Durus staunte nicht schlecht, als der Flamen Dialis persönlich auf der Feier aufkreuzte. Damit war wohl die Gelegenheit für friedlichen Smalltalk beendet.
So verzichtete er darauf, Livia und Titus persönlich zu begrüßen, sondern blieb stehen und wartete auf den Fortgang des Traurituals.
[Confarreatio] Claudia Antonia et Manius Flavius Gracchus
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Der Haruspex Sethre Velathri war bereits früh am Morgen in der Villa erschienen. Die beste Zeit zur Begutachtung des göttlichen Willens ist in der Morgendämmerung, wenn zwischen den Grashalmen noch Nebel zieht und der Dunst der aufgehenden Sonne schwer über dem Land liegt. Doch er hat selten eine Hochzeit erlebt, bei welcher die Zeremonie in aller Frühe statt fand. Viel eher ist es wie auch hier, die Gäste kommen und kommen, sie gratulieren, wo es längst nichts zu gratulieren gibt, sie plaudern und scherzen und der Tag zieht unweigerlich dahin, so dass längst alle Hähne ihre Pflicht getan haben und schon wieder den Hennen nachsteigen, bevor der Haruspex zum Einsatz kommt. Doch Velathri ist geduldig, gönnt den Lämmern den letzten Rest ihres Lebens und ist jederzeit bereit, wenn sich die Brautleute denn endlich dazu entscheiden, die Hochzeit unter Dach und Fach zu bringen.
Als das Lamm hereingeführt wird, zieht er sein Messer und legt es auf den mit einem edlen Tuch abgedeckten Tisch. Die beiden Sklaven stellen das Lamm auf den Tisch und einer der beiden zieht ihm mit einem Knüppel über den Schädel, so dass es das Bewusstsein verliert. Der Haruspex legt das Tier zurecht und greift zu seinem Messer. Für die Leberschau ist es wichtig, dass das Organ frisch ist, daher erübrigt sich das Töten des Tieres durch den Kehlschnitt und das anschließende Ausbluten. Velathri zieht einen raschen Schnitt über den Bauch des Lammes und öffnet die Bauchdecke. Mit geübtem Auge sondiert er die Lage der Leber und die Umgebung der restlichen Organe. Aus dem Sitz der Leber lässt sich bereits eine fruchtbare Beziehung herauslesen. So greift der Haruspex sie mit der Linken, trennt sie mit der Rechten aus dem Inneren des Tieres heraus und kümmert sich nicht um das fließende Blut.
Er begutachtet das nordöstliche Viertel der himmlischen Götter, findet dort nur eine glatte Oberlfäche vor. Im rechten südlichen Viertel der Götter der Natur findet sich eine Kerbe der Zustimmung, erneut ein Zeichen für außergewöhnliche Fruchtbarkeit, während das linke südliche Viertel der Erdgötter wiederum ohne Aussage ist. So geht sein Blick in das nordwestliche Viertel, den gefürchteten Wohnort der dunklen Götter der Unterwelt. Doch auch hier zeigt sich kein Zeichen der Ablehnung und so wendet sich der Haruspex Sethre Velathri schließlich an die Brautleute. "Die Göttersitze sind von Ruhe und Glanz umgeben, aus ihnen spiegelt sich Wohlwollen und Zustimmung, doch keinerlei Ablehnung für die Zukunft."
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Wenigstens ging das Trauerspiel nun endlich weiter. Ich hatte es nicht geschafft, mich durch die Menge der Gäste nach vorn zu drängeln, um Gracchus und Antonia gleich zur Begrüßung meine Glückwünsche auszusprechen, aber als sich die Anwesenden auf das Eintreffen des Flamen Dialis und seiner Frau konzentrierten, schob ich mich vorsichtig durch die anwesenden Gäste in Richtung meines Vetters und drückte ihm kurzerhand einen schmalen Streifen Papyrus in die Hand, der von meinem kaputten Cicero-Schrieb noch übrig gewesen war und den ich kurzerhand dafür zweckentfremdet hatte, um meine kleine Botschaft zu überbringen.
Sprich mich so bald wie möglich in einem ruhigen Moment an. Es gibt für alles eine Lösung.
