Cubiculum | Claudia Antonia

  • Sim-Off:

    Angesichts deines Handycaps wickeln wir das Ganze mal ein bisschen flotter ab ;)


    Er drängte sie zurück, zu jenem Bett, das Antonia oft einen Schauer über den Rücken jagte, wenn sie es betrachtete. Ort ihres Versagens.
    Sie ließ sich langsam nieder, rutschte nach hinten, um ihrem Gatten Platz zu machen. Platz für jene Pflicht, die ihm zuwider sein musste, wie nichts in der Welt. Doch hier und heute wollte sie Egoist sein, nehmen, was sie kriegen konnte und sei es nur stumpfe Erfüllung einer ungeliebten Bürde. Seine leisen Worte ließen ihre Augen flackern.
    Kalt? Sie war kalt? Nach allem, was sie beim letzten Mal getan hatte, empfand er sie noch immer als kalt? Einen Schwall der Scham, der Reue, der Traurigkeit, der ihn ihr emporkroch unterdrückte sie. Es kümmerte sie nicht. Nicht jetzt und nicht hier.
    Denn trotz all der Gedanken, die sie plagten, war es nur der Körper, der in diesem Moment regierte. Und jener Körper, der ihr selbst so zuwider war, presste sich an den von Gracchus, forderte, was sein Recht schien, signalisierte durch wolllüstiges Stöhnen, was ihm gefiel, spürte die Hände des Gemahls, die die Höhen und Tiefen erkundeten.
    Gleichsam drängte sich Antonia enger an Gracchus, schlang ihre Arme um ihn, wollte fühlen, wollte gefühlt werden. Losgelöst von allen Ängsten und Zweifeln ergab sie sich der süßen Erlösung, die unweigerlich folgte. Nach Minuten? Nach Stunden? Sie hätte es nicht zu bestimmen gewusst.
    In der Bewegung innehaltend, beschleunigte lediglich ihr Atem und ihr Herzschlag, ehe sie sich zurückfallen ließ, still den Gatten betrachtend.

  • Wenn Iuno auch nur im geringsten Zeit und Interesse gehabt hätte, dann hätte sie es putzig gefunden, wie die klitzekleinen Spermien munter hin- und herschwammen. Millionen kleiner Kerlchen, die genauso lustig wie instinktiv ihren Weg suchten, bis einer von ihnen, der große Gewinner, das ersehnte Ziel, die Eizelle erreichte und sich erfolgreich einnistete. Welches Geschlecht jedoch das zukünftige Mitglied der Gens Flavius haben wird, das wusste in diesem Moment nur die Göttin, und die plauderte dies bekanntlich nicht aus.

  • Sim-Off:

    Für dich, meine Liebe, bin ich doch jederzeit bereit, bis an meine Schmerzgrenze und darüber hinaus zu gehen ... ;)


    Sobald erst die vordergründigen Hürden waren überwunden, ließ auch Gracchus von dem Treiben sich einfangen, hinfort schwemmen, umfassen. Klandestine Spuren von Schweiß glänzten auf den Leibern der beiden sich auf so unglückliche Weise liebenden, ihre Herzen pochten beinah im gleichen Takt. So kam der kleine Tod und hinterließ unbemerkt, ungeahnt von jenen, welche von ihm kosteten, ein kleines Leben. Die Augen geschlossen atmete Gracchus als hätte er eine lustratio hinter sich, löste langsam sich von seiner Gemahlin und ließ sich neben ihr auf die Liege fallen. Er war müde, unendlich müde, gleichsam losgelöst von aller Anspannung, welche des Tages ihn in ihren Fängen hatte gehalten. Nur ein wenig noch wollte er so neben Antonia liegen, als wären sie, was sie nicht waren - vereint, gemeinsam, zufrieden, glücklich allfällig -, wollte von der Harmonie kosten, welche in diesem Augenblicke in der Luft schwang, wollte nichts mehr sonst. Die Lider wurden allmählich ihm schwer, bereits fühlte er die aufkommende Trägheit, welche ihn zu übermannen drohte, und er verspürte zum ersten Mal seit vielen Tagen keine Furcht vor dem Schlaf, nicht hier. Langsam drehte er sich noch einmal ein wenig zur Seite, begegnete Antonias Blick, welcher gleichsam so endlos fern und doch ihm seltsam nah erschien.
    "Gestattest du, dass ich diese Nacht neben dir verbringe?"

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  • Sim-Off:

    Ach, du Guter. Ich bin Deiner unwürdig :D


    Antonia schien fast ein wenig schockiert über jene Bitte ihres Gatten. Bitte? War es denn eine Bitte? Oder vielmehr ein Angebot, eine Bürde, die er bereit war auf sich zu nehmen, er, der perfekte Gemahl, nur um ihr das Gefühl zu geben, nicht jene grässliche Kreatur zu sein, die sie nun einmal war?
    „Gewiss.“, hörte sie sich sagen. „Wenn du gerne möchtest.“
    Sie wusste genau, er wollte nichts lieber, als umgehend aus dem Raume stürmen, hinter sich lassen, was ihm wie ein Klotz am Bein scheinen musste. Doch sie klammerte sich an eine vergebene Vorstellung. Nur noch ein wenig länger sich der Illusion hingeben, sie seien ein gewöhnliches Ehepaar. Nur einen Augenblick, nur eine Nacht lang.
    So rollte sie sich auf die Seite, mit heftig pochendem Herzen, aus Angst, er würde sie zurückstoßen. Schmiegte zögerlich ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen.

  • Vorsichtig schob Gracchus seinen Arm unter Antonias Kopf, schmiegte seine Wange an ihr weiches Haar und sog ihren Duft durch seine Nase. Mit der anderen Hand zog er die Decke ein wenig höher, schloss alsbald die Augen und genoss den warmen Körper neben sich. In dieser Nacht träumte Gracchus von einem fliederfarbenen Meer aus Hyazinthenblüten, welches nach Pfirsich und Melonen duftete, von einem Vogel, dessen mauvefarbenes Daunengefieder weich um seinen Körper strich, von türkisfarbenem Himmel und lavendelfarbenen Bergen, welche mit flauschiger Wolle waren bedeckt. Er lauschte einem sanft klingenden Lied aus ferner Vergangenheit, kostete adorable Speisen und verlor sich am Ende der Ewigkeit. Als er früh am nächsten Morgen erwachte, wusste er von all dem nichts mehr, doch er erwachte nicht mitten aus einem düsteren Traume gerissen, allmählich dämmerte er in den Tag hinein und fühlte sich erholt wie lange nicht mehr. Einige Herzschläge lang, allfällig auch länger, betrachtete er das Gesicht seiner schlafenden Gattin im weichen Licht des anbrechenden Tages, ihre sanften, schönen Züge, umrahmt von ihrem dunklen Haar. Er richtete langsam sich auf, beugte sich über sie, schloss noch einmal die Augen und ließ ihren Duft durch seine Sinne wehen. Es war keine Begierde, kein Verlangen, nur ein Hauch von Zufriedenheit. Manches mal war das Leben zu seltsam, um es zu verstehen, so schälte Gracchus sich aus der Decke, vorsichtig, um Antonia nicht aufzuwecken, und verließ leise ihr Gemach.

