Das Arbeitszimmer des Bibliothekars

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    Die Räumlichkeiten des Bibliothekars und obersten Gelehrten der Bibliothek von Alexandria liegen wie das Herz der Bibliothek in dem mittigen und eindrucksvollen Bau hellenischer Art. Große Fenster eröffnen den Blick auf die Stoa und die hohen schlanken Zedernbäume, die dort wachsen. Vögel zwitschern in ihren Ästen, Brunnen vermögen mit ihrem Plätschern vom Park her den Raum einen Hauch von Idylle zu verleihen. Ebenso das helle Licht, was auf den großen Schreibtisch des Epistates tou Mouseiou fällt, der mit zahlreichen Armaria, Schreibbüchern, bedeckt ist.


    An den Wänden, bemalt mit den Darstellungen der neun Musen, sind mehr als ein Dutzend aus bemalten Marmor gefertigten Büsten aufgestellt, die die Vorgänger und früheren Bibliothekare darstellen. Selbst nach Jahrhunderten vermag der erste Bibliothekar so noch ein Auge auf seinen Nachfolger zu werfen.


    An einer Wand hängt eine mit Hand bemalte und mannshohe Weltkarte des Erastosthenes. Durch eine Tür zwischen dem steinernen Gesicht von Didymus Chalcenterus und Zenodotus von Ephesus tritt man auf eine geräumige Terrasse, die den Blick über die Gärten und die anderen Gebäudekomplexe der Museion offenbart, ebenso eine Aussicht auf das blaue Meer und den Pharos.

  • Mild und weich zeichnete das Sonnenlicht die Möbelkonturen in der Stege des Epistratos, ließ den weißen Marmor an der Wand hinter dem Schreibtisch des Bibliothekars erstrahlen, glänzte auf dem rotbraunen Marmor, der aus den Steinbrüchen von Ägypten stammte und schon vor langer Zeit in einem komplexen Muster in den Boden eingearbeitet worden war. Das Arbeitszimmer wirkte penibel ordentlich, nur die Staubkörnchen, die in der Luft tanzten und sich vor dem Schein der Sonne abzeichneten waren der einzige Beweis, dass es einen Hauch von Unordnung in dem Raum gab. Die Armaria waren sorgfältig geordnet, schienen gar unberührt zu sein und hinter dem Schreibtisch saß der Bibliothekar, dessen wohl gepflegten Hände auf dem großen und dunklen Tisch, aus Zedernholz gefertigt und mit Rosenholzintarsien verziert, verschränkt lagen. Aufmerksam, ja schon mit einem wohlwollend- freundlichen Blick sah Tychios von Chalkis, der wahrlich kein unbekannter Mann in der Stadt war, dem Besucher entgegen. Mit einer Hand deutete er auf einen Stuhl gegenüber des Tisches und sprach: „Chaire! Was kann ich für Dich tun?“


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  • Nikolaos trat ein und blickte sich im Raum um. Die feine Eleganz beeindruckte ihn viel stärker als das Monumentale der Aula Regia, in der er an diesem Tag bereits gewesen war. Aber nicht nur seinen Räumlichkeiten, sondern auch sich selbst ließ der Epistratos anscheinend viel Pflege zukommen. "Chaire, Epistratos. Ich danke dir, dass du mich so rasch empfangen hast.", sagte Nikolaos und sah den Epistratos aufmerksam an. Dann nahm er auf dem angeboteten Stuhl Platz. "Mein Name ist Nikolaos Archaos. Auf Empfehlung von Theodoros Alexandreus, der, wie er sagte, einst hier arbeitete, und nun Bibliothekar der Schola Atheniensis in Rom ist, bin ich hier, um um Aufnahme als Schüler zu bitten. Was du für mich tun kannst, ist, mir zu sagen, ob und unter welchen Bedingungen ich Schüler des Museions werden kann.", antwortete Nikolaos freundlich. Ein Lächeln entfuhr ihm. Das Verhalten des Epistratos war das genaue Gegenteil des des zornigen Mannes, der zuvor beim Epistratos gewesen war. Er sah kurz an seinem Gegenüber vorbei, um einen Blick auf das Meer zu erhaschen, dann blickte er Tychios wieder aufmerksam in die Augen.