Hoffentlich vergaß Gracchus nicht, den Zettel auch zu lesen, denn ich wusste nicht, ob und wie es uns möglich sein würde, uns heute überhaupt in Ruhe kurz zu unterhalten, als Bräutigam stand er naturgemäß mitsamt seiner schönen Braut im Mittelpunkt des Interesses. Ich zwinkerte Antonia kurz zu, wir kannten uns ja schon, blieb aber zunächst stumm, um die Zeremonie der Leberschau nicht zu stören. Hoffentlich war es bald vorüber, und bei dem Gedanken, dass mir dasselbe Theater irgendwann bevorstehen würde, fühlte ich ein recht unangenehmes Magendrücken. Ich ließ meinen Blick über die Anwesenden schweifen, entdeckte dabei tatsächlich das ein oder andere bekannte Gesicht. Tiberius Vitamalacus und Tiberia Calvina galt dabei ein freundliches Nicken, im Fall der jungen Frau gar mit einem Lächeln garniert.
Als jedoch eine allzu wohlbekannte Person mit einer aussergewöhnlichen Haarfarbe den Raum betrat, stockte mein Atem. Ob sie meinen Brief bekommen hatte? Aber gleichzeitig ahnte ich auch, dass dieser Ausflug in die poetische Schwärmerei wohl etwas sein würde, was eine Frau wie sie jeden Tag erhalten mochte, um es dann nicht zu beachten. -
Wie das Aufblitzen eines Sonnenstrahls durch eine dichte Decke aus grauen Regenwolken blitze Aquilius' Gesicht einen Moment lang vor Gracchus auf. Nur ein Augenblick, ein Handschlag später war er bereits wieder zwischen den Gästen verschwunden. Gracchus' Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, und als er den Blick seines Vetters suchte, konnte er ihn nicht mehr finden. Stattdessen wurde er sich des Etwas in seiner Hand bewusst und ein kurzer Blick darauf identifizierte es als Papyrus. Er vermutete das Schlimmste, etwas musste geschehen sein, etwas, das es Aquilius verbot, länger zu verweilen. Unwillkürlich dachte Gracchus an den Vorfall vor der Casa Artoria und dass Aqulius womöglich tiefer in Schwierigkeiten steckte, als er zugeben wollte. Bis der Haruspex begann das Lamm auszuweiden hielt er den Fetzen Papyrus fest in seiner Faust, dann, als alle auf das Ergebnis der Eingeweideschau warteten, entfaltete er das kleine Schriftstück und las. Seine Stirn legte sich in Falten, als Gracchus über den Sinn hinter jenen Worten nachgrübelte, doch es blieb nicht lange Zeit, dann verkündete der Haruspex, dass die Zeichen gut standen. Dass Gracchus dies sonderlich erfreute, konnte er nicht behaupten. Haruspices waren ihm seit jeher suspekt, es gab zu viele Scharlatane unter ihnen. Ausgerechnet jener, an welchen er geraten war, hatte sich jedoch als überaus grundehrlich herausgestellt, denn er betonte von vorneherein, dass er gegen jegliche Bestechung immun war. Natürlich hatte Gracchus dies getestet, doch der Haruspex wollte für kein Geld, für keine Gefälligkeit die Zeichen schlechter deuten, als sie sein würden. Gracchus steckte den Papyrusfetzen in eine Falte seiner Toga und ein freudiges Lächeln legte sich über sein Gesicht, wie es an diesem Tag von ihm erwartet wurde. Er wandt seine Aufmerksamkeit der nun folgenden Opferung zu.
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Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen löst sich die Flaminica vom Arm ihres Gatten und tritt an den kleinen foculus heran. Es bereitet ihr sichtlich Freude, ihren Beitrag zur Verbindung zweier junger Leute beizutragen und so lässt sie es sich nicht nehmen, bei den durch ihren Gemahl geschlossenen Ehen das Opfer für die Götter der Ehe durchzuführen. In völliger Hingabe an ihr Amt stellt sie die kleinen Statuen, welche Iuno, Tellus, Ceres, Pilumnus und Picumnus darstellen auf den Altar und beobachtet beinahe liebevoll, wie einer der Camilli die Kohlen im Feuerbecken entzündet. Von dem jüngsten Camillus, er mag kaum sechs Sommer gesehen haben, nimmt sie die Kräuter entgegen und streut diese über die Kohlen, so dass heller Rauch aufsteigt, unter der Decke des Atriums aufgefangen wird und schließlich mit wogenden Bewegungen durch die Dachöffnung in den blauen Himmel hinausweht. Die Flaminica nimmt den ersten Opferkuchen von einem Tablett und wendet sich den Götterstatuen zu.