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  • Es war ein furchtbarer Morgen, der auf eine furchtbare Nacht folgte. Kaum ein Auge hatte Antonia zu getan, wie bereits seit Tagen nicht. Unerträglich war diese Hitze. Erschwerend hinzu kam nun, dass sich die Claudia gänzlich undamenhaft immer öfter übergeben musste. Unerklärlich schien ihr dies, aß sie doch kaum etwas. Und wenn sie etwas aß, war es nichts, was derlei Beschwerden verursachen könnte. Vielleicht würde sie doch demnächst einen Medicus konsultieren müssen.
    Im Moment jedoch saß sie leicht vornübergebeugt in ihrem Nachtgewand und mit aufgelösten Haaren auf ihrer Bettkante und starrte auf den Boden vor sich. Nur nicht zu viel bewegen, sonst würde ihr mit Sicherheit erneut übel werden.
    „Was habe ich nur verbrochen.“, murmelte sie leise. Der einzige Sklave im Raum, Pallas, zuckte mit den Schultern.
    Mit ihrer zittrigen Hand fuhr sie sich über die Stirn.
    „Kein Fieber. Denke ich. Zumindest etwas.“
    Der Wink, den sie dem Kelten gab, sagte ihm unmissverständlich, dass auch er sich davon überzeugen sollte. Nicht, dass Antonia auf sein Urteil viel Wert gelegt hätte, doch war eine zweite Meinung – und sei es nur die eines Sklaven – in solchen Fällen nie verkehrt.
    Ein gebrummtes „Mhm“ bestätigte ihre eigene Diagnose.
    „Vielleicht ein Sonnenstich.“, mutmaßte sie schließlich.
    Jene Vermutung war jedoch ebenso unsinnig wie die Annahme, sie hätte zu viel gegessen. Die Claudia hielt sich tunlichst von zu viel Sonnenlicht fern, hätte dieses doch nur eine unangenehme Bräune zur Folge. Als er diesen Einwand äußerte, erhielt Pallas zum Dank ein Kissen. An den Kopf. Geworfen von seiner Herrin. Unnötig zu erwähnen, dass sie missgestimmt war.

  • Glücklicherweise war das Kissen, das in seinem Gesicht landete, recht weich gepolstert und richtete so keinen größeren Schaden an. Reflexartig fing Pallas es sogar auf und brachte es zurück an seinen Platz. Vielleicht wollte Antonia ja noch einmal etwas werfen… und in dem Fall hieß es besser das Kissen als die Vase.
    „Herrin.“, begann er zögerlich. Dass die Angesprochene aufblickte und so ihr griesgrämiges Gesicht offenbarte ließ ihn für einen Moment wieder verstummen.
    „Vielleicht bist du ja schwanger, Herrin?!“
    Es war mehr eine Frage, als eine Vermutung, dennoch entlockte sie der Claudia ein schallendes Lachen. Er wisse so gut wie sie selbst, dass dies unmöglich sei, sagte sie.
    „Nichts ist unmöglich, Herrin. Ich meine-“
    Eine Geste Antonias schnitt ihm das Wort ab.
    „Oder einfach nur der Stress… diese Sache mit deinem Gatten… und so… “
    Das schien Antonia nun einleuchtend, denn sie senkte nickend ihren Kopf wieder.
    „Hol trotzdem einen Medicus.“, befahl sie, schwang die Beine aufs Bett zurück und schloss die Augen.
    „Wie du wünschst, Herrin.“, erwiderte Pallas, verbeugte sich knapp und beeilte sich, den Raum zu verlassen. Sollten ihre Sklavinnen die Launen der Patrizierin weiter ertragen. Sofern sich heute noch eine hinein traute.

  • Der Arzt kam, sah und.. diagnostizierte. Mit dem Hinweis, er sei unfähig wurde er allerdings auch ebenso schnell, wie er gekommen war, wieder fortgeschickt. Nicht viel besser erging es dem zweiten Arzt, den der Sklave anschleifte. Schwanger. Sie sollte schwanger sein? Was für ein Unsinn. Auch die mittlerweile recht nachdrücklichen Einwände Pallas’ tat Antonia mit einem Kopfschütteln ab. Es war völlig unmöglich. Von Gracchus konnte sie, laut seinem eigenen Eingeständnis nicht schwanger sein und einen anderen Mann hatte es nicht gegeben. Oder hatte ihr Gatte sich am Ende geirrt? Ein dritter Medicus sollte die Angelegenheit klären.
    „Und? Was ist es?“, fragte sie, als dieser die Untersuchung beendet hatte.
    „Das zu sagen wäre es im Moment noch zu früh.“
    „Bitte?“
    „In sieben bis acht Monaten werden wir denke ich mehr darüber wissen, was es ist. Junge oder Mädchen.“
    „Schwanger?“
    „Ich gratuliere herzlich, Claudia.“
    Antonias Blick musste in etwa dem des Theseus ähneln, als dieser zum ersten Mal den Minotaurus sah. Spätere Generationen würden ihn mit „Wtf?“ betiteln.
    „Das ist unmöglich.“, murmelte sie, sacht den Kopf schüttelnd.
    „Wie meinen?“
    Der stumme Schatten an der Wand, auch als Pallas bekannt, war es, der den leicht verwirrten Medicus nach draußen bugsierte. Seine Herrin schien im Moment nicht wirklich ansprechbar, starrte sie doch lediglich mit großen Augen an die ihr gegenüberliegende Wand, immer und immer wieder den Kopf schüttelnd. Offenbar hatte Gracchus sich geirrt. Nur... würde er das glauben? Nachdem er sich so sicher gewesen war, dass er unfruchtbar war?
    Sie schlug beide Hände vor den Mund. Sicher würde er glauben, sie hatte bei einem anderen gelegen. Natürlich, was schien nahe liegender? Niemals würde er dieses Kind anerkennen, würde sie verstoßen.
    „Oh Iuno... “, seufzte sie.

