Cubiculum | Marcus Flavius Aristides

  • Es war am Abend vor den Saturnalien, Marcus war gerade erst mit seiner Tochter angekommen und hatte nur weitere Anzeichen des Fluches an ihr entdeckt. Tief in ihm drin hatte er die ganze Reise lang gehofft, daß Arrecina sich in Rom wieder erinnern würde, sie mußte es doch!! Bei den Göttern, es war, als ob ihm seine Tochter genommen wurde. Und dann sah er sie lebendig vor sich, konnte sie berühren und doch war sie ihm ferner als im Tod. Wenn sie ihn- ihren eigenen Vater- mit Abneigung und manchmal sogar Abscheu- Marcus war sich da sicher es immer wieder zu sehen- ansah. Schwermütig und schlecht gelaunt hatte sich Marcus von einem Sklaven ein Zimmer herrichten lassen, daß er in der Zeit seines Aufenthaltes in Rom bewohnen würde.


    Unwirsch stieß Marcus die Tür zu dem Cubiculum auf und trat hinein. Für die prachtvolle Ausstattung, das luxuriöse Bett- besonders wenn man es mit dem Legionslager verglich- und den silbernen, mit Gravuren geschmückten Nachttopf würdigte Marcus mit keinem Blick. Stattdessen trat er unruhig an eines der Fenster, was zum Garten hinaus ging und sah auf die sorgfältig gestutzten Rosenbüsche herunter. Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Endlich entwich ihm der Seufzer, den er sich schon im Atrium aufgespart hatte. Er wollte Arrecina nicht weiter bedrängen, sie zu den Erinnerungen zwingen. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und die Müdigkeit von den letzten anstrengenden Reisetagen überfiel Marcus.


    Immer wachsam sein, ein Auge auf Arrecina und eines auf Rutger gerichtet, hatte an Marcus Kräften gezehrt. Seine Finger lösten die Schnallen seiner Rüstung, er kam noch nicht mal auf die Idee einen Sklaven dafür zu rufen, schließlich machte er das bei der Legion auch nie. Die lorica segmentata rutschte herunter, wie eine schwere Bürde, die Last seiner Verantwortung und Pflichten. Pflichten? Wieder seufzte Marcus und warf seinen paenula in eine Ecke. Müde fuhr er sich über das Gesicht und sank auf das weiche Bett herunter. Die Legion...die Legion war an vielem Schuld. Marcus war in den letzten Tagen zu dieser Erkenntnis gekommen. Sonst wäre er nie nach Germania gekommen, hätte nie den Sklaven nach Rom geschickt und seine Tochter wäre niemals von dem Fluch befallen worden. Mit dem Gedanken im Kopf sank er auf seinen Rücken und schloß seine Augen.


    Sofort einzuschlafen war eigentlich eine Fähigkeit, die jeder Soldat in der Legion lernte. Selbst unter den widrigsten Umständen konnte Marcus mittlerweile gut schlafen und auch tief. Doch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit dachte Marcus zu viel, immer wieder gingen ihm die letzten Wochen durch den Kopf. Auch überlegte er, was er tun könnte. Doch immer nur ein Name tauchte bei ihm auf, ein Heilsbringer war dieser Name- Gracchus. Nur er würde ihm helfen können. Doch heute Abend würde er ihn wohl kaum noch sprechen können. Er hatte von einem Sklaven gehört, daß sein Vetter die Saturnalien ausrichten würde. Marcus sog die Luft tief in seine Lungen ein, dann richtete er sich abrupt auf. Er war zwar müde, konnte aber einfach nicht schlafen. So ergriff er wieder seinen Umhang, die paenula, und einen kleinen Geldbeutel aus seiner Tasche und verließ das Cubiculum wieder und auch die Villa Flavia. Sein Ziel? Marcus wußte es nicht. Einfach der Nase nach...

  • Es gab Dinge im Leben, die drückten in ihrer Last schwer auf die Schultern eines Menschen, doch obgleich er täglich mehr unter diesem Gewicht einbrach, so war doch schlimmer, als diese Last zu tragen, sich von ihr zu befreien. Die Verantwortung über die Bannung des Fluches Aristides' Tochter Arrecina war solch eine Last, die auf Gracchus' Schultern lag, ihn hernieder drückte, und um deren Lösung aus seinem Verantwortungsbereich er sich deswegen herum drückte, da dies ein Gespräch ob dessen mit seinem Vetter bedingte. Gleichsam war er sich dessen bewusst, wie auch dies Gespräch würde ausgehen, die Folgen seines Scheiterns würden nicht weniger auf ihm lasten, nicht diejenigen, die seitedem ihren Lauf genommen hatten, noch sein schlechtes Gewissen Arrecina und ihrem Vater gegenüber. Doch die Zeit drängte, es war der Tag nach Aristides' Verlobungsfeier und jener würde schon in Kürze wieder nach Mantua aufbrechen, um bald hernach in den Krieg zu ziehen. Der Vormittag war längstens verstrichen, als Gracchus zögernd vor der
    Tür zu Aristides' Cubiculum stand, noch zögerlicher anklopfte und die Türe einen Spalt öffnete.
    "Marcus, hast du einen Augenblick Zeit?"

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  • Schwerlich drückte auch das Leben auf Marcus, aber es war im Augenblick mehr von dem Drücken des Katers und den Folgen einer durchzechten Nacht, die es Marcus an jenem Tage so schwer machte. Dennoch auch die neuerdings lastende Sorge um seinen Sohn, nachdem der erste Zorn über dessen Verschwinden aus der villa verraucht war. Das Licht des Türspalt fiel in den Raum hinein und Marcus hob den Kopf von der Liege, auf der er träge ruhte. Die Fenster zu seinem cubiculum waren weit geöffnet, Sonnenstrahlen verirrten sich von draußen hinein und wärmten seinen nackten Rücken. Die Vögel zwitscherten munter in den Ästen des Orangenbaumes, der seine Zweige bis zum Fenster hinab hängen ließ und deren Blätter leuchtend grün im Licht der Sonne glänzten. Ein mildes Lüftchen strich durch das Fenster als die Tür geöffnet wurde. Über Marcus stand ein Sklave, dessen dicker Bauch über den Gürtel seiner tunica hing und der mit seinen rot angelaufenen, breiten Händen kräftig den Rücken von Marcus massierte. Am Kopfende und zu seiner Hand saß eine junge Sklavin, zierlich und dunkelhäutig, die ausführlich Marcus Hand massierte. Ein hoffnungsvolles Schimmern trat in Marcus braune Augen als sich die Tür öffnete, es könnte einer der Sklaven sein, den er hinter seinem Junge her geschickt hatte, doch ein Seufzen löste sich von ihm als er erkannte, daß dem nicht so war. Doch seinen Vetter zu sehen, freute Marcus durchaus. So trat ein breites Lächeln auf sein von den Sorgen marginal zerfurchtem Gesicht, was die sorgenvolle Miene entschwinden ließ.


    „Manius! Natürlich, komm doch herein!“


    Marcus hob die Hand und deutete auf die Kline, die ihm gegenüber stand. Blaue Kissen luden zum Verweilen und Ausruhen ein. Marcus stöhnte leise auf, gerade als der Masseur seine Finger in einen Knoten an seiner Schulter drückte. Der Schmerz raste durch seine Schulter und bis in seine Fußspitzen hinein. Mit einer unwirschen Geste winkte Marcus dem Massagesklaven von ihm abzulassen und richtete sich auf, zog dabei das Leinentuch, was sein Gesäß bedeckt hatte um seine Hüften und setzte gerade hin, wobei er der Sklavin seine Hand entzog. Stumm blieb die junge Frau zu seinen Füßen sitzen, während der andere Sklave einen Schritt zurück machte.


    „Möchtest Du Wein, Manius?“


    , fragte Marcus und deutete schon der Sklavin an, den Wein ein zu gießen. Marcus ließ sich gleichwohl einen Becher reichen, trank einen Schluck und seufzte melancholisch.


    „Ach, Manius, ich sag' Dir, schaff Dir niemals Kinder an und zudem, wenn Du mal wieder in die Verlegenheit kommst, feiere keine Verlobungen. Was für ein Desaster gestern Abend...“


    Mit einer Hand rieb sich Marcus am Nacken, der noch vom duftenden Öl der Massage feucht war und schüttelte frustriert den Kopf.


