Die Luft im Raum schien immer dünner zu werden. Mit keiner Wimper zuckte Pallas, als Bridhe sich setzte, sein Blick war nach wie vor fest auf seine Schale mit Essen geheftet, auch wenn er mittlerweile dazu übergegangen war, es böse anzustarren anstatt es in sich hinein zu schlingen. Heiß brannte die Wut in seinem Blut, jener Mischung aus Britannierin und Grieche, jenes Blut, das das Ergebnis einer langen Zuchtreihe von Sklaven war, auf welche Pallas durchaus mit einem gewissen Stolz sah. Er hatte einen enormen Wert, allein durch seine Herkunft, das wusste er. Doch eine Mitsklavin so abfällig über jene Abstammung sprechen zu hören hatte ihn hart getroffen. Kälte schien aus den sonst so treuherzigen blauen Augen, als er endlich den Blick vom Essen losriss und die Ex-Sklavin fixierte.
„Danke, aber kleine Kinder sehe ich in letzter Zeit genug.“, erwiderte er. Seine Herrin war in nahezu jeder wachen Minute mit ihrem Nachwuchs beschäftigt und für ihn sah ein Säugling wie der andere aus, ganz gleich ob die Mutter nun Patrizierin oder Sklavin war. Jedes einzelne ihrer damaligen Worte hätte er allerdings wiederholen können, nicht allein weil er ohnehin nichts vergaß. Vielmehr hatte sich Buchstabe um Buchstabe in sein Innerstes gebrannt. Und sein ohnehin sehr wackliges Selbstbewusstsein damit zum Einsturz gebracht, einer Mischung aus Zorn und Unsicherheit Platz gemacht, bei welcher Bridhe gegenüber eindeutig der Zorn tonangebend war.
„Ist es mittlerweile nicht unter deiner Würde dich mich jemandem wie mir abzugeben?“, zischte er. Einst hatte es gewisse Gemeinsamkeiten zwischen ihnen beiden gegeben, wie er geglaubt hatte. Allein die Heimat hatte ein Band geknüpft. Mittlerweile jedoch war Pallas klar geworden, dass sie kaum etwas anderes als ein bemitleidenswertes Produkt römischer Willkür in ihm gesehen hatte.
Cenatio servorum
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Offenbar nicht! Youens Antwort war wie ein Tritt in meine Eingeweide! Er war immer noch wütend auf mich. Vermutlich würde das auch für immer so bleiben. Ich spürte den Drang, aufzustehen und zu gehen und wenn er mir nicht so viel bedeutet hätte, dann wäre ich auch aufgestanden und gegangen. Ich blieb aber und wartete nur darauf, bis der nächste Tritt oder der nächste Schlag in verbaler Form auf mich nieder prasselte. Er machte sich nicht einmal die Mühe, nach meinem Kind zu schauen. Das verletzte mich noch mehr, als seine Worte es getan hatten.
Meinen Blick richtete ich demonstrativ auf meinen Brei, der noch dampfend vor mir stand. Der Appetit war mir längt vergangen. Ich hatte ihn sowieso nicht gemocht. Ich aß ihn, weil ich etwas essen mußte. Doch jetzt wollte ich nicht mehr essen. Warum saß ich also noch hier?
Genau das gleiche fragte sich auch Youen und packte es in Worte, die nicht beleidigender hätten sein können. Ein Schlag ins Gesicht! Mein Gesicht erstarrte. Ich erstarrte.
Ich erinnerte mich an Sverus´ Schlag, an diesem verhängnisvollen Morgen, der mein Leben so nachhaltig verändert hatte. So hart hatte er mich geschlagen. Da war Blut.
Ich stand auf.Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht belästigen.
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Laut knallte Pallas' Faust auf den Tisch, fest pressten sich seine Kiefer aufeinander, als er Bridhe fixierte.
"Oh nein, so nicht. Du wirst nun nicht gehen und mich mit einem schlechten Gewissen zurücklassen! Ich bin nicht derjenige, der sich schuldig fühlen sollte!"
Vermutlich war niemand überraschter als er selbst über jene Reaktion. Sie passte nicht zu ihm, zum ruhigen, zurückhaltenden und stillen Sklaven, der stets einsteckte und sich selbst zurücknahm, wenn es zu einer Konfrontation kam. Ein Indiz mehr dafür, dass ihre Worte ihn hart getroffen hatten und er noch immer nicht verwunden hatte, was sie damit indirekt zum Ausdruck gebracht hatte.