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Das sanfte Murmeln der Brunnen im Garten des Museions mischte sich mit den Unterhaltungen einer Gruppe von Schülern, die über die weißen Wege unter dem Fenster des Bibliothekars vorbei liefen und lebhaft und lachend sich unterhielten, wie man es eigentlich an diesem Ort, dem heiligen Museion, dem Hort des Wissens, nicht vermuten würde. Doch der Bibliothekar, Tychios, ließ sich von dem Geschnatter draußen nicht ablenken, sondern schenkte seine ganze Aufmerksamkeit dem Besucher. „Aber nicht doch, für die Jugend nehme ich mir doch immer gerne die Zeit. Schließlich ist sie die Zukunft unserer Stadt.“ Ein glattes Lächeln huschte über seine Züge, womöglich war es ein wenig zu glatt. Vielleicht sogar ein wenig 'ölig'. Doch er sprach gleich darauf weiter. „Auf der Empfehlung von Theodoros Alexandreus, Bibliothekar von Rom, hin? Wie erfreulich, dass man in Rom das Museion nicht zu vergessen scheint.“ Seine Fingerspitzen richteten sich auf und berührten sich gegenseitig, wobei Tychios die Finger ein wenig spreizte und dabei unverwandt und mit einem scheinbar mildtätigen Ausdruck auf dem Gesicht, die Augen blieben davon unberührt, den jungen Mann ansah. „Und noch viel mehr erfreut es mich, doch so einen wachen Geist, ich sehe es Dir schon an, womöglich in den Reihen des Museions begrüßen zu dürfen. Doch vorweg: Bist Du mit einem reinen Leumund hier, hast Du das Bürgerrecht einer hellenischen Stadt oder die von Rom?“



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  • Auch Nikolaos konzentrierte sich, aller Ablenkung von außen zum Trotz, ganz auf sein Gegenüber. Das Plätschern der Brunnen hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn. Fast alles an Anspannung wich aus ihm und machte wacher Entspannung Platz. Jedoch blieb er wachsam. Er wusste nicht, ob er dem Epistratos trauen wollte, wobei er sich keineswegs zu offensichtlichen Misstrauen hinreißen ließ. "Ich bin seit einiger Zeit Bürger der Stadt Alexandria. Ich war noch nie in ein Gerichtsverfahren verwickelt und bin daher noch nie verurteilt worden, auch wurde in meinem bisherigem Leben nie eine Klage gegen mich geführt." Das stimmte zwar, jedoch war Nikolaos einer Anklage in Athen nur deshalb entgangen, da er zum möglichen Kläger eine verwandtschaftliche Bindung besaß und dieser davon absah, Nikolaos der Rechtsprechung in die Arme zu treiben und ihn stattdessen in die Fremde, aus Athen fort trieb. Doch das musste Tychios nicht wissen. Nikolaos lächelte. Er überlegte, ob er erwähnen sollte, dass er neuerdings das Amt des Strategos Alexandres inne hatte. Eigentlich wollte er davon absehen, doch Nichterwähnung (bei gleichzeitigen Wissens des Epistratos über diesen Umstand) hätte nach falscher Bescheidenheit oder gar Falschheit ausgesehen, als habe er etwas in Bezug auf seine Ernennung (und möglicherweise in Bezug auf den Leumund) zu verbergen. "Durch die Uneinigkeit der Krateiden und der Nearchäer bin ich im übrigen nicht nur Bürger der Stadt Alexandria, sondern habe auch das Amt des Strategos Alexandres inne. Jedoch weiß ich, dass diese Tatsache für das Museion und für dich nicht von Bedeutung ist. Falls du Zweifel haben solltest, ob ich neben der Zeit, die ich für dieses Amt benötige, noch Zeit für Gelehrigkeit finden werde, kann ich dir sagen, dass ich mit dem alleinigen Ziel nach Alexandria gekommen bin, Schüler des Museions zu werden. In mein Amt im Pyrtaneion bin ich gewissermaßen hineingerutscht. Deshalb bitte ich dich, diese Tatsache nicht weiter zu beachten. Wenn du mich als Schüler aufnimmst, möchte ich als Schüler angesehen werden und nicht als Strategos Alexandres. Es gibt aus meiner Sicht einerseits die Polis und andererseits das Museion." Bei diesen etwas längeren Ausführungen fand Nikolaos wieder einmal Gelegenheit, seine klare, elegante und etwas attisch gefärbte Koiné unter Beweis zu stellen. "Ich wollte dir von meinem Amt auch nur deshalb erzählen, um nicht den Anschein zu erwecken, ich hätte dir etwas verheimlicht." Nikolaos lächelte vertrauensvoll. Er machte eine kurze Pause und wechselte dann das Thema. "Selbstverständlich wird das Museion in Rom nicht vergessen. Theodoros sprach voller Begeisterung von diesem Hort des Wissens. Er war es erst, der in mir den Wunsch erweckte, hierher zu gelangen. Außerdem glaube ich, dass er gerne nach Alexandria zurückkehren würde, doch seine Aufgaben, die er in Rom übernommen hat, lassen ihm im Moment nicht viel Zeit." Der Tonfall seiner Stimme war freundlich, als er von der Begeisterung Theodoroi