    „Und wie steht es bei Dir, Manius? Ist Deine Ehe von Glück beschert?“

  • Vorsichtig, beinahe ein wenig zögerlich, betrat Gracchus das Cubiculum seines Vetters und ging zu den Klinen hin, stockte keinen Moment im Angesicht des halb entblößten Vetters. Gegenteilig zu Aquilius hatte Aristides Gracchus noch nie um seine Räson gebracht, obwohl sein Körper durchaus dazu geeignet schien, doch womöglich war er einfach nur zu alt oder jene natürliche Sperre, welche familiäre Bindungen dieser Art normalerweise zu verhindern wusste, existierte tatsächlich mehr als ausgeprägt, versagte einzig nur bei Aquilius aus unerfindlichen Gründen. Gracchus hatte nie über dererlei nachgedacht, hatte der Anblick seines Vetters doch gleichsam nie zu solchen Gedanken geführt, darum soll dies auch hier kaum weiter Beachtung finden.
    "Danke."
    Er ließ sich den Becher Wein anreichen, bemerkte mit einem Blick, dass die Färbung jener von Aristides bevorzugten entsprach, und ließ sich mit einem Wink noch etwas Wasser nachgießen, war es doch für eine solche Mischung noch viel zu früh am Tag. Sinnierend blickte er hernach in die helle, rotfarbene Flüssigkeit, kippte den Becher ein wenig und beobachtete, wie die Oberfläche der Neigung widerstrebte und ihre Horizontale hielt. Für einen kurzen Moment ließ er sich ablenken und dachte darüber nach, dass ein Reisewagen, dessen Personenkabine in einem Becken voller Flüssigkeit auf dem eigentlichen Karren schwamm, jegliche Unebenheit des Geländes würde für die Passagiere ausgleichen, zumindest jene, die eine Neigung der Achsen hervorrief. Hernach würde nurmehr dafür Sorge getragen werden müssen, dass die Kabine nicht allzu unkoordiniert zur Seite driftete und schon könnte eine Reise getätigt werden, welche durchaus als kommod anzusehen sein würde. Andererseits würde dies womöglich zu einem dem bei Seereisen ganz ähnlichen Empfinden führen. Gracchus hob den Becher und spülte seine absurden Ideen die Kehle hinab, eine Reise zu Pferd war tausend und noch tausend mal mehr angenehmer als eine auf der See. Beinahe hätte er ob seiner abstrusen Gedanken auf sein eigentliches Ansinnen vergessen, doch Aristides holte ihn mit seiner Frage zurück in die Wirklichkeit.
    "Frage nicht, Marcus. Es ist der Tartaros, ganz, wie du dies prophezeiht hast. Es ist nicht, dass wie dem Tityos mir ein Raubvogel wieder und wieder die Leber aus dem Körper schlüge, es ist eher die vergebliche Mühe des Oknos, der Danaiden, oder viel mehr noch das Darben des Tantalos."
    Sein Blick glitt in die Ferne, durchbrach die Decke und glitt in eine Welt, die weit unter ihm lag.
    "Mitten im Teiche stand er, das Kinn von der Welle bespület,
    Lechzte hinab vor Durst und konnte zum Trinken nicht kommen.
    Denn sooft sich der Greis hinbückte, die Zunge zu kühlen,
    Schwand das versiegende Wasser hinweg, und rings um die Füße
    Zeigte sich schwarzer Sand, getrocknet vom feindlichen Dämon.
    Fruchtbare Bäume neigten um seinen Scheitel die Zweige,
    Voll balsamischer Birnen, Granaten und grüner Oliven,
    Oder voll süßer Feigen und rötlich gesprenkelter Äpfel.
    Aber sobald sich der Greis aufrechte, der Früchte zu pflücken,
    Wirbelte plötzlich der Sturm sie empor zu den schattigen Wolken.

    Noch bin ich kein Greis, doch ich sehe mich bereits in ferner Zukunft noch immer Dürsten, wenn nicht dann längstens der Felsen auf mein Haupt hinabgedonnert ist und mich erschlagen hat."

    Nachdem er den Becher auf der durch ein in Grün- und Blautönen gehaltenes Mosaik des Bacchus verzierten Platte des Beistelltisches hatte abgestellt, zog Gracchus die Füße auf die Kline hinauf und legte sich bequem auf die Lehne zurück.
    "Doch ich bin nicht hier, um zu klagen, schon gar nicht über die Ehe, für welche du dich erst gestern hast wieder entschieden. Ich bin wegen Arrecina hier, und auch Serenus. Deplorablerweise muss ich dir mitteilen, dass ich weder in Hinsicht auf den Fluch deiner Tochter etwas konnte erreichen, noch auf die Erziehung deines Sohnes."
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, begann Gracchus seine Finger zu kneten.
    "Um gänzlich ehrlich zu sein, ich habe auf ganzer Linie versagt, Marcus. Ich assekuriere dir, ich habe mich wahrlich bemüht und es ist indispensabel, dass ich meinen indisputablen Anteil der Schuld auf mich nehme und mich dafür diskulpiere, doch obgleich ich nicht will lamentieren, es war ... es hat mich tatsächlich mehr als nur ein wenig überfordert. Alles begann mit diesem unsäglichen Fluch, wahrlich, Marcus, es war grauenhaft. Es war ganz, wie du vermutetest, doch ich hätte nicht versuchen sollen, diesen Fluch zu lösen, denn dies ist nichts, mit was ein rechtschaffener Römer sich auseinander setzen sollte, wir hätten an anderer Stelle Rat suchen müssen, denn ich fürchte ... ich fürchte, ich habe alles nur schlimmer gemacht."
    Wie schlimm tatsächlich, dies wollte er seinem Vetter nicht gänzlich gestehen. Aristides würde in den nächsten Tagen bereits wieder gen Legio aufbrechen, sein Überleben als Ziel in Gedanken, und dies sollte alles sein, was ihn müsste belasten, war dies doch bereits mehr als genug zu tragen. Bedauernd schüttelte Gracchus den Kopf und hielt im Tun seine Hände zu bearbeiten inne, da er sich dessen gewahr geworden war.
    "Sie erinnert sich noch immer an nichts."

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  • Verwundert ob der Haltung und der Fassade seines Vetters betrachtete Marcus den Flavier vor sich, wobei er immer mal wieder einen Schluck Wein zu sich nahm und seine Hand an den Nacken der jungen Sklavin legte, die ihm schon die letzte Nacht nach der Verlobung versüßt hatte und ebenso den jetzigen Moment. Hegte Marcus darüber irgendwelche Gewissensbisse? War es für ihn eine moralische Untat, daß er noch an seiner Verlobung sich wieder einer anderen Frau zugewandt hatte? Für Marcus war dem nicht so! Sklavinnen und lupae bedeuteten ihm nicht mehr als das Vergnügen eines guten Weines oder Mahles. Es diente einzig und alleine, seine Lust für einen kurzen Zeitraum zu stillen, ihn zufrieden zu stellen und danach vergaß er das Erlebnis sogar meist wieder, die Frau sowieso. Schließlich waren es nur Sklavinnen. Dennoch ließ er die Finger weiterhin genießerisch durch die dunklen Locken der Frau kreisen, die er gestern am Nachmittag in der Villa entdeckt hatte. Doch seine Gedanken kreisten nicht um die junge Frau zu seinen Füßen oder das, was sie Beide gestern Nacht getan hatten, mehr die Schuldbewußte und zerknitterte Miene seines Verwandten. Mit vollem Verständnis lauschte Marcus den ersten Worten von Gracchus. Ja, die Ehe war nun mal nicht einfach zu ertragen, besonders wenn sich Mann und Frau nicht gut ergänzten. Aber es verwunderte Marcus durchaus. Das Lächeln von Antonia noch am gestrigen Abend hatte ihn für Gracchus anderes hoffen lassen. Sie schien ja regelrecht euphorisch zu strahlen, schien ihm wie eine glückliche Ehefrau an der Seite ihres geliebten Gatten zu sein. Sie dünkte ihm eindeutig verliebt zu sein. Oder womöglich war das der Grund für Gracchus leidende Miene? War ihm das zuviel an Gefühlen von seinem Eheweibe, derer er nicht so viel empfinden konnte, bevorzugte er doch lieber den Leib eines Knaben? Verwirrt kratzte sich Marcus am Nacken und lehnte sich zurück auf die Liege. Seinen Vetter und dessen verworrenes [Liebes-]Leben zu verstehen war Marcus manchmal einfach zu hoch, genauso wie die blumig- verschnörkelte Sprache, derer sich Marcus nicht bedienen, noch sie sonderlich gut verstehen konnte.


    „Tja, Manius, die Ehe ist nun mal eine Last für uns Patrizier. In dieser Hinsicht dürfen wir wohl die Plebejer erneut beneiden, die sich ihre Verbindung selbst aussuchen dürfen. Aber Manius, tröste Dich doch damit, daß Deine Frau eine tiefe Verehrung und Zuneigung zu Dir verspürt. Das sieht doch jedermann sofort.“


    Marcus meinte das zumindest erkannt zu haben. Aber um zu seiner Vermutung auch eine Antwort zu erhalten, nutzte er dies, in dem er es in das einfache Gewand seiner direkten Frage legte.


    „Oder liegt darin das Problem?“


    Schwer seufzend leerte Marcus seinen Becher und reichte ihn an die Sklavin weiter, die ihn prompt füllte und Marcus zurückgab. Mit einem demütig gesenkten Blick schmiegte die Sklavin ihre Wange an Marcus Knie, er legte abermals seine Hand auf ihren Nacken und setzte das Kraulen von ihr fort, als ob er sich mit einer Hauskatze beschäftigen würde. Seine Gedanken kreisten jedoch um Arrecina, seinen Sonnenschein, und um seinen Sohn. Ebenso bemühte er sich Gracchus zu folgen. Die ersten Sätze hatten noch Sinn und Zusammenhang, waren Marcus einleuchtend, aber schon bei indispensabel verlor Marcus den Faden, vernahm nur noch die Wörter indisputablen und diskulpiere und war völlig ratlos, was sein Vetter damit meinen könnte. Er meinte sich nicht daran entsinnen zu können, solche Worte jemals gehört zu haben. Waren sie griechischer Natur oder stammten sie gar aus einem fremdländischen Land, dessen Vokabular sich Gracchus in seinem Sprachtalent zu eigen gemacht hatte? Marcus sah ihn mit leicht geöffneten Lippen an, war völlig überfordert und bemerkte erst nach einigen Herzschlägen, dass Gracchus wieder zu einer vernünftigen Wortwahl zurückgekehrt war.


