cubiculum | Aurelia Prisca

  • Auch Siv vergaß nicht, wer sie waren – und auch sie konnte sich nicht des Gefühls erwehren, dass es in diesem Moment keine Rolle spielte. Vielleicht würde das in wenigen Augenblicken schon wieder verschwunden sein, aber jetzt saß sie einfach nur da und hielt Priscas Hand, wie die einer Freundin, die einfach etwas Nähe und Zuwendung brauchte. Nicht mehr und nicht weniger. Entsprechend wandte Siv auch nicht ihren Blick ab, als Prisca sie kurz, aber forschenden ansah. Sie fühlte sich nicht ganz wohl dabei, hatte sie doch immer im Hinterkopf, dass im Grunde niemand erfahren durfte, was sie in Bezug auf Corvinus wirklich bewegte. Und hätte Prisca sie direkt gefragt, Siv hätte ausweichend geantwortet, in einer Weise, die letztlich nichts sagte, außer dass sie seine Sklavin war. Priscas Blick aber forderte nichts, fragte nichts, sondern beobachtete nur, und das, in diesem Moment, in dem es keine Rolle spielte, wer sie waren, war es letztlich, was dazu führte, dass Siv diesen Blick offen erwiderte, ohne auszuweichen oder zu verstellen, was möglicherweise in ihren Augen zu lesen war. So offen, wie die Aurelia ihr gegenüber gewesen war, wollte sie sich auch gar nicht verstellen, noch weniger als ohnehin schon. Und auch wenn ein Rest des Unwohlseins blieb, im Grunde ihres Herzens war Siv Prisca dankbar für diese Gelegenheit, die sie ihr bot, für diesen Moment der Offenheit, der zwischen ihnen herrschte.


    Auf ihre folgenden Worte hin erwiderte Prisca zunächst nichts, und für Augenblicke hatte Siv das Gefühl, als ob die Gedanken der Aurelia fern von ihr weilten, irgendwo anders. Sie ahnte nicht, was ihre Worte bei der anderen auslösten, aber sie selbst fing auch wieder an zu grübeln. Früher hatte sie sich selten Gedanken gemacht über ihre Zukunft. Sie hatte einfach ihr Leben leben wollen… Und hatte auf die Gegebenheiten reagiert, wie sie gekommen waren. Auch als ihr Vater sie schließlich verheiratet hatte, als ihr Mann gestorben war, selbst als sie von den Römern verschleppt worden war, hatte sie sich über die Zukunft keine Gedanken gemacht. Sicherlich hatte sie darüber nachgedacht, was wohl auf sie zukommen würde, wie sich ihre Situation entwickeln würde, aber wirklich Gedanken gemacht, welche Wendungen ihr Leben noch nehmen würde, das hatte sie nicht. Erst seit sie hier in Rom war, und auch hier erst seit einiger Zeit, hatte sie damit begonnen. Lag es an ihr, an ihrer Art, oder daran, dass sie älter wurde – oder an beidem? Sicherlich spielte auch eine Rolle, dass sie nun nicht mehr alleine war, dass sie sich nicht mehr nur um sich selbst Gedanken machen musste… Ein Lächeln, mehr ein Hauch, hob ganz leicht Sivs Mundwinkel, als sie an ihr Kind dachte. Sie würde ihm eine Zukunft bieten, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was für eine das sein mochte. Sie erwiderte den leichten Händedruck, als die Aurelia in die Gegenwart zurückfand, und als diese dann ihnen beiden Fortunas Wohlwollen wünschte, breitete sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln aus. "Danke", murmelte sie. Ihre Wünsche… Sie wusste nicht, ob eine Göttin – noch dazu eine römische – ihre Wünsche erfüllen würde, aber wer wusste das schon.