  • "Bei Iuno, müsst ihr immer so trödeln? Ich könnte schon längst fertig sein."
    Unruhig wedelte Antonia mit einer Hand, um ihre Sklavinnen fortzuscheuchen. Sie hatte vor, einen Ausflug in die Stadt zu unternehmen, so lange sie noch konnte. So wie die Dinge lagen, würde die Geburt nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen und die Zeit bis dahin wollte sinnvoll genutzt werden.
    So hatte sie sich bereits früh morgens wecken lassen, um nicht gerade in der Mittagshitze durch die Straßen ziehen zu müssen. Jede Bewegung war derzeit bereits anstrengend genug. Nun war es jedoch bereits später Vormittag und noch immer zupften die Sklavinnen an Kleidung und Haaren herum. Nicht zuletzt, weil die Claudia immer wieder etwas auszusetzen hatte an jener Falte oder dieser Strähne.
    "Genug!", befahl sie schließlich und erhob sich von ihrem Frisierstuhl. "Es wird gehen. "
    Geduld war gewiss keine von Antonias Tugenden. Zielstrebig schritt sie zur Türe, nur ein kurzes Ziehen im Unterleib ließ sie inne halten. Es war nichts, was sie weiter beunruhigte, solche Symptome hatte sie in letzter Zeit des Öfteren. Eine ganz natürliche Sache, hatte ihr der Medicus versichert und hatte unzählige Ursachen hierfür aufgelistet. Es war ärgerlich, doch was nahm man nicht alles in Kauf, um den Bestand der Gens zu sichern. Für Antonia war es tatsächlich das beste Gefühl der Welt, etwas, auf das sie viel zu lange hatte warten müssen.
    "Herrin? "
    Die Stimme einer der Sklavinnen ließ sie unwirsch herumfahren.
    "Was denn noch? ", blaffte sie ungehalten.
    "Ich.. äh.. ich glaube.. äh.. ihr.. verliert etwas. "
    "Wie? "
    Verwirrt tastete Antonia ihre Haare ab. Nein, alle Nadeln saßen noch an Ort und Stelle. Stirnrunzelnd sah sie die Sklavin an und folgte schließlich deren ausgestreckten Arm in Richtung Boden. Ein Pfütze. Eine Pfütze? Mit einem Mal wurde sie kreidebleich.
    "Oh ihr Götter.. ", flüsterte sie, unfähig ihre Stimme lauter zu erheben. Offenbar war die Fruchtblase geplatzt.

  • Es war nicht Pallas' Tag. Absolut nicht. Erst war er auf einer Lache aus verschüttetem Garum ausgerutscht (und hatte stundenlang dementsprechend geduftet), dann hatte man ihm eröffnet, er "durfte" heute seine Herrin auf einem Ausflug in die Stadt begleiten - was zweifellos Blasen an den Füßen bedeutete - und nun musste er sich auch noch ewig vor ihrer Tür die Beine in den Bauch stehen, weil die Damen drinnen beschlossen hatten, männliche Wesen hätten draußen zu warten, während die Herrin hergerichtet wurde. Pft.
    Als die Tür mit ordentlicher Wucht aufflog, hob er erstmals wieder den Blick. Er sah jedoch mitnichten, was er erwartete. Eine mittelgroße Traube aus Sklavinnen kam armewedelnd herausgestürmt, plapperte etwas von "Wasser" und "verloren", woraufhin der Brite lediglich dachte 'Besorgt ihr doch selbst ein Neues'. Es folgte ein kurzes Intermezzo. Jeder andere Mann hätte sich wahrscheinlich gefreut, so viele Frauenhände auf seinem Körper zu spüren... Pallas war eher irritiert, denn sie schubbsten und drängten ihn nach hinten. Ehe sein in solchen Situationen etwas langsamer Verstand begreifen konnte, was denn nun eigentlich los war, waren sie auch schon wieder verschwunden.
    So, nochmal langsam. Was war los? Herrin. Kind. Jetzt. Amme. Gracchus. Und nun noch sortieren... die Herrin bekam ihr Kind? Ach du heilige..
    Etwas ratlos trat der Sklave von einem Bein aufs andere. Aiaiai, was denn jetzt? Amme... er sollte die Amme holen. Genau. Erst die Amme holen und dann dem Herrn bescheid sagen. Gut. Gut. Das konnte er. Bestimmt... also los. Die Beine wollten nicht recht gehorchen.
    "Beweg dich, du Torfkopf.", sagte er zu sich selbst und tatsächlich, er löste sich aus seiner Starre. Zunächst noch etwas langsam, aber nach weniger Schritten kam er ins Laufen und flitzte durch die Villa...

