeldienst versah. Myrtilus schätzte den Flavier, und insgeheim war er froh, dass die Tiberier augenscheinlich die Sodalität der Arvalbrüder bevorzugten.


    Myrtilus sah sich um und gewahrte auch bald seinen Neffen Vesuvianus, sowie Senator Furianus, welche er beide ebenfalls schätzte. Auch der Verlobte von Epicharis befand sich unter den Anwesenden. Allen nickte er grüßend zu. Der Claudier begann, sich wohlzufühlen, obwohl er noch nicht einmal Platz genommen hatte, was er alsbald änderte. Myrtilus strebte auf eine freie Kline zu, räusperte sich und verzichtete darauf, sich vorzustellen, denn die meisten kannten ihn bereits von der sponsaila seiner Großnichte mit Flavius Aristides, der er beigewohnt hatte.

  • Da sich augenscheinlich keiner der Sodales zum Magister der Salii palatini berufen fühlte, gab es nur eine Alternative, die denn auch keine mehr war, denn die Sodalität konnte sich nicht gegen Gracchus entscheiden, sofern kein anderer bereit war, dies Amt zu übernehmen.
    "Nun gut, so fühle ich mich geehrt, weiterhin den Vorsitz über unsere Sodalität innehalten zu dürfen. Kommen wir zum nächsten Punkt der Tagesordnung. Es ist mir eine besonders große Freude, Claudius Myrtilus heute zum ersten Mal in diesen heiligen Hallen begrüßen zu dürfen."
    Er nickte dem alten Mann freundlich zu.
    "Vielleicht möchtest du dich selbst kurz vorstellen, Claudius?"

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  • Dankend nickte der Alte dem magister zu. "Und mir ist es eine ebensogroße Ehre, von nun an in diesem gremium hier in Rom mitwirken zu dürfen", entgegnete er und nickte nochmals, als Flavius Gracchus darum bat, dass er sich vorstellen möge. "Nun, meinen Namen nannte unser ehrenwerter magister bereits. ich will auch gar nicht allzu weit ausholen, das meiste dürfte ohnehin nicht allzu interessant für die Zwecke der salii sein", sagte Myrtilus und lächelte. Wie gewohnt fuhr er etwas umständlich fort. "Was jedoch vielleicht zu sagen ist, ist folgendes: Flavius Furianus brachte meinen Namen in das collegium augurum ein. Der Senat stimmt derzeit darüber ab, ob man mich als augur sehen möchte oder nicht. Zu mir selbst ist zu sagen, dass ich stolz auf meine Familie bin, dass ich die Götter und die Ahnen ehre wie es ein Manne Roms tun sollte und dass ich froh bin, auf meine alten Tage nicht allein in Baiae zu sein, sondern die Familie um mich herum haben kann." Das war eigentlich auch schon alles Wissenswerte, denn was interessierte die Salier - sofern es nicht ohnehin Claudier waren - schon sein Lebenslauf? Er nickte Gracchus dankend zu und überließ jenem damit wieder das Wort.

  • Da Gracchus ohnehin keine langen Worte erwartet hatte, hatte er nicht erst Platz genommen, so dass er nun nicht wieder musste aufstehen.
    "Obgleich es nicht gänzlich unerwartet kommen mag - die dies festae stehen immerhin seit Jahrhunderten fest - so hoffe ich, dein Einsatz am morgigen Tag der Res Divinae wird dich nicht gänzlich unvorbereitet treffen, Claudius. Wir werden eine Aufstellung in vier Dreierreihen einnehmen, damit du in jeder Lage einen Sodalis zur Orientierung um dich hast, schlage ich vor, du nimmst die mittlere Position der dritten Reihe ein. Aristides, dir fällt die Position rechts vorne zu."
    Obgleich sich Gracchus es zur Angewohnheit gemacht hatte, die vordersten, und damit ehrvollsten Positionen reihum zu verteilen, so durchbrach er für diese Gelegenheit die Folge, denn Aristides würde in der nächsten Zeit alle Aufmerksamkeit des Kriegsgottes gebrauchen können, und obgleich Gracchus versuchte, den Gedanken zu verdrängen, so schlich er sich doch ein, dass dies immerhin Aristides' letzter Einsatz im Kreis der Salii palatini sein konnte. Er hielt einen Augenblick ob solch düsterer Überlegungen inne, blinzelte hernach kurz, um die Derangierung aus sich zu vertreiben, und fuhr fort.
    "Claudius Vesuvianus kommt die Position zu meiner Linken zu, in der zweiten Reihe hinter ihm folgt Cornelius Drusus, mittig Iulius Castus, rechts außen Flavius Aquilius, ..."
    Position um Position wurde verteilt, bis alle zwölf Plätze zugeordnet waren.
    "Gibt es soweit noch Fragen zum morgigen Ablauf?"