    Anschließend ließ Prisca ihre Hand wieder los und erhob sich erneut, ging zum Fenster, sah hinaus. Und wie zuvor blieb Siv sitzen und sah ihr zu, während sie auch diese Pause nutzte, um ihren Gedanken nachzuhängen, ohne diesmal allerdings über etwas Bestimmtes zu grübeln. Sie ließ sie einfach schweifen, während ihr Blick an Prisca vorbei in den Garten hinauswanderte. Die leisen Worte aus dem Mund der Römerin vernahm Siv nicht, aber die darauffolgenden ließen die Germanin zunächst überrascht blinzeln. Damit hatte sie nicht gerechnet. "Wie… ich? Was ich…" Sie stockte einen Moment, blinzelte noch einmal. "Ich würde gern raus. In einen Wald. Dort rumlaufen. Füße in einen Bach strecken. Bäume umarmen." Sie grinste etwas verlegen, als sie das sagte. Selbst in Germanien war diese Angewohnheit von ihr weit häufiger auf zweifelnd hochgezogene Augenbrauen getroffen denn auf Verständnis. Einen Augenblick zögerte sie anschließend, überlegte, dann entschied sie sich, nicht nach dem Warum zu fragen, sondern Prisca schlicht die Gegenfrage zu stellen. "Was ist mit dir?"

  • Offenheit und Ehrlichkeit sind selten genug anzutreffen, sodass man nicht immer sofort erkennen kann, wann es jemand wirklich aufrichtig meint. Vielleicht ist das auch der Grund, warum man seine Gefühle selbst nie so offen zeigen mag und sie stattdessen lieber hinter einer Maske geschützt und verborgen hält. Schade eigentlich angesichts solcher Momente wie dieser, in denen niemand das Bedürfnis verspürt sich verstellen zu wollen.


    Zumindest Prisca tat es nicht und auch Siv machte nicht den Eindruck, dass sie etwas hinter ihren Blicken verbergen wollte, mit denen sie der Aurelia direkt in die Augen sah. Fast schon zu direkt für eine Sklavin, aber Prisca störte sich nicht daran. Bei einer anderen Sklavin vielleicht, doch nicht bei Siv. Sie wirkte aufrichtig und ehrlich so als gäbe es keinen Standesunterschied zwischen ihnen und insgeheim genoss Prisca diese entspannte Atmosphäre, die zwischen ihnen entstanden war und es gab keinen Grund, diese Offenheit wieder zu zerstören. Nein, dazu waren solch kostbare Momente viel zu selten.


    Ein flüchtiges Lächeln huschte über Priscas Lippen da Siv sichtlich irritiert auf ihre Frage reagierte. Doch schnell hoben sich ihre Augenbrauen voller Verwunderung darüber, was Siv gerne so alles tun würde. "In den Wald, um dort Bäume zu umarmen? … Und zu welchem Zweck soll das gut sein. Verehrt ihr etwa so eure Götter?" Vielleicht eine Art Ritual oder Brauch ... hmm, … seltsame Bräuche haben die Germanen, dachte sich Prisca, wobei ihre Stimme nicht abwertend klang bei dieser Frage, sondern einfach nur neugierig.


    Schließlich hatte sie die Frage auch aus dem einfachen Grund gestellt sich inspirieren zu lassen, mal etwas spontanes zu tun. "In den Wald?! … hmm", meinte Prisca anschließend mit nachdenklicher Miene und zog die Möglichkeit für sich noch einmal in Betracht. Ihr Blick schweifte ein weiteres Mal über den großzügig angelegten Garten der, durch hohe Mauern gut geschützt, an die Villa angrenzte.Ein Ausflug ins Grüne wäre in der Tat eine sehr gute Idee. … Mal wieder raus aus Rom und all den Mauern! … Doch ob sie auch Bäume umarmen würde? Das wohl eher nicht …


    "Was hältst du davon wenn wir gemeinsam einen Ausflug ins Grüne unternehmen? … Die Wälder um Rom sind zwar nicht mit denen in Germanien zu vergleichen, aber ich denke den einen oder anderen Baum zum umarmen wirst du dort auch finden", wandte sich Prisca schließlich schmunzelnd zu Siv um und sie blickte ihr dabei aufmunternd in die Augen. Denn diesmal war es kein Befehl, sondern die freie Entscheidung der Sklavin ob sie mitkommen wollte.

