Albanus Mons - Praediolum Decimus Meridius

  • Zitat

    Original von Decima Seiana


    "Mit deinen Betrieben?", fragte Seneca neugierig, und implizierte damit eigentlich schon die Folgefrage nach den Details. Früher hielt Seneca es immer für ungewöhnlich wenn Frauen eigenen Geschäften frönten, aber scheinbar war das in Rom nicht unbedingt ungewöhnlich, seine Cousine besaß ja auch einige Betriebe..
    "Nun, ich hoffe doch dass die Ausgangssperre in Rom deinen Betrieben nicht allzu sehr schadet.", sagte Seneca ehrlich, schließlich wusste er noch von seiner Zeit bei den Urbanern wie sehr sich die Händler auch nur über die kleinsten Unregelmäßigkeiten beschwerten.
    "Ich hätte im übrigen auch nicht gedacht dass du den typischen Tätigkeiten einer Matrona allzu viel bedeutung zukommen lässt. Das soll natürlich ein Kompliment sein.", schob Seneca dann noch erklärend nach, um nicht in irgendein Fettnäpfchen zu treten, und trank einen Schluck Wasser.

  • „Ja... neben Grundbesitz sind Betriebe immer noch die beste Möglichkeit, sich ein gewisses Einkommen zu sichern. Und Beschäftigung natürlich“, scherzte sie. „Meine Familie mag recht wohlhabend sein, aber es war mir immer wichtig, mich auch selbst versorgen zu können. Es bedeutet eine gewisse... Unabhängigkeit. Also habe ich investiert, in unterschiedliche Bereiche.“
    Sie machte mit ihrem Kopf eine nachdenkliche Bewegung. „Das hoffe ich auch. Im Augenblick kann ich das allerdings schwer beurteilen, weil mir die aktuellen Zahlen fehlen“, antwortete sie. „Auswirkungen auf das Geschäft wird die Sperre sicher haben. Aber meine Betriebe sind weiter verteilt, von daher gehe ich davon aus, dass es sich in Grenzen hält. Eines meiner Geschäfte hat seinen Hauptsitz in Alexandria und dort auch die meisten Kunden... und die Waren, die importiert werden, verkaufen sich ja nicht nur in Rom.“ Sie lächelte vage. „Im Moment bleibt mir ohnehin nicht viel anderes übrig als darauf zu vertrauen, dass meine Verwalter die richtigen Entscheidungen treffen und das Geschäft so gut wie möglich am Laufen halten.“


    Seiana trank einen Schluck Wasser – und setzte den Becher dann ab, mit einem überraschten Blick, mit dem sie den Iunius nun musterte. Dass sie nicht die typische Matrona war, war ziemlich eindeutig. Dass er das allerdings als Kompliment sah, das... verblüffte sie ein wenig. „Tatsächlich? Die meisten sehen das anders. Oder sie... tendieren dazu, mich neutral zu sehen. Nicht als Frau.“

  • Nicht als Frau? Seneca wunderte sich ein wenig, empfand er persönlich die Decima doch immer schon als recht ansehnlich, auch wenn er sich das sicher niemals anmerken lassen würde, jetzt schon gar nicht mehr, denn gut ankommen würde das sicher nicht.
    "Starke Frauen haben einen gewissen Reiz, sicherlich passt das nicht jedem, aber vielleicht liegt es ja auch daran dass ich nie wirklich das ideale Leben eines Bürgers geführt habe.", sagte Seneca lächelnd und dachte nochmal kurz an die verschlungenen Pfade zurück, welche ihn hierher geführt hatten.
    "Meine Cousine betreibt übrigens auch einige Betriebe.", schob Seneca noch kurz hinterher, schließlich wusste er nicht so genau wie die Decima seine erste Erklärung auffassen würde, sodass er sich auch noch auf einen Plan B verlassen konnte.
    "Ich bin sicher dass deine Verwalter alles unter Kontrolle haben, sonst bist du ja auch nicht überall zur gleichen Zeit.", sagte Seneca nun etwas ernster und fuhr fort, "Allerdings löst das momentan auch nicht deine Langeweile.", sagte Seneca nun wieder lachend, und kratzte sich kurz am Hinterkopf, das machte er öfters wenn er nicht so genau wusste wie seine Aussagen ankommen würden, "Darf ich fragen was für Betriebe du dein Eigen nennst?", fragte Seneca dann noch, vielleicht konnte er ja irgendwo mit seinem Halbwissen trumpfen.

  • Jetzt musterte Seiana den Iunius ein wenig... nun, fast ein wenig nachdenklich. Natürlich war auch aus seinem bisherigen Verhalten schon zu schließen gewesen, dass er nicht unbedingt auf dieselben Dinge Wert legte, dieselben Dinge von einer Frau erwartete, wie es die meisten Römer taten. Dennoch hätte vieles davon auch schlichte Höflichkeit sein und von jemandem zeugen können, der sich sehr gut zu beherrschen, seine Meinung sehr gut zu verbergen wusste. Seine Worte jetzt allerdings... er hätte das nicht sagen müssen, nicht aus reiner Höflichkeit heraus. „Ja, es passt nicht allen, wenn eine Frau den Platz verlässt, den die Gesellschaft für sie vorgesehen hat“, antwortete sie in einem ruhigen Tonfall. „Und irgendwie müssen sie damit umgehen, wenn sie einer begegnen, die es doch tut.“ Was sich im besten Fall darin äußerte, dass sie den Fakt, dass sie eine Frau war, schlicht und ergreifend übergingen. Was Seiana allerdings in aller Regel nur Recht war, gemessen daran, dass sie mit Komplimenten und allem, was auf ihre Weiblichkeit anspielte, nur schlecht umgehen konnte.


    „Ja, ich denke schon auch, dass sie alles im Griff haben“, gestand sie dann zu. „Ich bin es nur gewohnt, selbst einiges zu erledigen. Zu entscheiden. Und vor allem informiert zu sein.“ Was sowohl in von ihm erwähnter Langeweile resultierte als auch darin, dass sie – trotz allen geschäftlichen Vertrauens, das sie in ihre Verwalter haben mochte – unruhig war über den Zustand ihrer Betriebe und des laufenden Geschäfts. Sie verließ sich nicht gern auf andere, sie hatte lieber Gewissheit. „Ich habe einen Fernhandel, der exklusiv Waren importiert. Einen Buchladen – das ist das Geschäft mit Hauptsitz in Alexandria –, einen Maler und eine Taberna medica. Was ist mit dir? Prätorianer haben doch eine kürzere Dienstzeit. Planst du, nach dem Ende der deinen ebenfalls in die Wirtschaft einzusteigen?“