  • Antonia war völlig verdattert. Ihr Kopf war leer, alles war vergessen, was sie sich in den Wochen zuvor angeeignet hatte. Wie sie sich zu vehalten hatte, was zu tun war, damit alles reibungslos vonstatten ging. Es sollte nur der Anfang eines der längsten Tage in Antonias Leben sein..
    Wie sie letztendlich in ihrem Bett landete, hätte sie später nicht mehr sagen können, doch vermutlich war es eine der Sklavinnen, die ihr hierzu riet. Die ein oder andere hatte einen solchen Vorgang ja bereits hinter sich. Es ging zäh und mühsam vonstatten, und jeder Wehe folgte eine längere Zeit der Erholung. Noch.
    Die Stimme der Hebamme war es, die der Claudia endlich wieder ins Bewusstsein rief, wo sie war und vor allem: Was los war.
    "Keine Sorge.", hörte sie sie sagen, "Beim ersten Mal ists immer schwierig."
    Das beruhigte Antonia keineswegs. Im Gegenteil. Was, wenn das Kind starb? Was, wenn sie starb? Mitten in diesen Gedanken platzte die nächste Wehe - sehr zum Leidwesen der armen Sklavin, die der Claudia tröstend die Hand gereicht hatte. Irgendwo im Hinterkopf schwirrte die Information herum, dass dies wohl noch einige Stunden so gehen würde..
    Und in der Tat, es zog sich hin. Der jüngste Spross der Flavierfamilie schien es nicht besonders eilig zu haben, das Licht der Welt zu erblicken. Wer konnte es ihm verdenken, angesichts der gemütlichen kleinen Welt, in der er bisher sein Dasein fristete.
    Die Stunden verannen, nichts geschah. Nichts, nur die Abstände, in denen die schmerzenden Wehen zurückkehrten verringerten sich. Für eine Frau wie Antonia, die wahrlich nicht die kräftigste war, ein zermürbender und auszehrender Vorgang. Schweiß floss in Strömen, ihr Atem ging stoßweise und angestrengt. Im Moment war ihr alles Recht, solange nur diese Schmerzen bald aufhörten.
    Als die jüngste Attacke nachließ, ließ sie ihren Kopf zur Seite fallen, richtete den Blick zum Fenster. Es dämmerte bereits. Erst jetzt wurde ihr klar, wie lange sie bereits hier lag. Sie würde Gracchus erwürgen. Ohja. Erwürgen, vergiften, vierteilen, ihn leiden lassen für das, was er ihr hier angetan hatte.
    Die Hebamme indes war die Ruhe in Person, massierte hier und da die Gebärende, murmelte in sanftem Tonfall einige Worte und hatte stets ein Lächeln auf dem Gesicht. Es machte Antonia wahnsinnig.
    "So.", verkündete sie schließlich. "Ich denke, wir können dann."
    "Was?", seufzte Antonia.
    "Nun, du wirst dein Kind doch nicht im Liegen zur Welt bringen wollen? Nein, nein, komm, wir müssen dich hier herüber bringen."
    Sie deutete auf den Gebärstuhl, der wohl schon die ganze Zeit neben dem Bett gestanden hatte. In der Hoffnung, dies möge nur ein Scherz sein, schloss Antonia die Augen. Nein, nicht bewegen. Nicht aufstehen. Nicht hinsetzen. Sie würde das Kind einfach für alle Ewigkeit in sich behalten. Genau. Es war egal, wie dick sie werden würde. Völlig egal.
    Doch es gab kein Erbarmen. Die Hebamme zog die Claudia hoch, kannte kein Wenn und Aber. Unterstützt von den anwesenden Sklavinnen schaffte Antonia die wenigen Schritte zum Stuhl, setzte sich vorsichtig und schwerfällig nieder. Wenn sie nun schon hier war, würde es gewiss schnell gehen. Ohja, gleich wäre es vorbei.egal.
    "Weißt du, im Stuhl geht es schneller und einfacher.", erklärte die Hebamme schließlich. Warum hatte sie das nicht gleich gesagt? Mit Freude wäre sie hierher gekommen.
    Doch die alte Frau kniete bereits vor ihr, gab Anweisungen wie sie zu atmen und was sie zu tun hatte.
    Und dann - dann ging in der tat alles sehr schnell. Ein Schrei zerschnitt die Luft. Es lebte. Alle Sorgen, alle Schmerzen fielen von Antonia ab, sie schloss die Augen um diesen einen Moment des vollkommenen Glücks zu genießen. Es lebte. Egal was es war, es lebte.

  • Ruhelos ging Gracchus vor Antonias Cubiculum auf und ab. Seit deren Sklave in sein Arbeitszimmer war geplatzt und die Nachricht hatte überbracht, drängte es den werdenden Vater zur werdenden Mutter hin, doch als er deren Cubiculum wollte betreten, wurde er von einer Sklavin, welche mit einer Kanne Wasser in den Raum eilte, bei Seite gedrängt und ob der im Inneren der Geburtsstätte herrschenden Hektik hatte Sciurus seinen Herrn dazu überreden können, außerhalb des Raumes zu warten, da er ohnehin nur würde stören, denn im Gegensatz zu Gracchus war es für Sciurus nicht die erste Geburt. Widerstrebend hatte der Herr sich dem gefügt, ohnehin nicht wissend, was er sollte tun, doch hatte er sich nicht davon abhalten lassen, seinen Posten vor der Türe seiner Gemahlin aufzugeben. Ab und an setzte er sich auf einen herbeigeschafften Scherenstuhl, doch sobald hinter der hölzernen Türe, deren Maserung ihm so vertraut war, die Schreie Antonias einsetzten, sprang er auf, suchte zu ihr zu gelangen, ein jedes Mal erneut von Sciurus abgehalten. "Solange sie noch schreit ist alles in Ordnung, Herr. Das ist vollkommen normal. Bedenklich wird es nur, wenn sie aufhört zu schreien."
    Gracchus wartete darauf, dass Antonia schrie sobald sie verstummte, obgleich ihm beinah die Sinne barsten, wenn es denn so weit war, denn wieder und wieder hörte es mehr sich danach an, als würde seine Frau ihr Leben abtreten denn das ihres Kindes ermöglichen. Gegen Abend hatte er sich beinahe daran gewöhnt, doch obgleich er sich in den letzten Wochen durchaus im Nichtstun hatte geübt, dies zu Goutieren hatte gelernt, so war es ihm diesen Tages doch ein Gräuel. Völlig unerwartet dann zerschnitt ein Schrei die Luft, welcher sich gänzlich von jenen mannigfaltigen Tonlagen unterschied, welche Antonia im Laufe der Geburt hatte erforscht. Und Antonia schrie nicht mehr.
    "Iup't'r 'nd D's p't'r, si' st'rbt!"
    Es war dies zu viel des Wahnsinns und Gracchus wusste, er würde vollends seinen Verstand verlieren so Antonia im Kindbett im Sterben lag, mehr noch als wenn das Kind es nicht überlebte, seine erste und vermutlich letzte und einzige Chance auf einen Erben. Sciurus war zu langsam, Gracchus bereits an der Türe, drückte diese auf und stürmte in den Raum hinein. Sie durfte nicht sterben, nicht ob des Kindes wegen, nicht an diesem Tage, grundsätzlich nicht, denn zu vieles gab es noch zu sagen, zu vieles zu tun, Versäumnisse aufzuholen - die Götter konnten nicht einfach nun ihm seine Gemahlin von der Seite zerren. Gewillt, Antonia eigenhändig aus den Klauen des Hades zu entreißen, kam Gracchus kaum drei Schritt weit in den Raum hinein, erstarrte beim Anblick der Amme, welches das kleine Bündel Leben vor sich hielt, noch nicht gänzlich vom Körper der Mutter getrennt. Blutüberströmt war der kleine Leib, überströmt von rotfarbenem Blut, rotfarbenes Blut klebte an seiner Haut, dunkel und schimmernd, Fetzen aus Blut, rotfarbene Schlacke, Blut, Antonias Blut oder das des Kindes, das Blut eines lebenden Leibes. Langsam öffnete sich Gracchus' Mund, doch kein Laut drang aus seiner Kehle, wie auch keine Luft in seine Lungen, es wurde ihm blümerant vor Augen, und als sein Geist sich verabschiedete, kippte sein Körper langsam zurück, wo Sciurus bereits treusorgend stand - es war nicht seine erste Geburt und er stand bereits lange genug im Dienste seines Herrn -, der augenrollenden Hebamme nur ein Schulterzucken schenkend und seinen Herrn bei Seite räumend, während die Nabelschnur des Kindes durchtrennt und der kleine Leib gesäubert wurden, um es der Mutter in die Arme zu legen.