  • Wie üblich saß Prisca vor dem Zubettgehen, in ihrem cubilculum am Schreibtisch um zu lesen, Gedichte zu schreiben, zu zeichnen oder - so wie heute - die angefallene Korrespondenz der vergangenen Tage zu erledigen.


    Ach sieh mal an. Calvena lädt auch zu einer Feier ein, stellte Prisca überrascht fest, als sie das geschmackvoll gestaltete Einladungsschreiben entfaltete.



    Ad Aurelia Prisca
    Villa Aurelia
    Roma




    Wie es schien hatten nicht nur sie und ihre Tante die Absicht ein Fest zu veranstalten. Und nun war die Germanica also schneller. Natürlich werde ich mir dieses Fest nicht entgehen lassen. … Allein um zu sehen was Calvena für neue Überraschungen zu bieten hätte angesichts der Tatsache, dass das Fest bei den beiden Iunia bereits mehr als beeindruckend gewesen war.


    Aber im wesentlichen ging es Prisca natürlich darum, ihre Freundinnen wieder zu sehen und deshalb griff sie - ohne zu zögern - nach der Feder und setzte ein kurzes Antwortschreiben auf.


    Anschließend rief die Aurelia einen Sklaven herbei, dem sie das Schreiben mit dem Auftrag überreichte, es gleich am nächsten Morgen zur Casa Germanica zu bringen. Nachdem dies erledigt war grübelte Prisca noch ein wenig über ihre eigenen Planungen, ehe sie dann müde zu Bett ging.

  • ... überdauern, bis in alle Zeit ...




    An Aurelia Prisca
    Villa Aurelia
    Roma
    Italia



    So samtig wie ein Pfirsich hat zu sein,
    so leicht wie Federn, aufgewühlt vom Wind.
    So zart wie Feigen, die am Land gedeih’n,
    ein Duft wie Flieder, den man selten find‘t.


    Dergleichen habe ich vernommen hier
    dergleichen habe ich wohl jüngst verspürt,
    ach, wie erweichte es das Herze mir,
    ach, wie die Seele in mir war berührt!


    Denn Seide war es, von dem ich geglaubt,
    in meinen Händen hätt‘ ich es gefühlt
    Doch meines Atems war ich wohl beraubt,
    wie innerlich war ich doch aufgewühlt.


    Ich dachte nie, dass es je möglich war,
    dass hier ein Mensch so göttlich‘ Hände hat.
    Oblag es mir, zu schätzen, ob fürwahr,
    es wahr ist, dass es Hände gibt, so glatt?


    Doch griff ich sie, und Zweifel hier verschwand.
    Es gibt auf Erden Frauen, die allhier
    Besitzen einen solche schöne Hand.
    Ich hielt so eine – sie gehörte dir.


    Bei dir, da hörte meine Suche auf,
    nach Händen, die ein‘ Göttin haben kann.
    Es war hier, dass ich, wohl in Schicksals Lauf,
    auf einen Schlage ward ein sel’ger Mann.


    So fand ich sie, bei dir, was ich ersehnt,
    der Gram hört auf, und meine Seele singt.
    Ich fand dich, was ich nirgendwo gewähnt,
    der‘n schöner Name blumengleich erklingt.


    So seidenhändig, hold und wundersam
    Solch Edelmut – wer kann da widersteh’n?
    Oh Blume, deren Hände ich einst nahm,
    wann werd‘ ich Leidender dich wieder seh’n?