  • "Ich bewundere solche Frauen für ihre Souveränität.", sagte Seneca ziemlich kühl aber sehr ehrlich, "Es ist sicher nicht leicht den ganzen Vorurteilen zu trotzen, gerade in einer sehr hohen Position an der Seite eines mächtigen Mannes, denn es ist sicherlich für Frauen aus dem einfachen Volke auch leichter aus dem Bild auszuscheren.", sagte Seneca und umschrieb so in etwa die Position der Decima ohne den letzten Schritt zu wagen und sie direkt anzusprechen, als Seiana dann ihre ganzen Betriebe aufzählte, staunte der Iunier nicht schlecht, schließlich schien sein Gegenüber in vielen Branchen tätig zu sein, Seneca hatte auch nicht damit gerechnet, dass es so viele sein würden..
    "Ich bin beeindruckt, mit fähigen Verwaltern müsste doch da einiges zusammenkommen.", sagte Seneca anerkennend, ohne zu implizieren dass die Decima in Geld schwimmen würde, und auch ohne nach genauen Zahlen zu fragen, was Seneca als äußerst unhöflich empfunden hätte..


    Als er dann nach seinen eigenen Zukunftsplänen gefragt wurde, musste Seneca kurz etwas trinken, nicht weil er durstig war, sondern weil er sich diese Frage noch nie gestellt hatte, auch wenn er nun auch kein Frischling mehr bei der Garde war..


    "Sicherlich werde ich zusehen dass mir mein Einkommen sichere, ich hoffe natürlich noch darauf dass dein Gatte mir irgendwann eine eigene Centurie zuweist, und ich als Gardecenturio abtreten darf.", Seneca sponn seinen Gedanken weiter, ob die Decima es nun hören wollte oder nicht, da musste sie jetzt durch, "Vielleicht steige ich ja noch in die Politik ein, bei der Garde lernt man ja einige Leute kennen die einen dort helfen können, aber ein Betrieb nebenbei schadet ja nicht, vielleicht hilft mir meine Cousine ja dabei, sie hat ja Erfahrungen mit Betrieben, während ich mich nur auf das militärische Handwerk verstehe."

  • Es schien deutlich zu sein, dass er sie meinte. Er konnte nur sie meinen. Und auch wenn Seiana nicht wusste, warum er es umschrieb, war sie ihm trotzdem dankbar dafür. Ein Kompliment ließ sich auf diese Weise leichter annehmen, stellte sie fest. Besser gesagt: so wurde es, für sie, überhaupt wirklich annehmbar. Sie deutete ein Lächeln an, kombiniert mit einem leichten Achselzucken. „Vorurteile auch... aber es sind noch mehr die Erwartungen, die es nicht immer ganz einfach machen. Ich kann allerdings kaum beurteilen, wie es für Frauen aus den unteren Schichten sein mag.“ Sie wollte es sich auch gar nicht vorstellen. Trotz allem wusste sie, was sie hatte – und dass das nur möglich gewesen war aufgrund ihrer privilegierten Stellung.
    „Genug“, antwortete sie dann, bewusst so vage wie er auch seine Frage gestellt hatte. „Genug, um meine finanzielle Unabhängigkeit zu gewährleisten. Von meinem Mann und von meiner Familie.“ Nicht dass es nötig gewesen wäre. Beide – ihr Ehemann wie auch ihre engeren Verwandten – hatten wahrlich genug Reichtum, dass sie sich darüber keine Sorgen hätte machen müssen. Dennoch war es ihr wichtig, immer schon wichtig gewesen, seit sie erwachsen geworden war, dass sie unabhängig war. Sie hatte sich in den letzten Lebensjahren ihrer Mutter um alles gekümmert – als sie dann nach Rom gekommen war, hatte sie sich nur schwer daran gewöhnen können, alles anderen zu überlassen... weswegen sie sich bald daran gemacht hatte, ihren ersten Betrieb zu übernehmen. Und sie hatte stets Wert darauf gelegt, es allein zu schaffen, sich um alles allein zu kümmern – bis hin zu dem Punkt, dass sie sich kein Geld von der Familie geliehen, sondern sich einen anderen Investor gesucht hatte.


    Sie hörte ihm aufmerksam zu, als er von seinen Zukunftsplänen erzählte, und nickte dann und wann. Ob er nun geeignet war für einen weiteren Aufstieg oder nicht, konnte sie wohl nur schwer beurteilen... jedenfalls was das Militärische betraf. Davon abgesehen jedoch machte der Iunius in ihren Augen einen guten Eindruck. Er war intelligent, er sprach überlegt, und er hatte diese Ausstrahlung von Ruhe, von Gelassenheit, die sie nach wie vor beeindruckte. Die ihr gut tat. Doch, nach diesen Aspekten betrachtet, konnte sie ihn sich durchaus in einer höheren Führungsposition als dem Optio vorstellen. „Ich kann dir nicht sagen, nach welchen Kriterien mein Mann seine Untergebenen beurteilt – und befördert. So weit ich das überhaupt beurteilen kann, stehen deine Chancen allerdings nicht schlecht, denke ich. Mit der Beförderung zum Optio hast du den ersten Schritt ja bereits getan... und kannst weiter beweisen, dass du Führungsqualitäten besitzt.“ Was danach kam, überraschte sie allerdings ein wenig. „In die Politik? Hast du dir darüber schon mehr Gedanken gemacht?“

  • Seneca fand es ein wenig amüsant dass Seiana so ungläubig nachhakte, als er von seinen politischen Plänen berichtete, letztlich gesehen war es für ihn auch eher Pflicht als Ziel, wollte er doch mit den höheren Rängen wieder ins Militär eintreten..
    "Bist du überrascht?", fragte Seneca erst einmal ein wenig scherzhaft, mit einem Grinsen, auch wenn er es verstand, sollte doch ein Optio zunächst andere Ziele haben, "Die Politik ist wahrscheinlich ein chaotischeres Schlachtfeld, als jedes auf dem jemals stehen werde, aber ich möchte nicht einer dieser Veteranen sein die irgendwo in Gallien ihr Stück Land bekommen, dort ein paar Getreidefelder bewirten und ihre restliche Zeit in den Tavernen rumhocken.", führte Seneca aus, während es ihm vor dieser Vorstellung schon immer gegraut hatte, "Versteh mich nicht falsch, diese Männer haben lange gedient und sich ihre Ehre und ihr Land verdient, aber ich sehe meine Bestrebungen woanders.", auch wenn es weniger die Rostra war, welche ihn reizte, sondern eher der Rang eines Tribunus, vielleicht sogar eines senatorischen..
    "Aber bis dahin bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und nur die Götter wissen was mir wohl noch passieren mag, also lasse ich mich überraschen.", schloss Seneca mit einem leicht nachdenklichen Gesichtsausdruck ab, schließlich standen die Vorzeichen für die nächste Zeit nicht sonderlich gut, und wer weiß schon ob Seneca nicht sogar von einer römischen Klinge den Tod finden würde, auch wenn er es natürlich nicht hoffte,
    "Wie dem auch sei, jetzt habe ich dir meine Zukunft in allen Details geschildert, und auch wenn du schon sehr weit an der Spitze der Gesellschaft stehst, hast du doch sicherlich auch noch Pläne, korrigiere mich wenn ich mich irre.", Seneca fand es recht spannend, schließlich entsprach Seiana nicht dem typischen Bild einer Frau ihres Standes, welche sich eigentlich ständig in ihrem Wohlstand suhlten, mit einer erhellenden Mine und ein kurzem Kratzen am Kopf, versuchte er hinter ihre Fassade zu blicken.