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  • Claudius registriert und vermerkte die ihm zugedachte Position. Er ging zudem davon aus, dass sein Onkel keine Schwierigkeiten bezüglich der Abläufe haben würde; er war schließlich ein Claudier, was gleichbedeutend mit traditionellem Wissen und der Pflege der Riten war.
    Vielleicht mit Ausnahme von Onkel Maximus waren für Vesuvianus sämtliche Brüder seines Vaters Vorbilder gewesen. Vor allem Arbiter mit seiner Weisheit fehlte dem inzwischen selbst schon reifen Claudier, doch man lernte nie aus, diese Überzeugung teilte er. Möglicherweise konnte Myrtilus diese Lücke füllen, die Zukunft würde es zeigen.


    "Ich habe keine Fragen", erklärte er, damit Gracchus nicht annehmen müsste, er sei gänzlich in Gedanken versunken gewesen.

  • "magister, ich begrüße deinen Vorschlag und nehme ihn dankend an", erwiderte Myrtilus. Ihm waren die Gepflogenheiten und Aufgaben der salii als Patrizier zwar durchaus bekannt, doch wusste er nicht, ob er seine alten Knochen zu derart geschmeidigen Bewegungen treiben konnte. Zumindest nicht ohne vorherige Übung, und gerade für diese war schließlich keine Zeit mehr vor dem morgigen eventus. Myrtilus warf Vesuvianus einen wohlwollenden Blick zu. Ihm gefiel, dass sich der Junge - und in Myrtilus' Augen würde Vesuvianus trotz des ergrauten Haares stets der Junge bleiben - sich religiös engagierte.

  • Da es augenscheinlich keine Unklarheiten zum Ablauf der Res Divinae gab, schloss Gracchus das Thema.
    "So erwarte ich euch morgen früh eben wieder hier in der Curia."
    Es folgte eine kurze Pause, in welcher Gracchus' Blick zur Wand hinter den Sodales glitt, doch weder dort, noch in jenen Räumen seines Gedankengebäudes, in welchen er gleichsam unterwegs war, fand er weitere Punkte, welche es seinerseits für die Sodalität zu besprechen gab. So blickte er denn durch die Reihe der elf Männer.
    "Sofern niemand mehr eine Thematik ansprechen möchte, die es zu erörtern gilt, wären dies alle Tagesordnungspunkte gewesen."

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  • Ermattet wischte ein Reinigungsfachsklave mit einem fahlfarbenen Tuch über den Sockel einer marmornen Säule und seufzte hernach zufrieden auf. Natürlich wurde die curia saliorum palatinorum auch dann in reinlichem Zustand gehalten, wenn keine Versammlungen dort wurden abgehalten, doch eine angekündigte Zusammenkunft der sodales erforderte natürlich gesonderte Maßnahmen. Für diesen Tag nun, an welchem eine solche Versammlung anberaumt war, war die Arbeit für den Sklaven, welcher bereits seit den frühen Morgenstunden am Werk war, doch endlich beendet, gerade rechtzeitig, denn eben öffnete sich die Pforte und der derzeitige magister der salii palatini, Flavius Gracchus, wurde eingelassen. Ein anderer Sklave sputete sofort heran, um seinen Mantel in Empfang zu nehmen, bevor Gracchus sich auf dem Platz des magisters nieder ließ, welcher sich in keinster Weise von jenen der übrigen sodales unterschied. Er klappte eine kleine, in edles rotfarbenes Holz eingefasste Wachstafel mit goldfarbenem Verschluss auf und überflog noch einmal die heutigen Tagespunkte. Die Wahl des neuen Magisters stand an, so denn sich ein neuer Magister würde finden, zudem die Planung des kommenden armilustrium. Den Platz seines scheinbar in Parthia gefallenen Vetters Aristides bereits neu zu besetzen, dazu konnte Gracchus sich nicht überwinden, nicht solange dessen Bestattung nicht hinter ihm lag. Zudem war es seit jeher Tradition, dass jene Plätze der salii, deren Inhaber im Namen des Imperium Romanum in einem Krieg stritten, auch an den Tagen des öffentlichen Tanzes vakant blieben, somit würde diese Neubesetzung Angelegenheit des neuen Magisters nach dem armilustrium sein.