Die Worte waren derartig unkontrolliert aus seiner Kehle gedrungen, dass er erstaunt über sich selbst inne hielt, unstet die Augen hin und her huschen ließ und einige Male zu schnell blinzelte, als helfe es ihm dabei, wieder Herr seines Körpers zu werden. -
Erschrocken zuckte ich zusammen. So etwas hatte ich von Youen nicht erwartet. Er war immer so zurückhaltend gewesen. Niemals hätte ich geglaubt, dass er zu einer solchen Gefühlregung überhaupt fähig gewesen wäre. Der Schrecken übertrug sich auf mein Kind, das bis dahin friedlich in seinem Tragetuch geschlummert hatte. Es begann zu weinen, während ich noch fassungslos da stand und ihn anstarrte.
Aber das Schreien des Kleinen rüttelte mich wach. Behutsam nahm ich ihn in den Arm. Ich tat mein Bestes, um ihn schnell wieder zu beruhigen. Youen schenkte ich dabei nur wenig Beachtung. Ich wollte ihm ja nicht noch mehrschlechtes Gewissen aufbürden, wie ich es bereits schon getan hatte.
Als sich der Kleine langsam wieder beruhigte, weil ich ihn tätschelnd in meinen Armen wog, sah ich zu ihm.Was soll ich denn deiner Meinung nach noch tun? Ich habe mich bei dir entschuldigt, für dass, was ich zu dir sagte. Ich wollte dich damit nicht kränken, was ich im Garten zu dir sagte. Das war und ist meine Meinung, zu der ich noch immer stehe. Wenn du dich in deiner Rolle als Sklave so glücklich fühlst, schön für dich! Für mich war es die Hölle und diese Hölle wollte ich meinem Kind nicht zumuten!
Wahrscheinlich hatte ich es mir mit ihm jetzt ganz verscherzt. Ich hatte versucht, ruhig zu bleiben, war aber doch laut geworden.
Ich fühlte mich schuldig! Sogar sehr. Ich schlug die Augen nieder. Was hätte ich denn tun können?Was du mir einmal über deine Mutter erzählt hast, hat mir Angst gemacht. Mein Kind ist alles, was ich habe. Das wollte ich nicht auch noch hergeben müssen. Bitte, sei mir nicht mehr böse, bat ich ihn leise.
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Das schlechte Gewissen ob seines Ausbruchs, das sich bei der erschreckten Reaktions Bridhes zu manifestieren begann, wuchs umso mehr, als nun auch noch das Kind anfing zu schreien. Er hasste dieses Geräusch, dieses grelle, ohrenbetäubende flehentliche Weinen, dass Kinder von sich zu geben im Stande waren. Er hasste es beim Kind seiner Herrin und er hasste es bei diesem hier, wenngleich er selbst wohl der Grund für den Laut war. Geknickt senkte er den Blick wieder und hob ihn erst, als Bridhe wieder sprach.
Ihre Erklärung schürte erneut den Ärger, doch um nicht wieder laut zu werden presste er die Kiefer aufeinander, schürzte für einen Moment die Lippen und zog letztlich ein Gesicht, als habe er in die sauerste Zitrone aller Zeiten gebissen. Er schwieg, einzig der bohrende Blick verriet erneut, dass die Britannierin mit ihrer Vermutung, ihn wieder verärgert zu haben Recht hatte.
"Mein Leben war nicht schlecht.", setzte er schließlich an, um Ruhe in der Stimme bemüht. "Du scheinst zu glauben, dass ich furchtbar gelitten habe. Doch das war nicht so. Nicht, weil ich ein Sklave bin jedenfalls. Mir ging es immer gut, mir hat nie etwas gefehlt, ich hatte immer ein Dach über dem Kopf und Herren, die sich meines Werts bewusst waren. Was weitaus mehr ist, als ich in irgendeinem Dorf unter Kelten hätte erwarten können. Ich bin weder besonders stark, noch besonders talentiert in handwerklichen Dingen. Für mich wäre dein Leben eben die Hölle gewesen, die du scheinbar als Sklavin erlebt hast."
Einige Sekunden verstrichen, in denen seine Worte langsam im Raum verhallten. Schließlich setzte er erneut an.