  • „Nun...“, erwiderte Seiana und überspielte die leichte Verlegenheit, die sein Nachfragen bei ihr auslöste, mit einem vagen Lächeln, „der Aufstieg von einem einfachen Soldaten in die Politik ist ganz sicher kein gewöhnlicher Weg... und ebenso sicher kein einfacher. Es wird nicht einfach werden, aber mit Talent und Ehrgeiz... solltest du dich wirklich für diesen Weg entscheiden, wünsche ich dir viel Erfolg.“ Sie deutete ein Nicken an bei seinen nächsten Worten, und ihr Lächeln verblasste ein wenig. „Ich verstehe was du meinst.“ Nur zu gut. „Wir... haben offenbar einiges gemeinsam, Iunius.“


    Unvermittelt räusperte sie sich und nippte an ihrem Becher – und sah dann erneut überrascht auf, als er nach ihren Plänen fragte. Überrascht, und für den Moment auch überfragt. Was waren ihre Pläne? Beinahe erschrocken stellte sie fest, dass sie ihm darauf nicht einmal dann eine Antwort hätte geben können, wenn sie gewollt hätte. Ihrer Familie Ehre zu machen, dafür zu sorgen, dass das Ansehen der Decima weiterhin gut blieb und wenn möglich gar noch stieg, dass sie selbst unabhängig blieb, aber... das waren alles keine Ziele. Nicht in dem Sinn, wie er es meinte, jedenfalls glaubte sie das zu wissen. Andererseits: Ziele wie er sie wohl meinte, gab es nicht mehr für sie. Was konnte eine Frau denn noch mehr erreichen als das, was sie hatte? Oh, sicher, sie könnte irgendwann die Gattin eines Consuls sein. Oder gar die Augusta. Aber sie hatte noch nie Wert auf die Errungenschaften gelegt, die es mit sich brachte die Frau eines bestimmten Mannes zu sein – mal ganz davon abgesehen, dass sie die Frau des Prätorianerpräfekten war. Und was sie selbst betraf... hatte sie keine anderen Ziele als das zu halten, was sie erreicht, was sie sich geschaffen hatte. Ihre Position vielleicht noch weiter ausbauen, festigen, durch ein noch weiter verzweigtes Netz aus Kontakten und Gefallen. Aber sonst? Gäbe es noch höhere Ziele als die, die sie bereits erreicht hatte, sie würde sie wohl anpeilen... nein. Sie würde sie sicher anpeilen. Aber es gab nicht mehr für eine Frau. Außer im Cultus Deorum, aber für diesen hatte sie sich noch nie geeignet gesehen. „Ich...“ begann sie schließlich nach einem längeren Zögern und hob in einer fast hilflosen Geste die Schultern ein wenig an. Und bemühte sich um ein Lächeln. „Kinder“, antwortete sie schließlich das, was wohl das Offensichtlichste war. Oder sein sollte, in ihrer Situation. Nur ihrer Stimme fehlte jeder Funke Begeisterung dafür. „Meine Pflicht erfüllen gegenüber meinem Mann und seiner und meiner Familie, und ihm Kinder schenken. Idealerweise möglichst bald einen Erben.“ Seiana wich seinem Blick aus und musterte stattdessen intensiv irgendeinen imaginären Fleck auf dem Boden. Genau das war es, was von ihr erwartet wurde. Warum hatte sie dann trotzdem das Gefühl, dass sie damit nicht seinen Erwartungen entsprechen würde, die er gehabt hatte, als er die Frage stellte? Warum hatte sie sogar die Befürchtung, sie könnte ihn enttäuschen?

  • "Ich danke dir. Es ist sicherlich kein leichter Weg, da hast du Recht.", Seneca zögerte kurz und wählte seine Worte sorgsam, "Wäre ich der Sohn eines Anderen, sogar eines anderen Iunius, so wäre mir sicherlich der Weg eben und viele Türen offen.", Seneca wurde nachdenklich, blieb aber fokusiert, "Dieses Glück wurde mir nicht zuteil, auch wenn mein Vater ein ehrbarer Mann war. Aber jeder Senatoren oder Ritterssohn hatte einen Vater oder einen Großvater welcher großes geleistet hat, also liegt es wohl an mir.", sagte Seneca, zugegeben, es würde schwierig werden die verhärtete Gesellschaft Roms von unten aufzurollen, aber es würde schon irgendwie werden..


    "Wie es scheint haben wir wirklich einige Gemeinsamkeiten.", entgegnete Seneca mit einem charmanten Lächeln auf die doch für die Decima ungewöhnlich offene Aussage, welche jedoch schnell wieder verblich als sie sich über ihre Zukunft äußerte, 'Kinder', sicherlich, eine erwartete Aussage von seinem Gegenüber, und doch kaufte ihr Seneca das ganze nicht ab, die Rolle der braven Ehefrau und Mutter, er kannte sie nur flüchtig, hatte aber in einigen Momenten dass Gefühl sie seit einer Ewigkeit zu kennen. Aber was hätte Seneca sagen sollen, es anzweifeln? Es mit einem ungläubigen Grinsen abtun? Letztlich gab es wohl nur die Möglichkeit mit ihrer Antwort konform zu gehen, man war unter sich, man war offen, aber doch gab es Grenzen befand Seneca, welcher den scheuen Blick der Decima jedoch nicht übersah,


    "Kinder.", sagte Seneca knapp, und rang sich ein Lächeln ab, "Durchaus ehrbare Ziele, einer Gattin des Praefectus Praetoriae mehr als würdig.", schob Seneca hinterher, auch wenn er nicht wirklich wusste was einer Frau des PPs würdig war, aber eventuell war er ja mit seinem Unwissen in diesem Raum nicht allein.