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  • Träge floss die Zeit dahin gleich dickflüssigem Honig und spie nur widerwillig ab und an einen Sodalis durch die Pforte der Curia. Zwölf Männer, zwölf Sitze, noch immer war mehr als die Hälfte davon unbesetzt, auch abzüglich derjenigen, welche im fernen Parthia weilten, war die Zahl zu groß, um zu Beginnen. Als würde ihn dies alles nur marginal tangieren, saß Gracchus geduldig, hielt die Tafel in seiner Hand, jederzeit bereit zu Beginnen, als hätte die Zeit selbst inne gehalten und würde nur ihr Fluss seinen Lauf wieder aufnehmen, so würden denn auch Gracchus' Worte zur Eröffnung augenblicklich aus seiner Kehle ihm dringen. Mit einem Knarzen öffnete sich eine der schmalen Seitentüren und unangenehm von der Zerstörung der Stille berührt tippelte ein ältlicher Sklave heran, um den bereits anwesenden Sodales Wein auszuschenken. Iulius Castus, ein gut aussehender Mann mittleren Alters, welcher das Vermögen seiner Familie vorwiegend in die Fischzucht steckte, griff sich einen Becher und stürzte dessen Inhalt in einem Zug hinab. "Besser im Herbst zu warten, als im Frühling. Ich bin ohnehin gegen das armilustrium, ich sehe keine Notwendigkeit, die Kriegszeit zu beenden. Früher mag das eine sinnvolle Angelegenheit gewesen sein, der italische Winter eignet sich nicht immer zum Kampf und es war schwer genug, für Nachschub zu sorgen. Aber heute sind wir ein Weltreich! In Parthien wird kaum Schnee fallen und Nachschub ist ganz sicher das geringste Problem in diesem Krieg."
    "Wir sind nicht hier, um über die Sinnhaftigkeit der Feiertage zu beraten, Iulius. Feiertage sind Tradition und ihr Sinn ist die rituelle Gliederung des Jahreskreises in feste Abschnitte. Sie bieten den Menschen Halt."
    Längst war ohnehin nicht sicher, dass die Kriegszeit eine Unterbrechung finden würde, jene Tradition war bereits in früheren Kriegen ausgesetzt worden.
    "Mir wäre es lieb, wir würden überhaupt mit der Beratung beginnen. Weshalb ist der Rest so spät?" warf der alte Cornelius ein, welcher bereits seit seiner Ankunft unruhig auf seinem Sitz herum rutschte, als würden ihn dringendere Angelegenheiten fort ziehen, doch womöglich lag dies nur an seiner schwachen Blase, wofür auch sein Verzicht auf einen Becher Wein sprach.
    "Womöglich sind auch wir nur zu früh."
    Erneut kehrte Stille ein in den Raum, unterbrochen nur durch gelegentliches Raschel, Knarzen oder Räuspern.