"Mutter Iuno, ich bitte Dich, durch diesen Dir vorzusetzenden Kuchen, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seiest diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Du dieses Paar segnest und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deinen Schutz gewährst."
Sie legt den Kuchen auf dem foculus ab und nimmt den zweiten Opferkuchen auf."Mutter Tellus, ich bitte Dich, durch diesen Dir vorzusetzenden Opferkuchen, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seiest diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Du ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deine nährende Kraft und Fruchtbarkeit gewährst."
Auch dieser Kuchen findet seinen Platz auf dem foculus, ein weiterer folgt."Mutter Ceres, ich bitte Dich, durch diesen Dir vorzusetzenden Opferkuchen, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seiest diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Du ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deine reifende Kraft und Wachstum gewährst."
Nachdem der Ceres ihr Opferkuchen offeriert wurde, nimmt die Flaminica zwei kleinere Kuchen in die Hand.Pilumnus und Picumnus, ich bitte Euch, durch diese Euch vorzusetzenden Opferkuchen, mit guten Bitten, dass Ihr wohlgesonnen, gnädig seid diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass Ihr ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Eure nährende und schützende Kraft gewährt."
Die Flaminica bringt die beiden Kuchen dar und wendet sich dann nach rechts zum aufgestellten Opferaltar.Ein Camillus führt ein blasses, mit Kalk geweißtes Schwein herbei um dessen Kopf rote und weiße Binden gelegt, jedoch nicht geknotet sind. Über den Rücken des Tieres zieht sich ein breites Wollband. Nachdem die rituelle Darbringungsformel für Iuno gesprochen ist, reinigt die Flaminica ihre Hände und trocknet sie mit dem mallium latum. Das Schwein wird von seinem Schmuck befreit, mit der mola salsa bestrichen und mit etwas Wein besprengt. Nachdem sie das Opfermesser von dem ältesten Camillus entegen genommen hat, streicht die Flaminica dem Tier mit der stumpfen Seite des Messers über den Rücken und gibt es anschließend wieder an den Camillus. Das Opfergebet wird verlesen, dann fragt der junge Mann das obligatorische "Agone?" und die Flaminica antwortet mit einem Lächeln im Gesicht und einem "Age!" auf den Lippen. Ein schneller Stich in die Halsschlagader des Schweines und das rote Blut schießt aus dem Hals des Tieres. Bald ist eine Opferschale gefüllt, das restliche Blut fließt reichlich über den Boden der Villa Claudia, fast scheint es, als strebe es dem Felsbrocken des Atriums entgegen.
Als das Tier ausgeblutet ist, kniet sich der Camillus nieder und trennt den Bauch des Schweines auf. Sorgsam schneidet er die Eingeweide aus dem Körper heraus und legt eine nach der anderen in eine Patera. Wenig später steht die Flaminica über die Schalen gebeugt und beschaut die Eingeweide auf den Willen Iunos.
FLAMINICA - EHEFRAU DES
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Iuno Pronuba war angerufen worden und hatte sich sodann auch gleich bequemt, das ihr zugedachte Opfer zu beobachten.
Wie bei einem Opfer durch eine Flaminica zu erwarten konnte sie sich nicht über die Durchführung beschweren. Das Tier gefiel ebenso und so war es nicht besonders überraschend, dass auch die Eingeweide tadellos aussahen.Den Schutz der Göttin sollte das Paar haben.
Was alles andere betraf, hatte Iuno es im Gefühl, die beiden würden wirklich glücklich miteinander werden, zumindest irgendwann. -
Freudestrahlend blickt die Flaminica die Brautleute an. "Litatio." Fast scheint es ihr, als wird die Luft im Atrium mit diesem Ausspruch spürbar leichter zu atmen. Zwei Camilli tragen vorsichtig die Feuerschale heran und entfachen mit einer kleinen Öllampe geübt das Feuer darin. Die Flaminica bringt die Opfergaben der Iuno dar und streut gleich darauf weitere Kräuter in die Flammen und kurz darauf auch auf die noch immer glühenden Kohlen im Kohlebecken, damit der Geruch des brennenden Fleisches etwas überdeckt wird. "Für deinen Segen, göttliche Iuno, unser Dank. Mögest du deine schützende Hand über die Eheleute halten und ihnen eine große Familie und immerwährendes Glück bescheren."
Die Flaminica nickt dem Brautpaar lächelnd zu. Nun würde es Ernst werden, der consensus steht kurz bevor und aus ihrer reichhaltigen Erfahrung weiß die Gattin des Flamen, dass dies, gefolgt von dem confarreatischen Ritual, immer der schönste Moment für die beiden Beteiligten ist.