    „Ähm…..öhm…was?“


    , setzte Marcus erst an, dachte dann einige Herzschläge über die Worte nach, die ihm doch verständlich waren. Marcus holte tief Luft und schüttelte schließlich den Kopf.


    “Bei Mars und Venus, Manius, was redest Du bloß? Mal abgesehen von den Wörtern, die mir wieder mal völlig unbekannt sind und die Du wohl so gerne benutzt, um mich in meiner Unwissenheit aufzuziehen. Nein, im Ernst. Manius, ich bin Dir Deiner Hilfe, die Du mir in den letzten Monaten, nein Jahren stets so aufopferungsvoll und ohne eine Gegenleistung zu verlangen gewährt hast sehr, sehr dankbar. Du hast alles getan, was in Deiner Macht stand, mehr als ich jemals verlangen konnte und wollte. Wenn es nicht Dir gelang, dann hätte es auch kein anderer vermocht. Und zudem weiß ich doch, daß ein Fluch nichts Leichtes ist, wahrscheinlich nicht zu brechen. Womöglich habe ich Dich mit meiner Bitte sogar noch in Gefahr gebracht, ich verstehe doch von all dem so wenig. Wenn, dann ist es an mir, mich zu entschuldigen, Manius. Zudem habe ich Dir niemals die Erziehung meines Sohnes überantwortet. Daß er bei Dir die Belange der Priesterwürde und des cultus erlernt ist bei Weitem genug. Ihn zu einem guten Patrizier, zu einem ehrenhaften jungen Mann zu machen, war niemals Deine Aufgabe, Manius. Das ist meine, bin ICH doch sein Vater. Und in dieser Hinsicht habe ICH versagt. Nicht Du, mein Vetter, wahrlich nicht Du.“


    Marcus seufzte schwer, löste die Hand aus den Locken der Sklavin, die ihm im Moment lästig wurde. Mit seinem Kinn schickte er sie in den Nachbarraum, wo auch sein Bett stand. Ebenso winkte er den Massagesklaven zu entschwinden. Marcus beugte sich nach vorne und sah Gracchus ernst an.


    „Es ehrt Dich sehr, daß Du ein derartig starkes Pflichtgefühl meiner Familie gegenüber offenbarst, aber das mußt Du nicht und das verlangt niemand von Dir. Ich danke Dir dennoch sehr, Manius. Ich stehe tief in Deiner Schuld und sollte ich je soviel für Dich tun können, dann brauchst Du es mir nur zu sagen.“


    In einem Zug leerte Marcus den Becher, stellte ihn zur Seite und griff nach seiner tunica, die neben der Liege lag. Da er alle Sklaven rausgeworfen hatte, krempelte er das Gewand selber um und zog sie sich über den Kopf. Unter dem Stoff drangen einige gedämpfte Worte hervor.


    “Weißt Du, Manius, mit Kindern ist das oftmals gar nicht so einfach. Daß mein Sohn mich derartig bloß stellt, hätte ich mir auch niemals gedacht. Sicherlich, ich habe mich wohl selber etwas ungeschickt angestellt, es stand einfach alles Kopf bevor die Feier begann und ich wollte eigentlich noch mit ihm und Arrecina darüber reden…aber ein wenig Familienloyalität kann man von dem eigenen Sohn doch erwarten oder ist das zuviel verlangt?“


    Marcus Kopf tauchte unter der tunica hervor und er sah fragend zu seinem Vetter.

  • Langsam wanderte Gracchus' Augenbraue stetig in die Höhe und er fragte sich, ob sein Vetter ihn mit seiner Aussage sekieren wollte, doch zeigte sich keinerlei diesbezügliche Regung auf Aristides' Gesicht, auf welchem sonst sich eher deutlich seine Gemütslage abzeichnete.
    "Tiefe Verehrung?"
    echote Gracchus darum fragend.
    "So denn sie mich nicht einfach nur ignoriert, scheint ihr einziges Gefühl mir gegenüber Verachtung zu sein. So denn ich die eheliche Pflicht erfüllen will, gleich, in welcher Hinsicht, gibt sie mir ganz das Gefühl ein Unmensch zu sein, ihr Leben ins Verderben zu stürzen, und wahrlich, manches mal glaube ich bereits daran. Wenn nur endlich die Götter uns ein Kind gewähren würden, es würde alles so viel einfacher machen."
    Gracchus schloss sich dem schweren Seufzen seines Vetters an und hob hernach die Augenbraue erneut, als Aristides ihn in Bezug auf seine Wortwahl rügte.
    "Entschuldige, Marcus, obgleich ich erst kürzlich einen Cursus über die Kunst des Redens absolvierte und darin wohl die Kenntnis auffrischte, dass bei jeglicher Rede hinsichtlich der Wortwahl auch auf die Art des Publikums Acht zu geben ist, so fürchte ich, fehlt mir derzeitig die notwendige Konzentration, auf solcherlei zu achten. Manches mal weiß ich schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht, und manches mal bin ich tatsächlich erstaunt, wenn ich ihn noch immer auf meinem Hals vorfinde."
    Tatsächlich hatte Gracchus das Gefühl, dass wenn es schlimm kam im Leben, dass dann immer alles auf einmal einzustürzen drohte, oder gar in Kumulation bereits auf einem Schutthaufen lag.
    "Serenus begleitete mich übrigens zu diesem Cursus, auch wenn er nicht an der Prüfung durfte teilnehmen, so denke ich doch, hat es ihm ein wenig Wissen eingebracht. Er scheint mir so talentiert, Marcus, und so untadelig. Ich wollte einen Paedagogus für ihn anstellen, doch ich verdarb alles, als ich ihn anwies, sich schrecklich zu benehmen, dabei wollte ich doch eigentlich schicklich sagen und glaubte dies auch getan zu haben. Es ist wahrlich eine Misere."
    Noch einmal echappierte ihm ein tiefes Seufzen.
    "Nein, Marcus, danke mir nicht, denn meine Hilfe gereichte nur immer zum Schlimmeren."
    Sinnierend betrachtete Gracchus seinen Vetter dabei, wie dieser seinen Kopf durch die Tunika wand und schließlich durch das offene Rund hindurch steckte. Er brachte ein freundloses Lächeln dazu, seine Lippen zu kräuseln.
    "Familienloyalität scheint in dieser Gens nicht sonderlich stark ausgeprägt zu sein. Es ist deplorabel, doch ein jeder Flavier scheint vom Zwang beherrscht zu werden, die Welt im Alleingang zu erobern. Doch womöglich war es nur Furcht, welche Serenus leitete, unbegründete, kindliche Furcht. Furcht kann äußerst heftige Reaktionen hervorbringen."
    In diesem Metier kannte Gracchus sich selbst gut aus, zu gut, so dass er zu dem Becher mit Wein griff und einen Schluck trank, um eventuell aufkommende diesbezügliche Regungen zu verbergen.

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  • Überrascht wölbte sich Marcus Augenbraue in die Höhe und er betrachtete seinen Vetter aufmerksam, während er seine tunica glatt zupfte und mit einer Hand nach einem mit Silber beschlagenen Gürtel griff, um ihn um seine Taille zu gürten und ebenso dabei den leichten Bauchansatz zu kaschieren, den er seitdem er centurio geworden ist, wieder erworben hatte. Wenn er auch vom Gewicht bei Weitem noch nicht die- wie man es wohl freundlich sagen könnte- Stattlichkeit erreicht hatte von seiner Zeit vor der Legio und welche Ergebnis zahlreicher Orgien und Freßgelage war. Die Verwunderung, die Marcus nun verspürte, rührte von Grachus Worten seiner Frau betreffend. Hieß das, daß Gracchus womöglich gar nichts vom wahren Empfinden seiner Frau wußte? Marcus hob seine Hand ratlos, strich sich durch seine kurzen, schwarzen Haare und zuckte mit der Schulter.


    „Vielleicht irre ich mich ja, aber ich hatte gestern das Gefühl, sie freut sich besonders Dich zu sehen, Manius. Eine Frau lächelte ihren Mann nicht derart an, wenn sie ihn verachtet. Nein, das herablassende Lächeln einer Ehefrau kenne ich wahrlich gut genug.“


    Marcus erhob sich seufzend und griff nach der Weinamphore. Da er die Sklavin fort geschickt hatte, mußte er sich selber einschenken, was er tat und auch Gracchus den Becher auffüllte. Unter seinen bloßen Füßen spürte er den kühlen Marmor aus Africa bis er sich wieder auf die Kline zurück begab und sich seinem dritten Becher an dem Morgen widmete. Bezüglich der Rethorik winkte Marcus ab, denn im Grunde und wäre es nicht Gracchus gegenüber, wäre eine derartige Offenbarung seiner Unkenntnis Marcus peinlich. Denn von ihm als Patrizier erwartete man nun einmal Bildung und Eloquenz, was er Beides nicht besaß. Und mit einer geschulten Stimme konnte man diese Mankos nicht aufwiegen.


    „Mach Dir nichts draus, Manius. Ich habe schließlich den Sinn durchaus noch verstanden. Und Serenus hat Dich wirklich zu dem cursus begleitet? In der Tat, er ist talentiert in solchen Belangen. Ach, das muß er von seiner Großmutter haben. Von mir sicherlich nicht. Aus ihm wird, wenn ich ihm nach der Sache von gestern den Hintern versohlt habe, bestimmt mal ein aufgeweckter und aufstrebender Flavier. Meine Mutter wird sicherlich mit ihm zufriedener sein…“


    …als mit Marcus selber, dessen war sich Marcus stets bewußt und hatte durchaus gemerkt, daß seine Mutter mehr ihre Hoffnung auf Serenus als ihren eigenen Sohn legte. Doch, da er seinen Kindern gegenüber keine Eifersucht verspüren konnte, lachte Marcus, ob der Worte von Gracchus.


