Sella Curulis des Praetor Urbanus

  • Bei strömendem Regen gelangte eine bemerkenswerte Schar von Sänften diverser Größe und Aufmachung vom Quirinal descendierend auf das Forum Ulpium, allen voran ein größeres Exemplar, welches der flavische Caduceus an seinen Flanken zierte. Darin befand sich der Urgrund all jener Aufwändungen, ein verschüchterter Knabe von eben dreizehn Lenzen, aus welchem dennoch am heutigen Tage ein vollwertiger Civis Romanus werden musste, wie es das Verdikt des zweiten Passagiers, seines Vaters Manius Flavius Gracchus Maior gewesen war. Weiters beherbergte jenes Gefährt aber noch die übrigen Glieder der Familia Flavia Graccha, sah man von den Sklaven ab, die in Mäntel gehüllt dem kühlen Nass vom Himmel zu trotzen hatten, allen voran Sciurius, der Villicus des Hauptes der Familia. Anstatt einer Deductio in foro, wie sie anlässlich der Liberalia gebräuchlich war und den Jüngling auf dem Forum Romanum, jenem uralten Fokus der Res Publica, der Bürgerschaft zu präsentieren pflegte, musste man heute, wo bereits der Tag nicht diesem Ritual adäquat war, nicht nur darüber hinausgehend auf das dem Usus entsprechende Gepränge verzichten, sondern lediglich den Praetor Urbanus in der Basilica Ulpia aufsuchen, wo er für gewöhnlich zu Gericht saß.


    Somit neigte sich der Zug aus Sänften mit flavischen Familiaren, gefolgt von einer Masse an Klienten, Sklaven und Dienern, bereits an der Mauer des Forum Augustum nach rechts, passierte den Triumphbogen des Divus Traianus, welcher die dacischen Siege jenes großen Imperators zelebrierte, überquerte den dahinter liegenden Platz und kam an den Stufen der hoch sich auftürmenden Basilica zum Stehen. Die erste Sänfte drängte sich gar an den Porticus, um ihre Passagiere trockenen Fußes unter das schützende Dach steigen zu lassen, während die übrige Festgemeinde zumindest für eine winzige Zeitspanne sich dem Regen zu exponieren hatte. Doch auch Manius Minor trafen versprengte Tropfen auf seine blütenweise Toga Pura, welche er erst wenige Momente zuvor angelegt hatte, während der trotz seines Mantels gänzlich durchnässte Patrokolos ihm aus der Sänfte half. Dann trat er einige Schritte nach vorn, wo weitere vom Regen gezeichnete Diener sich neuerlich mühten, das durch das Sitzen und Bewegen derangierte Staatskleid in eine konvenierliche Form zu legen, ehe der junge Herr dem Praetor vorgeführt werden konnte.

  • Gracchus Maior genoss das Prasseln des Regens auf das Dach der Sänfte, genoss die monotone Symphonie, welche daraus erwuchs, vergaß für einigen Augenblicke ihr Ziel, welches ihm unweigerlich sein Kind würde entreißen. Letztlich jedoch erreichten sie die Basilica Ulpia, und auch dem Vater wurde noch einmal die toga praetexta, welche er selbstredend an diesem Tage trug, gerichtet.
    "Bist du bereit?"
    fragte er sodann seinen Sohn, obgleich eine Antwort jedweder Art nicht würde ändern können, was nun würde folgen.

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  • Mit großen, leicht besorgten Augen späht Fusus zunächst aus der Sänfte hinaus gen Himmel. Seinen Geist vermag das Wetter an diesem Tag zwar nicht zu bewölken, doch ist er nicht immun gegen die Sorge um eine mögliche Demolierung seines Äußeren. Mithin zögert er eine ganze Weile, während die indes kontinuierlich beregnete Sklavin Vulpes als sein stetiger Schatten seitlich der Sänfte wartet, ihm hinaus zu helfen und alsbald die Toga nachzurichten. Schließlich gelingt Fusus doch die Überwindung. Er klettert einigermaßen geschmeidig aus dem zuvor noch getragenen Kasten heraus und eilt in schnellem und daher leider nicht allzu gravitätischem Gang die wenigen passus hinüber zum überdachten Areal vor der Basilika - etwas abseits von den eigentlichen Protagonisten dieses Anlasses.