"Ich bin nicht böse. Ich bin... "
Ja, was war er überhaupt? Er war böse... auf eine Art. Er war traurig, er war enttäuscht... doch für das, was er wirklich war, fand er nicht das richtige Wort. In Ermangelung dessen zuckte er mit den Schultern. -
Während er mir ein feuriges Plädoyer für sein Sklavendasein hielt, versuchte ich den Kleinen wieder zu beruhigen der in einem fort schrie und gar nicht mehr aufhören wollte. Meine aufgewühlten Gefühle hatten sich auf ihn übertragen und jetzt entluden sie sich.
Ich konnte es Youen eigentlich gar nicht so richtig abnehmen, was er da behauptete. Freiheit sollte für ihn die Hölle sein! Wie konnte er nur so etwas behaupten? Er hatte sie doch noch nie zuvor geschmeckt, die wahre Freiheit und was hatte das mit seinen Talenten und seiner Stärke zu tun? Wenn das seine Meinung war, dann konnte ich nichts dagegen tun. Ich beschloss, nichts mehr dazu zu sagen, denn alles was ich gesagt hatte, erzeugte nur Unmut. Er würde immer wieder etwas anbringen, um sich einzureden, wie glücklich er doch war, auch wenn er ganz selten wirklich glücklich aussah. Doch eines musste ich ihn noch fragen!Hast du dich jemals gefragt, wie deine Mutter sich gefühlt hat, als sie dich hergeben musste?
Mehr sagte ich nicht. Mehr musste ich nicht mehr dazu sagen, denn es sagte alles, weswegen unser Streit begonnen hatte.
Mein Kind schluchzte nur noch ein wenig nachdem ich es in meinen Armen gewogen hatte. Dieses kleine Wesen war mein ein und alles geworden.
Du bist mir nicht böse?
Ich sah überrascht auf und fand einen Youen vor, der einfach nur ratlos wirkte. Er tat mir so leid. Deshalb ging ich auf ihn zu und ergriff seine Hand.
Bitte nimm meine Entschuldigung an! Ich möchte deine Freundin bleiben, so wie es früher war. Bitte!
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Wie seine Mutter sich gefühlt hatte? Er hatte nie darüber nachgedacht und im Grunde war es ihm auch einerlei. Seine Mutter war eine Sklavin und er gewiss nicht ihr einziger Nachkomme. Und auch wenn er sich schon oft gefragt hatte, ob seine Geschwister mit einem ähnlichen Gedächtnis beladen waren wie er selbst, so hatte er nie nach ihnen gefragt oder im Geheimen nach ihnen gesucht. Es stand ihm nicht zu, wie er fand.
Er sagte nichts. Nicht einmal sein Gesichtsausdruck änderte sich. Reglos sah er Bridhe an und beschloss, nichts weiter zu dem Thema zu äußern, um des lieben Friedens willen. Eine Diskussion war, wie er glaubte, ohnehin müßig. Sie hatte ihre Ansicht und er hatte seine. Keiner von beiden würde nachgeben oder sich überzeugen lassen. So zog er lediglich ein schiefes Lächeln, als das Kind sich langsam wieder beruhigte.
Als die ehemalige Sklavin letztlich seine Hand ergriff legte er jedoch die Stirn in Falten. Wie es früher war? Seine Freundin? Bitte? Das 'Bitte' war es wohl, das ihn am meisten verwirrte. Er hatte Tränen erwartet, Vorwürfe und ähnliches, eine Bitte jedoch hatte er nicht mit einbezogen. Nachdenklich betrachtete er ihr Gesicht, während nur das leise Wimmern des Kindes den Raum mit Ton erfüllte. Es konnte nicht so sein wie früher, niemals mehr, dessen war er sich sicher. Nicht allein aufgrund jenes Vorfalls, nein, vielmehr weil sie nun eine Freigelassene war und er nach wie vor ein Sklave. Sie standen nicht mehr auf derselben Ebene... trotzdem nickte er.
"Gut.", hörte er sich selbst sagen, um einen versöhnlichen Tonfall in der Stimme bemüht. "Vergessen wir die ganze Geschichte." -
Forschend sah ich in sein Gesicht, das nur noch ratloser wirkte. Ich wusste, er hatte seine Ansichten und ich hatte meine. Mein Bestreben war es auch nicht, ihm meine Ansichten aufzudrängen. Ich bat ihn nur darum, zu verstehen, warum ich sagte, was ich gesagt hatte. Auch wenn er mir jetzt für immer böse sein sollte, konnte ich es nicht ändern. Ich wollte einzig und alleine, dass niemand Groll gegen mich hatte, wenn ich nun mein Leben selbst in die Hand nahm.