FLAMINICA - EHEFRAU DES
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Von etwas abseits verfolgte Milo die Zeremonie. Sie ließ ihn nachdenklich werden und er überlegte, wann er selbst wohl an der Reihe sein würde. Es eilte ihn mitnichten, sich unter den so direkten Einfluss einer einzelnen Frau zu stellen. Lieber genoss er sein einsames Leben in Freiheit noch so lange wie möglich. Sein Blick blieb kurz am Profil seines Vaters hängen und er argwöhnte, ob jener schon eine vorteilhafte Verbindung für ihn im Auge haben würde. Doch vermutlich ließ dieser seinen Lieblingssohn Furianus erst einmal vorgehen und wollte dessen Hochzeit sicher abschließen. Milo kam nicht umhin insgeheim zuzugeben, dass die Vermittlung der Tiberia ein guter Zug seines Vaters war. Nachdem den Flaviern durch den heutigen Tag auch die Familie der Claudier näher stehen würde, schienen nur noch die Aurelier in des Senators fein gesponnenen Netz aus Beziehungen zu fehlen. Während Milo seinen Blick wieder der Zeremonie zuwandete überlegte er angestrengt, ob ihm eine heiratsfähige aurelische Dame bekannt war, die der Vater für ihn ausersehen haben könnte. Augenblicklich kam ihm Aurelia Deandra in den Sinn, mit welcher er vor geraumer Zeit dereinst ein Gespräch geführt hatte. Nur allzu gut entsann er sich auch seines Vaters Reaktion, als er diesem von ihrem Gruß berichtet hatte. So kam ihm selbstverständlich der sehr naheliegende Gedanke, dass der Senator diese Dame für sich selbst ausersehen haben könnte. Milo nickte zufrieden mit dem Kopf. So musste es sein. Wenigstens verhalf ihm selbst dies möglicherweise noch zu etwas mehr Luft und Zeit in Freiheit.
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Die Freude der Flaminica kann Antonia nicht ganz teilen. Doch was hatte sie erwartet? Dass der Haruspex verkündete, die Hochzeit könne auf keinen Fall stattfinden? Nein. Gracchus hatte sicher auf die ein oder andere Art dafür gesorgt, dass der Mann sah, was er sehen sollte.
Für einen kurzen Moment schielt sie zu ihrem So-gut-wie-Ehemann und schließt anschließend die Augen. Nur diesen Tag überstehen. Und die Nacht. Alles andere würde sich sicher irgendwann finden.
Da nun auch das Opfer vollzogen war, tritt Antonias Pronuba neben sie und murmelt einige leise Worte in ihr Ohr. Es soll wohl beruhigend wirken, doch nichts kann im Moment das heftig pochende Herz, die wackligen Knie oder die eiskalten, klammen Hände der Patrizierin in Normalzustand versetzen.
Bevor nun der Ehevertrag unterzeichnet werden kann, schreiten die beiden Brautleute, die Braut von ihrer Pronuba geleitet, zu zwei nebeneinander stehenden Stühlen, über denen ein Vlies ausgebreitet ist. Ohne Widerstand lässt sich die Claudia auf einen der beiden setzen, während Gracchus auf dem anderen Platz nimmt.
Gebannt starrt Antonia auf den nun vor ihr liegenden Ehevertrag, den sie unterzeichnen soll. Weigern? Unmöglich.
Wie der Stilus in ihre Hand kommt, ist ihr schleierhaft, dennoch setzt sie ihren Namen unter den Vertrag und reicht das Schreibutensil an Gracchus weiter. -
Durus verfolgte gelangweilt den religiösen Teil der Hochzeit. Natürlich waren die Zeichen günstig. Etwas anderes war ohnehin nicht zu erwarten gewesen.
So ging es weiter. Das Opfer war...nun ja, wie immer eben, dann unterzeichneten die Brautleute den Ehevertrag.Nun wurde es wirklich Zeit, sich ein wenig zu unterhalten. Es gab so viele wichtige Menschen hier! Und nach dem Wahlkampf war vor dem Wahlkampf...