    Unvermeidlich hat der Flavier dabei seinen Anteil am Regenguss abbekommen und wirkt darüber ganz und gar unglücklich, entgegen seinem sonst und auch zuvor in der Villa noch so sonnigen Gemüt. Ein tiefer, trauriger Seufzer entfährt ihm, während er die angefeuchteten und derangierten Falten seiner Toga in Augenschein nimmt. Seine jeglichem expliziten Befehl vorauseilend gehorsame Sklavin beginnt sogleich fleißig mit der Restauration und bekämpft zuallererst durch vorsichtiges Tupfen mit einem sauberen Tuch die Nässe in Haar und Gesicht. Fusus' Bestürzung über den Zustand seines Aussehens tut dies jedoch so schnell keinen Abbruch. Mit einer schmollenden, leicht anklagenden Miene blickt er hinauf zu dem verregneten Himmel, während seine Sklavin anschließend beginnt die Falten seiner Toga zu restaurieren.

  • Einträchtig standen Vater und Sohn beeinander, während Sklaven ihnen die Toga richteten, was ein überaus possierliches Bild abgeben mochte, obschon dem Knaben mitnichten freudig zumute war, denn die Stille der Sänfte, welche selbstredend dem Naturell der beiden älteren Gracchi entsprechend lediglich durch diverse infantile Kommentare des jüngsten von dreien disturbiert worden war, hatte ihm überaus viel Zeit gelassen, seinen grässlichen Traum zu kommemorieren, während er zugleich den Schemen seines Vaters inspiziert hatte ohne imstande zu sein, dessen Mimik zweifelsfrei zu identifizieren.


    Als endlich das Staatskleid seinen optimalen Sitz gefunden hatte, erkundigte Manius Maior sich nach einer Bereitschaft, welche Manius Minor umgehend zu negieren geneigt war. Neuerlich trat ihm jener kauernde Feigling seines Traumes vor Augen, sein "Du musst di'h nun selbst zur Wehr setzen" und das Desinteresse, welches dieser ihm in höchster Not zuteil werden hatte lassen. Für diesen Schritt war er mitnichten bereit, vielmehr war er nach wie vor ein Knabe, der noch nicht einmal jenes Kratzen in der Stimme oder das Spriesen eines Bartes verspürte, welches einen Iuvenis auszeichnete, der sich nun nach seinem Krokodil Caius zurücksehnte, wo doch ein gänzlich differenter Caius aus der adulten Welt der Res Publica (wie nicht selten trug nämlich der Praetor Urbanus dieses Jahres eben denselben Praenomen) ihn erwartete, der sich isoliert fühlte und nach seinem Gastgeber aus Cremona zurücksehnte, welcher doch ein so viel besserer Vater gewesen wäre als jene Gestalt vor seinen Augen, die er trotz jeglicher geistiger Distanz nicht scharf zu fokussieren imstande war.
    Und doch mimte er neuerlich den gehorsamen Sohn, dessen Pietas bar jeder Trübung jedweden inneren Widerstand überwand gleich dem jungen Publilius, welcher für seinen Vater die Schuldknechtschaft des lüsternen Lucius Papirius auf sich genommen hatte:
    "Ja, Vater."
    , ließ der daher vernehmen und wandte sich zum Gehen, durchschritt das Portal und trat auf die Sella Curulis zu, wo an diesem Tage ob des Regens nur wenige Petenten sich versammelt waren, welche in der Tat rasch beiseite wichen, als das flavische Gefolge, nahezu sämtlich gehüllt in die Tunica Laticlava, sich approximierte, sodass der Knabe recht bald direkt vor dem Tribunal stand, auf dem ein ältlicher Herr in der Toga Praetexta sich in die Sella Curulis lümmelte und sich erst ein wenig aufrichtete, als er des älteren Gracchus ansichtig wurde.