    /edit: Link

  • „Ma – nius.“, war alles, was Antonia noch sagen konnte, ehe ihr Gatte in eine andere Welt entschwebte. Genau genommen sagte sie nur "Ma", das "nius" folgte, als er bereits das Gleichgewicht verloren hatte. „Bei allen Göttern..“
    Besorgt richtete sie sich auf, sah hinüber zu Gracchus, welcher glücklicherweise von seinem allgegenwärtigen Schatten aufgefangen worden war. Erneut ein Anfall? Nun, da er gerade wieder auf dem Wege der Besserung war? Wieder hoffen und bangen, er möge es überstehen? Panisch sah sie vom Sklaven zur Hebamme. Warum taten sie denn nur nichts? Jemand musste ihm doch helfen.
    „Keine Sorge, Kindchen.“, ließ sich letztere vernehmen. Keine Sorge? Der Vater ihres Kindes lag vielleicht im Sterben und sie sollte sich keine Sorgen machen? Mit weit aufgerissenen Augen starrte Antonia ihre Hebamme an. „Ist nur in Ohnmacht gefallen.“
    In Ohnmacht gefallen? Verwundert blinzelnd ließ sich die Claudia zurücksinken. In Ohnmacht gefallen? Wieso zum Hades.. was fiel dem Kerl denn ein? Sie quälte sich hier Stunde um Stunde, er kam herein und nach der ersten Minute fiel er um wie ein Sack Bohnen? Und Frauen sollten das schwache Geschlecht sein? Bei Iuno.. Missbilligend schürzte sie die Lippen. Das fing ja gut an.
    All dies wurde jedoch ausgeblendet, verschwamm vor ihren Augen, als die alte Frau mit dem kleinen strampelnden Bündel in der Hand auf sie zutrat. Blaue, neugierige Augen blickten sie an und als wäre die Erschöpfung wie weggeblasen, streckte die Mutter die Arme nach ihrem Kind aus, hielt es mit einer Hand fest, um mit der anderen zärtlich über das kleine, noch recht zerknautschte, Gesicht zu streicheln. Ein perfektes kleines Wesen, zumindest in ihren Augen.
    Das umgehend einsetzende Gequietsche von rechts und links, Worte wie ‚Nein, wie süß’ und ‚Schau mal, die kleinen Füßchen’ drangen an ihr Ohr, verursachten ein stolzes Lächeln.
    Wie winzig und zerbrechlich es aussah. Wie völlig unschuldig, wie rein und vollkommen. Unkontrolliert bewegte das jüngste Mitglied der flavischen Familie seine Gliedmaßen, entlockten den umstehenden Damen erneut die höchsten Laute der Verzückung. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis Antonia ihren Blick von ihrem Neugeborenen abwenden konnte, hin zu fröhlich-erleichterten Gesichtern und schließlich auch zu jenem Mann, der für all dies letztendlich verantwortlich war.
    „Schau.“, wandte sie sich an ihr Kind und unterbrach kurz die Streicheleinheiten, um zu Gracchus zu deuten. „Das ist dein Vater.“
    Sie begann zu Grinsen. Welchen ersten Eindruck bekam das arme Kind nur von seinem Herrn Papa. Tröstlich, dass es sich wohl nicht daran erinnern würde.

  • Als das Kind in trockenen Tüchern war, suchte der Sklave Sciurus seinen Herrn wieder zu Bewusstsein zurückzuholen und klopfte darob mit der Handaußenfläche vorsichtig auf Gracchus' Backe, bis dass dieser die Augen aufschlug. Als Gracchus der Umgebung sich wieder bewusst wurde, bemerkte er, dass er saß, an einer Wand gelehnt, gleichsam erinnerte er sich bereits im nächsten Augenblicke allzu deutlich und viel zu detailliert daran, was geschehen war. Er suchte an seinem Sklaven vorbei zu blicken.
    "'ntonia!?"
    keuchte er atemlos, bang und in Erwartung der schlimmsten aller Nachrichten.
    "Es geht ihr gut, Herr." Beinahe schien es, als lächle der Sklave. "Ebenso wie deinem Sohn."
    Ein Sohn. Er hatte einen Sohn! Vergessen war die Gewissheit, dass er ihn nicht gezeugt haben konnte, verflogen waren aller Zweifel und Hader. Antonia hatte einen Sohn zur Welt gebracht und damit seinen Sohn. Hastig wankend stand Gracchus auf, und wie durch ein Meer aus blühenden, betörend duftenden Blumen taumelnd trat Gracchus zu dem Bett, in welchem seine Gemahlin lag, das Kind in ihren Armen haltend. Sie strahlte, wenn auch erschöpft, doch das Leuchten in ihren Augen ließ sie noch weitaus erhabener erscheinen als sie dies ohnehin war. Als die Amme Gracchus nahen sah, nahm sie den kleinen, in frische Leinentücher gehüllten Leib aus den Armen der Mutter und legte das Kind auf dem Boden neben das Bett. Längst war der Ritus nurmehr alte Tradition, doch Gracchus hatte bereits im Vorhinein gerade bei diesem Kind darauf bestanden, dass die Anwesenden würden bezeugen können, dass er dies Kind als seinen Nachkommen annahm, mit aller Konsequenz. Das leuchtende Strahlen ergriff nun auch von Gracchus' Augen Besitz, als er sich langsam herab beugte, ein wenig ungelenk, und den kleinen Jungen aufnahm. Obgleich seine Hände schmal, seine Finger feingliedrig und dünn waren, so schienen sie ihm im Vergleich mit dem winzigen Bündel geradezu wie Pranken, und er hob das Kind äußerst behutsam, aus Furcht, er könne es verletzen oder gar fallen lassen, erdrücken oder ihm sonstig Schaden zufügen.
    "Ma..nius ... Flavius ... Gracchus, ... Sohn d's Manius ... Gra..cchus, ... S'hn des ... Ti..t's V'spas..ianus. ... Mög'n die ... Gött'r ... di'h stets ''f ... all'n Weg'n ... dein's Le..b'ns g'lei..ten ... 'nd sch'tz'n., ... mei' Sohn."
    Gracchus musste an sich halten, nicht von seinen Gefühlen übermannt zu werden, obgleich er durchaus ein wenig erleichtert war, dass sein Sohn sich an diesen Augenblick glücklicherweise nicht würde erinnern. Er trug das Kind zu Antonia, legte es zurück in ihre Arme, beugte sich über seine Gemahlin und küsste sie sanft auf die Lippen.
    "O du ... wund'r..vollst' alle' ... Gemah..linn'n, ... nie..m'ls werd' ... i'h be..grei..f'n, w's..halb di' ... Gött'r mir ''ne ... sol'h w'nder..voll' Gatt'n ... an di' Seit' ... stell'n, die ... i'h ni'ht in ... dies'm Leb'n ver..dien', ni'ht in ... tau..send'n verd..''nen ... könnt'."
    Schlaftrunken blinzelte der kleine Manius in diesem Augenblicke zu seinem Vater auf, mit großen, sanften, blaufarbenen Augen, aus welchen die Erschöpfung der letzten Stunden sprach. Eine Woge des Glückes und freudigen Entzückens wallte über Gracchus hinweg, welcher ob dessen ein breites Grinsen über sein Gesicht legte, und wer ihn sonstig ein wenig kannte, dabei niemals in die euphorische Verzückung frisch gebackener Eltern hatte geblickt, der hätte wohl glauben müssen, dass ihm in diesem Moment der letzte Rest seines Verstandes abhanden gekommen war.