    Sim-Off:

    ich hoffe ich habe Theodoros gut in eine Art Genitiv umgesetzt ;)

    sprach, war beinahe auch etwas begeistertes in seiner Stimme. Er blickte Tychios an und wartete ab, was nun folgen würde.

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Der Stoff seiner Gelehrtenkleidung raschelte leise als sich der Epistratos erhob und mit hinter den Rücken verschränkten Armen auf das Fenster zu bewegte. Seine Finger glitten über den weißen Marmor des Fensterbretts, doch er löste den Blick von dem jungen Griechen in seinem Arbeitsraum nicht. Wie ein ätherischer Strahlenkranz umgab ihn die goldene Sonne, tauchte ihn in ein Licht, was die Christen sicherlich gerne einem Heiligen zugesprochen hätten. Doch die Augen des Bibliothekars lagen in dunklen Schatten getaucht und sie durchdrangen Nikolaos, standen dabei im krassen Widerspruch zu dem betont milden Lächeln auf seinen Lippen. „Solch einem unschuldigen und ehrlichem Gesicht, das frei von der Hässlichkeit der Untugend und voll der Reinheit ist, kann man doch nichts anderes glauben als einen redlichen Hintergrund des Lebens. Die innere Schönheit der Seele manifestiert sich doch oftmals auf den Zügen eines jungen Menschen.“ Tychios rechter Mundwinkel hob sich einen Augenblick lang.


    Weiterhin mit seiner vollen Aufmerksamkeit lauschte der Bibliothekar Nikolaos, löste sich dabei jedoch von dem Fenster und kam langsam um den Schreibtisch herum. An der Seite von dem jungen Mann blieb er stehen und lehnte sich leicht gegen die Kante des massiven Schreibtisches. „So, die Krateiden und Nearchäer? Wohl wahr, die Politik ist doch durchaus etwas hässliches in diesen Formen der Ausprägung. Apoll sei Dank müssen wir uns Gelehrte nicht um solche mondänen Angelegenheiten kümmern.“ Tychios lächelte, es erreichte abermals seine Augen nicht. Denn gleichwohl er derartige Worte sprach, es war offensichtlich, dass sie nicht stimmen konnten. Kein Gelehrter im Museion kam um die Angelegenheiten der Stadt herum und ganz besonders nicht der Epistates. Tychios hob die Hand und legte sie in einer scheinbar vertrauten Geste auf die Schulter von Nikolaos. „Nun, junger Mann, es ist mir immer eine Freude, eine ganz besondere Freude, einen solchen talentierten jungen Mann, der derart Engagement beweist und sich dem Wissen und der Weisheit ergeben möchte, in den Reihen des Museions aufzunehmen.“ Seine Lippen wölbten sich zu einem überheblichen Lächeln. „Und dass sie in Rom in ihrer kleinen Schola von der Perle des Wissens und der größten Bibliothek schwärmen, verwundert mich nicht.“ Seine Hand blieb weiter auf Nikolaos Schulter ruhen, ebenso ein langer Blick, mit dem er Nikolaos maß. „Aber sprich, junger Nikolaos, welche Wissensgebiete möchtest Du am Museion erforschen?“