    Nun war es indessen gemäß der Mores Maiorum nicht an dem älteren, sondern an dem jüngeren Manius das Wort zu ergreifen um seine Adoleszenz öffentlich zu verkündigen:
    "Ich bin Manius Flavius Gracchus, Sohn des Manius Flavius Gracchus und bin zum Manne gereift. Deshalb beantrage ich die Einschreibung in die Tribus Velina, in der bereits mein Vater und Großvater abgestimmt haben."
    Jener nüchterne Akt verwaltungstechnischer Natur war es, der die Mannbarkeit nach Maßstäben der Res Publica bestimmte, obschon den Tribus selbstredend keinerlei reale politische Bedeutung mehr zukam, da sämtliche Ämter nicht mehr von Comitia, sondern exklusiv dem Senat gewählt wurden, deren Zugehörigkeit aber dennoch das distinktive Indiz römischen Vollbürgerrechtes darstellte, weshalb der gemeine Pöbel, insonderheit in den Provinzen des Reiches, diese gar auf seinen Grabsteinen zu verewigen pflegte.

  • Caius Sabidius Neratianus, ein alter politischer Freund des Kaisers, saß wie jeden Vormittag in der Basilica Ulpia und nahm Klagen entgegen und bestätigte Rechtsakte aller Art. In Kürze würde er außerdem wieder einmal selbst einer Verhandlung vorsitzen, doch vorher waren die Bittsteller abzuarbeiten, deren Anliegen nicht immer sehr spannend waren.


    Als dann aber eine ganze Schar senatorischer Besucher sich näherte, straffte der alte Praetor sich ein wenig, denn er erkannte mindestens einen der Besucher als Senator. Und noch ehe er fragen konnte, was diese ganze Schar an Purpurträgern von ihm wollte, meldete sich auch schon der dicke Junge zu Wort, den Flavius Gracchus da mitgebracht hatte.


    Es war fast ein bisschen amüsant, ihn mit seiner kindlichen Stimme seinen Erwachsenenstatus postulieren zu hören - es klang nicht unbedingt, als wäre er wirklich bereits vollständig gereift (zumindest nicht körperlich). Aber letztlich war das hier wohl die Sache des Vaters und da dieser offensichtlich anwesend war, folgte Neratianus dem Protokoll: "Du behauptest deine Mannbarkeit, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Manius. Kannst du Zeugen nennen, die deine Mannbarkeit bestätigen?" Früher hatte es für dieses Ritual sogar eine richtige Untersuchung gegeben, die die körperliche Reife des Besuchers überprüft hatte. Darauf verzichtete man heutzutage aber und verließ sich auf die Familie.

  • "Ja, ich benenne meinen ehrenwerten Vater, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Flavius Vespasianus und Lucius Flavius Furianus, Sohn des Secundus Flavius Felix."
    , replizierte der junge Flavius mit timider Stimme in der traditionellen Formel zur Spezifikation zweier Zeugen in mannbarem Alter, die dem Usus gemäß aus den Agnaten erwählt wurden. In jenem Falle waren wie gebräuchlich honorable Persönlichkeiten requiriert worden, selbst wenn in der subjektiven Perspektive des Knaben sein Vater der Ehren kaum mehr wert war, welche ihm von allen Seiten noch immer trotz sämtlicher Unzulänglichkeiten und der schändlichen Feigheit in den Jahren des Krieges zugebilligt wurden.