    “Serenus und untadelig? Ich bin beeindruckt von meinem Sohn, daß er Dich derart getäuscht hat, Manius. Serenus kommt in mancher Hinsicht sehr mir nach und frei von Tadel war ich bei weitem niemals in meinem Leben. Mein Junge hat mich schon früher stets versucht herein zu legen…was ihm oft gelungen ist, peinlicherweise. Aber da bin ich beruhigt, daß ich nicht der Einzige bin, der sich von Serenus derart hinters Licht führen lässt. Und was den Hauslehrer angeht. Nun, ich war nicht dabei, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, daß Serenus verstanden hat, was er hören wollte.“


    Kopfschüttelnd und schmunzelnd dachte Marcus über die Worte von Gracchus nach, verstand seine Aussage nicht so ganz. Marcus hielt von Gracchus derart große Stücke, daß ein solch vernichtendes Urteil für ihn außer Frage stand. Gracchus war gebildet, ein Genie und wahrlich strebsam, fleißig und tugendhaft. Er verkörperte das Ideal eines Patriziers, mal von der kleinen Marotte mit den Knaben abgesehen- aber Marcus fand, jeder Mensch mußte auch eine kleine Schwäche haben.


    „Herrje, Manius. Du warst mir eine sehr große Hilfe in der Vergangenheit. Es ehrt Dich, daß Du Dein Tun so derart der Größe nehmen willst, die sie eigentlich verdient. Darum laß’ mich wenigstens die Wahrheit aussprechen und wenn ich mich revanchieren kann, dann sag’ es mir einfach. Sag mal, hast Du schon gefrühstückt?“


    Marcus klatschte in die Hand und die junge Sklavin erschien einen Herzschlag später.


    „Bring uns ein kleines Mahl!“


    Die Sklavin neigte den Kopf und entschwand. Marcus wandte sich derweil wieder seinem Vetter zu und grinste schief.


    „Also ich komme bestimmt nicht in Verlegenheit oder dem Streben, die Welt im Alleingang zu erobern. Im Gegenteil, die Anteile an Ehrgeiz, die wohl unsere erfolgreichen Familienmitglieder haben, sind mir nicht gegeben worden. Für mich zählt die Familie auch mehr als irgendein Amt. Ah, übrigens, was ist eigentlich mit der jungen Minervina in Hispania passiert? Sie wurde von Räubern überfallen? Ist sie gar diesen Verrätern in die Hände gefallen? Und dann war sie im Lager der Praetorianer? “

  • Für einen Moment zögerte Gracchus, ließ sich die Vorstellung durch den Kopf gehen, Antonia könne anders empfinden, als er glaubte, dass sie dies tat, fühlte sich augenblicklich schuldig, ihr Gefühle zu unterstellen, welche sie nicht hegte, gleichsam damit durch sein Tun ihr Leben noch mehr zerstörte, denn er dies ohnehin schon glaubte zu tun. Doch er schüttelte den Kopf.
    "Du irrst dich, Marcus. Es ist eine patrizische Ehe, wie du bereits sagtest, und sie versteht ihre Pflicht sehr gut. In dieser Hinsicht kann ich mich wohl wahrlich glücklich schätzen."
    Ohne Aristides' Nachschenken bewusst wahrgenommen zu haben, trank Gracchus einen Schluck aus seinem Becher und verzog kurz die Miene, da nun, mit purem Wein aufgefüllt, die Mischung stärker war, als dies für die Uhrzeit gut war, gleichsam störte dies ihn nur marginal, obwohl er sich dessen durchaus bewusst war. Die Erwähnung Aristides' Mutter erinnerte ihn an seinen eigene Vater, denn obgleich sein Vetter den Satz nicht zu Ende führte, so wusste Gracchus doch, wie er enden musste, so dass die Stärke des Weines nur den bitteren Geschmack aus seinem Munde vertreiben konnte. Schließlich, womöglich auch mit jenen Gedanken im Nacken, winkte er ab.
    "Du solltest nicht so über deinen Sohn urteilen, Marcus. Er ist noch so jung, er trägt die Unschuld der Kindheit in seinem Herzen, und ich kann wahrlich nicht glauben, dass er versuchen würde, mich zu täuschen, gerade nicht in den Belangen einen Paedagogus betreffend, ist er doch so wissbegierig und wissensdurstig."
    Ein Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen in Erinnerungen an die Opferungen, denen sein Neffe beigewohnt hatte.
    "Es ist unglaublich, auf welche Fragen er kommt. Wir tätigten ein Opfer für die Gesundheit meines Bruders als jener mit einem Leiden darnieder lag, und Serenus nahm nichts als Tatsache hin, hinterfragte jeden Handgriff und jedes Tun, war erst dann zufrieden, als ich ihm alles genauestens erklärte und er jede Handlung in ihrem Ursprung und Wirken hinterfragt hatte. Tatsächlich glaube ich, bist du um diesen Sohn zu beneiden, Marcus, nun, sieht man einmal von der gestrigen Verfehlung ab."
    Auf Hilfe oder nicht Hilfe wollte Gracchus nicht weiter eingehen. Er wusste bereits, was er eines Tages von seinem Vetter würde fordern, doch dies war weder der rechte Augenblick, noch Ort für jene Forderung, viel eher würde sie Aristides selbst zur Freude gereichen, würde er in ferner Zeit aus dem Krieg zurückgekehrt sein oder in den Fängen seiner Gattin stecken. Gleichsam bedauerte Gracchus ein wenig, dass er ob dessen selbst so lange musste warten, doch war er dafür gern bereit, sich in Geduld zu üben.
    "Ich habe bereits heute Morgen gefrühstückt, kurz nach Aufgang der Sonne. Doch gegen eine kleine Zwischenmahlzeit habe ich nichts einzuwenden."
    Während seiner Quaestur hatte sich Gracchus angewöhnt, den Tag in seiner gesamten Länge vollstens auszunutzen, und jene Gewohnheit auch hernach nicht mehr abgelegt, boten sich doch so um so mehr Stunden. Aristides' Mangel an Ehrgeiz quittierte er mit einem zustimmenden Murmeln, jener war auch ihm nicht unbekannt, gleichsam glaubte er zu wissen, wo der seine abgeblieben war.
    "In der Tat fiel Minervina den Räubern in die Hände, sie entführten sie und verlangten ein Lösegeld. Frage mich nicht, in welcher Höhe, ich bin selbst noch nicht völlig über die gesamte Sachlage informiert. Der Praefectus Praetorio Caecilius löste sie aus und nahm sie hernach mit in das Lager, immerhin war er dort, um den Aufstand in Corduba nieder zu schlagen und nicht, um eine Dame, mag es auch eine Flavia sein, in Sicherheit zu geleiten. Er ließ sie später nach Tarraco bringen, wo sie sich in die Villa Flavia zurück zog. Ich wollte sie selbst abholen, doch fand ich wahrlich keine Gelegenheit, so dass ich schließlich nur eine Abordnung entsandte."
    Er seufzte tief, spielte untypischerweise mit dem Becher in seiner Hand herum und blickte schlussendlich zu Aristides auf.
    "Dies ist allerdings nicht das gesamte Ausmaß jener Misere. Bereits im Vorfeld versuchte ich Minervina davon abzubringen diese Reise zu unternehmen, drängte sie bis in den Frühling zu warten, doch schlussendlich blieb mir nichts, als sie ziehen zu lassen, schob sie doch ihren unstillbaren Wissensdurst vor, ihren Drang das Imperium zu bereisen bevor sie durch eine Verbindung daran gehindert sei, und letztlich habe ich ihr ohnehin nichts zu sagen, doch wollte ich gleichsam nicht, dass sie in Ärger die Hauptstadt verlässt. Doch es war nicht ihr Wissensdurst, sie reiste aus einer fixen Idee heraus Caecilius Crassus hinterher, welchen sie zuvor auf der Feier eines ausländischen Kultes kennengelernt hatte. Ich hatte ihr auch vom Besuch dieser Feier abgeraten."
    Betrübt blickte er in die rote Flüssigkeit, verfolgte die feinen Schwingungen auf der Oberfläche des Weines und wollte sich in keinster Weise, nicht einmal im Ansatz vorstellen, was dort auf jener Feier der Göttin der körperlichen Triebbefriedigung mochte geschehen sein.
    "Ich weiß es nicht, Marcus, mein Vater hat von mir verlangt, die Verantwortung für meine jüngeren Geschwister zu übernehmen, bis denn sie ihre eigenen Familien gegründet haben, gleichsam war ihm bewusst, dass sie nach ihm in niemandes Verantwortung würden stehen. Auf der einen Seite habe ich das Gefühl, sie verlangen von mir, nun, da sie in Rom sind, meinem Eid zu entsprechen, doch auf der anderen Seite folgen sie ohnehin nicht meinem Rat. Ich würde alles für diese meine Familie tun, denn immer kam die Familie noch vor der Pflicht gegenüber dem Imperium, doch ..."
    Das Ende des Satzes verlor sich in der unendlichen Tiefe des Weines, erst in seinem Anblick, hernach im bitteren Geschmack, als Gracchus einen Schluck durch seinen Mund kreisen und schließlich die Kehle hinabrinnen ließ. Die junge Sklavin kam bald herein und brachte ein Tablett voller Essen, eine durchaus willkommene Ablenkung, obgleich sich kaum einer der Anwesenden von solcherlei würde ablenken lassen, doch mochten die herbeigebrachten Speisen auch verhindern, dass der Wein Gracchus allzu bald allzu schwer auf den Magen würde schlagen.