    Mit höchster Wertschätzung und in zutiefster Verehrung,


    [Blockierte Grafik: http://img29.imageshack.us/img29/589/unterschriftafp.png]



    Du meine Güte! Prisca wusste beim besten Willen nicht ob sie träumte oder wachte. So ein wunderschönes Geschenk… hatte sie noch nie bekommen und noch nie hatte ein Mann ihr derartige Komplimente gemacht. Obwohl Prisca das Gedicht nun schon mindestens zwanzig mal durchgelesen hatte, berührten die Worte sie wie beim ersten Mal. Er schreibt er leidet? Und er will mich wiedersehen … Keine Sekunde zweifelte Prisca daran (oder sie wollte es zumindest nicht), dass das Geschriebene nicht nur des Reimes wegen geschrieben wurde. Pisos Worte drückten so viele Gefühle aus und er weckte ebenso viele in ihr. … So viele Gedanken, Hoffnungen, Wünsche, Träume, dass Prisca es kaum wahr haben wollte ...


    Auf alle Fälle würde sie dieses Gedicht noch unzählige Male lesen und es in Ehren halten. Verschlossen in ihrem geheimen Schmuckkästchen, um es immer dann hervor zu holen wenn sie sich vor Sehnsucht verzehrte. So lange, bis das Papier völlig abgegriffen und die Schrift womöglich längst verblasst wäre ... nur die Worte die da geschrieben standen, seine Worte! ... Diese würde Prisca niemals mehr vergessen ....

  • Vom Garten her kommend lief Prisca geradewegs in ihr cubiculum, um dort schluchzend auf ihr Bett zu fallen. Oh! Sie war so ... so wütend, verzweifelt, beschämt und …und … und so vieles mehr. Dieses Gefühlschaos in ihrem Herzen! Niemals würde es sich wieder ordnen lassen. Davon war Prisca überzeugt und gleichzeitig wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben. Warum habe ich mich nur so gehen - mich hinreißen lassen? Warum nur?? So spontan! Dieser Kuss, er ... war so schön und doch war es dumm… Musste Marcus ausgerechnet in dem Moment erscheinen und alles mit ansehen? Was wird er jetzt von mir und Piso denken? ...Ach Piso! Du Schuft! Warum musstest du unseren Kuss einfach so abtun, als sei es eben nun mal passiert und damit gut. Nichts weiter? Ohh wie kann er nur derart abgebrüht sein? Er …er war doch so nett und sympathisch … so anders, als wir uns auf dem Markt über den Weg gelaufen sind! Oder sind am Ende doch alle ... Männer gleich?...


    Wie sie es auch drehte und überdachte, sie fand einfach keine 'Anleitung zum glücklich sein'. Ich werde niemals einen finden, der mich wirklich l .l arrrhhhrr!!! Nicht einmal mehr in ihren Gedanken wollte Prisca dieses Unwort in den Mund nehmen und stattdessen schlug sie lieber mit den Fäusten auf das weiche Kopfkissen ein, welches klaglos die Schläge und Tränen schluckte und das wütende Schluchzen der Aurelia ein wenig dämpfte. Alles grübeln und die vielen (Selbst)Vorwürfe vermochten die Schmach nicht zu lindern, die sie erlitten hatte. Schlimmer noch wog allerdings der Schmerz in ihrer Brust, tief drinnen in ihrem Herzen, gegen den die Aurelia machtlos war. Ohne es selbst zu verstehen, weshalb und woher diese Gefühle so plötzlich gekommen waren, konnte Prisca einfach nichts dagegen tun, dass ich ihn


    "Liebe![SIZE=7] … Pah! Warum empfindet sie nur so für diesen Rüpel vom Markt?"[/SIZE], murmelte Saba kopfschüttelnd als sie gerade die Türe zum cubiculum der Herrin erreichte. Natürlich hatte die Sklavin das Geschehen heimlich weiter verfolgt, nachdem ihr der Hausherr die Frage gestellt hatte wo denn dieser Flavier abgeblieben wäre. Es konnte (und sollte) ihr eigentlich egal sein was die Herrschaften so trieben, doch ein bisschen mitschuldig fühlte sie sich schon, da sie so schnell und ehrlich Auskunft erteilt hatte. Im Grunde hatte Saba dies nur getan weil sie diesen Flavier nicht mochte, ohne allerdings die Herrin damit unglücklich machen zu wollen.