  • „Ich kann verstehen, dass du nach Höherem strebst als dein Vater erreichen konnte in seinem Leben. Wenn du auf deinem Weg einmal Unterstützung brauchen solltest... Unterstützung der Art, die ich dir vielleicht geben kann“, ergänzte sie mit einem vagen Lächeln, „dann komm zu mir.“ Das Angebot kam völlig spontan über ihre Lippen, und es überraschte Seiana selbst – aber einmal ausgesprochen, nahm sie es nicht zurück. Im Gegenteil nickte sie nur bekräftigend.


    Die Zustimmung was ihre Gemeinsamkeiten betraf und das charmante Lächeln, mit dem er sie aussprach, trieb ihr eine zarte Röte auf die Wangen, und sie war sich nicht so sicher, ob es gut war mit ihm etwas gemein zu haben. Oder eher, dass sie diese Gemeinsamkeiten entdeckten. Seiana trank einen Schluck Wasser und räusperte sich. Auch das nächste Thema war nicht unbedingt sicheres Terrain für sie. „Ehrbare Ziele für jede Gattin, gleich welchen Mann sie geheiratet hat“, lächelte sie dann unverbindlich. Oberste Pflicht einer Gattin. Kinder. Erben. Sie konnte genauso gut gleich die Scheidung einreichen, wenn sie sich als unfähig erwies Kinder zu bekommen. Und jede Hoffnung auf gesellschaftliches Ansehen als Frau endgültig begraben. Die einzigen Männer, die sie dann wohl noch heiraten würden, wären solche die schon genug Erben hatten, und nur ihren Namen und ihre Verbindungen wollten. Und selbst die würden sich wohl eher ein junges Ding aus einer ähnlich bekannte Familie aussuchen als eine Frau in ihrem Alter. Nein, es wurde Zeit für sie, Zeit dass sie endlich schwanger wurde und bewies, dass sie fruchtbar war. Und gerade deshalb formulierte sie ihre Worte allgemein, auf jede Frau bezogen... war es für sie doch weniger Ziel als vielmehr Pflicht. Und je älter sie wurde, desto größer wurde der Druck, den sie spürte.
    „Hatten wir nicht ein Spiel geplant?“ versuchte sie dann abzulenken und zog ein Spielbrett heran.

  • Seneca nickte dankend, sagte aber nichts weiter zu dem doch recht großzügigen Angebot der Decima, auch wenn Seneca sich die Art der Unterstützung noch nicht vorstellen konnte, so war es doch gut erste zarte Bände mit der "Oberschicht" zu knüpfen.
    Seneca fühlte sich wohl in der Anwesenheit der Decima, ein wohliges Gefühl, wenngleich auch seltsam, schließlich gab es nicht wirklich einen Grund für sein empfinden, es war mehr die gute Atmosphäre, die diskrete und sehr vertrauliche Situation in Zeiten in denen nichts mehr sicher schien, und man seine Worte sehr weise wählen musste, welche ihn so empfinden ließ. Abgesehen davon dass sein Gegenüber doch recht ansehnlich war, trotz eines Füllhorns an Respekt und Bewunderung war Seneca dennoch Sohn seines Vaters, und Sohn des Mars, folglich also ein Mann.


    Aber seine Gedanken wurden jäh unterbrochen als sie das Spielbrett heranzog, und er lächelnd auf dieses blickte, nur um dann Seiana in die Augen zu schauen, "Ich denke das hatten wir, genug der frommen Worte, im Spiel bin ich gnadenlos.", sagte Seneca ehrgeizig, und griff an den hölzernen Rand des Spielfeldes, mit einem leuchten in den Augen, deutete dann jedoch auf Seiana, und überließ ihr den ersten Zug.




    ...Später dann, Seneca hatte das Spiel tapfer dennoch deutlich verloren, sein Becher war leer, mal wieder, aber doch wohl zum letzten Mal an diesem Abend, draußen legte sich die Dunkelheit wie ein Schleier auf die malerische Landschaft vor den Toren Roms, und bei einem Blick aus dem Fenster, so glaubte Seneca zu erkennen, konnte man doch noch einige Leuchtfeuer in der Ferne erkennen, auch wenn das Himmelszelt ein beeindruckender auf den Iunier wirkte.


    Das Haus war ruhig, und Seneca glaubte Seiana bereits schlafend, als er sich noch einmal nach draußen begab um die Wachen zu überprüfen, stumm stapfte er die vom schummerigen Feuer erhellten Pfade ab, und tat meist nicht mehr als den ihm fast unbekannten Männern bestätigend zuzunicken.
    Der Tag war lang, noch einmal atmete er die frische und mittlerweile kühle Luft ein, blickte kurz in die Sterne um seinen Ahnen zu gedenken und macht sich dann wieder auf den Weg in sein Zimmer, durch die Flure welche im dunkeln nochmals größer wirkten, vorbei an den Zimmern, sie wirkten für ihn alle gleich, hoffte er das für ihn bestimmte zu finden..


    Sim-Off:

    Wie abgesprochen.

  • Der Abend war angenehm gewesen, jedenfalls für Seiana – und das lag nicht nur daran, dass ihr hier auf diesem Landgut im übertragenen Sinn die Decke auf den Kopf fiel. Ihr war schon klar, dass die Unterhaltung mit dem Iunius sich nur aus den Umständen heraus ergeben hatte, dass sich sonst wohl kaum diese Gelegenheiten ergeben hätte, aber das änderte nichts daran, dass sie schon lange keinen solchen Abend mehr erlebt hatte, gefüllt mit mehr oder weniger lockerer Unterhaltung, ohne Hintergedanken, ohne Ziele, einfach nur so. Es fiel ihr auf Anhieb kein Tag in den vergangenen Monaten ein, an dem es ähnlich gewesen wäre. Das Verhältnis zu ihrem Mann war mit distanziert wohl noch freundlich umschrieben, und auch sonst... die meisten Gespräche die sie führte waren dienstlicher Natur. Für die Acta, für die Schola. Und sie ließ nur selten zu, dass diese Gespräche in privatere Gefilde abdrifteten. Und das traf mehr oder weniger auch auf ihre Verwandten zu, wenn sie sie denn traf – abgesehen von Faustus. Aber der war fort, und so blieb ihr im Grunde kein Vertrauter, niemand, mit dem sie sich wirklich hätte unterhalten können. Da gab es noch Rhagnall, dem sie vertraute. Und Álvaro war seit der Hochzeit, seit ihre Verwandten aus Tarraco ihn ihr geschickt hatten, ebenfalls zu einem Vertrauten geworden... Beide auf völlig unterschiedliche Art – aber beide eben auch nicht auf jene Art, dass sie sich mit ihnen wirklich unterhalten hätte. Allein schon die Tatsache, dass die beiden ihr gehörten, verhinderte dass Seiana jene unsichtbare Grenze überschritt, die zwischen Herrin und Sklave war – und zumindest in Álvaros Fall glaubte sie, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie hatte nicht vergessen, wie er sich um sie gekümmert hatte vor kurzem. Aber er hatte sich dabei unwohl in seiner Haut gefühlt, das hatte sie ihm angemerkt – am nächsten Morgen, als sie wieder in der Lage gewesen war etwas zu merken.