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  • „Tatsächlich. Nun, du kennst Deine Frau sicherlich besser als ich.“


    Marcus zuckte mit der Schulter, denn er wollte nicht auf Gracchus belehrend oder besserwisserisch wirken, wo Marcus es wohl schwerlich beurteilen könnte- Gracchus Familie und Privatleben kannte er nur aus wenigen Begebenheiten, die er in Gracchus Leben geteilt hatte. Marcus musterte seinen Vetter dann stumm und er fühlte ein tiefes sympathisches Mitgefühl für ihn. Sicherlich, Sympathie hegte Marcus ohnehin für seinen klugen, wenn auch schrulligen Vetter, aber die Misere einer unglücklichen Ehe konnte Marcus ganz und gar nachvollziehen. Und auch er wußte nicht, wie es sich in seiner Zukunft verhalten würde, die noch so fern durch den Krieg wirkte. Marcus Mundwinkel hoben sich und er winkte gelassen ab. Mit Worten war Marcus eindeutig nicht so versiert wie Gracchus.


    „So meinte ich das auch nicht, Manius. Mein Sohn bedeutet mir sehr viel, meine Familie ist alles, was mir auf der Welt bedeutet und ich bin sehr stolz auf meinen Jungen, sogar wenn er mich an der Nase herumführt- wenn nicht sogar insbesondere dann…ähm…nun…zumindest nachdem ich dann aufgehört habe mich darüber zu ärgern. Er ist nun mal ein kluger Junge und ja…wissbegierig.“


    Marcus lächelte und freute sich darüber, daß sein Sohn ein derartig guten Eindruck bei Gracchus hinterlaßen hatte, nein, er war sogar im höchsten Maße zufrieden darüber, zeugte es doch davon, was sein Sohn alles vollbringen konnte. Ein guter Junge, abgesehen von gestern Nacht und jetzt wo er verschwunden war. Marcus Mundwinkel senkten sich erneut und er kratzte sich an der Schläfe Gedanken verloren, grübelnd, wie er seinen Sohn am Besten auffinden konnte.


    „Aber was meinen Sohn angeht, kenne ich ihn doch um Jahre besser als Du, Manius. Sei gewiß, er ist ein Schlingel und Frechdachs durch und durch, nur ein Brillanter dazu.“


    Marcus streckte sich wohlig, denn eine Massage nach dem Aufstehen war genau das Richtige, was er nach so einem Abend mit viel Wein und noch viel mehr Essen gebrauchen konnte. Obwohl er durchaus ordentlich zugelangt hatte, war er erneut hungrig wie ein Bär nach dem Winterschlaf- nur daß er im Gegensatz zu dem Tier aus dem Walde nicht derart von seinen Fettreserven befreit war. Abermals verwundert wölbte Marcus seine Augenbraue in die Höhe. Die Angewohnheit früh aufzustehen hatte er in der legio freilich auch, aber nur gezwungenermaßen. Interessiert- wie immer wenn es um die Belange der Familie ging- lauschte Marcus. Die arme Minervina, dachte Marcus gleich. Wie gebeutelt mußte das junge Ding sein, das zerbrechliche kleine Mädchen- Leontia, Minervina und seine eigene Tochter waren in Marcus Augen noch mehr Kinder als Frauen. Spontan entschloß sich Marcus, daß er etwas tun mußte, damit Minervina in Zukunft sicher war. Einige Leibsklaven, am Besten einen Gladiator, der sie vor allen Widrigkeiten schützen vermochte. Wobei Gladiatoren doch nichts anderes als abgerichtete Bestien war. Marcus grübelte schon über einen geeigneten Kandidaten nach als sein Vetter einen Namen nannte, der all seine Nackenhaare aufsträuben ließ. Caecilius! Der praefectus! Marcus Atem stob schnaubend durch seine Nase und sein Ohr gehörte wieder ganz seinem Vetter.


    Mit wachsendem Unmut lauschte er dessen Worten. Und es brauchte eine Weile bis die ganze Bedeutung- nun sagen wir mal, der Ansatz davon- bei Marcus ankam. Ungläubig starrte Marcus seinen Vetter an, die Selbstvorwürfe von ihm registrierte er nur am Rande, nickte flüchtig. Caecilius Crassus, diesem Mann war Minervina auf einer Feier begegnet und dann wie eine Närrin hinter her gereist? Marcus konnte es nicht fassen und schüttelt dann verwirrt den Kopf. Crassus war noch vor einigen Monaten in der Villa gewesen, um um seine Tochter Arrecina zu werben- auf eine Weise, wie sich Marcus das niemals hätte vorstellen können, beleidigend und anmaßend- und dann hatte er ein Techtelmechtel mit seiner Base? Und die fiel auch noch auf diesen Aufschneider herein. Zudem befreite er diese noch von Räubern? Räuber…Räuber…Marcus Augenbrauen zogen sich zusammen und Mißtrauen- wider Marcus sonstiger Natur, der doch mehr das Gute in den Menschen sehen wollte und auch in dieser Angelegenheit Minervina doch sofort frei von jeder Schuld sprechen wollte, sie wurde nun mal von einem skrupellosen Mann herein gelegt- keimte in Marcus auf. Erneut schnaubte Marcus und griff nach dem Brot, was die Sklavin herein gebracht hatte. Grob riß er ein Stück aus dem Laib, als ob er damit seinen Ärger bezeugen wollte.


    „Caecilius Crassus, dieser Parvenue! Oh, Manius, ich sage Dir, wenn ich den Namen schon höre, dann…ja…werde ich halt wütend. Hab ich Dir erzählt, daß er vor einiger Zeit in die villa Flavia gekommen ist und um die Hand meiner Tochter angehalten hat? Ich habe noch nie einen derart unverschämten Kerl erlebt, der schlägt sogar noch diesen Aurelier…wie hieß er noch mal?...ähm diesen Antontinus oder so…dieser Crassus hat im selben Atemzug noch unseren gesamten Stand defamiert…aber was rede ich da? Ich meine, Du hast mir doch bei dem Brief geholfen, den ich ihm als endgültige Absage zugeschickt habe…so eloquent wie Du das formuliert hast…das kannst Du wahrlich gut.“


    Marcus atmete tief ein und aus, die Wut wurde stärker als er an die Abgründe jenes Mannes- worin sich Marcus gerade mit tiefer Lust hinein steigerte- dachte. Sein Hals färbte sich rot und auch sein Gesicht- was immer passierte, wenn er sehr zornig, aber auch wenn er verlegen wurde. Marcus biß in das Brot und kaute mechanisch, schluckte das Stück Brot hinunter, so daß es ihm fast in der Kehle stecken blieb. Heftig hustend versuchte Marcus sich davon zu befreien, was ihm erst durch einen tiefen Schluck Wein gelang.


    „Puh…also, Manius, ich würde mich nicht wundern, wenn dieser Kerl alles arrangiert hätte, um sich der nächsten Flavierin habhaft zu werden. Wahrscheinlich ist er sehr begierig auf unseren Namen und sich bei uns einzudrängen. Die Feier, ein junges und unschuldiges Mädchen, was er verführen kann, eine fingierte Entführung, er als strahlender Held und somit ein Freund der Familie. Pah! Bei Mars Faust, ich wette mit Dir, Manius, der hat alles so eingefädelt. Die arme Minervina. Ist so einem Kerl auch noch auf dem Leim gegangen. Herrje!“


    Marcus schüttelte den Kopf und sah empört, wütend und dann durchaus wegen der armen, kleinen Minervina bewegt seinen Vetter an.