Hier im Speisesaal der Sklaven war so manches widerfahren und hier hatten wir uns kennen gelernt, vor scheinbar ewig langer Zeit. Damals war ich am Tiefpunkt meines Lebens angelangt. Ich hatte alles, von dem wenigen, was ich noch besessen hatte, verloren. Nur mein Leben, das ich versucht hatte, wegzuwerfen, war mir noch geblieben. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich darauf getrost verzichten können, weil ich noch nicht ahnen konnte, dass bereit ein neues Leben in mit keimte. Hier und heute sollte das, was damals begonnen hatte, nicht enden! Ähnlich wie damals stand ich heute erneut wieder an einem Scheideweg. Nur die Gegebenheiten waren andere. Der Vater meines Kindes hatte es vorgezogen, sich aufs Land zurückzuziehen und hatte mich zurückgelassen. Deswegen konnte ich ihm nicht böse sein, denn das wäre zu vermessen gewesen. Tief in mir drinnen tat es mir aber weh, dass das Lächeln seines kleinen Sohnes ihn nicht erweichen vermocht hatte.
Ich hatte es satt, ewig die Verlassene zu sein, alles was ich wollte, war ein bisschen Glück. Außerdem hielt ich es nicht für richtig, noch länger hier zu bleiben und in diesem Haus zu wohnen, in dem es eigentlich für mich keinen Grund mehr zur Duldung gab.Plötzlich begann sich Youen zu regen. Versöhnliche Worte waren es, die aus seinem Mund kamen auch wenn seine Physiognomie nicht so recht dazu passen wollte. Vergessen und vergeben? Ich brach nicht in Freude aus. Ich umarmte ihn auch nicht aus Dankbarkeit. Ich lächelte nur zufrieden. Mehr konnte ich nicht erwarten.
Danke Youen! Dann kann ich beruhigt gehen.
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Ein wenig geistesabwesend nickte Pallas, schien froh darüber, dass nach diesem Gespräch wohl der Verdrängungsmechanismus, der ihm zeitlebens gute Dienste geleistet hatte, einsetzen konnte. Automatisch beantwortete sein Gesicht Bridhes Lächeln mit einem ebensolchen und er richtete den Blick auf seine Essenschüssel. Erst als langsam ihre Worte wie zäher Teer in sein Bewusstsein tropften hob er den Blick.
"Gehen?", wiederholte er etwas stupide. "Wohin gehen? Was meinst du?"
Ob es am Tonfall lag, am vorigen Thema oder schlicht und ergreifend Einbildung gewesen war, für den Britannier klang ihre Aussage nicht nach einem 'Ich gehe zurück in mein Cubiculum'. -
Nicht nur mir, auch Youen war die Erleichterung anzusehen. Wahrscheinlich hätte er sich jetzt wieder seinem Essen gewidmet,hätte da nicht meine letzte Bemerkung noch im Raum gestanden. Er hatte richtig gehört, ich wollte gehen. Ich konnte jetzt gehen, auch wenn ich nicht wusste, wohin es mich führen würde. Die Welt da draußen war immer noch so fremd für mich. Dieser Welt als Sklavin zu begegnen, hatte ich lernen müssen. Jetzt, auf eigenen Füßen stehen zu müssen, war etwas Neues für mich. Diese scheinbar vertraute Welt, sah auf einmal ganz anders aus. Ich hatte nichts außer meinem Kind und mir selbst. Das war nicht gerade viel, um die nächsten Wochen zu überleben. Der Winter war auch nicht zu unterschätzen.
Ja, ich werde gehen.
Das klang so selbstverständlich, als ob es nichts anderes gäbe und doch musste ich mit mir kämpfen, die Fassung nicht zu verlieren. Das es einmal so weit kommen würde, hätte ich mir niemals träumen lassen.
Oder was glaubst du, wie lange man mich und mein Kind hier noch dulden wird? Für mich gibt es hier nichts mehr. Aquilius hat sich aufs Land zurückgezogen und hat uns nicht mitgenommen. Ich werde hier nicht mehr gebraucht.