    Der Abend war also angenehm gewesen, so angenehm wie schon lange nicht mehr, und jetzt stand sie in ihrem nur von einigen Öllampen schwach erhellten Cubiculum und sah zum Fenster hinaus, das zum Garten führte. Faustus. Sie seufzte bei dem Gedanken an ihn. Faustus war fort. Wie so häufig in den letzten Jahren. Viel zu häufig. Er war nicht da... und dabei brauchte sie ihn so sehr. Sie ließ diesen Gedanken selten zu, machte sich selten bewusst, wie sehr sie ihn brauchte, wie sehr sie ihn vermisste, denn wenn sie es tat, wurde der vage Schmerz über seine fortdauernde Abwesenheit akut, wurde zu einem brennenden, wühlenden Sehnen, das ihren Brustkorb zu verengen schien. Deshalb kämpfte sie auch jetzt dagegen an. Es brachte ja nichts, er kam deswegen nicht schneller zurück. Und zurückkommen würde er. Davon war sie überzeugt. Er musste einfach zurückkommen, sie erlaubte sich nicht, etwas anderes zu denken. Die Götter konnten nicht so grausam sein, ihr auch noch ihren kleinen Bruder wegzunehmen. Sie atmete tief durch und versuchte, nicht mehr an Faustus zu denken. Es war noch Zeit, bis sie üblicherweise schlafen ging – sie zögerte diesen Moment stets hinaus, weil sie häufig schlecht schlief, und je früher sie ins Bett ging, desto mehr Zeit hatte sie nur in den frühen Morgenstunden, in denen sie wach lag und sich herum wälzte, bis sie schließlich aufstand. Davon abgesehen hatte sie die Erfahrung gemacht, dass sie wenigstens etwas besser schlief, wenn sie abends nur müde genug war. Aber Gedanken an Faustus halfen sicher nicht dabei, besser zu schlafen, also ließ sie es besser.
    Als sie an diesem Punkt angekommen war, hörte sie auf einmal etwas – leise Schritte auf dem Gang, die durch die halb offen stehende Tür zu ihr herein drangen. Seiana wandte leicht den Kopf, als sie darauf aufmerksam wurde. „Álvaro?“ Der Leibwächter machte häufiger nachts noch eine Runde, das wusste sie. Bran, ihr anderer Leibwächter, tat das nicht – Seiana wusste nicht genau, wie die beiden sich die Aufgaben teilten, aber so lange es funktionierte, war es ihr recht. „Hol mir bitte noch etwas zu trinken.“

  • Seneca schlurfte durch die Gänge, vorsichtig wagte sich sein Blick in diverse Räume vor, die allerdings auch in der Dunkelheit klar als nicht seine zu erkennen waren, und somit bedeuteten dass er weitergehen musste.
    Plötzlich, völlig unerwartet, hörte er eine Stimme welche er trotz der ihm vertrauten Art erst nach kurzem zögern der Decima zuordnen konnte. Etwas zu trinken wollte sie also, Seneca musste unweigerlich grinsen, natürlich konnte es Seiana durch die halbgeschlossene Tür nicht sehen, und war sicherlich auch besser. Seneca überlegte kurz, sollte er das Missverständnis aufklären? Oder einfach etwas zu trinken besorgen? Eventuell würde es Seiana gar nicht passen wenn Seneca die Sache einfach in die Hand nahm, aber was sollte schon passieren?
    Wortlos huschte Seneca wieder zurück in die Küche und schaffte es im schummrigen Licht etwas Wasser in einen Becher zu füllen, den verdutzten Sklaven warf er nur einen nichtssagenden Blick zu, bevor er sich wieder auf den Flur verabschiedete. Im dunkeln erkannte er sogar aus welchem Raum ein wenig Licht schien. Vorsichtig, fast schon unhörbar klopfte er an die Tür, welcher er zugleich auch leicht öffnete..
    "Immerhin bin ich auch in Hispania geboren.", scherzte Seneca mit leiser Stimme und stellte den Becher neben der Tür ab, die Hausherrin wirkte wie so oft sehr nachdenklich, und Sorgenfalten waren ein kleiner Makel auf dem sonst sehr schönen Gesicht der Decima, "Wie dem auch sei, ich habe hier etwas Wasser für dich. Nicht dass du noch verdurstest.", witzelte Seneca erneut, in der Hoffnung ihr ein kleines Lächeln zu entlocken. "Ich wollte mich nochmals für deine Gastfreundschaft bedanken. Wie du dir sicher vorstellen kannst, werden wir Prätorianer selten so freundlich empfangen, und ich habe den Abend sehr genossen.", sagte Seneca, der sich in seiner leichten Tunika doch etwas unsoldatisch fand, aber bequem war sie allemal.

  • Es kam keine Antwort, aber die Schritte entfernten sich wieder, und Seiana dachte gar nicht weiter darüber nach – sie ging davon aus, dass Álvaro tat, worum sie ihn gebeten hatte. Sie blieb also regungslos stehen, wo sie war, und starrte weiter in die Dunkelheit hinein, auch noch, als sie erneut Schritte hörte und gleich darauf ein leises Geräusch an der Tür, ein Klopfen vielleicht, gefolgt vom Öffnen. Álvaro würde ihre Nicht-Reaktion auf ihn schon richtig deuten, dass er den Becher einfach abstellen und wieder gehen sollte.
    Dann allerdings fing Álvaro an zu sprechen – und Seiana zuckte zusammen und fuhr herum, als ihr klar wurde, dass das nicht Álvaro war. Fast schon erschrocken sah sie unerwarteten Eindringling an – und entspannte sich dann spürbar, als sie den Iunius erkannte. Sie verstand zwar nicht ganz den Sinn seiner Bemerkung, dass er ebenfalls in Hispania geboren war – dass sie eigentlich gemeint hatte Álvaro loszuschicken, damit brachte sie das gerade gar nicht in Verbindung –, aber sie lächelte trotzdem flüchtig. Bei seinen folgenden Worten verstärkte sich ihr Lächeln noch ein wenig, weniger wegen seinem Scherz, aber wegen der Geste, dass er ihr Wasser gebracht hatte, obwohl es weder seine Aufgabe gewesen wäre noch die Höflichkeit es erfordert hätte. Er hätte vorhin genauso gut darauf aufmerksam machen können, dass sie sich geirrt hatte. „Dankeschön.“ Sie kam zu ihm hinüber und nahm sich den Becher, trank aber nichts davon. „Das ware nicht nötig gewesen, dass du gehst. Ich hatte nicht daran gedacht, dass jemand anders um diese Uhrzeit noch unterwegs sein könnte.“ Nicht notwendigerweise jemand anders als Álvaro... aber jemand anders als ein Sklave. Wie auch? Seit sie hier angekommen war, war der Gardist der einzige Besucher, den sie gehabt hatte, der einzige, der nicht in irgendeiner Art ihr untergeben war, sei es nun als Sklave oder als Teil des angeheuerten Schutztrupps. „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Höflichkeit ist eine Tugend, die man in der Regel jedem zuteil werden lassen sollte, finde ich.“ Höflichkeit konnte darüber hinaus auch Schutzschild oder Waffe sein – auch beides zugleich. Aber das war nun nichts, was in diesem Augenblick gepasst hätte auszusprechen. „Davon abgesehen habe ich den Abend ebenfalls sehr genossen. Ich habe selten so angenehme Unterhaltung.“ Sie zögerte einen Moment. Die Verlockung war groß, ihn aufzuhalten, sich noch ein wenig mehr zu unterhalten. Den Abend noch ein wenig zu verlängern, den Moment hinauszuzögern, in dem sie schlafen ging, und das ohne sich zu langweilen oder grübelnd aus dem Fenster zu starren. Und: sie genoss seine Gesellschaft tatsächlich. Nur schickte es sich kaum. Es war spät, sie war verheiratet, er war noch dazu der Untergebene ihres Mannes, das hier war ihr Cubiculum, und sie beide waren schon in bequemerer Kleidung als wohl angebracht wäre. Andererseits: wen interessierte, was schicklich war? Hier war noch nicht einmal jemand, dem das auffallen könnte. „Möchtest du mir noch einen Augenblick Gesellschaft leisten?“