  • Vermutlich hatte Aristides Recht, was seinen Sohn anbelangte, doch immerhin waren sie wohl alle kaum in ihrer Kindheit und Jugend ohne Flausen gewesen. Selbst Caius und er hatten ihre Lehrer das ein oder andere mal bis zur Weißglut getrieben, doch letztlich war es ihnen allen vergangen. Vermutlich versuchte Serenus nur aus Trotz und Furcht bis zu seiner Großmutter nach Baiae zu gelangen, zumindest war dies der einzige Ort, welcher Gracchus einfiel, wohin seinen Neffen es ziehen könnte. Allenfalls konnte er noch versuchen, zu seinem Vetter nach Sardinia zu gelangen, doch er war sich dessen nicht sicher, wie innig die Beziehung zwischen Serenus und Milo, welcher eher den Stellenwert eines Onkels bei dem Jungen einnahm, war. Doch von jenen Gedanken wurde Gracchus, welcher sich ein wenig Brot genommen hatte und dies eben mit pikant gewürztem Streichkäse beschmierte, bald von seinem Vetter abgelenkt, welcher sich in seiner ferventen Art über den Caecilier echauffierte. Noch einmal fuhr Gracchus sorgsam mit dem Messer um das Brot herum, um jenen Käse, welcher über den Rand hinaus zu ragen gewagt hatte, von der Kruste zu kratzen und oben auf die vorhandene Schicht Käse zu platzieren, und ließ sich derweil die Worte seines Vetters durch den Geist ziehen. Nun erst dämmerte ihm das Ausmaß des Geschehens, Caecilius' Werben um Arrecina, Aristides' Abweisung, eine zufällige Bekanntschaft auf einem zweifelhaften Fest, Minervinas Reise, die Entführung, Caecilius' Bemühen um ihre Freilassung, ihr Aufenthalt im Lager der prätorianischen Garde und Aristides' Vermutungen wahren wahrhaft erschütternd. Langsam ließ Gracchus das Brot sinken, noch immer das Messer fest in der Hand, seine Kiefermuskeln spannten sich und obgleich er nicht die glühende Farbe der Empörung annahm, welche Aristides in solchen Situationen aufbrachte und welche er auch in diesem Moment nur schwerlich von seinem Antlitz verdrängen konnte, fühlte auch Gracchus in sich die Hitze des Ärgers aufsteigen.
    "Möge der Blitz des Iuppiter Fulgor ihn ..."
    Es geschah nicht oft, dass Gracchus sich weitere Rede mitten im Satz verbat, doch dies war solch ein Moment, denn zu groß war seine Echauffage, und jene Worte, welche ihm im Mund lagen und darauf drängten jenem zu echappieren, gereichten nicht seinem Anspruch laut ausgesprochen werden zu dürfen, fielen sie doch in den äußerst privaten Bereich der körperlichen Erleichterung. Er knallte das Messer mit der flachen Seite auf den Tisch und bog den Fluch ein wenig um.
    "... dann treffen, wenn er dies am wenigsten erwartet! Oh, Marcus, wenn dies wahr ist, und bei den Ohren der Veritas, dies hört sich mehr als nur schlüssig an ... und ich habe Minervina Vorhaltungen gemacht! Oh, Marcus, wie konnte ich nur!? Meiner eigenen Schwester, die gleichsam doppeltes Opfer dieses intriganten Spieles geworden ist, während ich darüber nachsann, wie dem Caecilier angemessen zu danken sei. Welch Tor war ich nur!"

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  • In einem Moment stieß Marcus noch den Atem abgehackt durch seine Nase, war rot wie ein spätherbstlicher Apfel oder einem Mann, der sich zu lange der Sonne ausgesetzt hatte, und im nächsten Moment, nach dem Ausruf von Gracchus stand er auf, ging einige Schritte hin und her, um seinen Ärger wenigstens auf diese Weise Luft machen wollte. Immer wieder fuhr er sich mit seiner Rechten über den Nacken und starrte auf die Wand gegenüber der Kline, auf der er noch vor wenigen Minuten entspannt lag und die mittagliche Massage genoßen hatte. In den letzten Wochen und Monaten hatte Marcus völlig diese Begegnung aus dem atrium mit dem Caecilier vergeßen und dem nicht allzu große Bedeutung beigemeßen. Aber daß sich der Mann derart penetrant in ihre Familie einschleichen wollte, trotz der unüberwindlichen Standesunterschiede, war doch kaum zu glauben. Und Marcus- eigentlich kein sonderlich mißtrauischer Mann- konnte dem Ganzen nur noch mit Argwohn begegnen. Doch dann schüttelte er verwirrt den Kopf, blieb stehen und wandte sich seinem Vetter um.


    „Herrje, Manius, ich weiß es doch auch nicht. Aber seltsam erscheint mir das alles durchaus. Es kann kein Zufall sein, daß sich der Caecilier so sehr um unsere weiblichen Familienangehörigen zu tummeln scheint. Wenn er bei Minervina abgeblitzt wäre, hätte er es womöglich auch noch bei der kleinen Leontia versucht. Und Du kennst doch ihre weltliche Unschuld. Sie wäre wahrscheinlich genauso auf ihn hereingefallen. Aber...ach, bei Mars Faust und seinem gerechtem Zorn, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Die arme, kleine Minervina! Das liebe Mädchen hat doch gar nicht ahnen können, was für einem Mann sie dort begegnet ist.“


    Marcus hatte immer noch die Angewohnheit alle flavischen Frauen, die kaum älter als seine eigene Tochter waren als Mädchen zu betrachten. Daß sowohl Leontia als auch Minervina nicht jünger als seine frisch Verlobte waren, das kam Marcus nicht in den Sinn. Marcus blieb neben dem Tisch mit dem Essen stehen und sah mit gerunzelter Stirn auf seinen Vetter hinab. Ratlosigkeit mit dem noch nachhallenden Ärger zeigte seine Miene, schließlich seufzte Marcus und nahm wieder Platz.


    „Frauen! Sie scheinen einem Mann nur graue Haare auf den Kopf wachsen zu lassen. Egal, ob sie Töchter oder Ehefrauen sind. Aber womöglich gibt es nur eine Lösung. Sie müssen verheiratet werden. Also die Töchter und so...Du weißt schon, was ich meine, oder?“


    Damit dachte Marcus durchaus auch an seine eigene Tochter, selbst wenn er immer noch befand, daß sie viel zu jung war, um zu verheiratet zu werden. Aber das würde sich auch in zehn Jahren nicht ändern- in Marcus Augen.


    „Langsam bekomme ich selbst die Einsicht, daß meine Tochter diesen Weg beschreiten sollte. Nur fällt mir niemand ein, der meine kleine liebreizende Tochter auch verdient hat. Und Minervina? Hat sie etwa tiefere Sympathien für ihren Retter?“

  • Die Vorstellung, dass Leontia, dieses grazile, feinfühlige, filigrane, ja beinahe zerbrechlich scheinende Wesen, welches seine Base war, in die Fänge des grobschlächtigen Caeciliers geraten mochte, war wahrhaft degoutant. Minervina würde sich letztlich zu Wehren wissen, dessen war er sich sicher, denn gleich wie Sphinx, Leontias Katze, die einfühlsame Eleganz ihrer Besitzerin teilte, so teilte Minervina augenscheinlich die scharfen Zähne und Krallen ihres Leoparden.
    "Meine Töchter werde ich allesamt zu den Sacerdotes Vestales senden. Und wenn es sechs sein sollten bis der erste Erbe das Licht der Welt erblickt, so werde ich Agrippina schon davon zu überzeugen wissen, dass die Priesterschaft nie aus zu vielen Flavia bestehen kann. Wahrlich, Marcus, diese Heiratspolitik ist anstrengender, als ich vermutet hätte. Vor allem in Hinsicht auf Schwestern, welche ohnehin deinem Rat folgen können oder dies auch nicht. Minervina glaubt, der Caecilier liebe sie und augenscheinlich erwidert sie diese Gefühle, welche ich ihr durchaus nicht absprechen möchte, doch immerhin zeigte sie letztlich die Einsicht, dass dies für eine Ehe nur eine marginale Nebensächlichkeit darstellt."
    Es stellte sich dabei nur die Frage, wie Minervina vom falschen Spiel des Caeciliers zu überzeugen war.
    "Was Arrecina betrifft, so fällt mir auf die schnelle keine geeignete Verbindung ein. Ein Tiberius oder Aurelius womöglich? Andererseits, womöglich könnte dir dein baldiger Schwiegervater bei einer weiteren Verbindung in die Claudia behilflich sein. Nun, ich werde die Augen offen halten."
    Da er dies ohnehin schon bei den Damen des patrizischen Standes tat - nicht aus Eigeninteresse, sondern Caius' und Lucullus' wegen - so konnte er dies auch ausweiten.

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  • Was tat Marcus, wenn er glücklich war? Er aß. Womit widmete er sich, wenn er frustriert war? Er aß. Was machte er, wenn er traurig war? Na? Dasselbe. So lehnte er sich zurück, griff nach einem Teller mit kaltem Fleisch, etwas Brot dazu und fing an zu schmausen. Schon die Hälfte des Tellers war gelehrt bis sein Vetter verstummte und Marcus die Wut in sich abgekühlt hatte und seine Gedanken sich mehr oder minder mit einer unangenehmen Materie befaßte, das Verheiraten, Heiraten und Ehebündnisse im Allgemeinen. Er würde wohl oder übel seiner Mutter einen Brief schicken müßen, denn Marcus sah sich außerstande etwas derartiges zu vollbringen. Doch er kam nicht umhin auf Gracchus Worte zwischen den Bißen zu lachen, wobei er sich zwischenzeitlich fast daran verschluckte.


    „Manius, Du bist wirklich ein Uni...Unika...Unidingsbums. Du weißt schon, was ich meine, oder? Alle Töchter zu den Vestalinnen schicken. Hah, herrlich!“


    Marcus lachte kollernd und wischte sich mit einer Hand am Augenwinkel entlang, als ihm die Lachtränen in die Augen schoßen. Erst dann, nach ein paar Mal tief Luft holen, widmete er sich wieder dem Essen und sah auf als das Angebot kam.


    „Das ist nett von Dir, Manius. Ach, mir fällt halt auch niemand ein. Die, die ich mag, die sind alle zu alt für mein Mädchen, zudem üble Rabauken oder knochentrockene Stubenhengste. Nein, nein, meine Tochter, mein Sonnenschein, muß schon jemand Besonderes erhalten. Das hat mein Mädchen schon verdient. Und zudem muß er ein anständiger und ehrenhafter Patrizier sein. Also nicht einfach. Aber ob Tiberier oder Aurelier ist mir in dieser Hinsicht gleich. Aber was soll's...sag mal, hast Du heute Abend noch was vor? Laß uns doch noch ein wenig in die Stadt gehen und über das Leid von Verlobten und Ehefrauen einen Tropfen vergießen.“


    Ob das noch passierte oder Marcus dann doch am Tage in den Thermen, die er später noch besuchen wollte, versumpfte, das zeigt sich an anderer Stelle oder nicht. Irgendwann war der Besuch seines Vetter vorüber und Marcus ließ sich noch länger massieren ehe er sich in den Garten begab, um sich seiner Tochter zu widmen.