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Wie festgefroren haftete das Lächeln auf Gracchus' Lippen, als er auf dem weichen Fell des Schafes Platz nahm und mit nach Innen gerichtetem Blick der Dinge harrte, die da kamen. Es kamen der Vertrag und ein Stilus, und als Gracchus jenes entgegen nahm, erstarb das Lächeln. Er begann seinen Namen regelrecht auf das Pergament zu zeichnen. Schon immer hatte er großen Wert auf eine saubere Handschrift gelegt, doch wie sehr er auch Buchstabe für Buchstabe vor sich auf das Schriftstück schob, letztendlich gelangte er zum dritten s und musste den Stilus beiseite legen. Er wartete, doch es geschah nichts. Weder fielen Felsbrocken vom Himmel, noch erklangen Fanfaren, weder wich das Leben aus ihm, noch stellte er überhaupt eine Veränderung fest an der Welt um ihn herum. Er blickte auf, blickte zu Antonia, seiner Gemahlin, deren Antlitz noch immer hinter dem Schleier verborgen war. Zum ersten Mal an jenem Abend gelang es ihm nicht, das obligatorische Lächeln aufrecht zu erhalten, in seinem Gesichtsausdruck lag aller Ernst, welcher dem Augenblick angemessen war, durchzogen von einer Spur aus Furcht. Er mochte sie nicht lieben, womöglich würde ihm dies niemals gelingen, doch nun war sie sein angetrautes Weib. Er würde für sie sorgen, würde alles daran setzen, sie zu einer zufriedenen Frau zu machen, wie es seine Pflicht war. Doch was sollte geschehen, wenn er diese, seine Pflicht nicht erfüllen konnte? Ohne daran zu denken das Lächeln wieder auf seine Lippen zu legen suchte Gracchus' Blick den Flamen Dialis, so dass auch der confarreatische Teil der Zeremonie noch zum Abschluss gebracht werden konnte.
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Mit den Opferdiensten im Tempel kam ich nun sogar noch zur Hochzet meines eigenen Fleisch und Blutes zu spät. Gerade noch sah ich die Opferzeremonie und durfte meine Glückwünsche zurück halten. Wenig später wurde jener Vertrag geschrieben, der Gracchus ein Leben lang binden würde.
Ich nahm an der flavischen Seite Haltung an und blinzelte nach vorn. Später würde ich Zeit finden ihm meine Glückwünsche mit auf den Weg zu geben. Diese Heirat war urrömisch und so brauchten jene Worte nicht gar zu überschwenglich ausfallen.
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Der Flamen Dialis bedarf keines Blicks, denn ebenso wie er immer genau dann kommt, wann er beabsichtigt, ist auch sonst immer genau dann die rechte Zeit gekommen, wenn der Falmen Dialis beschließt, dass nun die rechte Zeit gekommen ist. Doch nun ist tatsächlich die rechte Zeit gekommen, darum winkt er den jüngsten Camillus heran, der schon die Platte mit dem Speltkuchen in den Händen hält. Der kleine Kerl versucht feierlich und mit ernster Mine bis zum Flamen zu schreiten, aber als Zuschauer kann man genau sehen, dass seine ganze Konzentration dem Kuchen und dem Umstand, dass dieser nicht zu Boden fällt, gilt und er darüber angestrengt die Stirn runzelt, was nicht mehr ganz so feierlich aussieht. Der Flamen Dialis sieht jedoch gütig lächelnd darüber hinweg, nimmt den Kuchen und teilt ihn vor den Augen des frisch vermählten Paares. "Wie diesen Kuchen vor den Augen der anwesenden Gäste, so sollt ihr von nun an euer gemeinsames Leben vor den Augen der Götter teilen, zwei Stücke von einem einzigen."
Während die Brautleute den Kuchen verspeisen, tritt der Flamen an den Altar und stellt dort eine alles überragende Statue des Iuppiter hinzu. Anschließend folgt das unblutige Opfer aus Früchten des Herbstes und weiteren Speltkuchen und als der Flamen Dialis das Opfergebet spricht, umschreiten Antonia und Gracchus den Altar rechtsherum und tun somit den letzten Schritt, der ihre Ehe besiegelt. "Iuppiter Optimus Maximus, ich bitte Dich, durch diese Dir zustehenden Gaben, mit guten Bitten, dass Du wohlgesonnen, gnädig seiest diesem Paar, ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass du dieses Paar segnest und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deinen Schutz gewährst, dass Du den Treueschwur dieser beiden mit Deinem Segen bindest und ihn ewig währen lässt."
Mit der letzten Bitte ist die geschlossene Hochzeit nicht nur vor den imperialen Gerichten rechtskräftig, sondern auch vor den Göttern und in confarreatischer Art und Weise geschlossen. "Feliciter!" lässt sich der Flamen Dialis nicht den ersten Glückwunsch nehmen und auch die Flaminica schließt sich sogleich mit einem feliciter! an.