  • Zu ähnlichen Gelegenheiten wie dieser, als Gracchus einige Jahre zuvor selbst als Praetor auf der anderen Seite des Schreibtisches hatte gesessen, waren ihm solche Augenblicke stets nur recht formal erschienen. Salve, ein Kind, eine Behauptung, eine Forderung nach Bestätigung, Zeugen, Bestätigung, ein Mann, Vale, nächstes Anliegen. Auf dieser Seite des Schreibtisches jedoch war das Anliegen weit mehr, ein bedeutsamer Akt innerhalb der Familie, die erste rechtliche Handlung seines Sohnes, die Aufgabe eines gewissen Teils seines eigenen Rechtes, seiner eigenen Verantwortung zudem. Als die Bestätigung eingefordert wurde und Gracchus Minor seine Zeugen benannte, trat er als ebensolcher vor den Praetor hin.
    "Ich, Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Flavius Vespasianus, be..stätige hiermit die Mannbarkeit meines Sohnes, Manius Flavius Gracchus."
    Es war so einfach. Einige Worte nur, eine Bestätigung, eine Behauptung, gänzlich ungeachtet all seiner Unsicherheit, seines Zauderns und seiner Zweifel. Doch nichts geschah, weder Iuppiter, noch Apollo oder Veritas ließen ihre Blitze in ihn einfahren, straften die Lüge aus seinem Munde, so dass die Behauptung allfällig doch der Wahrheit mochte entsprechen.

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  • Eigentlich erschien ihm der Knabe auch noch jetzt als zu klein, gebrechlich, juvenil, einfach unreif für diesen Schritt. Aber es lag nicht am ihm, sondern bei seinem Vetter die Mannwerdung des eigenen Sohnes so zu forcieren.
    So stand der Consular, gestützt auf einen Gehstock vor dem Praetor, richtete sich stolz auf und bezeugte es.


    "Ich, Lucius Flavius Furianus, Sohn des Secundus Flavius Felix, bestätige hiermit ebenfalls die Mannbarkeit des Manius Flavius Gracchus."


    Nun sollte es amtlich sein.

  • Damit war es auch amtlich. Der Praetor nickte. Ein Scriba reichte ihm das entsprechende Formular, das nun zu verlesen war: "Nach Anhörung der Zeugen Manius Flavius Gracchus, Sohn des Ttus, und Lucius Flavius Furianus, Sohn des Secundus, bestätige ich hiermit vor genannten Zeugen und allen Anwesenden die Mannbarkeit des Manius Flavius Gracchus, Sohn des Manius. Ich erkläre ihn zum Adolescens und zum vollwertigen Civis Romanus mit allen Rechten und Pflichten und befehle, dass er in die Bürgerlisten im Tribus Velina eingetragen werden soll." Damit setzte er sein Siegel unter das knappe Schreiben und gab es dem Scriba zurück, der es wiederum an den kleinen Flavier weiterreichte. Mit dem Schreiben konnte er nun zum Tabularium, um die Eintragung tatsächlich zu vollziehen.

  • Die Testimonien seiner Anverwandten erfolgten unverzüglich und klar, obschon selbstredend keiner von beiden seinen Leib inspiziert hatte, um den Vollzug seiner Pubertas zu ergründen, was indessen ohnehin zu einem negativen Resultat geführt hätte, da bei dem jungen Flavius noch nicht einmal eine signifikante Schambehaarung, gänzlich zu schweigen von Bartwuchs oder einer Eintiefung der Stimme zu beobachten war. In jenen Zeiten freilich, in welchen der Praetor keine Inspectio Corporis mehr durchzuführen pflegte und in welcher die Proculianer ohnehin mit dem vierzehnten Lebensjahr pauschal von einer korporalen Reife auszugehen pflegten, war dieser Umstand gänzlich irrelevant.