  • Seneca lächelte unweigerlich als die Decima ihn darauf ansprach dass er immer noch wach war, "Nun, ich bin nie früh im Bett, die Nachtwachen haben mir wohl andere Zeiten beigebracht, außerdem kommt man zu sehr ins Grübeln wenn man einfach nur so im Bett liegt, ich zumindest.", führte Seneca aus, und blickte danach kurz an der Decima vorbei aus dem Fenster, auch wenn der Blick schnell wieder auf sein Gegenüber fiel. "Ich habe den Abend ebenfalls sehr genossen, es tut gut mal aus der Castra herauszukommen, besonders in so angenehmer Gesellschaft.", entgegnete der Iunier, welcher doch überrascht war dass die sein Auftrag so angenehm war, letztlich hatte er mit einer formaleren Angelegenheit gerechnet, umso größer war natürlich die Freude darüber, dass man sich wirklich gut unterhalten hatte, und Seneca den recht langen Weg nur für einen kurzen, ernsten Blick hinter sich gebracht hatte.
    Irgendwie war es schon erstaunlich wie gut sie miteinander auskamen, auch wenn das Schicksal sie auf eine seltsame Art und Weise bekannt machte, so empfand Seneca es nicht als etwas verwirrendes, oder ungewohntes dass sie nun so, für die Decima vermutlich, locker und doch recht privat miteinander sprachen. Auch die unerwartete Hochzeit zwischen Seiana und seinem Präfekten änderte trotz anfänglicher Vorsicht wenig daran.
    Vielleicht lag es auch daran dass er trotz seines Ranges als Optio immer noch mehr oder minder ein einfacher Miles aus einer Familie war, die gegen das verblassen ihres Ansehens kämpfte, und sie nun zur absoluten Oberschicht gehörte, auch wenn es ihr das sicherlich nicht leichter machte, zumal sie sich auch auf dem Markt schon auf einem abstrakten Weg gut verstanden, weshalb Seneca auch nicht weiter auf dieses Gedankenkonstrukt achtete.
    Als Seiana ihn fragte, ob er noch etwas bleiben wollte, schossen tausend Szenarien durch seinen Kopf, war es ein Test? Oder genoss sie wirklich nur seine Anwesenheit? Würde er für diese Aktion nach Britannia, Parthia oder gar in den Tiber geschickt? Letztlich würde es wohl gar nicht so schlimm sein, andererseits wer weiß, sie war die Frau des Präfekten, aber unhöflich wäre es jetzt auch nein zu sagen, außerdem fühlte sich Seneca auch mehr als wohl, auch wenn seine doch sehr lockere Kleidung nicht die eines Prätorianers repräsentierte...
    Noch bevor man seine Gedanken von außen rasen hören konnte, schob Seneca seine Bedenken beiseite...
    "Es wäre mir eine Ehre.", antwortete Seneca ihr aufrichtig, mit nach oben gezogenen Mundwinkeln, "Apropos noch wach, wie kommt es dass du noch nicht schläfst?"

  • Seiana ließ sich nichts anmerken, aber diese wenigen Momente, die zwischen ihrer Frage und seiner Antwort vergingen, ließen sie mit einem merkwürdigen Gefühl der Anspannung zurück. Es wäre ja im Grunde kein Problem, wenn er nein sagte. Ganz im Gegenteil. Es wäre mehr als verständlich, und er sollte wohl auch nein sagen. Die Möglichkeit allerdings gefiel ihr nicht wirklich... allein der Gedanke daran fühlte sich an wie eine Zurückweisung.
    Sie nippte nun doch an dem Becher, den er ihr gebracht hatte, musterte ihn, wie er zu überlegen schien – und erlaubte sich dann ein Lächeln, als er zustimmte. Ein Lächeln, das dann allerdings wieder ein wenig verblasste. Sie wich seinem Blick aus und sah erneut zum Fenster hinaus, bevor sie sich räusperte. „Aus denselben Gründen wie du, denke ich. Also, keine Nachtwachen. Wenn man mal von mehr oder weniger freiwillig durchgearbeiteten Nächten absieht, weil einfach viel zu tun ist.“ Sie schloss leise die Tür hinter ihm und ging dann wieder in Richtung des Fensters, wobei sie auf eine Sitzgruppe wies und ihm mit der Geste anbot, Platz zu nehmen. „Aber... man kommt zu sehr ins Grübeln, wenn man einfach nur so im Bett liegt. Und ich schlafe ohnehin nicht sonderlich... fest. Oder viel.“ Was eine freundliche Umschreibung dafür war, dass sie meistens ziemlich schlecht schlief.

  • Seneca blickte die Decima an, vielleicht war es die Müdigkeit, oder die doch sehr intime Atmosphäre in welcher sich die beiden befanden, aber Seneca bemerkte natürlich dass ihr einiges auf dem Herzen lag, und das waren sicherlich nicht die profanen Probleme einer Matrone der absoluten Prominenz Roms, sondern scheinbar die eines Menschen mit Bezug zur Realität und einer Unfähigkeit diese Probleme zum Ausdruck zu bringen. Der Wein spielte wohl auch eine nicht zu unterschätzende Rolle, doch nachdem Seneca sich hingesetzt hatte, fasste er sich ein Herz, und bei den Göttern, eine anrasende Barbarenhorde hätte Seneca sicherlich weniger Courage abgerungen, als dieser folgende Satz zu einer sehr verschlossenen Dame..