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Obwohl der Speltkuchen saftig war, kam es Gracchus so vor, als wäre er trockener als der Staub der Arena, als müsse er an jedem einzelnen Bissen davon ersticken. Mit jedem Bissen ging sie dahin, die Freiheit unbeschwerter jugendlicher Tage, mit jedem Bissen ging er dahin, der ungeheure Traum ewig süßen Junggesellentums. Die Vorzeichen gelesen, den Ehegöttern geopfert, das Vlies gemeinsam besessen, das Versprechen gegeben, Unterschriften und Siegel gesetzt, Ringe getauscht, die Hände ineinander gelegt, den Kuchen gebrochen, den Altar umschritten, den Schwur gefestigt vor Iuppiters Angesicht - die Aneinanderreihung der auszuführenden Riten war zu lang, um sie ignorieren zu können, wie eine Kette schmiedete jedes einzelne ihrer Glieder die frisch Vermählten nun aneinander, untrennbar verbunden, zwei Stücke von einem einzigen. Der Freudenruf des Flamen hallte dumpf in Gracchus' Sinnen nach. Er stand vor dem Altar und nahm die Welt um sich herum wie durch eine dünne Wand aus Pergament wahr, einzig Antonia, deren Hand noch immer fest in seiner lag, hatte er klar und deutlich vor Augen, und es schien ihm, als dürfte er sie nicht mehr loslassen, um nicht den letzten Halt zu verlieren, der ihm noch geblieben war. Er führte sie vor die versammelten Gäste und zwang sich zu einem Lächeln.
"Liebe Gäste, der Augenblick diesen Tag zu Feiern ist nun gekommen. Das Triclinium ist bereitet, die Sklaven warten darauf, euch Speisen und Getränke zu offerieren und die Musik soll sogleich aufspielen. Bitte genießt diesen Tag, so wie wir es tun und habt Teil an unserer Freude."[Sim-Off]WiSim.[/Sim-off]
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Und damit waren sie nun wohl verheiratet.
Dumpf auf den Altar vor sich starrend, wird Antonia erst durch Gracchus´ Bewegung wieder ins Hier und Jetzt geholt. Ohne eine Miene zu verziehen - wozu auch, niemand hätte es gesehen - wird sie von ihrem Ehemann in Richtung der wartenden Gäste geführt.
Den Tag genießen. Wohl eher ein schlechter Witz. Nie in ihrem Leben hatte sie einen Tag weniger genossen. Die Aufregung, der Trubel, die vielen Verwandten.. und nicht zuletzt das, was noch kommen wird, verleiden der Claudia die Freude. Dennoch sieht sie äußerlich ruhig zu ihrem Gatten, als er seine kleine Ansprache hält. Aufmerksam studiert sie seine Gesichtszüge und kommt nicht umhin, den Flavier für seine Selbstbeherrschung zu bewundern. Sie selbst würde wohl erst morgen ihre Gesichtszüge unter Kontrolle behalten müssen, verdeckt doch weiterhin der Schleier die Angst in ihren Augen. -
Jedes gesprochene Wort rammte einen weiteren Dolch in mein Innerstes, es geschah, es geschah wirklich und ich konnte nichts dagegen tun, das nicht einen irreparablen Schaden an unserer Familienehre verursacht hätte. Am liebsten hätte ich mich inmitten der Festgesellschaft aufgestellt, alle nach Hause geschickt und Gracchus mit mir genommen, irgendwo hin, wo es nach Oliven roch, wo die vielfältigen Gerüche unserer geteilten Kindheit, unseres geteilten Erwachsenwerdens noch zu finden gewesen wäre und niemand sonst war. Aber es geschah, jeder rituelle Schritt wurde fast perfekt ausgeführt, um die Götter nicht zu beleidigen und das Höchstmaß an Glück für das Ehepaar herab zu rufen. Als die ersten Jubelrufe auf das Brautpaar erklangen, zerbrach etwas in mir wie auch der Becher, der meiner Hand entglitten war, auf dem Fußboden zerschellte und in tausend kleine Scherben zersplitterte. Hätte man mein Herz herausgerissen und auf den Boden geworfen, um dann darauf herum zu trampeln, wäre dies meinen Gefühlen im Augenblick ziemlich nahe gekommen.