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  • Noch einige Minuten hatte sie ihr Kind für sich alleine, dann vernahm sie die Stimme ihres Gatten, der endlich wieder zu sich zu kommen schien. Ein warmes und glückliches Lächeln empfing ihn, als er das Bett erreichte, in welches man die junge Mutter wieder bugsiert hatte. Vergessen waren die geistigen Schwüre, ihm umgehend den Hals umzudrehen oder wenigstens zu entmannen.
    Wortlos, doch behutsam nahm die Hebamme schließlich das Neugeborene aus Antonias Armen, die zwar ohne erkennbaren Widerstand, aber doch mit mulmigem Gefühl im Magen von ihrem Sohn abließ. Sehnsüchtig folgte ihr Blick dem Kind, das auf dem Boden vor Gracchus‘ Füßen abgelegt wurde.
    Emotional ohnehin völlig aus dem Gleichgewicht, schossen unaufhaltsam die Tränen in Antonias Augen, als ihr Gatte sich hinabbeugte, um ihr Kind auf den Arm zu nehmen und es somit auch zu seinem Kind zu machen. Ein leises Schluchzen entfleuchte ihrer Kehle, gedämpft durch die vorgehaltene Hand. Doch den Namen des Kindes laut ausgesprochen zu hören, jenen uralten Ritus vollzogen zu sehen ließ ihre Schultern beben vor Rührung. Man hätte annehmen können, dass Antonia im Laufe dieses Tages alles an Flüssigkeit verloren hatte, was sie in sich trug, doch der unendliche Tränenstrom, der sich seinen Weg ins Freie suchte, widerlegte dies.
    Mit zitternden Händen nahm sie das Kind aus Gracchus Armen, schmiegte das kleine Wesen an ihren Körper, liebevoll die winzige Gestalt betrachtend und erst, als sie sich gewiss war, es würde nicht verrutschen, wandte sie ihr Gesicht wieder ihrem Gemahl zu, welcher die Gelegenheit nutzte und ihr einen Kuss gab. Und selbst korrekt ausgesprochen, ohne Stottern und ohne Auslassungen, hätten seine Worte niemals süßer klingen können in ihren Ohren. Eine Erwiderung indes brachte sie nicht zustande, krächzte nur ein „Oh Manius“ und schob ein geflüstertes „Ich liebe dich“ hinterher.
    Sie wunderte sich nicht weiter über die so ungewohnte Miene ihres Gatten, war sie sich doch sicher, selbst auch nicht viel intelligenter zu grinsen. Zumal sie im Moment mehr als furchtbar aussehen musste. Doch seltsamerweise war das jetzt alles völlig unwichtig.
    Dem jungen Flavius indes, nun auch offizieller Flavius, schienen die Gefühlsregungen seiner Eltern recht gleichgültig zu sein. Schläfrig begann er zu schmatzen, blinzelte langsam und immer langsamer, bis sich seine Augen schließlich gar nicht mehr öffneten und nur die regelmäßigen Atemzüge verrieten, dass nach wie vor alles in Ordnung mit ihm war. Er schlief den Schlaf der Gerechten. Etwas, um das seine Mutter ihn ein wenig beneidete, denn obwohl unsagbar erschöpft, wollte sie nicht die rechte Ruhe finden, um ebenfalls die Augen zu schließen. Viel zu interessant war es, dem kleinen Gracchus zuzusehen.
    „Schau doch nur.“, wisperte die Claudia, die Stimme kaum hörbar, um das Kind nicht gleich wieder zu wecken.



    [SIZE=7]Edit: Vor lauter Freude vertippt[/SIZE]

  • Etwas an jenem Augenblicke stimmte nicht, etwas war falsch, konnte nicht existent sein, doch Gracchus konnte nicht bestimmen, was es war. Jener Augenblick war perfekt, sein Leben war in diesem Augenblick perfekt, doch obgleich dies äußerst merkwürdig war, so beschloss Gracchus nicht weiter darüber nachzudenken, jenen Augenblick nur zu genießen, zu konservieren für alle Zeiten, ein eigenes Zimmer ihm zu errichten in seinem Gedankengebäude, so dass er niemals würde ihm verloren gehen. Ohne seine Augen von seinem Sohn zu wenden, setzte der frisch gebackene Vater sich auf die Kante des Bettes und strich vorsichtig dem kleinen Manius über die Wange, dann über das weiche, flaumige Haar. In seinem friedlichen Antlitz glaubte er, die Züge Antonias zu erkennen, obgleich dies natürlich mehr Einbildung denn Erkennen war, war das Gesicht des Kindes doch eher von der anstrengenden Geburt gezeichnet. Es schmerzte ihn ein wenig, dass er niemals seine eigenen Züge würde erkennen können, andererseits wog die Absenz der flavischen Nachteile die Vorzüge allfällig sogar auf.
    "Mhm"
    , brummte er nur als Antwort auf Antonias Aufforderung, dem Jungen seinen Blick zuzuwenden, denn wie könnte er ohnehin seinen Blick noch von jenem abwenden. Mochte die Welt um ihn herum zu Staub und Asche zerfallen, Gracchus war rundum zufrieden, solange er nur neben seiner Gemahlin sitzen und seinen Sohn konnte beschauen, ihm dabei konnte zusehen, wie jener atmete, sich ab und an regte, im Schlaf den Mund oder die Wangen leicht verzog.