  • Nikolaos lächelte zutraulich, auch wenn er dem Epistratos nicht ganz traute. Sehr wohl hatte er die Arroganz Tychios bemerkt, als dieser auf den Bericht des Nikolaos einging, Theodoros habe vom Museion geschwärmt. Doch er ließ sich nichts anmerken. "Gewiss ist die kleine Schola in Rom nur ein jämmerlicher Ort gegenüber dem großartigen und berühmten Museion." Er lächelte wohlwollend. Auf die Berührung an der Schulter reagierte er, indem er vorgab, Gefallen daran zu finden, auch wenn er innerlich zusammenzuckte. Doch Nikolaos spielte mit und er spielte seine Rolle gut. "Es gibt sehr vieles, was ich gerne erforschen und ergründen würde, mit Hilfe und unter Führung weiser Lehrer. Doch leider scheint die Welt, das, was es zu erforsche gilt, unendlich weit und tief und ich bin schnell vergänglich.", sagte er ruhig und in bedächtigem Tempo. "Meine Zeit, die ich als Mensch in dieser Welt verbringen werde, ist begrenzt. Ich möchte die Sqären des Kosmos erforschen, sowie deren Niederschlag auf die Welt der Musik. Auch drängt mich mein Wissensdurst danach, die Sprache zu erforschen und daneben neue Sprachen zu erlernen. Ich will die Koiné tief durchdringen und das Attische sowie die Sprache Homers, außerdem habe ich das Verlangen, die Sprache der Hebräer zu erlernen. Ich möchte zum Kern aller Sprache vordringen, zum Kern all dessen, was wir sagen. Doch auch die Stilmittel der Rhetorik sollten mir nicht vorenthalten werden. Wobei ich hierbei nicht von den einfachen Kunststücken spreche, die die Rhomäer als Knaben auswendig lernen, um auf ihrer Agorá billigen Zuspruch bei ihrem Publikum zu erhaschen. Ich möchte in Tiefen vordringen, nicht nur die Breite überfliegen." Er legte eine kurze Pause ein, wie, um die Aufzählung nicht zu lang werden zu lassen. "Der Mensch würde sich in der Welt nicht zurechtfinden, wenn er nicht versucht hätte, sie zu vermessen. Auch dies zu erlernen, ist mein Wunsch. Und mit den Mitteln, die mir die Wissenschaften der Sprache bieten, will ich, angeleitet durch kluge Männer, die Geschichte der Völker erforschen." Wieder legte er eine Pause ein. "Ich weiß, das dies viel ist, was ich begehre. Jedoch habe ich Geduld. Und ich werde die Zeit bis zu meinem Lebensende nutzen, um immer tiefer in die Geheimnisse der Welt vorzudringen. Nun aber, da ich noch jung und unerfahren bin, erhoffe ich mir, gute Meister zu finden, die mich auf einen Weg bringen, der mich weiterführt." Er sah den Epistratos ernst an. Sein Gesichtsausdruck mochte sein hübsches Gesicht noch betonen.

  • Nun hatte ich so viel von dieser edlen Stätte der Weisheit gehört, jetzt wollte ich sie auch besichtigen. Mehr noch, ich wollte mit dem obersten Bibliothekar reden. So kam ich des Nachmittags über das Gelände zu seinem Büro und klopfte an.

  • Ein dicker schwarz glänzender Käfer summte durch das Fenster und ließ sich auf dem Schreibpult eines Demosios nieder, der gerade nicht an seinem Platz stand und somit Theodorus wohl nicht daran gehindert hatte, schnurstracks auf die Tür des Bibliothekars zu zu streben. Einige Besucher, die schon seit dem Vormittag auf einige kostbare Minuten des Bibliothekars warteten, sahen auf und spähten zu dem älteren Griechen an der Tür hinüber. Der Käfer streckte seine Beine, spreizte seine grünschwarz-glänzenden Flügel und erhob sich mit einem lauten Brummen wieder, gerade als ein ungnädiges: „Herein!“ ertönte.




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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Äußerst zufrieden kräuselten sich die Lippen von Tychios auf die Erwiderung des Jünglings hin. Wohlwollend und deutlich von dem jungen Mann vor sich angetan lauschte der Bibliothekar den Worten von Nikolaos, neigte mal anerkennend den Kopf und behielt die ganze Zeit seine Hand auf der Schulter von Nikolaos. Erst als Nikolaos seinen letzten Satz, sein finales Wort seiner Wünsche gesprochen hatte, entfleuchte dem alten Bibliothekar, dessen graue Augen Nikolaos sehr aufmerksam ansahen, ein entzücktes Seufzen. „Wohl denn, ich sehe ein strahlendes Licht am Museion erglühen. Mit dem richtigen pneuma werden wir sicherlich ein Feuer des Wissens entzünden können.“ Endlich löste sich die Hand von Nikolaos Schulter, aber auch nur, weil der Bibliothekar sich wieder ganz aufrichtete und langsam zu einem kleineren Nebentisch ging, wo ein Gegenstand lag, der hoch von Gestalt war und mit einem weißen Tuch bedeckt war. „Fürwahr, junger Nikolaos, es ist viel, was Du zu lernen wünschst, aber nicht minder erwarte ich von einem aufgeweckten Geist wie Du ihn besitzt. Deine Talente nicht zu pflegen wäre ein fruchtbares Land brach liegen zu lassen. Oh nein, strebe immer nach Größerem und Höherem und lasse Dir nicht einreden, weniger erreichen zu wollen.“