"Feliciter," flüsterte ich tonlos, aber ich meinte es nicht so. Meine Miene verhärtete sich zu einem ausdruckslosen Bild, die Sklavin, die eilig um meine Füße herumkroch, um die Scherben aufzulesen, nahm ich kaum wirklich wahr und wäre ihr fast auf die Hand getreten, als ich mich als erster nach vorn drängte, um zu den beiden zu treten und zuerst Antonias Hand zu nehmen und zu drücken. "Ich gratuliere Dir zur Vermählung mit meinem Vetter Gracchus, Claudia Antonia, ich bin mir sicher, es wird keinen besseren Mann geben, den Du Dir als Gemahl hättest erwählen können. So kann ich euch nur wünschen, dass ihr miteinander glücklich werdet." Ich konnte ihnen nicht auch noch reichen Kindersegen wünschen, oder Liebe, oder was auch immer man bei einer Hochzeit anderen wünschte, denn irgendwie war ich mir sicher, ich würde den Schmerz in mir dann nicht mehr verhehlen können. "Manius," erklang meine Stimme wie aus weiter Ferne, als ich meinen Vetter, meinen Bruder im Blut, den einzigen, den ich unter all den Anwesenden mit aller Kraft und Verzweiflung liebte, anblickte. "Ich gratuliere Dir zur Vermählung mit Claudia Antonia, und ich bin mir sicher, dass Du mit ihr eine kluge und besondere Frau gewonnen hast. So kann ich euch nur wünschen, dass ihr euer Glück gemeinsam findet." Genauso, wie mein Glück an diesem Tag gestorben ist. Ich sagte es nicht, aber als ich in seine Augen blickte und seine Hand drückte, fühlte ich mich wie ein Toter unter platzendem, prallem Leben.
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Als irgendwo in der Menge ein Becher auf dem Fußboden zerschellte, glaubte Gracchus daran, dass er sein eigenes Herz hören konnte, wie es mit jedem weiteren Feliciter zersprang, und es wunderte ihn nicht, denn wie sollte es nicht zerspringen? War der Augenblick nicht bereits mit Schwermut getränkt, so wurde er es spätestens mit jenem Moment, als Aqulius erneut zu ihnen trat. Gracchus hörte seinen Vetter reden, wie aus weiter Ferne, wie durch die pergamentene Wand, doch alles, was er wahrnahm war nur ferne, unwiederbringlich vergangene Vergangenheit.
"Ich danke dir, Caius."
So viele Worte schwirrten durch Gracchus' Sinne, so viele lagen ihm auf der Zunge, die noch zu sagen wäre, doch mehr als dies wollte ihm nicht entkommen. Wie sollte er sein Glück finden mit jener Frau, wo er das größte Glück was er je besessen an diesem Tage aufgegeben hatte? Er spürte Aquilius' Hand, wie sie die seine berührte, wie er sie drückte, als wäre dies ein Abschied, ein Abschied welcher es war. Der Zettel! Gracchus hatte ihn noch immer irgendwo in seiner Toga. Er blickte in die Augen seines Vetters und versuchte dort einen Funken Hoffnung, die Ahnung einer Idee zu finden, doch war jede Hoffnung bereits aus ihm gewichen. Es gab keine Lösung. Es würde niemals eine geben und sie beide mussten es akzeptieren, oder daran zugrunde gehen. -
Eigentlich war das schön früher so. Für die wahrhaft ernsten religiösen Zeremonien hatte Marcus einfach keinen Sinn. Marcus gehörte eher zu dem Typus Römer, der aufregende, exotische und fremdländische Riten sehr faszinierend fand. Aber diese Zeremonie war Marcus durchaus vertraut. Zwischendrin kratzte er sich am Kinn und versuchte all die grauenhaften Gedanken an seine eigene Hochzeit vor fast 15 Jahren zu vergessen. Doch, das war auch so ähnlich gewesen. Aber wirklich daran erinnern konnte sich Marcus nicht. Er war in einem Netz von Entsetzen und Panik damals gefangen gewesen als er seine grauenhaft zickige Frau geehelicht hatte, die seine Tochter schon in ihrem Leib trug. Na ja, sein Vetter hatte es bestimmt da viel besser getroffen. Marcus musterte noch mal die schöne Braut. Ja, sehr viel besser.