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  • Im Grunde genommen war jener Moment absolut grässlich. Antonia fühlte sich, als habe sie eigenhändig alle zwölf Aufgaben des Herkules hinter sich gebracht und genauso sah sie vermutlich auch aus. Dessen war sie sich vollkommen bewusst, niemals hatte sie so furchtbar ausgesehen wie jetzt. Und doch war es absolut nebensächlich. Etwas, das sie früher die Hände vors Gesicht hätte schlagen lassen, etwas, das sie ihren Gatten sofort aus dem Raum hätte schicken lassen, war nun völlig unwichtig. Wichtig waren nur die Atembewegungen des Kindes, die sie auf ihrem Körper spürte, wichtig war die makellose kleine Gestalt, von der sie noch immer nicht glauben konnte, dass sie sie tatsächlich neun Monate mit sich herumgetragen hatte. Wie hatte sie, Antonia, die stets etwas an sich auszusetzen hatte, die sich ihrer unzähligen Fehler nur zu bewusst war, wie hatte sie etwas so perfektes zustande gebracht?
    Ihr Blick wanderte zu Gracchus, der ebenso wie sie selbst von dem Anblick seines Sohnes gefangen zu sein schien. Sein Mund, stellte sie lächelnd fest. Seine Augen. Seine Hände. Doch ebenso wie ihr Gatte bildete Antonia sich diese Ähnlichkeiten wohl mehr ein, war es im Moment doch so gut wie unmöglich bereits Parallelen zu seinen Eltern ziehen zu können.
    Seine Vollkommenheit. Das musste es sein. Alle Dinge, die sie verdorben hätte, waren durch ihren Gemahl ausgeglichen worden, garantierten dem kleinen Flavius eine glänzende Zukunft. Nach einem Seufzer der Zufriedenheit tastete die Claudia mit einer Hand nach der ihres Gemahls, die nicht damit beschäftigt war, den kleinen Manius zu streicheln. Einmal gefunden hielt Antonia sie fest, als wolle sie verhindern, dass der Vater nur allzu bald aufstehen und den Raum verlassen würde, um sich wieder Politik und Geschäft zu widmen. Um diese Uhrzeit und zu einer solchen Gelegenheit war eine Überlegung wie diese vermutlich mehr als unsinnig. Doch wer jedes Zeitgefühl verloren hatte, kümmerte sich auch nicht weiter um Logik.
    „Er ist perfekt.“, sagte sie leise, die Stimme vor Anstrengung bebend. „Ist er nicht absolut vollkommen?“
    Bestätigung heischend sah sie zwischen großem und kleinem Gracchus hin und her. Wie zerbrechlich und hilflos ihr Kind aussehen würde, war Antonia nicht bewusst gewesen, doch löste es jene Instinkte in ihr aus, der sich kaum eine Mutter erwehren konnte. Ihr Leben, ihr Glück, ihre gesamte Existenz würde sie ihm opfern, jederzeit nur sein Wohlergehen ihm Sinn haben.
    Derweil ging es ihr wohl wie ihrem Gemahl, fühlte sie doch eine absolute Zufriedenheit, war sie sich sicher, dass nichts jemals so fehlerlos gewesen war, wie dieser Moment.

  • Antonias mögliche Befürchtungen, Gracchus würde nur allzu bald sie verlassen, waren gänzlich überflüssig, denn selbst zu einer anderen Zeit des Tages waren ihm Politik und Geschäfte dieser Tage fern, und nun, nach der Geburt des Kindes, hätte ein Bürgerkrieg ausbrechen, hätten alle Tempel Roms gleichzeitig in der Erde versinken, hätten sämtliche Feinde des Imperium auf einmal angreifen können, es hätte ihn dies nicht einmal peripher tangiert.
    "Wi' sei..n' Mu..tt'r"
    , bestätigte Gracchus die Perfektion, welche selbst dann nicht hätte von ihm stammen können, wenn er wäre der Vater gewesen, was er glaubte nicht zu sein. Wieder sah er die glänzende Zukunft seines Sohnes vor sich, welcher ganz ohne dass irgendwer dies würde von ihm erwarten - denn Gracchus würde in Hinsicht auf seine Erwartungen an seinen Erben gänzlich sich zurückhalten, wollte er doch nicht, dass dem Jungen gleiche Verzweiflung bevor stand wie ihm selbst - welcher also gänzlich von sich aus würde sich in eine glänzende Zukunft einfinden, das Bestreben seiner Vorfahren fortführen und den Stolz seiner Familie, insbesondere seiner Eltern, mehren.

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  • Ein abgehackter Ton, der Ansatz eines kurzen Auflachens, durchschnitt die harmonische Szene, verursachte ein erstauntes Aufblicken der letzten anwesenden Sklaven, die jene Gefühlswallung Antonias jedoch mit einem Schulterzucken abtaten. Nicht so die Claudia selbst.
    Er schien es selbst in einem solchen Moment nicht lassen zu können. Sogar jetzt, nachdem sie stundenlang in den Wehen gelegen hatte, konnte er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. Denn dass sie nun wahrlich nicht der Grund für die Vollkommenheit ihres Sohnes sein konnte, dies war offensichtlich. Sie wusste es und er wusste es. Musste er nun wirklich noch spöttische Bemerkungen machen, in diesem einen Moment, wo sie sich außer Stande sah, auch nur die geringste Gegenwehr zu erbringen? Es ärgerte sie. Es ärgerte sie ungemein. Doch noch mehr ärgerte sie, dass sie ihrem Gemahl nicht einmal böse sein konnte hierfür. Keine grimmige Miene brachte sie zustande, angesichts des kleinen Bündels Leben, das friedlich die Diskussion seiner Eltern ignorierte.
    „Nein.“, seufzte sie. „Nein, er ist ganz wie sein Vater.“
    Hätte Antonia gewusst, welche Gedanken Gracchus bezüglich der Vaterschaft hegte, vermutlich hätte sie andere Worte gewählt oder gar unausgesprochen gelassen. Doch sie wusste es nicht und so tat sie es nicht. Und wenigstens diesen Gracchus, diese kleine Version seines Vaters, würde die Claudia an sich zu binden wissen.
    Oder reagierte sie gar übertrieben? Hatten sie beide sich nicht ausgesprochen, hatten sie nicht festgestellt, dass sie sich zeitlebens immer und immer wieder missverstanden hatten? Waren jene Worte ihres Gemahls einfach nur die verkürzte Version dessen, was er unter normalen Umständen in blumigen Worten auf sie hätte herabrieseln lassen? Meinte er es gar nett? Jene Vorstellung schien der jungen Mutter so absurd, dass sie nur schwerfällig wie zäher Honig in ihre Gedanken tropfte.
    „Er ist ganz wie du.“
    Und tatsächlich, je länger sie Gracchus Maior betrachtete, immer wieder den Blick zwischen Sohn und Vater wechselte, desto liquider schien der Honig zu werden, wandelte sich zu einem leise plätschernden Bach, der ihre Zweifel fortzuspülen suchte. Gewiss, so grausam, dass er der Mutter seines Sohnes am Kindbett eine derartige Gemeinheit an den Kopf warf, war nicht einmal jener Mann, der ihr unbewusst das Leben in dieser Villa so unerträglich gemacht hatte. Er hatte es ernst gemeint, sicherlich war es so. Sie wollte es glauben, klammerte sich mit ihrem Herzen an diese Vorstellung, auch wenn der Kopf beständig versuchte, seine Logik und seine Vorstellungen einzubringen. Hier und Heute würde er ignoriert werden.