    Der Knabe befasste sich indessen mit derartigen Überlegungen ohnehin kaum, denn die Signifikanz jenes gravierenden Augenblickes in seinem Leben rührte ihn doch an, unwissend, ob er aus Furcht sich verkriechen oder nicht doch gewissen Stolz verspüren sollte, denn trotz gräulicher Träume und übelster Intuition war dies doch jener Moment, dem ein Kind beständig entgegenfieberte, war die Ledigkeit sämtlicher parentaler Dependenz nicht ein bloßer Verlust der Geborgenheit, sondern eben auch ein Versprechen von Libertät. Wie um sich seiner selbst zu versichern wandte er daher das Haupt nach rechts, wo er den wohlvertrauten Schemen seines Vaters ausmachte, dann nach links, wo ihm der ebenso bekannte Scheme seines Onkels Furianus entgegentrat, den er, obschon er seiner weitaus seltener, ja oftmals tagelang niemals ansichtig wurde, auch ohne die Stimme anhand ihres spezifisch gebückten Ganges eindeutig identifiziert hätte. Beide standen an seiner Seite und mit ihnen die gesamte Familia Flavia, blickten ihn, selbst wenn er dies nur sehr bedingt zu erkennen imstande war, zweifelsohne mit Stolz und Freude an, was dessenungeachtet bei seinem Vater wohl darauf zurückzuführen war, dass er mit jenem Akt der Last einer Verantwortung ledig geworden sein mochte.


    Noch immer gänzlich konfundiert von jenen disparaten Regungen stammelte er endlich ein
    "ich d...danke Dir, P...Praetor."
    , nahm die Tabula an sich und wandte sich, gleich einem Opferritual, nach rechts, sodass er endlich imstande war, seine ganze Familia ins Auge zu fassen: an vorderster Front stand, gezähmt von seinem Paedagogus, sein Bruder Titus, dazu erfasste er trotz der Unschärfe seines Gesichtsfeldes die strahlend rote Frisur seiner Tante Domitilla, den feingliedrigen, ja geradezu zerbrechlich wirkenden Leib seines "Neffen" Fusus, ebenso dessen Bruder Scato, sämtlich gehüllt in die Staatskleider, welche ihren Stand symbolisierten. Schmerzlich wurde ihm gewahr, dass seine geliebte Mutter wie auch seine Schwester selbst jenen überaus bedeutsamen Anlass nicht genutzt hatten, um eine Visite in Rom durchzuführen. Und dennoch konnte er sich nicht einer gewissen Kalmierung seiner Furcht erwehren, denn obschon sein Vater ein Feigling sein mochte, obschon er sich noch immer mehr als ein Knabe denn als Erwachsener fühlte, so gab es doch zahlreiche weitere Personen, welche ihm mit Rat und Tat zur Seite standen, welche sich mit ihm freuten (obschon seine Freude enge Grenzen hatte), ihn stützten und fest an seiner Seite standen. Bedachte er es recht, so hatte es ihm letztlich doch bisher niemals an wohlwollenden Kustoden gefehlt, hatten der kränkliche Onkel Flaccus, Legatus Aurelius und zuletzt sein geschätzter Gastgeber zu Cremona stets über ihn gewacht und Rat geleistet, hatte letzterer ihm gar einen Freund und eine Stütze geschenkt, welche zweifelsohne geeignet war, ihm auch in der Zukunft zu Diensten zu sein.


    So schien doch langsam die Anspannung von ihm abzufallen, als er mit langsamen, gravitätischen Schritten, wie sie ohnehin in der Toga Pura nur möglich waren, auf die Schar der Gäste zuhielt, um Gratulationen zu akzeptieren und sich dann endlich aufs Neue dem Regen auszusetzen, um die letzte Etappe des heutigen Weges, das Capitolium, anzusteuern. Eventuell war die Adoleszenz lediglich jene Phase, in welcher man nicht mehr an parentale Protektion gebunden war, sondern schlichtweg die Freiheit besaß, sich seine Protektoren eigenständig zu wählen.