Das hatte ich mir eingestehen müssen, so schmerzlich dies auch war. Diesen hatte ich mir Schritt gut überlegt. Betteln wollte ich nicht. Ein bisschen Stolz war mir noch geblieben.
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Es war das erste Morgengrauen, das Phraates in der Villa Flavia erlebte. Es war noch sehr frueh. Man konnte den Sonnenaufgang in der Ferne schon erahnen. Phraates war frueh aufgestanden. Wieso? Er wusste es nicht. Die Aufgeregtheit. Oder die Verzweiflung. Er war jetzt Sklave, ein Nichts, ein Niemand. Wer sollte da Phraates den Frust veruebeln?
Langsam und leise ging er in die Cenatio hinein. Er hatte sie gestern am Abend gesehen, doch dies wuerde sein erstes Mahl dort sein.
Wenn es ueberhaupt schon eines so frueh gaebe.
Er blickte sich im Raum herum.
Niemanden erblickend, schritt er dort herum, in der Hoffnung jemanden zu sehen. Allerdings wusste, er, dass er sicher noch einige Zeit warten muesste, bis sich sonst noch etwas regte.
Er setzte sich also an einen Tisch hin, stuetzte sein Gesicht mit dem linken Arm auf und begann mit den Fingern der rechten ganz leise, fast schon zaertlich, mit den Fingern an der Tischplatte zu trommeln. Er dachte nach. Ueber die Vergangenheit. Ueber die Zukunft, und ob er ueberhaupt noch eine hatte.
Ploetzlich schreckte er aus seinen Gedanken auf. Da! Er hatte was gehoert! Jemand naeherte sich der Tuer? Ein Mitsklave?Sim-Off: Hallo, flavische Sklaven! Will jemand hier mitmachen?
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Missmutig schlurfte ich in den Speiseraum dicht bei der Küche. In der Hand hielt ich die gleiche Pampe wie am Tag davor und am Tag davor und am Tag davor und....so weiter eben. Es klang zwar durchgeknallt, aber manchmal wünschte ich mich echt in die Villa Claudia zurück. Da gabs wenigstens nicht dauernd Pampe zu essen.
Den Typ am Tisch bemerkte ich erst, als ich vorbeischlurfte. "'n Morg'n", wünschte ich miesepetrig und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Die Holzschale mit der undefinierbaren braungrauen Pampe drin stellte ich mit einem hölzernen Klack auf den Tisch, den Löffel legte ich daneben. Ouh, was hatte ich nen Kater. Und überhaupt, das war mir alles viel zu früh heute. Naja, was sollte man machen. Ich klaubte den Löffel von der Tischplatte und starrte erst in den tristen Brei, dann zu meinem Gegenüber. Kannte ich den? Den kannte ich nicht. "Ich bin Nordwin", murmelte ich. "Du?"
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Ein Mann trat ein. Und was fuer einer. Der Kerl war so gross wie ein Baum. Er war einer der groessten Leute, die er jemals gesehen hatte.
Mit Erstaunen blickte er auf ihn. Man konnte es ihm ansehen, dass er noch nie einen Germanen gesehen hatte. Der hatte vielleicht eine helle Haut, als ob er sich eingeschminkt haette. Was Phraates vernuenftigerweise bezweifeln konnte.
Die gute Laune schien der aber auch nicht gepachtet zu haben. Als er sich vor Phraates hinkrachen liess und einen guten morgen wuenschte, entgegnete Phraates den auch: "Guten Morgen, Freund."
Er blickte auf Nordwins Speise, und sein gesicht verzog sich. Was sollte das sein? Es sah aus wie Matsch mit ein paar Getreidekoernern drinnen. Ob die Flavier ihre Ausscheidungen als Essen weiterverarbeiteten?