    Seneca blickte kurz auf den Boden, atmete tief ein, blickte dann schnell wieder rauf, und sprach es einfach gerade heraus..
    "Es steht mir nicht zu dich so etwas persönliches zu fragen. Und es schickt sich nicht, aber wir sind unter uns, weshalb ich diese Gelegenheit nutze. Ich sehe dass es dir nicht gut geht.", Seneca blickte auf seine Hände, die Regungen andeuteten, welche als Vorstufen von Gestikulationen gewertet werden konnten, dann blickte er wieder auf, "Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es nur darum geht dass du hier auf dem Land, nun ja, gestrandet bist. Wenn du jemanden zum sprechen brauchst, ohne die Maske der römischen Gesellschaft, ohne Politik oder Taktik, nur wir zwei sind hier. Ich bin Prätorianer, Verschwiegenheit ist mein Credo, auch ohne Uniform..., der Iunier war selbst sichtlich überrascht von seinen Worten, sie sprudelten aus ihm heraus, auch wenn sie gar nicht mal so übel gewählt waren wie er fand. Etwas peinlich berührt scheute er nun allerdings den Blickkontakt mit seinem Gegenüber, und blickte in die Nacht hinaus, Bruchteile einer Sekunde fühlten sich wie quälende Stunden für ihn, was einmal raus war, konnte man auch nicht zurücknehmen, weshalb er sich vorsorglich um eventuell nötige Schadensbegrenzung bemühte,
    "Falls du das allerdings nicht wünschst, so akzeptiere ich das natürlich, und überlasse dich selbstredend deinem Schönheitsschlaf.", fügte er kleinlaut hinzu, auch wenn sie den 'Schönheitsschlaf' gewiss nicht benötigte, aber es wäre nicht passend gewesen seine Argumentation durch Schmeicheleien zu entkräften..

  • Einen Moment herrschte Schweigen. Er hatte sich inzwischen hingesetzt, sie lehnte am Fenster, und es herrschte Schweigen... keines von der unangenehmen Sorte, jedenfalls hatte Seiana diesen Eindruck. Das allerdings mochte auch nur daran liegen, dass sie sich gerade wohl fühlte, dass sie seine Gesellschaft mochte und froh war, dass er zugestimmt hatte ein wenig zu bleiben.
    Als der Iunius dann allerdings doch wieder sprach, verschlug das, was er sagte, Seiana für Augenblicke die Sprache. Warum war sie so leicht zu lesen, kaum dass sie sich etwas öffnete? Warum gab es keinen Mittelweg – warum hatte sie immer nur die Wahl zwischen einer kompletten Maske, die nichts durchließ, weder nach außen noch nach innen... oder jener Offenheit, bei der sie unbeabsichtigt viel zu viel über sich verriet?
    Diesmal war sie es, die das Schweigen lang werden ließ, die nichts sagte. Sie starrte ihn an und suchte nach Worten. Nach solchen, die die seinen als lächerlich abtun würden. Nach solchen, die Empörung ausdrückten. Nach solchen, die einfach darüber hinweg gingen. Aber sie fand keine. Vielleicht lag es an der Atmosphäre dieser späten Stunde, zu der ihr Cubiculum nur von einigen Öllampen erhellt war, vielleicht an der Einsamkeit hier, die so verstärkt wurde durch den Mangel an Ablenkung, vielleicht daran, dass sie sich heute ja schon Stück für Stück geöffnet hatte... vielleicht lag es auch daran, dass sie sich nach ihrem Bruder sehnte. Nach der Vertrautheit und Geborgenheit, die Faustus bedeutete, und dass der Iunius mit seiner ruhigen und so sicheren Art sie ein wenig daran erinnerte, auch wenn er sonst mit Faustus nicht allzu viel gemein zu haben schien. So oder so fand sie keine Worte, um die seinen einfach abzutun.


    „Von Schönheitsschlaf kann kaum die Rede sein“, entgegnete sie schließlich zunächst, in einer seltsamen Mischung aus Spott und Bitterkeit. Sie sah nach unten, hob eine Hand auf Nabelhöhe und betrachtete sie, zuerst Innenfläche, die nach oben wies, dann drehte sie die Hand und spreizte die Finger. Sie wollte nicht allein sein. Und doch hatte sie das Gefühl, dass sie es schon seit Jahren war. Der einzige, der ihr bislang dieses Gefühl nehmen konnte, war Faustus, aber der war nicht da, wie so oft in den vergangenen Jahren, und wie so oft wusste sie noch nicht einmal, ob er überhaupt noch lebte.
    Und dann war hier der Iunius, der ähnlich wie Faustus allein schon mit seiner Gegenwart dazu beitrug, dass sie sich nicht mehr so allein fühlte – und ihr jetzt auch noch mit simplen Worten mehr anbot. Mehr Gesellschaft. Mehr Vertrautheit. Freilich auch mehr Risiko, mehr Gefahr, enttäuscht, verletzt zu werden. Aber letzte Zeit hier, die Einsamkeit, ihre vorübergehende Flucht in den Alkohol, bis sie irgendwann zusammengebrochen war, und dieses Gefühl der eigenen Erbärmlichkeit in dieser Lage... ließ das Risiko plötzlich geringer erscheinen, geringer im Vergleich dazu, sich wenigstens für einen Abend nicht mehr allein zu fühlen.
    Mit einem hilflosen Verziehen der Mundwinkel, das vielleicht so etwas wie ein Lächeln darstellen sollte, hob sie die Schultern. „Ich...“ begann sie und hörte wieder auf. Da war immer noch diese Sprachlosigkeit. Immer noch diese... dieses Unvermögen, mit dieser Situation angemessen umzugehen – generell Situationen wie dieser, wenn jemand es schaffte ihr zu nahe zu kommen. Und obwohl sie nicht wollte, dass er ihre Worte als Ablehnung auffasste und ging, fiel es ihr schwer, sich noch weiter zu öffnen, allein schon aus Gewohnheit. „Ich brauche Arbeit. Ich brauche... etwas zu tun, das mich ablenkt. Die Grübeleien nehmen sonst überhand. Und die Einsamkeit auch.“ Sie räusperte sich leise. „Hier verstärkt sich das, ist mehr als üblich. Mehr als ich gewohnt bin.“

  • Seneca war sich nicht sicher was die Aussage Seianas bedeuten sollte. Letztlich klang ihre Erklärung plausibel, von der täglichen Beschäftigung nun in den Müßiggang gezwungen zu werden könnte durchaus belastend sein, andererseits blieb ein Zweifel. Er blickte nachdenklich auf den Boden als die Decima sprach, und sich eine Art Blockade aufbäumte, welche Seneca allerdings nicht zulassen wollte, und deshalb bemüht war schnell die passenden Worte zu finden. Aber es war nicht leicht, die Situation schien fragil, wie auf einem schmalen Grat der zu gleichen Teilen in beide Richtungen mit einem Abgrund drohte, welcher das ganze Verhältnis zwischen Seiana und Seneca zerrütten konnte. Vielleicht interpretierte Seneca auch einfach zu viel in die Wort der Decima hinein, vielleicht meinte sie es ja ernst, vielleicht ging es ihr nur um die Arbeit, und trotzdem wähnte der Iunier noch so viel mehr im argen.