  • Bislang war Fusus auf einen Platz etwas abseits des Zentrums der Aufmerksamkeit verbannt und darüber aufgrund seines beregenten Zustandes ausnahmsweise kein bißchen unglücklich gewesen. Bis kurz vor dem Austausch mit dem amtierenden Praetor Urbanus hat seine Sklavin noch eifrig bemüht die Falten seiner Toga zurechtgelegt und die gröbsten Wasserschäden am Haupte des Flaviers behoben. Leidlich restauriert hat er gebannt den Verlauf des - im nüchternen Sinne betrachtet - Verwaltungsaktes verfolgt und sich die Bedeutsamkeit des Moments für Gracchus Minor vergegenwärtigt.


    Als jener sich wieder seinen Gästen zuwendet, zaubert dessen Vollendung schließlich ein Lächeln auf Fusus' Lippen und wie auch einige andere erkennt er den Moment als gegeben und günstig, nun selbst wieder in Erscheinung zu treten. Sein noch feuchtes Haar und die durch den erfrischenden Regenguss und mangelndes Puder geröteten Wangen schlichtweg hinweglächelnd tritt er auf den frischgebackenen Mann zu und streckt ihm zur Gratulation seine Rechte entgegen. "Meine herzlichsten Glückwunsche, lieber Manius. Ich wünsche dir alles Gute auf deinem weiteren Lebensweg und verspreche, dir stets als treuer Freund zur Seite zu stehen." So lange man ihn nicht eines anderen belehren würde, wird er wohl fortfahren seinen Onkel mit dessen Praenomen anzusprechen. Ein 'Schicksal', welchem die allermeisten seiner Anverwandten zum 'Opfer' fallen.


    Den stolzen Vater mit einbeziehend, fügt er an Gracchus Maior gewandt hinzu: "Auch dir herzlichen Glückwunsch, lieber Gracchus. Auf dass du auch an jedem künftigen Tage so stolz auf deinen vorzüglichen Sohn sein kannst, wie du es heute bist." Für Fusus besteht an der Korrektheit und Erfüllung dieses Wunsches in diesem Moment nicht der geringste Zweifel.

  • Balsam auf der Seele des Knaben waren die ersten Gratulationen, welche just jener Verwandte ihm angedeien ließ, gegen welchen er momentan die größte Sympathie verspürte, zumal sie mit Freundschaftsschwüren verbunden war, derer er in seiner aktuellen Situation aufs Dringendste bedurfte.
    "Ich danke dir, Iullus."
    , erwiderte er sogleich und schenkte seinerseits dem Gegenüber ein timides Lächeln.
    "Dann können wir nun wohl gemeinsam in der Toga Pura auftreten."

  • Mit einem strahlenden Lächeln nickt Fusus zu den Worten seines Onkels. "Wahrlich. Und so Fortuna uns hold ist, eines Tages gar in der Toga Candida?" Kurz ist ein helles, melodisches Lachen von ihm zu vernehmen, sieht er diesen Tag für sich selbst doch noch ach so fern. Ferner empfunden als für den jüngeren und doch ungleich zielstrebigeren Gracchus (Minor). "Weiß man es, mein lieber Manius? Vielleicht dienen wir dereinst dem Imperium Seite an Seite... Unter den Tresviri capitales... Oder als Quaestor Principis und Consulum... oder Urbanus... Und werden vielleicht eines Tages gemeinsam auch in der Toga Praetexta wieder über das Forum Romanum zur Curia Iulia schlendern." Er ergeht sich sekundenlang in dieser emotionalen Attraktivität dieser Vision, ohne sein Gemüt just von deren Gravität beschweren zu lassen.