"Nor... Nor-de-wien.", versuchte er den Namen des Riesen auszusprechen. "Ich bin Phraates. Neue Sklave von Celerina.", fuegte er hinzu, mit einer Betonung des Wortes "Sklave", welches klar machte, dass er diesen neuen Rang gar nicht schaetzte. "Ist das Essen?", fragte er Nordwin. "Oder hast du gekotzt hinein in Schale?" -
Freund? Himmelsakra, wo kam denn der bloß her? Oder kannte ich den doch? Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich den schwarzhaarigen Kerl. Nein. Kam mir nicht bekannt vor. Und der Akzent erst. Nee, das hätt ich mir doch gemerkt. Ich hob einen Mundwinkel zu einer Art unverbindlichem Grinsen und tunkte den Löffel in die Pampe. Man musste schon dankbar sein, wenn sich da keine Fäden zogen. Augen zu und durch - ich schob mir eine Löffelladung in den Backen und schluckte, ohne zu kauen. Dann starrte ich den Kurzen an. Nordewien? Meine Brauen schoben sich einander zu, dann grinste ich plötzlich unvermittelt. "Ja, is klar: Nord-Winn. Kannst aber auch Bigboss zu mir sagen, da hör ich auch drauf", konterte ich und schippte erneut einen Löffel Brei auf denselben. Langsam troff die Masse zurück in die Schale. "Pfrahtess? Hm." Vielleicht sollte ich ihn einfach Tessi nennen. Aha, neuer Sklave von... Ich überlegte. Celerina war doch die, die man geklaut hatte. "Kommst du ausm Süden?" fragte ich und steckte den Löffel in den Mund. Bei seinen nächsten Worten blieb mir die Grütze fast im Hals stecken. Dann musste ich lachen und ließ grinsend den Löffel in die Schale plumpsen. Beides schob ich dann über den Tisch zu Tessi. "Was genau das ist, weiß ich selber nicht. Der Koch macht ein riesen Geschisse drum. Ich wills aber ehrlich gesagt auch gar nicht wissen. Es schmeckt ein bisschen wie in Kalkwasser eingelegter, schimmeliger Papyrus, aber man gewöhnt sich dran. Soll heißen: Besser du gewöhnst dich gleich dran. Hier gibt es nämlich morgens nichts anderes. Dir bleiben also drei Möglichkeiten: Essen, hungern oder Leibsklave werden. Die kriegen nämlich was besseres."
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Nun war es an Nordwin, Phraates wie ein fremdartiges Tier anzustarren. Er war wohl an parthische Begruessungen nicht gewohnt. Mit einem gewissen Ekel, aber auch Faszination und Bewunderung fuer derartige Selbstueberwindung sah er dabei zu, wie Nordwin diese Gruetze in sich hineinstopfte. Bald wuerde ihm aehnliches bluehen.
Der Mann schien sich koestlich ueber Phraates Aussprache seines Namens zu amuesieren, stellte sich aber auch nicht viel besser dabei an, Phraates' Namen ordentlich auszusprechen.
"Bigboss?", wunderte er sich. Na klar. Und Phraates' neuer Name war jetzt Master of the Universe. Er grinste Nordwin breit zu. "Phraates.", wiederholte er seinen Namen. "Und ich bin aus Parthien. Wo kommst du aus?", fragte er.
Mit Unbehagen hoerte er sich Nordwins Worte an. Seine Neugier war geweckt. Er wuerde den koch sicher mal fragen, woraus das bestand. im gegensatz zu Nordwin mochte er es ueberhaupt nicht, nicht zu wissen, was er ass. Selbst wenn es zerkochte Engerlinge waren, wollte er es noch immer wissen.
"Ich denke, ich bin mehr nicht hungrig.", konstatierte er, als er die Bruehe genauer begutachtete. Im Kriegsgefangenenlager hatte er da ja noch Koestlichkeiten dagegen gekriegt. Das Grummeln seines Magens, was jetzt aber deutlich zu hoeren war, belegte das Gegenteil. Phraates blickte sich um. "Gibt es keine...", verdammt, was hiess Alternative nochmal auf latein? Er versuchte es anders. "Gibt es nichts anderer als diese... Zeug?", fragte er. "Ich wuerde tun alles fuer etwas normale Brot." -
"Du hast's erfasst", sagte ich und grinste noch breiter, als er mich Bigboss nannte. Schien ein ausgesprochen schlaues Kerlchen zu sein. Auch, dass er schon so viel Latein sprechen konnte, war doch recht bemerkenswert. Wenn ich daran dachte, wie lange ich gebraucht hatte, um mich so verständlich zu machen... Nee, daran dachte ich besser nicht, das war zu frustrierend - auch, wenn mir dabei unweigerlich die schnittige Blondine von den Aureliern in den Sinn kam.
