Es war am Abend vor den Saturnalien, Marcus war gerade erst mit seiner Tochter angekommen und hatte nur weitere Anzeichen des Fluches an ihr entdeckt. Tief in ihm drin hatte er die ganze Reise lang gehofft, daß Arrecina sich in Rom wieder erinnern würde, sie mußte es doch!! Bei den Göttern, es war, als ob ihm seine Tochter genommen wurde. Und dann sah er sie lebendig vor sich, konnte sie berühren und doch war sie ihm ferner als im Tod. Wenn sie ihn- ihren eigenen Vater- mit Abneigung und manchmal sogar Abscheu- Marcus war sich da sicher es immer wieder zu sehen- ansah. Schwermütig und schlecht gelaunt hatte sich Marcus von einem Sklaven ein Zimmer herrichten lassen, daß er in der Zeit seines Aufenthaltes in Rom bewohnen würde.
Unwirsch stieß Marcus die Tür zu dem Cubiculum auf und trat hinein. Für die prachtvolle Ausstattung, das luxuriöse Bett- besonders wenn man es mit dem Legionslager verglich- und den silbernen, mit Gravuren geschmückten Nachttopf würdigte Marcus mit keinem Blick. Stattdessen trat er unruhig an eines der Fenster, was zum Garten hinaus ging und sah auf die sorgfältig gestutzten Rosenbüsche herunter. Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Endlich entwich ihm der Seufzer, den er sich schon im Atrium aufgespart hatte. Er wollte Arrecina nicht weiter bedrängen, sie zu den Erinnerungen zwingen. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und die Müdigkeit von den letzten anstrengenden Reisetagen überfiel Marcus.
Immer wachsam sein, ein Auge auf Arrecina und eines auf Rutger gerichtet, hatte an Marcus Kräften gezehrt. Seine Finger lösten die Schnallen seiner Rüstung, er kam noch nicht mal auf die Idee einen Sklaven dafür zu rufen, schließlich machte er das bei der Legion auch nie. Die lorica segmentata rutschte herunter, wie eine schwere Bürde, die Last seiner Verantwortung und Pflichten. Pflichten? Wieder seufzte Marcus und warf seinen paenula in eine Ecke. Müde fuhr er sich über das Gesicht und sank auf das weiche Bett herunter. Die Legion...die Legion war an vielem Schuld. Marcus war in den letzten Tagen zu dieser Erkenntnis gekommen. Sonst wäre er nie nach Germania gekommen, hätte nie den Sklaven nach Rom geschickt und seine Tochter wäre niemals von dem Fluch befallen worden. Mit dem Gedanken im Kopf sank er auf seinen Rücken und schloß seine Augen.
Sofort einzuschlafen war eigentlich eine Fähigkeit, die jeder Soldat in der Legion lernte. Selbst unter den widrigsten Umständen konnte Marcus mittlerweile gut schlafen und auch tief. Doch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit dachte Marcus zu viel, immer wieder gingen ihm die letzten Wochen durch den Kopf. Auch überlegte er, was er tun könnte. Doch immer nur ein Name tauchte bei ihm auf, ein Heilsbringer war dieser Name- Gracchus. Nur er würde ihm helfen können. Doch heute Abend würde er ihn wohl kaum noch sprechen können. Er hatte von einem Sklaven gehört, daß sein Vetter die Saturnalien ausrichten würde. Marcus sog die Luft tief in seine Lungen ein, dann richtete er sich abrupt auf. Er war zwar müde, konnte aber einfach nicht schlafen. So ergriff er wieder seinen Umhang, die paenula, und einen kleinen Geldbeutel aus seiner Tasche und verließ das Cubiculum wieder und auch die Villa Flavia. Sein Ziel? Marcus wußte es nicht. Einfach der Nase nach...