    "Herrin? … Kann ich etwas für dich tun?", meldete sie sich deshalb zaghaft zu Wort, nachdem sie vorsichtig die Türe zum cubiculum ein wenig aufgezogen hatte. "Ja …verschwinde einfach!", kam es fauchend vom Bett aus zurück. "Aber Herrin, ich …" - "Du sollst verschwinden! Hörst du schlecht?" - "Nein, aber ich wollte doch …nur …" - "RAUS HAB ICH GESAGT!!" Auch der letzte Versuch von Saba ihrer Herrin, in dieser schweren Stunde bei stehen zu wollen, endete damit, dass die Aurelia wahllos nach einem Gegenstand griff und diesen ziellos in Richtung der Sklavin schleuderte.


    Nur um Haaresbreite verfehlte jener Gegenstand (in Form einer Blumenvase) die Sklavin und zerbarst stattdessen mit einem lauten Klirren am Türstock. Das war unmissverständlich! Saba zumindest hatte genug (gesehen): "Aahhh! Ich … Ich geh ja schon! Verzeih Herrin und … bis später dann, irgend wann!" Niemand konnte nun behaupten sie hätte nicht alles versucht, aber der Herrin war im Moment nun mal nicht zu helfen …

  • Es war einer dieser schönen sonnigen Frühlingstage, an denen sie kaum etwas im Haus hielt. Bewaffnet mit einer Lektüre und recht beschwingt schlenderte sie durch die Gänge des Hauses. Gerade als sie an Priscas Zimmer vorbei kam, hörte sie erst eine laute aufgebrachte Stimme – eindeutig die von der Aurelia, und dann wie eine Vase am Türrahmen zerschellte. Leise schimpfend eilte die Leibsklavin ihrer Cousine an ihr vorbei und Flora blieb etwas verwundert mitten im Gang stehen. Unentschlossen sah sie auf die geschlossene Tür, anscheinend war Prisca wütend, sollte sie dennoch einmal nach ihr sehen? Nicht dass sie am Ende den Zorn ihrer Cousine auf sich zog. Aber irgendwie wollte sie Prisca auch nicht allein lassen. Wenn sie selbst wütend war, dann steckte sie meist mit Narcissa die Köpfe zusammen, doch Prisca hatte eben keine große Schwester an deren Schulter sie sich ausweinen konnte. Schließlich gab sie sich einen Ruck und klopfte ganz zaghaft an die Tür. Nicht dass ihr nun auch noch Gegenstände an den Kopf geworfen wurde. „Prisca, ich bins Flora. Ist alles in Ordnung?“ fragte sie durch die geschlossene Tür und wartete einfach ab, was kommen würde. "ich hab gehört, wie was zu Bruch ging!" fügte sie noch hinzu.

  • Leer wie das Tischlein, auf dem bis eben noch die Vase gestanden hatte, fühlte sich Prisca innerlich und so wie die Vase da am Boden lag, glaubte Prisca auch ihr Herz in tausend Scherben zerborsten. Die Sklavin tat gut daran schleunigst den Rückzug anzutreten, denn zweifelsohne wäre sie kaum die Richtige, an deren Schulter sich Prisca hätte ausweinen wollen. Doch wen hab ich schon? ...Marcus!? Nein, obwohl ihr der Onkel als erstes einfiel, wäre gerade er doch diesem speziellem Falle der Letzte, dem sich Prisca mit ihrem Kummer hätte anvertrauen können. Und Laevina? - Ihre Lieblingscousine war einfach zu weit weg ...Ursus, Celerina oder Septima vielleicht? Nein so vertraut war Prisca mit allen (noch) nicht, dass sie ihnen ihr Leid hätte kund tun können. Mein Halbbruder gar?...nein, nein, nein … niemals, gleichzeitig mit diesem unsinnigsten aller Gedanken, schüttelte sich Prisca weinend auf ihrem Bett hin und her...