"Frahtes. Heißt das irgendwas oder ist das, hm, einfach nur ein Name?" wollte ich wissen. "Nordwin bedeutet Freund des Nordens. Und da komm ich auch her. Aus Germanien. Ist aber schon ewig her." Ich zuckte mit den Schultern und zog die Schüssel wieder an mich. "Wer nicht will, der hat schon", murmelte ich und schaufelte mir gleich zwei Löffel rein. Als Tessi wieder etwas sagte und hörbar nach Worten rang, sah ich wieder auf. Ich runzelte die Stirn, beschrieb eine Acht mit meinem Löffel in der Luft und zuckte mit den Schultern. "Tja, wie gesagt... Werd Leibsklave. Aber da hast du's ganz schön schwer.... Da müsstest du nämlich gegen den lockigen Typen mit dem Schneuzer anstinken, Chimerion. Der hat nen Sonderstatuy bei der Flavia. Oder du nimmst dir einfach was, aber da musst du saumäßig aufpassen. Die geben gut acht auf ihre Vorratskammer hier, und wenn du erwischt wirst, hast du echt nen Problem." Ich nickte zur Untermalung und aß einen weiteren Löffel...Zeug.
"So. Der Celerina ihr Sklave bist du also. Weißt du schon, was du überhaupt machen sollst für die? Manchmal hab ich das Gefühl, die sammelt uns nur. Wie Schmuck. Seit wann bistn du überhaupt hier? Hab dich noch nie gesehen."
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Das Grinsen des Germanen veranlasste Phraates zu einem erneuerten Versuch, den Namen ordentlich auszusprechen. "Nordwin.", brachte er hervor. Das klang schon ganz OK, aber natuerlich klang sein Akzent stark durch.
"Germanien.", wiederholte er staunend. Er hatte schon von diesem Land gehoert. Ein schreckliches, kaltes Land, vor dem die Legionaere Angst hatten. Er begann zu laecheln. Streng genommen, waren die germanen und die Parther ja Waffenbrueder im Kampf gegen die Macht Roms.
"Mein Name ist "Freude" auf parthisch. Jetzt es ist nicht passend.", meinte er muerrisch und blickte die Bruehe in der Schale an wie ein feindliches Subjekt.
Dankenswerterweise nahm Nordwin wieder die Schuessel an sich, der Gestank war ja nur noch bestialisch gewesen. "Ich glaube, Celerina will, dass ich mache so etwas... in das Art... custodes oder so." Er kratzte sich am Kopf, hmm, vielleicht wuerde er doch noch irgendwann besseres kriegen als das Geschluder hier?
Bei der Erwaehnung von Chimerion spitzte er die Ohren. "Chimerion? Das ist doch das Sklave, das geflohen ist?", fragte er. Das mit der Vorratskammer klang aber bei weitem besser, doch Phraates wollte es sich nicht schon am ersten Tag verscherzen. Und ausserdem, stehlen war unter seiner Wuerde. Es war etwas fuer Hunde.
Er nickte bei seiner Ansage. "Ich hier bin seit gestern. Abend. Und du? Schon lange hier?" -
Sim-Off: Gehen wir davon aus, dass es der erste Tag nach den Saturnalien ist? Sonst hab ich nämlich ein Problem, denn meine Herrin ist ja auch weg mit den Geflohenen, und das müsste ich sonst eigentlich wissen.
Kauend zeigte ich mit der Löffelspitze auf Tessi, als er meinen Namen zwar verkauderwelschte, aber richtig sagte. Dass ihn meine Herkunft verwunderte, war deutlich, aber für mich nicht weiter schlimm. "Jepp. Nu guck nicht so. Dir werden noch mehr Germanen übern Weg laufen. Die Römer stehen auf uns. Und manch eine Römerin auch. Deine allerdings hat's wohl auf Südländer abgesehen. Pass bloß auf, sonst landest du noch bei ihr in der Kiste, direkt neben ihrem Schnäuzerle." Anzüglich grinste ich und schob mir einen weiteren Löffel in den Mund. Bald hatte ich es geschafft: Der Boden war schon ein wenig zu sehen.
"Freude? Echt?" Ich sah auf und schmunzelte. "Tja, ist halt ne Sache mit den Namen. Das wird schon wieder. Bald hast du dich hier eingelebt und dann..." Entgeistert starrte ich Tessi an. Geflohen? Wer wie was? "Häh?" Sehr intelligent sah ich zugegebenermaßen gerade nicht aus. "Wie, geflohen? Ist er? Wieso? Ich meine, woher weißt du das? Und wieso weiß ich das nicht?" Den Löffel halb erhoben, starrte ich den Parther an. Na klar, wer stockbesoffen war, bekam sowas eben nicht mit. Aber zu den Saturnalien war das ja auch kein Wunder, wenn man was trank. Wenn das stimmte, warum war der dann abgehauen? Der hatte doch definitiv mehr bekommen von der Flavia als nur gutes Essen....