  • Jenes Auflachen seiner Gemahlin mochte in die Szenerie so wenig passen wie ein Karpfen in den Ozean, doch hastig schwamm das Fischchen an Gracchus' Aufmerksamkeit vorbei, wandelte sich allfällig zu einem Schluckauf oder Schluchzen gar, einen jener undeutbaren Töne, welche ein Mensch manches mal von sich gab, ganz ohne selbst bestimmen zu können, was Intention dessen war. Und doch, Herzschläge später nur musste jener Laut sich wandeln zu intrigant, filigran eingefädeltem Vorspiel, zu perfide geplanter Ankündigung eben der Äußerung, welche Antonia in Ummantelung eines unschuldigen Seufzen in den Äther entließ, so beiläufig, als wäre dies nur eine flaumige Wolke aus honigfarbenem Rauch, welche sich mit der allgemein vorherrschenden goldfarbenen Hochstimmung zu mischen suchte. Einmal in die Welt entlassen komprimierten sich jedoch alle Partikel jener Äußerung zu einer scharfkantig, spitzen, silbrigfarbenen Klinge, welche Augenblicklich tief in Gracchus' Herzen hinein fuhr und ihn merklich zusammen zucken ließ. Hatten nicht sie sich ausgesprochen noch vor der Geburt des Kindes, hatten nicht sie zueinander gefunden, musste sie nun in diesem nahezu perfekten Augenblicke, in den ersten Lebensstunden ihres Sohnes ihren gesamten Spott zusammen ballen und auf ihn hernieder prasseln lassen, ihm seinen Makel in aller Deutlichkeit vor Augen führen? Es ärgerte Gracchus nicht, doch es traf ihn tief, ungemein tief. Er wollte nicht wissen, wer der Vater, wollte nicht wissen, wie perfekt jener Mann war, wollte nicht, dass Antonia Vergleiche zog, bei welchen ohnehin er nur konnte unterliegen, gleichsam wie er fürchtete, den tatsächlichen Vater des Kindes nur allzu gut zu kennen, fürchtete, dass Caius ohne sein Wissen letztlich doch hatte eingewilligt, er stets in seinem Geliebten den Vater seines Sohnes würde erkennen, letztlich im schlimmsten Falle gar in seinem Sohn seinen Geliebten wiedererkennen müssen.
    Er ist ganz wie ...
    Als hätte sie nicht bereits das Messer in sein Herz gerammt, so drehte sie nunmehr die Klinge in seinem Leibe, riss mit den feinen Widerhaken sein Fleisch in Fetzen, zerstückelte ihn in winzige Teile, zermarterte, zermalmte ihn zwischen ihren Kiefern, während ihr Sohn friedvoll in ihren Armen schlummerte.
    ... du.
    Du.
    DU.
    Ich?
    Gracchus' Herzen setzte einen Moment lang aus, als die scharfkantige Klinge, als die garstigen Widerhaken in seinem Leibe sich lösten zu einer Wolke aus Rauch, zähflüssig, graufarben erst, doch mit jedem verstreichenden Augenblicke weicher, flaumiger werdend, in Bronze sich lösend, zum goldfarbenen Honig der aufgehenden Sonne hin. Es war geschaffen zu klingen wie eine Lüge in seinen Ohren, dreiste, schneidende Unwahrheit, doch es klang so beiläufig wahrhaftig, dass Gracchus' Zweifel sich in Zweifel lösten.
    "I'h?"
    Wäre das Fragezeichen über Gracchus' Haupte sichtbar, wäre es materiell gewesen, es hätte so immens, so gewaltig über der Villa sich aufgetan, dass nicht nur jenes Gebäude, sondern der gesamte Hügel, auf welchem es errichtet war, unter ihm wären in den Erdboden hinabgedrückt worden, so dass Rom nurmehr als die Stadt der sechs Hügel und des einen Fragezeichen hätte gelten können.
    "Ab..er ... i'h bin ... ni'ht ..."
    Verzweifelt suchte sich der frisch gebackene Vater an eine Wahrheit zu klammern, deren Gehalt er niemals hatte bezweifelt, da ihr Inhalt sein eigener Makel war, suchte sich an Antonias Worte zu klammern, jene Worte, die sie niemals hatte ausgesprochen, suchte sich an irgendetwas zu klammern, ihren Blick, ihre Augen, braune, claudische Augen, ernst und ehrlich, glücklich, so gänzlich dissimilär zur eisigen Kälte ihrer Zeit nach der Hochzeit. Wahrhaft.
    "... bin ...?"
    Es war nicht möglich. War nicht? Möglich. Er hatte. Hatte nicht? Die Sklavin. Eine einzige. Eine. Einzige. Möglich. Es war. Möglich.
    "Bin i'h? ... Wir..kli'h? ... Der Vat'r? ... Du ... has' ni'ht? I'h?"
    Nicht mehr nur die Worte zerfaserten auf dem Wege aus seinem Geiste durch die Kehle und den Mund hinaus, sie waren bereits völlig wirr, noch ehe er sie hatte gedacht.

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