Marcus entging aber auch völlig, daß sein Vetter wohl nicht wirklich von seiner eigenen Hochzeit begeistert war. Im Gegenteil, er hielt das für den typischen religiösen Ernst seines, für ihn, viel zu hochtrabenden und ernsten Vetter. Als die Beiden dann verheiratet waren, folgte Marcus den Gratulanten. Sprich er ging direkt hinter seinem anderen Vetter, Aquilius, hinter her. Zuerst wandte er sich an die schöne Braut. Sah er Furcht in ihren Augen? Marcus blinzelte kurz. Ach nein, das war bestimmt nur das Kerzenlicht. Marcus lächelte wieder charmant. Was war sie jetzt? Vetterin, nein, hmm...Nichts von den Grübeleien ließ sich Marcus anmerken. Er lächelte ungebrochen vergnügt und sah seiner Schwägerin direkt in die Augen.
“Gratulatio und Feliciter, werte Schwägerin. Willkommen in der Familie! Die Villa Flavia kann auch eine bestimmende Frauenhand gut gebrauchen. Ich wünsche Dir und Deinem Mann natürlich viel Glück und viele muntere Erben!“
Schrecklich! Marcus haßte es, sich solche Phrasen vom Mund abzuringen. Ihm fiel dabei nie wirklich etwas kluges ein. Die Bemerkungen, die ihm als erstes kamen, waren alle viel zu unanständig und schließlich wollte er seinen Vetter nicht schon am ersten Abend vor seiner Frau bloß stellen. So, nun noch sein Vetter.
„Feliciter, Vetter. Was für ein wunderbarer Moment. Jetzt bist Du auch ein Ehemann und hoffentlich bald Vater. Aber ich bin sicher, daß wird schon!“
Marcus klopfte seinem Vetter sachte auf die Schulter, auch nur ganz kurz. Sachte, damit jener nicht gleich umfiel. Schließlich war er so eine Leseratte und vertrug mit Sicherheit nicht viel. Marcus zwinkerte lächelnd und ging weiter. Aus zwei Gründen, zum einen wollte er den anderen Gästen den Zugang ermöglichen und zweitens hatte Gracchus was von Essen im Triclinium erwähnt. Das wollte er bestimmt nicht verpassen. Marcus steuerte seinen Neffen und Ziehbruder Milo an, den er nun ausmachen konnte, und nickte ihm zu.
“Titus, was stehst Du hier wie ein begossener Hund? Na, alles in Ordnung? Du bist doch nicht sauer, wegen der Vinalia Rustica, weil ich Dich da hab stehen lassen?“
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Etwas weniger emotional als wohl die Mehrzahl der engeren Familienangehörigen des Brautpaares, die sogleich wieder das Paar umringten und mit persönlichen Worten beglückwünschten stimmte Macer aus dem Hintergrund in die Glückwünsche nach der Durchführung aller nötigen Zeremonien ein: "Feliciter!"
Dann schlenderte er ohne Eile wie vom Bräutigam angeboten ins Triclinium und schaute sich nach einem Platz um.
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Zitat
Original von Marcus Flavius Aristides
„Feliciter, Vetter. Was für ein wunderbarer Moment. Jetzt bist Du auch ein Ehemann und hoffentlich bald Vater. Aber ich bin sicher, daß wird schon!“Marcus klopfte seinem Vetter sachte auf die Schulter, auch nur ganz kurz. Sachte, damit jener nicht gleich umfiel. Schließlich war er so eine Leseratte und vertrug mit Sicherheit nicht viel. Marcus zwinkerte lächelnd und ging weiter.
Die Feier floss weiter dahin und Gracchus blieb nichts übrig, als in ihrem Strom mit zu schwimmen. Wie schon vor der Zeremonie blieben auch danach kaum genug Worte für jeden Gratulanten, bis schon der nächste vor ihm stand.
"Das wird es sicher, Aristides. Ich danke dir für die guten Wünsche."
Sein Vetter hatte leicht reden, er hatte die Ehe bereits hinter sich und zudem, neben einer leicht missratenen Tochter, auch einen Erben daraus hervorgebracht. Wie jener Aristides' Linie fortführen würde, musste sich zwar noch beweisen, doch immerhin hatte Aristides vorerst alle Pflichten erfüllt und konnte sich getrost wieder dem eigentlichen Leben widmen. Unter dem Schulterklopfen seines Vetters zuckte Gracchus leicht zusammen, kam es doch gänzlich unerwartet für ihn. Natürlich war bei Aristides mit dererlei immer zu rechnen, dennoch versäumte Gracchus dies regelmäßig und würde sich auch nie an dessen Impulsivität und ungezwungene Art gewöhnen.
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