    Seine rechte Hand zog das weiße Linnen von dem Gegenstand hinab und sorgfältig, fast pedantisch faltete er das beige Tuch in seinen Händen. „Die Tugenden der Philosophie strebst Du also an? Der Erkenntnis vom Mikro- und Makrokosmos, die Harmonie der Musik und die Kunst der Sprache, die der Wahrheit und der Philosophie verpflichtet ist, desgleichen ethos, pathe und logos vereint, zudem suchst Du nach dem Wissen um die Vergangenheit, um das Gegenwärtige zu erkennen. Sehr klug. Doch Du machst mich neugierig, warum die Sprache der Hebräer? Das Aram?“


    Tychios trat etwas zur Seite und offenbarte die Gerätschaft, die auf dem Tisch mit der strahlend hellen Marmorplatte stand. Es war eine Vorrichtung aus zahlreichen bläulichen Glasbehältnissen, in dessen gläserne Strukturen sich beim Herrstellen des Glases sich große Luftblasen eingefangen haben, verbunden wurden sie mit Messingteile und Kupferstücken zwischen denen fein geschnitzte Holzröhrchen angebracht waren. Tychios drehte an einem oberen Glas und ein leises Blubbern ertönte, ebenso das Plätschern von Wasser. Langsam füllte sich das zweite bläuliche Glas in diesem Konstrukt. „Der menschliche Geist ist zur großen genialen Taten fähig, die einem Normalsterblichen als pure Magie vorkommen muss, wie diese Wasseruhr hier. Türen öffnen sich von Geisterhand, Wasser sprudelt aus einem Brunnen in einer Fontäne nach oben, ein kleiner mechanischer Vogel tanzt auf einer bronzenen Platte und doch ist alles nur von Menschenhand geschaffen, in diesen Hallen, in der größten Schule des Wissens. Wenn ein Mensch hoch hinaus will, dann vermag er es hier unter all den brillanten Geistern dieser Welt.“ Tychios drehte sich mit einem gar schon triumphalen Lächeln um und ging wieder zu dem Schreibtisch, wobei er die Wasseruhr weiter ihr Werk vollführen ließ. „Schon die Ägypter waren in der Lage zu solchen Konstrukten. Bereits viele hundert Jahre bevor wir beide das Licht dieser Welt erblickt haben.“ Er warf der Uhr schon fast einen liebevollen Blick zu. „Wasser, das schönste Element.“


    Dann trat er wieder um den Tisch herum, nahm Platz und verschränkte die Hände. „Nikolaos, ich nehme Dich gerne als Schüler des Museion auf. Sei willkommen! Wohnst Du in der Stadt oder benötigst Du noch eine Unterkunft? Oder anders gefragt: Möchtest Du wie die anderen Schüler im Museion leben oder lässt sich das mit Deinem Posten in der Stadt nicht vereinbaren?“