  • II-VIII



    Gruß und Heil dir, Vetter, nun wieder in der Ferne!


    Denn weit fort von Rom werde ich bereits sein, so du diese Zeilen liest, gen Achaia, welches mir scheint wie Heimat und Exil zugleich. Nicht da meine Sätze wieder stocken, nicht da mein Leib mich im Stich lässt, nicht da mein Geist neuerlich von Nebel umhüllt ist, meide ich deiner angesichtig zu werden vor der Abreise, sondern da es mich beschämt, Marcus, dich nun im Amte allein zurück zu lassen, in welches zuvor ich dich habe gedrängt, gezwungen geradezu, und mag ich es auch nicht allein verursacht haben, so hätte doch ich allein es können verhindern. Was nutzt es letztlich, dieses oder jenes Amte, welches dir nur ein Grauen ist, wohin kann es dich führen, wenn nicht einzig dorthin, wohin es noch jeden Flavier dieser Laufbahn zu führen scheint - fort in die Ferne, seine Wunden zu lecken. So hoffe ich, du magst Nachsicht üben mit mir, kannst mir dies verzeihen, gleichsam bewahren, was dir zu eigen ist, aller Pflichten, aller Erwartungen zum Trotze, so dass nicht jener Mensch dieser Welt verloren geht im Sumpfe der Politik, welchen ich so sehr schätze, ganz so wie er ist.


    Eine Bitte indes möchte ich dir antragen, nicht um meinetwillen, sondern zum Wohle der Flavia, habe Acht auf meine Gemahlin und mehr noch meinen Sohn, die ich schweren Herzens zurück lasse und bereits in diesen Augenblicken mehr als alles sonst misse. Niemanden sonst möchte ich darum bitten, denn niemand wäre mehr geeignet, ihm das wertvollste meines Lebens anzuvertrauen denn du, Marcus.


    Mögen die Götter stets mit dir und unserer Familie sein, und möge Fortuna dich reichlich mit ihrer Gunst bedenken!


    Manius


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  • Sim-Off:

    Ich hoffe, du erlaubst, dass ich dich mal aufsuche? ;)


    Weich, leise, in grossen Intervallen, hallten Schritte durch den Flur. Es war Piso. Der Grund fuer die gedaempften Schritte waren die neuen Schuhe, die an Pisos Fuessen waren.
    Die Schritte hoerten schlagartig auf, als Piso vor einer sehr gewissen Tuere zum stehen kam. Er blickte sich vorsichtig um, fast so, als ob er etwas Verbotenes tun wuerde. Dabei war es komplett normal, einen Vetter aufzusuchen.
    Allerdings nicht unbedingt einen Vetter, den er in den letzten Wochen aus dem Weg gegangen war.
    Er hob die Hand, ballte sie zur Faust, wollte anklopfen und verharrte. Wollte er dies wirklich tun? Es gab keinen Weg darum herum. Es war zum aus der Haut fahren. Doch es musste getan werden, je frueher, desto besser.
    Er dachte an die Worte seines Vaters. Wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, sprich mit Marcus Aristides. Er wird dir helfen koennen. Jetzt wuerde es sich zeigen, ob sein Vater recht hatte.
    Also hob er seine Hand, welche er schon etwas gesenkt hatte, wieder und pochte an die Tuere an. Sie war nicht richtig geschlossen, und so ging sie ein bisschen auf, was nicht die Absicht Pisos gewesen war, jedoch nuetzte er sie aus.
    Er beugte sich vor und lugte durch die Ritze, die sich offenbart hatte.
    "Arist...", er atmete kurz tief ein, "Marcus. Hast du die Zeit, dass ich einmal kurz mit dir sprechen kann?"

  • Die villa erschien Marcus so unendlich leer, nachdem sein Vetter vor einigen Tagen – oder waren es schon Wochen her – abgereist war; wenn einer den Segen der Götter verdient hatte, dann gewiß sein Vetter Manius Gracchus, aber die Götter spielten gerade mit ihm ihr grausames Spiel; es war einer jener Tage, an denen er dem Amte nicht nachgehen mußte, heute waren die Amtsgeschäfte vom religiösen Kalender aus verboten, die Togen konnten in ihren Schränken bleiben, die officii blieben geschlossen, selbst wenn draußen in der Stadt weiterhin das Leben pulsierte, wie eh und je. Marcus hatte den Plan verworfen, heute die Thermen aufzusuchen: Sein Vetter war erkrankt und in der Ferne, seine Ehefrau entführt und ihr Schicksal ungewiß, welcher Mann konnte an solchen Tagen sich solchen Freuden hingeben? Marcus sicherlich nicht und so stand er grübelnd und in sich gekehrt am Fenster, wie schon die letzte Stunde, ohne sich zu rühren und zu entscheiden, was er tun sollte. Wo war die Sorglosigkeit geblieben, mit der er früher in den Tag lebte? Wo die Freude am einfachen Dasein, ohne Pflichten, ohne die Last der Verantwortung auf der Schulter? Hinfort wie auch seine Jugendjahre, denn heute war ein durchaus entscheidender Tag in Marcus' Leben, er war ein Jahr älter geworden, eine Dekade hatte er hinter sich gelaßen und er ging keinesfalls mit Freude in die Nächste. Er konnte seine Familie nicht zusammen halten, er vermochte seine Ehefrau nicht zu beschützen, gleichsam damals, als Arrecina entführt wurde. Die Stimme in seinem Rücken drang erst einen Moment später zu ihm hinüber und Marcus wandte seinen Kopf in Richtung der Tür, die einen Spalt geöffnet war; seine Augenbraue wanderte einen Deut in die Höhe – verwandtschaftliche Ähnlichkeit zu der Manier des Gracchus aufweisend – und ein wenig Verblüffung zeigte sich im Gesicht von Marcus.
    „Aulus?“
    Den Vetter hätte er wirklich nicht erwartet, und schon gar nicht hier in seinen eigenen Räumlichkeiten, zumal er sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, daß Piso zwar mit aller Welt auf gutem Fuß stehen wollte, ihn jedoch gemieden hatte – gut, Marcus hatte auch keine sonderlich gute Meinung von seinem Vetter, Leontia sei Dank. Wahrscheinlich will er Geld haben, dachte sich Marcus. Da er wohl Gracchus nicht mehr anschnorren kann.
    „Ja, habe ich. Komm' doch rein!“

  • Fuer einen Moment sah Aristides aus wie Gracchus. Auf den Tupf gleich. Fast schon waere Piso erstarrt und haette: "Manius Gracchus!" gehaucht, doch sah er rechtzeitig, dass er es nicht mit einer Gestalt zu tun haette, welche moeglicherweise die Kapazitaet hatte, sich an zwei Orten gleichzeitig aufzuhalten. Es war Marcus Flavius Aristides, und niemand anderes. Es war nur einen geste gewesen. Er wusste nicht einmal, welche es gewesen war. War es an den Haenden gewesen? Oder im gesicht? Ja, es musste im Gesicht gewesen sein.
    Viel aristidischer war der verblueffte Gesichtsausdruck, welcher sich ueber das Gesicht seines Vetters legte, und eindeutig pisonisch war das verlegene Laecheln, welches das Gesicht des Besuchers, des Eindringlings, zierte. Piso schloss die Tuere hinter sich.
    "Gut, dass du Zeit hast. Das ist schoen.", meinte er, jedoch meinte er, einen etwas abweisenden Gesichtszug zu sehen. Es war ja natuerlich. Er war gekommen, um ein paar Sachen klar zu stellen. Vielleicht wuerde jener Gesichtsausdruck abschwellen... irgendwann. Genausogut haette Aristides, statt so dreinzuschauen, Piso laut und deutlich einen Nichtsnutz schimpfen koennen, was er sich vermutlich sowieso schon dachte.
    Er versuchte, die Miene zu ignorieren und setzte sich nieder. Rechtzeitig kam es ihm noch, zu fragen: "Ich darf mich doch setzen, oder?"
    Dann raeusperte er sich. Und schliesslich fing er an. "Ich... als ich noch in Ravenna gelebt hatte, da habe ich einen Brief erhalten. Von meiner Schwester. Einen sehr kurz angebundenen Brief. Sie erzaehlte mit knappen Worten, wie schoen es in Rom war, und wie gut sie sich unterhalten wuerde. Und wie gut es war, etwas Distanz zu haben von dem Rest ihrer Familie in Ravenna. Wir... wir haben uns nicht so gut riechen koennen, wie es Geschwister tun sollten. Es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke." Wo war denn die selbstsichere Art von Piso? Wo seine Aufgeblasenheit? Sie schwand, wie immer, nur, wenn er sein Herz ausbreitete. Wie er es jetzt tat. "Ich haette mich gerne besser mit ihr verstanden, weisst du? Und jetzt ist es zu spaet..." Er liess den Kopf senken. "Aber ich wollte dir nur sagen... ach, was, ich wollte dich was fragen. Was hat sie von mir erzaehlt? Nein, antworte nicht. Nicht viel Gutes, wahrscheinlich. Ich wollte dir nur sagen, Marcus... ich wollte nur sagen... dass ich... kein Versager bin." Er kniff die Lippen zusammen und blickte Aristides fest in die Augen. "Das ist es doch, was du denkst. Oder? Oder?", meinte er ruhig.