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  • Diese ewigen Schwätzer im Tempel würden noch einmal meinen allerletzten Nerv rauben - und schon wieder war ich mehr als spät dran für die Versammlung der Salier. Keuchend hetzte ich über den Platz und rannte in unprätentiöser Art fast einen feisten Senator um, der mir wütend hinterherfluchte, da ihn ein Zipfel meiner toga noch erwischte. Aber in diesem Augenblick war es mir wichtiger, nicht noch später zu kommen als gewöhnlich, und so ließ ich ihn schnell stehen, um dann die Pforte zur Versammlungshalle zu passieren. Wenigstens war ich nicht der Letzte, auch wenn es mich wirklich erstaunte, dass noch so wenige überhaupt anwesend waren. Eilig nickte ich in Richtung des magisters - Gracchus - und sprach meine Entschuldigung klar und deutlich aus: "Verzeihe die Verspätung - ich wurde im Tempel aufgehalten und bin so schnell gekommen, wie es mir möglich war." Aus eigener Erfahrung mit seinen früheren Kollegen würde Gracchus wissen - oder zumindest erahnen - was ich meinte, und so setzte ich mich ungehindert auf meinen Platz neben der Säule, der mir eine recht gute Übersicht ermöglichte. Endlich angekommen, dachte ich bei mir und streckte mich ein wenig aus. Den ganzen Tag war es im Tempel rundgegangen, gerade jetzt, da die Nachrichten aus der Kriegsregion so spärlich flossen, war es wieder einmal Mars, der den Frauen, Brüdern, Vätern und Kindern Trost spenden musste und eine Hoffnung vermitteln, die in den meisten Fällen ohnehin vergebens war ... seufzend verlor ich mich etwas in Gedanken und wartete darauf, dass es losgehen würde.

  • Allmählich füllte sich die curia, bis drei Plätze nur noch unbelegt waren, welche leer und gähnend sich in der ohnehin kleinen Runde präsentierten. Der zuletzt eingetroffene Ankömmling, Vitellius Crus, hatte eben erst sein Sitzfleisch gebettet, da räusperte sich Gracchus.
    "Werte Sodales, ich eröffne hiermit die Sitzung OCT DCCCLVII A.U.C. Abwesend befinden sich Marcus Flavius Aristides, welcher unter Führung des Imperator Caesar Augustus im Kriegsgebiet Parthia zum Wohle des römischen Imperium kämpft. Weiters Herius Claudius Menecrates, welcher unabkömmlich außerhalb der Stadt weilt. Zudem Galeo Claudius Myrtilus, über dessen gegenwärtigen Aufenthaltsort mir indes nichts bekannt ist. Weiß womöglich einer unter euch darüber etwas?"
    "Vermutlich ist er für eine literatio ebenfalls außerhalb der Stadt unterwegs"
    "Nun gut, beginnen wir mit dem ersten Punkt der Tagesordnung. Wieder einmal steht die Wahl des Magisters an. Diejenigen unter euch, welche bereit wären, diese Aufgabe zu übernehmen, mögen dies bitte nun Kund tun."

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  • Wenigstens hatte sich die Versammlung einigermaßen vollzählig dann doch eingefunden - letztendlich war es wohl nie wirklich möglich, ein plenum zu erreichen, wenn gerade Krieg herrschte und andere Verpflichtungen die Männer fernhielten. Als Gracchus die einleitenden Worte gesprochen hatte, lehnte ich mich etwas zurück, ohne auf die Frage zu Claudius Myrtilus zu antworten, denn ich kannte ihn nicht gut genug, um hier Vermutungen anstellen zu können.
    Der erste Tagesordnungspunkt indes kam mir bekannt vor, es schien fast so, als sei es erst gestern gewesen, als ich versucht hatte, mich im letzten Jahr so klein wie möglich zu machen, damit mich bloß niemand ausrufen lassen konnte.


    Kurz ließ der Gedanke meine Mundwinkel empor zucken, und ich überlegte kurz, mir einen Becher Wein reichen zu lassen, die Sklaven hier waren immer sehr aufmerksam und bemüht, den Salierbrüdern bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen. Aber ... ich blickte in das Gesicht meines Vetters und ich konnte auch später nicht recht erklären, wieso genau ich dies in jenem Augenblick getan hatte - ich reckte meine Hand in die Höhe und sagte:
    "Ich stelle mich zur Wahl." Gleichzeitig überlief es mich eiskalt und ich musste mit Überraschung feststellen, dass ich das gerade wirklich gesagt hatte ...