  • "Ich möchte sowohl das Aram lernen als auch die Sprache, in der die Bücher geschrieben sind, die die Hebräer als heilig bezeichnen. Ich habe einige Hebräer kennengelernt und habe den Wunsch, in ihre Vorstellung der Welt einzudringen. Im übrigen eröffnet jede neueerlernte Sprache neue Gebiete. Ich weiß, dass diese Antwort dich nicht befriedigen wird, doch mein Wunsch, sowohl das Hebräische als auch das Aramäische zu lernen, ist mehr einem Gefühl entsprungen denn wirklich tiefgründiger Überlegung. Ich weiß, dass mit Entscheidungen, die der Verstand nur halb getroffen hat, vorsichtig umzugehen ist, doch ich glaube, dass in diesem Fall keine Gefahr besteht. Auch wenn dir meine Antwort sicher unzureichend vorkommt. Es ist ein Ehrgeiz von mir, mehr Sprachen zu erlernen als bloß die Koiné tief zu durchdringen, das Attische wiederzubeleben und die Sprache der Rhomäer als lästiges aber notwendiges Übel nebenherzuhalten. Natürlich werde ich nie vergessen, dass ich auch mit den Sprachen, die ich von Kind auf an kenne, nie abgeschlossen haben kann, denn jeder Mensch kann in jede Sache immer tiefer vordringen, zum Grund kommt er vielleicht erst nahe seinem Lebensende oder gar nie. Ich hoffe, du nimmst meinen Wunsch bezüglich des Aramäischen und des Hebräischen an und siehst ihn zwar als Flause eines unerfahrenen Jungen, jedoch als harmlose und durchaus mit guten Nebenerscheinungen verbundene Flause." Er legte eine Pause ein und betrachtete fasziniert das Spielzeug, das ihm Tychios vorführte. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, dass es die Funktion hatte, die Zeit zu messen. "Diese Hallen sind voller Wunderwerke.", murmelte Nikolaos. Als er von seiner Aufnahme hörte, sah er den Epistratos erfreut an. "Ich danke dir, Epistratos und bin mir sicher, dass ich die Hoffnungen, die du in mich setzt, nicht enttäuschen werde." Nikolaos rieb sich die Knöchel der Finger. "Ich wohne zur Zeit bei einem anständigen Bürger, hier im Broucheion-Viertel und ich möchte diesen auf keinen Fall enttäuschen, indem ich seiner Gastfreundschaft übereilt kündige. Doch ich glaube, es wäre gut für die Erziehung meines Geistes, wenn ich zuweilen auch hier leben würde, um mich dem Geist, der in diesen Mauern spürbar ist, auszusetzen. Jedoch werde ich manchesmal erst zu Stunden mit meiner Arbeit als Strategos fertig sein, in denen ich die anderen Schüler im Schlaf stören würde, sollte ich die Schlafräume betreten. Deshalb schlage ich vor, dass ich zwar im Museion leben werde, jedoch zu bestimmten Anlässen die Zeit, die mir neben meinen Studien bleibt, außerhalb verbringen würde, wenn du dies erlaubst." Er lächelte zart und blickte den Epistratos etwas unsicher an.

  • Nikolaos wusste gut zu verbergen, dass er im Grunde gar keine Lust verspührte, sein bequemes Quartier im Viertel aufzugeben und gegen einen Platz in einem Gemeinschaftsschlafraum zu tauschen... . Aber er wusste, dass er sich zuweilen auch außerhalb der Studien im Museion blicken lassen musste.

    Sim-Off:

    Denn schließlich war das Museion wahrscheinlich für die Schüler etwas, was der Soziologe etwa eintausendachthundert Jahre später eine Totale Institution nennen werde ;)

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Skeptisch wölbte sich die Braue des Epistates in die Höhe, warf dabei seine Stirn in Falten und ließ sein rechtes Oberlid leicht zucken. „Vorsicht ist geboten, junger Nikolaos. Die Mysterien anderer Kulte zu kennen ist nicht unanstrebenswert, dennoch besteht schnell die Gefahr von ihren unsichtbaren Fäden gefangen zu werden und den Glauben an die wahren, hellenischen Göttern zu verlieren. Aber was die Sprachen angeht, gebe ich Dir gerne Recht, Nikolaos. Denn das Wort verrät viel über einen Menschen und seine Art zu denken, zu leben und zu sein. Zudem ist das Wort der Anfang von Allem, umfasst die gesamte Welt und ist das, was ein leicht belesener vielleicht als die Idee des Platons erfassen würde. Aber ich sehe schon, wir beginnen bereits mit dem Erforschen der Wahrheit und der Weisheit. Aber es zeigt sich, die Welt und jedes Handeln ist von der Philosophie durchdrungen.“


    Tychios rieb bedächtig seine Handflächen gegeneinander und ließ seinen Blick einen Augenblick auf den Lichtreflexen seines Tisches ruhen, die sich strahlenförmig an dem glänzenden Holz brachen und ein eigenes Muster auf der Platte hervor zauberten. Erst dann sah er auf und wieder zu Nikolaos. „Aber nein, Wissen zu sammeln ist nicht verwerflich und wohl kaum verdammbar. Nur den rechten Umgang mit dem Wissen muss ein junger Mann wie Du noch lernen und das wirst Du gewiss hier am Museion.“ Tychios lächelte dünn und dachte schließlich eine Weile lang über die 'Problematik' des Wohnens nach, ehe er andächtig* nickte. „Die Suche nach dem Wissen sollte Dich stets umgeben, weswegen es gut ist, wenn Du, so oft Du es kannst, hier im Museion verweilen würdest. Zudem würde es sicherlich auch Deine Mitschüler freuen einen weiteren Gefährten zu haben.“ In dem folgenden Lächeln von Tychios lag jedoch noch etwas anderes, was schwer zu benennen war, vielleicht ein Hauch von Gier? „Dann werde ich Dir gleich die Unterkunft zeigen lassen, wo Du leben kannst, wenn Du im Museion weilst. Zudem noch die Räume des Unterrichts und alles, was Du sonst wissen solltest. Doch zuvor: Hast Du noch Fragen, Nikolaos?“




    *(Es wurde langsam klarer: Entweder war es in seiner Natur oder er hatte lange Jahre dafür geübt, stets in seinen Gesten erhaben zu wirken. Dennoch wirkte es manches Mal sogar etwas übertrieben.)