"Hm. Das muss ich mal rausfinden. Gestern Abend? Krass. Wer geht denn an zu den Saturnalien Sklaven einkaufen... Naja. Egal. Nu biste halt hier. Ich? Ich bin erst ein paar Wochen hier. Meine Herrin hat einen Flavius geheiratet. Vorher war sie ne Claudia. In Rom selbst bin ich aber schon ziemlich lange, wenn du das meinst." Und wieder ein Löffel.
-
Sim-Off: In Ordnung.
Die Loeffelspitze zeigte fast schon drohend auf Phraates, der versuchte, wegzuschauen. "Noch viele Germanen?", fragte er. "Dann werde ich auch sehen vieles Leute von vieles andere Laender?", fragte er den Germanen. Dies konnte ja noch relativ interessant werden, vielleicht war das ja eine Sache, auf die man sich freuen koennte.
Er hoerte Nordwins Kommentare ueber die Germanen. Hmm, er schien viel auf sein Volk zu halten. Als er weiterhoerte, sperrte es ihm die Augen auf. Bei ihr in der Kiste landen? Eigentlich war diese Aussicht gar nicht so schlecht. Vielleicht konnte da noch was draus werden. Immerhin etwas.
Er sah zu, wie ein weiterer Loeffel in den Rachen des Nordwin hineingequetscht wurde. Das war einfach nur bewundernswert.
Mit Erstaunen hoerte er, dass Nordwin noch nichts von Chimerions Flucht wusste. Aber natuerlich. Diomedes hatte ihm erzaehlt, dass seine Herrin versucht, es geheim zu halten. An Diomedes war das Geruecht durchgedrungen, aber wohl nicht zu Nordwin, weil er nicht Celerina gehoerte. Na ja, jetzt wusste er es. Und sein Gesichtausdruck war einfach zu koestlich. Fast haette er Nordwin gebeten, nochmals so daemlich dreinzuschauen. So eine Grimasse konnte wahrscheinlich nur ein Germane machen.
"Saturnalien?", fragte er erstaunt. "Was ist das? Noch nie habe gehoert davon.", gab er ehrlich zu.
"Dann kennst du das Roemer schon gut. In meines Heimat sie sagen, dass die Roemer alle verrueckt sind. Ich glaube, sie haben Recht.", gab er zu Bedenken. "Gibt es hier Roemer, aufpassen die man muss?" -
Sim-Off: Ich hoffe, ich darf doch zu euch stoßen?
Die Nach war mal wieder viel zu kurz gewesen, befand Fiona, als sie langsam, sehr langsam über den Boden schlürfend, den Speisesaal erreicht hatte. Ihr Gesicht sah sehr zerknirscht aus, von den Haaren gar nicht zu sprechen. An einemder Tische erkannte sie Nordwin, der auch wie sie vor einigen Wochen mit ihrer Herrin in die Villa Flavia gekommen war.
"Morgen! Was gib´s heut? Ähh, schon wieder diese Pampe! Ich wette, das ist noch die Pampe von letzter Woche!" Für den Neuen, der mit Nordwin am Tisch saß, hatte sie gar kein Auge. Auch hatte sie es nicht wahrgenommen, daß die beiden sich unterhielten. Eigentlich war es ihr auch egal! Fiona war so vieles egal geworden in letzter Zeit, was wohl auch der Grund war, weswegen sie sich zunehmend gehen ließ.
Im gleichen Schritttempo schlürfte sie zur Essensausgabe und holte sich eine Schüssel Brei. Anschließen kehrte sie wieder zu Nordwins Tisch zurück und pflanzte sich neben ihn hin. Bevor sie zu essen begann, sah sie kurz auf. "Wer bist du denn? Dich hab ich hier noch gar nicht gesehen!" Zu Nordwin gewandt, meinte sie nur: "Schon wieder ein Neuer, was?" Sie war doch sehr über die Anwesenheit dieses unbekannten Sklaven verwundert, vor allem deshalb, weil er wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
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