  • Schweigen durchbrach die Stille, begleitet von leisem Rascheln und Rutschen, und während Gracchus seinen Blick erwartungsvoll über die Gesichter der Sodales gleiten ließ, schien auf einmal das Gebäude der curia seinen ganz eigenen, anziehenden Reiz zu gewinnen, denn in diesem Moment wandte sich die Aufmerksamkeit der meisten unter ihnen den Fliesen auf dem Boden zu, den feinen Rissen in der Struktur der Decke oder aber den Dekorationen der Wände. Nur ein einzelner vergrub seine Augen im Weinbecher vor sich und ein anderer ... eine Hand hob sich empor und Gracchus' konnte die elysische Symphonie in seinen Ohren vernehmen, welche diese unscheinbare Bewegung begleitete.
    "Caius"
    , mehr noch als sonst war Aquilius' Praenomen aus dem Munde seines Vetters von einem erleichterten Seufzen begleitet.
    "Flavius Aquilius. Sonstig weitere Kandidaten?"
    Es war eine Frage pro forma, denn die Wahl war bereits beendet, dennoch wartete Gracchus einige Herzschläge, bevor er sodann, unendlich erleichtert verkündete.
    "Caius Flavius Aquilius, so übergebe ich dir hiermit den Vorsitz über die salii palatini."
    Womöglich war es nicht usus, den Kandidaten ohne Abstimmung anzuerkennen, doch Gracchus hatte nicht vor, sich noch einmal zur Wahl zu stellen und da sich niemand sonst anbot, so brauchte auch niemand gegen seinen Vetter zu stimmen. Er erhob sich vom Platz des magisters und durchquerte das Rund, um den Platz seines Vetters einzunehmen. Noch bevor jener an ihm vorbei treten konnte, flüsterte er ein lautloses 'Danke.'. Es war nicht, dass es nicht Gracchus Ehre war, der Sodalität vorzustehen, doch war es keine Ehre, wenn der Vorsitz zum Daueramt verkam.

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  • Ihr Götter, was hatte ich getan? Ich hatte doch noch nicht einmal Wein getrunken gehabt, oder sonstigen Rauschmitteln gefrönt. War ich vollkommen durchgedreht? Es war normalerweise nicht meine Art, mich freiwillig für irgend etwas zu melden, ausser es gab Wein umsonst, und jetzt war ich unvermittelt auch noch magister geworden. Darüber unterhalten wir uns noch, Mars, dachte ich, denn solche Impulse kamen gewöhnlich nicht einfach von selbst. Hatte der Kriegsgott bei dieser Sache die Finger im Spiel gehabt oder war es einfach ein unbedachter Moment meinerseits gewesen? Die Hoffnung, es könnte sich ein anderer melden, war jedenfalls vergebens, und ich schickte mich in mein Schicksal, mit dem üblichen, lockerleichten Lächeln auf den Lippen, das so vieles zu verdecken wusste.


    "Ich danke Dir, Flavius Gracchus," erwiederte ich meinem Vetter und zwinkerte ihm in einem Augenblick zu, in dem ich mir sicher war, dass es niemand sonst sehen würde. Ruhig schritt ich zu dem exponierten Platz des magisters und ließ mich dort nieder, um dann meinen Blick über die nun doch wacher wirkende Runde zu werfen. Ein Marspriester, der diesen Vorsitz einnahm, war nicht allzu häufig, und vielleicht lauerten die anderen sodales gerade auf irgendwelche Besonderheiten, darauf allerdings konnten sie lange warten.
    "Brüder, ich denke, wir sollten, bevor wir dem Protokoll weiter folgen, zuerst dem scheidenden magister Flavius Gracchus unseren Dank für seine bisherige Tätigkeit aussprechen, die er wahrlich in guter und der Bruderschaft nützlicher Weise ausgefüllt hat. Trinken wir zu Ehren des Manius Flavius Gracchus!" Ich ließ mir einen Becher Wein geben, jetzt endgültig, und hob ihn zu Ehren meines Vetters, dem wahrlich Ehzre gebührte. Offensichtlich sahen das auch die anderen sodales so, denn mein Trinkspruch wurde von so einigen wiederholt und die Becher hoben sich eilfertig.