  • "Bisher habe ich keine weiteren Fragen an dich, doch sobald sich das ändern sollte, werde ich keine Scheu haben, sie zu stellen.", antwortete Nikolaos höflich. Sein Blick schien in den Epistrates eindringen zu wollen, im Kontrast dazu zeigte sein Mund ein weiches Lächeln. "Ich bin dir sehr dankbar, dass du mich so freundlich aufgenommen hast.", sagte er und entblößte einen Teil seiner Schneidezähne, die zwar sauber waren, aber einen leichten Schimmer in der Farbe von sauberen Papyrus hatten. Dies, was jedoch der Epistrates nicht wissen konnte, wurde durch die Angewohnheit Nikolaos verursacht, Opium zu kauen. "Nun aber freue ich mich, von dir durch das Museion geführt zu werden, welches in Zukunft meine Heimat sein wird." Diesen letzten Satz hatte er unwillkürlich nicht auf Koiné gesprochen sondern in einem reinen alten Attisch. Offenbar hatte er dies jedoch nicht bemerkt.

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    ~~Tychios von Chalkis~~
    Überrascht wölbte sich die Augenbraue des Bibliothekars in die Höhe. „Von mir durch das Museion geführt?“ Der Epistates betrachtete den jungen Nikolaos nachdenklich und mit etwas zur Seite geneigtem Kopf. „Wahrlich ist es mehr meine Angewohnheit einen Sklaven mit diesen Dinge, wie das Führen durch das Museion, zu beauftragen. Aber ich denke, Du bringst mich auf eine vorzügliche Idee. Denn die Bittsteller, die noch vor meinem Arbeitszimmer warten, werden mich Zweifelsohne nur noch langweilen.“ Einen Augenblick später erhob sich der Bibliothekar und trat bis zur Tür, die sich auf scheinbar magische Weise vor ihm öffnete. Doch es war gleich zu erkennen, ein Sklave stand dahinter und keine von Menschenhand erschaffene Maschine hatte das vollführt. „Dann folge mir, junger Nikolaos!“ Mit den Worten ging der Bibliothekar voraus und ignorierte die verblüfften Blicke der Bittsteller.



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    ~~Tychios von Chalkis~~
    Drei Goldringe glänzten am Finger der Bibliothekars als er mit einer tief roten Feder über ein ledernes Pergament glitt und darauf in einer blauen Schrift elegant geschwungene griechische Zeichen hinterließ, deren Sinn man von Ferne nicht erkennen konnte. Ebenso golden waren die Fäden, die sich durch sein Gelehrtengewand hindurch zogen und komplexe und nicht undezente Muster in dem Stoff hinterließen. Seine weißen Haare waren sorgfältig nach hinten gekämmt, sparten dabei jedoch seine Halbglatze aus, auf denen sich einige Altersflecken zeigten. Hermaios führte Urgulania direkt bis zum dem Tisch. „Ähm...“, er räusperte sich. „Die Dame, Herr!“ Der Bibliothekar schrieb seelenruhig weiter, die Feder verursachte dabei leise Kratzgeräusche. Nach einigen Sekunden meinte er, ohne aufzublicken. „Und hat die Dame auch einen Namen?“ Hermaios Mund öffnete sich verblüfft. „Ähm...sicherlich hat sie das!“ Hilfe suchend sah er zu Urgulania.




  • Na das war ja ein äusserst angenehmer Zeitgenosse, dem ich mich da gegenüber sah. Doch irgendwie passte das auch, schliesslich war das schon immer das Bild gewesen, dass ich von Bibliothekaren hatte. Alte, verschrobene Männer, die hinter ihren Tischen sassen und vor sich hin moserten.
    Doch da dieser hier hoffentlich mein neuer Arbeitgeber werden sollte, hiess es nun nett und freundlich zu bleiben. Ich setzte ein leichtes Lächeln auf und schaute den alten Mann.

    Urgulania, Tochter des Lucius Iunius Cotta aus der Familie der Iunier. Ich stamme aus Mantua. antwortete ich wahrheitsgemäss.