  • Marcus lehnte sich gegen das Fenstersims, aus dem er eben noch geschaut hatte, und verschränkte die Arme vor der Brust, während sein Kopf ein marginales Nicken in Richtung von zwei Stühlen machte, wo auch ein Tonkrug stand und Becher, etwas, was ein Sklave noch vor kurzem gebracht hatte, obwohl Marcus zu dem Zeitpunkt nicht mit Besuch gerechnet hatte.
    „Natürlich, nimm ruhig Platz und bedien' Dich, wenn Du durstig bist...“
    ...oder einfach einen Becher zum Festhalten brauchst, dachte Marcus zudem; denn – wie ihm auf den zweiten Blick auffiel – Piso wirkte reichlich nervös und was bei Marcus einen weiteren Schuß Mißtrauen weckte, hatte sein Vetter womöglich etwas ausgefreßen? Als dann jedoch die Sprache auf Leontia kam, zuckten Marcus' Augenbrauen einen Moment unwillig nach oben, denn in diesen Tagen drückte schon genug Sorgen und Kummer auf Marcus' Schultern, so daß die Erinnerung an Leontia doppelt schwer wog, denn es versetzte ihn immer noch in Kummer, daß seine junge und mitten im Leben stehende Lieblingsbase so jäh aus dem Leben gerißen worden war – und unter sehr seltsamen Umständen, die Marcus immer noch nicht verstand. Marcus' Gesicht verschloss sich jedoch bei der Erwähnung seiner Base und seine eben noch recht entspannten Hände krampften sich für einen Moment zusammen; doch er schwieg...vorerst zumindest. Schlussendlich konnte es Marcus nicht laßen, abermals wanderte seine Augenbraue nach oben. Seit wann kümmerte es Piso, was er – Marcus – über ihn dachte? Es verwirrte Marcus einige Herzschläge dermaßen, daß sich der abweisende Ausdruck etwas glättete. Wie peinlich! Das waren genau die Worte, die Marcus immer wieder von seiner Base gehört hatte, wenn sie von ihrem Bruder sprach. Schweigend musterte er seinen Vetter und dachte einige weitere Herzschläge über die Frage nach, nach einigen Momenten zuckte er schließlich mit der Schulter.
    „Wieso sollte ich das denken, Aulus, als ich in Deinem Alter war habe ich auch noch nichts sonderlich sinnvolles getrieben.“
    Tat er das jetzt etwa? Irgendwie fand er sein Leben momentan wieder reichlich sinnlos, das, was ihn erfüllte, konnte er nicht mehr ausführen und das, was er tun mußte, fand er reichlich stupide.
    „Ich glaube, Du kannst Dir denken, warum Deine Schwester nicht sehr glücklich mit Dir war...“
    , fügte Marcus an und zuckte schließlich noch mal mit der Schulter. Irgendwie fand er es immer noch schwierig über sie zu sprechen, ebenso über seine kleine, verstorbene Tochter.
    „Warum ist Dir das jetzt wichtig, ich meine, früher war Dir das doch auch egal?“

  • "Oh, danke...", meinte Piso und ergriff einen Becher. Und runter mit dem Gesoeff. Er leerte seinen Becher mit 3 kraftvollen Zuegen. Und sein Zittern nahm ab. Wein war eine Kur fuer alle Uebel.
    Erst der Wein hatte dafuer gesorgt, dass er in der Lage war, zusammenhaengende Saetze zu formen, sonst waere es noch die Moeglichkeit gewesen, dass er gepoltert haette wie ein Bauer vom Dorfe. So aber wurde sein (halbwegs) fluessiger Redestil dem jahrelangen Rhetorikunterricht, den er mehr oder weniger genossen hatte, gerecht.
    Dass sich Aristides dachte, Piso haette etwas verbrochen, haette sich Piso denken koennen. In gewisser Weise koennte das ja auch stimmen... doch er wollte das Gespraechsthema nicht darauf lenken. Einmal nicht so frueh.
    Piso betrachtete die Mimik seines Vetters genau, als er mit ihm sprach. Die Gesichtsbewegungen des Aristides waren sehr ausgepraegt, ausgepraegter als bei den meisten anderen Maennern, die Piso kannte.
    Augenbraue hoch. Augenbraue runter. Augenbraue abermals hoch.
    Man konnte an der Position der Augenbrauen von Aristides immer ziemlich gut sein Mass an Erstaunen und Irritation ablesen.
    Er hoerte sich Aristides Worte an und ueberlegte. Dann nickte er. "Ich kann es mir vorstellen. Ja. Aus dem selben Grund, wieso du nicht sehr gluecklich mit mir zu sein scheinst. Aber schau. Ich habe eine Arbeit. Seit einigen Tagen, ich weiss nicht, ob du dies schon weisst. Als..." Er holte tief Luft. "Primicerius a libellis an der kaiserlichen Kanzlei. Manius Gracchus hat es mir vorgeschlagen.", meinte er schnell, in die Defensive gehend, wusste er doch, dass der Kaiser im flavischen Hause nicht sehr geliebt war. "Und mir gefaellt die Arbeit. Ich habe ausserdem schon eine Fischerei eroeffnet. Ich habe Sinnvolles geleistet!", meinte er affirmativ. "Ich habe es satt, mich herumzutreiben... halt, das war das falsche Wort! Das richtigere waere herumzuhaengen. Jetzt bewegt sich etwas. Und genau deshalb wollte ich mit dir sprechen. Ich meine, deine Meinung ist mir doch wichtig. Egal was du denkst." Er war immer schneller mit seiner kleinen Rede geworden, die letzten Worte waren rasant vorgetragen worden, und er holte nach Abschluss seines letzten Satzes tief Luft. "Ich muss dir etwas sagen." Er blickte Aristides mit schweren Augen an. "Marcus, ich bin... nicht nutzlos. Und ich bin..." Er hielt ein. Nein. Wie sollte er ihm bloss von Serrana erzaehlen? Wie sollte er ihm erzaehlen, dass es wegen ihr war, dass er mehr auf Leute wie Aristides hoeren wollte, um vielleicht irgendwann genau so integer zu werden - ein Mann zu werden, mit dem eine Frau ihr Leben verbringen konnte? "Ach, nichts.", winkte er ab und haengte etwas an, um zu verhindern, dass Aristides Verdacht schoepfte. "Ich bin in der Acta. Du hast sie sicher schon gelesen?", fragte er mit einem irgendwie abwesen erscheinenden Laecheln im Gesicht.

  • Marcus floh liebend gerne auch in den Trost des Weines, wenn er nervös war, aber noch viel lieber in den der Speisen; denn sein Hunger und Appetit stieg proportional mit seiner innerlichen Aufregung oder Aufruhr in der Regel; doch heute war er im Gegensatz zu seinem Vetter reichlich ruhig und gelaßen, jeglich sein anscheinend doch so markantes Augenbrauenspiel hätte etwas Aufruhr in das Antlitz von Marcus gebracht, aber bis auf ein marginales und kaum bedeutendes, schon amüsiertes Zucken beider Augenbrauen, blieb Marcus' Gesicht eher gelaßen und ruhig als er seinem Vetter aus Ravenna lauschte.
    „Hmh!“
    , brummte Marcus leise als Erwiderung; er horchte kurz in sich hinein und fragte sich, ob er denn glücklich mit Piso sein wollte? Irgendwie war das doch eine Formulierung, die mehr auf Leontia, der zarten und lieblichen Schwester paßte, und nicht auf ihn, aber innerlich zuckte er darüber mit der Schulter und verkniff sich auch jedes Grinsen; eigentlich könnte Piso es doch besser wißen, schließlich war Marcus in den ersten drei Dekaden seines Lebens ein ziemlicher Tunichtgut und Faulenzer gewesen, selbst als er schon das erste Mal verheiratet war, war er mehr ein cenagänger als ein Arbeitstier gewesen; und jetzt war er die moralische Instanz für tugendhafte und strebsame Lebensführung? Mit einem Schlag kam sich Marcus bedeutend älter vor und er merkte, daß er heute vierzig Jahre alt geworden war. Die Zeit seiner Jugend schien Äonen her zu sein und anscheinend sahen alle anderen das auch, selbst wenn Marcus sich noch bis vor wenigen Jahren eigentlich recht jung gefühlt hatte.
    „Äh...ja...!“
    , meinte Marcus darum betroffen, eine Regung, die Piso sicherlich nicht einordnen konnte, aber Marcus, der für einen Herzschlag darum verwirrt war, achtete nicht darauf, wie es auf seinen Vetter wirken mußte. Außerdem fragte sich Marcus, was das für ein Posten überhaupt war, er war lang und klang bedeutend, anscheinend hatte sich Piso doch etwas ansehnliches da geangelt. Aber was er wohl den lieben langen Tag tat? Sklaven herum scheuchen? Den Palast beaufsichtigen?
    „Und...ähm...gefällt Dir Deine neue Arbeit?“
    , fragte Marcus in dem Versuch, vielleicht doch mehr darüber zu erfahren. Die Frage nach der acta machte Marcus nun doch verlegen; er las niemals die acta, außer jemand las sie ihm vor, ansonsten schaffte er höchstens einen halben Artikel und nickte dann mit den papyrusblättern selig in Morpheus' Reich davon, Marcus war nun mal keine Leseratte und mit seiner Leseschwäche arg beeinträchtigt.
    „Ähm...ich glaube, der Artikel ist mir entgangen. In der acta, wegen Deiner Beförderung?“

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