  • Vergebens war die Hoffnung, Aquilius würde ihn denn einfach ziehen lassen, doch vermutlich war dies der Preis, dass jener sich überhaupt hatte aufstellen lassen, was doch eher gegen sein sonstiges Naturell schien. Reihum hoben sich die Becher, hier und da von einem Wort begleitet, welches Gracchus in beinah beschämter Weise über sich ergehen ließ, hatte er doch nichts weiter getan, denn seine Pflicht erfüllt. Den Becher, welcher mittlerweile in seine Hand hatte gefunden, ließ er dabei gesenkt, denn nichts lag ihm daran, sich selbst zu beweihräuchern. Endlich denn verstummten die Worte, der Wein war zur Genüge zu seinen Ehren hinab geschluckt, Gracchus selbst saß als einfacher Sodalis im Rund und lehnte sich zurück.

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  • Nachdem Gracchus als scheidender Magister ausreichend gefeiert worden war, bat ich mit einem schlichten Handzeichen um Ruhe, die auch recht schnell einkehrte - zu diesem Zeitpunkt hatten die sodales auch noch nicht zu sehr dem Wein zugesprochen, sodass eine konstruktive Zusammenarbeit noch möglich war.
    "Das diesjährige armilustrium steht wieder an, und wir haben drei unbesetzte Plätze, die sicherlich einem jeden auffallen dürften - diesen Mangel unserer pflichtgetreuen sodales müssen wir wettmachen. Aber da wir keine neuen Mitglieder haben und die meisten von euch zu den vorbereitenden Tanzübungen in den letzten Wochen erschienen sind, sehe ich darin kein allzu großes Hindernis, ein jeder beherrscht seine Schritte, ein jeder kennt seinen Platz. Den meinen wird Flavius Gracchus einnehmen, wie es der Tradition entspricht, wenn ein neuer magister gewählt wird. Gibt es zu diesem Tagesordnungspunkt irgendwelche Fragen?"


    Im Grunde erwartete ich nicht unbedingt, dass sich jemand melden würde, denn wir hatten schon im letzten Jahr erfolgreich zusammen getanzt, die sodales schienen gut trainiert, und wenn nicht irgendeine Katastrophe geschah, würde alles glatt gehen. Dass es ausgerechnet Iulius Castus sein würde, der seine Hand hob und eine Frage andeutete, ließ mich innerlich leise aufseufzen, denn gerade dieser Mann war ein unverbesserlicher Korinthenkack... herauspicker. Wenn es irgendwo irgend etwas zu meckern gab, konnte man sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf verlassen, dass er es finden und bemäkeln würde.


    "Ich hatte im Maius von den Sandalenriemen wunde Knöchel, das muss dieses Mal unbedingt geändert werden. Wir müssen den Sandalenmacher wechseln, wenn er uns solche minderwertige Ware verkauft!" empörte sich der Fischzüchter und bewies wieder einmal seinen Sinn für nervtötende Details. "Im Zweifelsfall kannst Du Dir auch eigene Sandalen fertigen lassen und diese tragen," erwiederte ich und wünschte mir einen Augenblick lang, Iuppiter möge einen Blitz in die Rückseite Castus' fahren lassen. "Bisher gab es keine weiteren Beschwerden über die Sandalen, oder möchte einer der Anwesenden dazu etwas sagen?"