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    ~~Tychios von Chalkis~~
    Ohne eine Regung auf dem Gesicht schrieb der Bibliothekar weiter. Der junge Mann, Hermaios, sah erst noch erleichtert von Urgulania zu dem Bibliothekar, wartete und wartete, wippelte unruhig auf den Fersenballen hin und her, warf einen zerknirschten Blick Urgulania zu ehe der Bibliothekar kurz den Kopf anhob, die Augenbrauen wölbte und ihn mit einer herrischen Geste fort schickte. „Du kannst gehen!“ Der Sklave seufzte enttäuscht, verbeugte sich jedoch eilends und auch noch mal mit ausladender Bewegung vor Urgulania ehe er aus dem Zimmer entschwand. Nun war die Römerin alleine mit dem griechischen Gelehrten. Doch der legte erst eine geschlagene Minute später die Feder zur Seite und lehnte sich zurück. Dann schaute er das erste Mal überhaupt Urgulania an. „Iunius Silanus, Konsul von Rom. Die Iunier! So, eine von der Nobilitas also.“ Unbeeindruckt sah Tychios die Römerin an. Einige Sekunden vergingen, dann deutete er auf einen Stuhl. „Mir wurde gesagt, dass Du nach einer Anstellung suchst. Doch Du bist keine Gelehrte. Was für Fähigkeiten bringst Du mit? Ich nehme mal stark an, dass Du Lesen und Schreiben kannst, doch auch in der griechischen Sprache?“




  • Geduld war eine Tugend und eben diese Tugend war eine der wenigen Tugenden die ich in meinem Leben wirklich immer hoch gehalten hatte. Das war vor allem bei meiner letzten Tätigkeit von sehr grosser Wichtigkeit, daher machte es mir nichts aus, dass der Bibliothekar sich Zeit liess, bevor er mir seine Aufmerksamkeit schenkte. Doch als er sie mir dann schenkte, lächelte ich ganz leicht.
    Das ich selbst nur aus einem sehr unbedeutenden Teil des unbedeutenden Zweiges der Familie stammte, band ich dem Griechen nicht auf die Nase. Auch wenn er nicht sonderlich vom Namen meiner Familie beeindruckt zu sein schien, lächelte ich ganz unbeirrt leicht weiter.
    Ich nickte leicht, als er dann endlich zu meinem Anliegen kam und antwortete wahrheitsgemäss.

    Ich lese und schreibe in lateinischer und griechischer Sprache. Mein gesprochenes Griechisch mag etwas eingerostet sein, doch wird sich dies sicherlich in den nächsten Tagen geben.

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    ~~Tychios von Chalkis~~


    Tychios, der Bibliothekar, legte seine Fingerspitzen gegeneinander in einer sehr bedachten Geste (zumindest wirkte sie so) und legte dabei seine Handballen auf dem Schreibtisch ab. Seine Goldringe, die eigentlich recht protzig für einen 'Gelehrten' wirkten, glänzten im Sonnenlicht. Doch so warm wie das Licht der Sonne auf dem Gold wirkte, so kühl war die Haltung des Bibliothekars. Oder mehr reserviert, womöglich sogar etwas gehemmt?


    Sein rechter Mundwinkel zuckte immer mal wieder nach unten, dann nickte er langsam. „Jemand, der sowohl gut Griechisch, als auch Latein in der Schrift beherrscht ist nicht uninteressant für das Museion...seitdem die vermaledeiten Römer hier sind...“, die letzten sechs Wörter raunte er fast unhörbar. Doch gleich darauf nickte er nachdenklich. „Was ich Dir anbieten könnte, wäre womöglich die Stelle eines Grammateus. Ich denke nicht, dass Dich die Stelle des Gnorimos sonderlich interessieren würde, ich meine, eine Frau als Gelehrte...absurd...findest Du nicht auch? Oder hättest Du doch...Interesse daran...?“, fragte er etwas zugeknöpft.


    Tychios hatte sich nie damit anfreunden können, dass auch Frauen ins Museion kamen und dort der Beschäftigung des Wissens nach gingen. Er kämpfte zwar nicht alleine gegen Windmühlen mit seiner Aversion, aber selbst als Bibliothekar hatte er nicht ein Verbot von Frauen am Museion erwirken können. Aber einer der großzügigsten Gönner des Museion hatte erst vor einigen Wochen seine Tochter an das Museion geschickt und Tychios hätte es fast das Amt gekostet als er das Mädchen angeraunzt hatte und sie vom Museion verweisen wollte. Seitdem war er Frauen gegenüber in dieser Hinsicht etwas vorsichtiger.




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