  • Die Vorstellung, gemeinsam mit seinem "Neffen", welcher ihn um mehr als einen Kopf überragte, ein Staatsamt zu bekleiden, amüsierte den Knaben im Gegensatz zum letzten Anlass, als diese Imagination geäußert worde war und er kaum Notiz davon genommen hatte, nicht wenig, sodass sein Lächeln ein wenig ausgeprägtere Fprmen annahm.
    "Warum nicht, mein lieber Iullus? Ich würde dann den Quaestor Principis bevorzugen, denke ich."
    , partizipierte er an jenen Hirngespinsten und ließ vor seinem mentalen Auge, welches an keinerlei Hypermetropie laborierte, sie beide auf der Rostra mit sämtlichen Insignien des Consulats stehen, umgeben von Liktoren (wobei kurioserweise Patrokolos auf der einen und Vulpes auf der anderen Seite als Lictor Proximus fungierten), was in der Tat ihn gar zu einem knappen, glockenhellen Auflachen reizte.

  • Fusus zeigt ihm die Zähne in einem breiten Grinsen und stimmt in das kurze Lachen mit ein. Er bemerkt es sicherlich, dass der junge Mann sich so ungewohnt gelöst und froh verhält, und mutmaßt die Ursache in der Erleichterung den förmlichsten Teil seiner 'Mannwerdung' erfolgreich hinter sich gebracht zu haben. Doch um ehrlich zu sein, denkt Fusus in diesem Moment gar nicht so intensiv über diese Kausalitäten nach, sondern erfreut sich einfach an der guten Laune seines Freundes.


    "Das hätte ich mir wohl denken können, dass du dir sogleich den 'Principis' sichern willst. Aber darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, mein Freund. Der Glorie des 'Principis' wäre auch ich nicht abgeneigt!" bietet er freundschaftlich scherzend die Stirn. Dann zwinkert er Gracchus (Minor) verschwörerisch (im übertragenen Sinne!) zu und meint: "Spätestens über das Konsulat sollten wir uns dann aber doch einigen können."

  • Zweifelsohne würden die beiden, sofern sie überhaupt jemals gemeinsam ein Amt im Cursus Honorum bekleideten, kaum dieselbe Stufe innehaben, womit die Verteilung der diversen Quaesturen wohl kaum zu Differenzen würde führen können, denn immerhin übertraf Fusus Manius Minor an einigen Lebensjahren, womit er, sofern er wie für Patrizier gebräuchlich suo anno seine ersten Würden erlangte, auch früher das Vigintivirat und die Quaestur erreichen würde. Dennoch verblieb der Knabe im Modus der Ironie und vermeldete übermütig:
    "Zwei Flavii zugleich, das wäre doch etwas!"

  • Um die erste Stufe, das Vigintivirat, noch suo anno absolvieren zu können, würde sich der 19jährige Fusus hinsichtlich der notwendigen Vorbereitung etwas sputen müssen. Allein hegt er in diesen Tagen nur selten annähernd konkrete Gedanken zu solcher Kandidatur - ein Umstand, den er bemüht ist seinen erwartungsvollen Verwandten nicht auf die Nase zu binden. Erst kürzlich ließ sich dies gegenüber dem älteren Gracchus indes nicht vermeiden, sodass er aus diesem Gespräch doch mit ersten Anstößen hinsichtlich der Erwägung eines zielstrebigeren Lebenswandels herausging. Diese sind es jedoch nicht, welche ihn gerade zu derart hochgegriffenen Spekulationen treiben, sondern vielmehr ein kleiner Anflug von Übermut.


    "Das wäre wahrlich etwas. Man würde unsere Amtszeit vermutlich bald als die zweite große Flavische Ära bezeichnen." Amüsiert zucken Fusus' Mundwinkel nach oben. "Wir müssen nur Acht geben, dass wir den Augustus nicht in den Schatten stellen. Denn nichts läge uns ferner, nicht wahr?" Nicht, dass einer der Umstehenden auf die Idee kommen sollte die im Scherze gesprochenen Worte fälschlicherweise negativ auszulegen und zu interpretieren.