  • Manchen Menschen war die Eigenart gegeben, immer dann etwas zu sagen, wenn ihnen nichts gravierend erschien, so dass vorwiegend nur Nebensächlichkeiten ihrem Munde echappierten, welche jedoch in einer Penetranz ihre Umgebung drangsalierten, die ihres gleichen suchte. Iulius Castus war von eben diesem Menschenschlag, und während manch anderer Sodalis kein Wort innerhalb einer gesamten Sitzung sprach, so musste dieser dies immer wieder von neuem betonen.
    "Es sind Sandalen nach archaischem Muster, Iulius, was erwartest du?"
    erinnerte ihn Gracchus gelassen an die Altehrwürdigkeit nicht nur der Rituale, sondern gleichsam der Ausstattung, war jedoch dennoch darum bemüht, eine pragmatische Lösung für dies unerhörte Problem zu bieten.
    "Obgleich es eine festliche Ausnahme sollte sein, sie an deinen Füßen zu tragen, so solltest du sie durchaus vor dem Festtag etwas einlaufen, für gewöhnlich reicht dies bereits aus, um den Komfort während der Tänze zu steigern. Andernfalls hilft ein längeres Einweichen in Urin, um das Leder geschmeidiger zu machen."
    Mehrmals hatte Gracchus' Vater ihm dies standhaft versichert, so dass er kaum Zweifel daran hegte, da jener sicherlich einige Soldatenschuhe in seinem Leben hatte getragen. Indes hatte er sich niemals von der Richtigkeit selbst überzeugt, denn obgleich er durchaus Wert auf das Behagen seiner Füße legte, so hatten ihm niemals jegliche Schuhe Probleme ob dessen bereitet.
    "Bei deinen zarten Füßchen nützt außerdem auch ein anderer Schuhmacher nichts, solange er die Sandalen nicht aus Seide formt. Du solltest deine Beine nicht immer nur hochlegen, Castus, oder öfter mal zum Abhärten in den Fischteich hängen."
    Pikiert rümpfte Iulius Casus seine Nase.
    "Es war nur ein Vorschlag! Wenn außer mir niemand Wert auf hochwertiges Material legt, so mag es dabei bleiben."
    Ein verhaltenes Lachen war von Cornelius zu vernehmen, auf beinah allen Gesichtern zeigte sich Amüsement ob der vehementen Sorge des Iulius um seine Füße. Natürlich spürten sie alle am Abend nach einem Festzug den Weg, welchen sie hatten zurück gelegt, doch war dies unumstößlicher Teil der Riten, so dass kaum jemand sich daran störte.

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  • Mein Blick mochte für einige Momente lang andeuten, dass ich zur Not Iulius Castus seine verdammten Sandalen auch noch in den Mund oder sonstige geeignete Körperöffnungen stopfen würde, wenn er jetzt nicht sofort Ruhe gab - und sei es nur aus beleidigtem Stolz oder richtiger Einsicht, er schwieg fortan und ließ das unsägliche Sandalenthema unangetastet. Wenn ich es recht bedachte, hatte ich mir nie wirkliche Gedanken um die Geduld gemacht, die Gracchus bisher hatte aufbringen müssen, wenn es um diese Sitzungen ging - aber ich musste im Stillen zugeben, dass ich ihn dafür bewunderte. Ich würde schätzungsweise ein ganz anderer magister werden, als er gewesen war.


    "Nungut, nachdem wir für heute keine weiteren Themen mehr auf der Tagesordnung haben, kommen wir zum Ablauf des Armilustriums," mit einem Seitenblick auf die Notiztafel, die mir mein Vetter übergeben hatte, ratterte ich den geplanten Ablauf herunter, der sich nur in einem Punkt vom letzten Jahr unterschied - wir würden die anschließende cena saliorum dieses Mal mit den salii collini einnehmen und gemeinsam feiern, wogegen sich auch kein nennenswerter Widerstand erhob, schließlich kannte man sich untereinander schon seit einiger Zeit.
    "Hat noch jemand eine Frage oder Anmerkung, um die wir uns hier kümmern sollten?" fragte ich in die Runde, bei der sich die Mehrheit bereits den zweiten oder dritten Becher Wein hatte einschenken lassen. Letztendlich kam man auch zu solchen Versammlungen, um gemeinsam gemütlich zu bechern.

  • Für einen kurzen Moment schien es, als wolle Iulius Castus den Mund öffnen und zu einer Frage ansetzen, doch die lauernden, fast bedrohlichen Blicke, welche er ob dessen von mehreren sodales zugeworfen bekam, zogen sich beinahe sichtbar wie schwere Balken durch den Raum - welche in geschwungenem Maße sicherlich äußerst schmerzhaft konnten werden - so dass er die leicht auseinander driftenden Lippen mit säuerlicher Miene wieder aufeinander presste. Einige Männer indes schüttelten leicht den Kopf, andere nippten an ihrem Wein, Gracchus selbst saß schweigend und betrachtete seinen Vetter mit aller Aufmerksamkeit, denn wem sonst sollte er seine Konzentration schenken, wenn nicht dem magister, so dass sich Pflicht gleichsam mit Annehmlichkeit verband, obgleich er wohl sich musste eingestehen, dass seine Gedanken nicht gänzlich nur der Pflicht galten, denn mehr dem Anblick selbst.

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