    Seneca versuchte sich ein verständnisvolles Lächeln abzubringen, er blickte ihr in die Augen, ruhig, und doch ganz da, noch immer um die passenden Worte ringend...
    "Ich verstehe, nun,..", Seneca überlegte noch ob er die undiplomatische Variante wählen sollte, und einfach drauf los fragt ob da noch mehr ist, aber letztendlich war er nicht ihr Vater, ihr Bruder oder ihr Ehemann, welcher sie vermutlich nicht unbedingt besser kannte wie er, und trotzdem hatte er das Recht tiefer zu bohren, ein Privileg, welches sich Seneca natürlich niemals selbst zugestanden hätte..
    "Ich kann mir vorstellen dass es nicht leicht für dich ist, aber lange musst du ja sicherlich nicht mehr durchhalten.", sagte er dann, klar, Worte welche an Belanglosigkeit kaum zu übertreffen waren aber was hätte er tun sollen? Er konnte schlecht die Redaktion der Acta verfrachten lassen, noch konnte er sie einfach gegen den Befehl des Präfekten in die Stadt zurückholen, und das obwohl er sie, trotz des relativ distanzierten Verhältnisses, so gerne hätte glücklicher gesehen. Sorgenfalten standen ihr nicht, das unaufhörliche Grübeln, auch wenn es wohl ein Charakterzug Seianas war, machte auch ihn zum Grübler, so sehr es ihn auch erstaunte, empfand er eine unglaubliche Empathie mit seinem Gegenüber, und das obwohl er es als Prätorianer eigentlich gewohnt war solche Gefühle beiseite zu schieben.


    So ganz wollte er sich dann allerdings doch nicht geschlagen geben. Etwas um die Ecke gedacht natürlich, nicht so plump und direkt wie in seinem ersten Anlauf, sodass sie es vielleicht gar nicht merken würde. Und wenn doch wäre sie wohl geschickt genug seine wohlgesinnte Intention zu erkennen..
    Er kratzte sich kurz an der Wange, und ergriff erneut das Wort, "Du könntest natürlich auch deinem Ehemann schreiben, er hat doch sicher ein Einsehen.", formulierte er vorsichtig..

  • Seiana war sich nicht so sicher, ob er wirklich verstand – und seine nächsten Worte bewiesen, dass er es nicht tat. Lange musst du nicht mehr durchhalten. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und fragte sich, wie es wohl wäre, wenn dieser Zwang nach Beschäftigung endlich weg wäre. Wenn sie es einmal würde genießen können, einfach nichts zu tun. Sie konnte es sich nicht einmal wirklich vorstellen. Nein, wenn sie tatsächlich zurück nach Rom konnte, würde es nicht aufhören. Es würde nur besser werden, und das auch nur, weil sie dort genug Ablenkung haben würde.
    Allerdings zögerte sie, ihn zu korrigieren. Ihn darauf hinzuweisen, dass ihre Worte nicht so gemeint gewesen waren. Dass sich durch den Müßiggang des Landguts nur alles verstärkte, aber dass ihr Aufenthalt hier nicht die Ursache war. Vielleicht war es besser so, wenn er so dachte. Ganz sicher war es klüger, ihn in diesem Glauben zu lassen und das Gespräch zu beenden. Sich nicht noch weiter zu öffnen als ohnehin schon. Kein Risiko einzugehen.


    Sie war nahe dran, sich tatsächlich so zu verhalten – ihm Recht zu geben, mit einem Lächeln, sich dann noch ein wenig zu unterhalten, damit es nicht zu unhöflich wirkte, und ihn dann bitten ihr Zimmer zu verlassen. Sie war nahe dran, den sicheren Weg zu gehen. Aber dann, bevor sie etwas sagen konnte, hörte sie seiner Stimme erneut, und was er sagte, ließ sie für einen Moment die Lippen aufeinander pressen – und ihren gerade erst gefassten Beschluss vergessen. „Vielleicht. Aber ich glaube nicht.“ Sie kannte den Terentius nach wie vor nicht sonderlich gut, aber der Eindruck, den sie von ihm sowohl vor als auch nach der Hochzeit gewonnen hatte, war der eines langgedienten, hochrangigen Militärs – mit allen Vor- und Nachteilen, die das hatte. Und zu den Nachteilen gehörte eindeutig, dass er sich nicht viel von anderen sagen ließ. Oder dass er sie gerne mal wie einen seiner Soldaten behandelte, anstatt mit ihr zu reden. Und dazu gehörte auch, dass er sie vor vollendete Tatsachen stellte, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, und dass er erwartete, dass sie gehorchte, ohne Widerspruch. Was sie vermutlich zu häufig auch einfach tat, schon allein um Ärger zu vermeiden. „Er...“ Nein. Sie wollte jetzt nicht über ihren Mann reden. Schon gar nicht mit dem Iunius, der einer seiner Untergebenen war. „Und selbst wenn, würde es nur bedingt etwas ändern“, fügte sie also stattdessen an, und ohne es bewusst zu wollen, ja, ohne es selbst zu merken, verteidigte sie mit ihren Worten auch ein wenig ihren Mann. Er mochte nicht der beste aller Ehemänner sein, aber er war auch nicht der schlechteste. Und ihre Probleme lagen nicht an ihm. „Hier, in dieser Situation, unter diesen Umständen, ist es nur... stärker. Es ist... Es liegt an mir. Ich bin nicht gut im Alleinsein.“ Sie lächelte traurig. Für einen Moment hielt sie seinem Blick noch stand, dann wich sie aus und richtete ihre Augen irgendwo schräg hinter ihm auf die Wand, während ihr Blick ins Leere ging. „Ich bin unabhängig, ich sorge für mich selbst, und darin bin ich gut... aber nicht darin, allein zu sein. Nicht darin, mit mir selbst klar zu kommen, wenn nichts mehr da ist, was mich ablenkt.“

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