  • "Oh, warum nicht gleich als Augusti? Oder als Caesar und Augustus? Nur wer wäre dann der Caesar? Sollte der Onkel den Neffen oder der Ältere den Jüngeren adoptieren?"
    , brachte der Knabe im seinerseitigen Übermute vor, uneingedenk der hochverräterischen Qualität seiner Äußerungen, obschon dem strahlenden Antlitz des jungen Flavius zu entnehmen war, dass jene hochfliegenden Spekulationen selbstredend keinerlei reale Substanz besaßen (obschon Flavius Serenus in ähnlichem Alter durchaus noch diesbezügliche Pläne gehegt hatte).
    Indessen war Patrokolos, der direkt nach dem Ritual neuerlich seinen Platz an der Seite des Knaben eingenommen hatte, durchaus alarmiert und blickte hinüber zum Praetor, welcher bereits den nächsten Fall bearbeitete und demzufolge wohl keine Notiz von den kriminellen Thesen des nunmehrigen Erwachsenen und damit durchaus schuldfähigen Knaben genommen hatte.

  • Fusus lacht kurz auf und öffnet schon seinen Mund, um angesichts dieser Idee auf etwaige Perspektiven zu verweisen, welche sich aus der dem frischgebackenen Mann bereits angekündigten Heiratskandidatin in reiner Theorie womöglich ergeben könnten. Ehe diese Referenz ihm jedoch über die Lippen kommt, besinnt er sich der distanzierten Einstellung Gracchus Minors zu dieser Verbindung, welche sich ihm zu einer früheren Gelegenheit offenbart hatte. Daher klappt er seinen Mund lediglich wieder zu und lächelt verschmitzt, lenkt nach einer kurzen Pause stattdessen ein: "Nicht doch... Wir sind schließlich sehr zufrieden mit unserem Augustus, nicht wahr? Als bescheidene Caesaren unter seiner weisen Führung sollten wir uns zufrieden geben."


    Er zwinkert dem jüngeren Gracchus zu und klopft ihm dann freundschaftlich auf die Schulter. "Nun aber genug der hehren Pläne, mein Lieber. Das Programm für deinen heutigen Ehrentag ist schließlich noch nicht abgeschlossen... Was wäre im Übrigen eigentlich der geeignete Moment, um dir ein kleines Präsent zu diesem Anlass zu überreichen?" erkundigt er sich ganz direkt und frei heraus. Bislang hat er jenes nämlich in der Obhut seiner zuverlässigen Sklavin belassen, um den richtigen Zeitpunkt abzupassen.

  • Die Option, sich mit dem Caesarenposten zu akkomodieren und somit bis auf weiteres als Adept zu verweilen, war selbstredend in der grotesken Imaginationswelt des Knaben ebenso delektabel, vielmehr erweckte es in ihm Remineszenzen seine Dissatisfaktion mit der aktuellen parentalen Situiertheit, welche durch eine kaiserliche Adoption eventuell zu optimieren wäre, obschon jene Eingebung selbstredend in weitester Ferne ihrer Realisation lag.


    Indessen mahnte Fusus mit Verweis auf das dichte Programm des Tages zur Suspension der Scherzereien, nicht ohne allerdings auf seine Absichten präsentischer Natur zu verweisen, welches wiederum durchaus eine Unrast bei dem jungen Flavius erweckte, sodass er einen Augenblick zögerte, spintisierend, ob es sich eignete, eben jetzt bereits dieses oder jenes Geschenk zu rezipieren, was letztlich aber zu negieren war:
    "Am besten später in der Villa. Wir wollen den Sänftenträgern doch wohl nicht noch mehr Gewicht zumuten, als sie ohnehin zu tragen haben."
    , replizierte er somit, als bereits ein weiterer Gratulant sich ihm zuwandte, welchem er artig und mit weitaus weniger Witz begegnete, ebenso dem nächsten, übernächsten et cetera. Irgendwann war er letztlich aber doch imstande, hinter seinem Vater in die Sänfte zu steigen und zum vorletzten Ziel der Exkursion zu reisen.

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