    Da klopfte es erneut an der Türe und Prisca hielt kurz die Luft an. Flora? Tatsächlich! Es war ihre jüngere Cousine die sie, im Doppelpack mit Narcissa, seit ihrer Kindheit her gut kannte. Oh ja, sehr gut sogar! Die vielen gegenseitigen Besuche und gemeinsamen Ausflüge mit ihren Cousinen hatte Prisca immer sehr genossen, obwohl sie eigentlich stets den beiden Zwillingsschwestern unterlegen war, zumindest, wenn es ums gegenseitige Necken und Streiche spielen ging. Oh, wie sehr beneidete Prisca die Beiden darum, dass sie einander hatten und ausgerechnet Flora musste nun vor ihrer Türe stehen und ganz naiv fragen, ob alles in Ordnung sei. In Ordnung?, gar nichts war in Ordnung, genau das war es ja …


    "Es … es ist nichts Flora, danke! ...Alles in Ordnung. … Lass, lass mich … einfach in … Ruhe! Ja?", erwiderte Prisca schluchzend und mit hilflos klingender Stimme bei dem halbherzigen Versuch, so abweisend wie möglich zu klingen. Flora kam so gelegen, dass Prisca sich einfach nicht dazu durchringen konnte, ihre Cousine spontan herein zu bitten und sich ihr bereitwillig anzuvertrauen - so gern sie es auch getan hätte .. Es ging nicht. Und was machte sie stattdessen? …


    Schluchzend vergrub Prisca das Gesicht einfach noch tiefer in das Kissen und wünschte sich nur weg! Weit weg! An einen fernen Ort und fern von all dem, was ihr so viel bedeutete ...

  • Es blieb einen ganzen Moment lang still hinter der Tür. Anscheinend schien Prisca mit sich zu ringen, oder aber Flora interpretierte zu viel in diesen Wutausbruch, oder was auch immer es sein sollte. Besser wäre es, wenn sie ihre Cousine wohl einfach in Ruhe ließ, aber sie konnte das Gefühl nicht wirklich abschütteln, dass Prisca doch jemandem zum reden brauchte, oder aber zumindest ihr das Gefühl gab nicht allein zu sein. Wie praktisch es da doch als Zwilling war, selten war sie allein, Sie hatte immer Narcissa mit der sie ihren Kummer und ihre Gedanken teilen konnte. So wartete sie einfach bis eine Reaktion kam. Schließlich konnte das Buch noch warten.


    Deutlich war zu hören, selbst durch die Tür durch, dass Prisca aufgelöst war. Deshalb nahm sie ihr nicht ab, dass es ihr gut ging. Kurz wog sie ab, ob sie einfach die andere Aurelia allein lassen sollte und damit dem Wunsch nach kam zu gehen, oder ob sie einfach einmal alle Regeln der Höflichkeit außer acht ließ und nach Prisca sah. Schließlich entschied sie sich für letzteres, auch wenn sie Gefahr lief, ebenfalls eine Vase oder einen ähnlichen Gegenstand an den Kopf geschmissen zu bekommen. Das Risiko ging sie jetzt einfach mal ein. Kurzerhand drückte sie die Tür auf und fand eine schluchzende Prisca auf dem Bett vor. Sie kannte diese Haltung, auch sie vergrub sich meist selbst so in den Kissen um sich dann ganz weit Weg zu wünschen, oder zumindest jemand Anderes zu sein. Es war eben nicht immer einfach, diejenige zu sein, zu der man erzogen worden war und an manchen Tagen war dies besonders schrecklich.
    Kurz lies sie ihren Blick durch das Zimmer gleiten. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass keine harten Gegenstände in Reichweite von Prisca waren, also konnte sie davon ausgehen, dieses Zimmer ohne schwere Verletzungen wieder verlassen zu können. Vor Kissen fürchtete sie sich jedenfalls nicht.


    Da sie ihre Cousine etwas trösten wollte, setzte sie sich schließlich zu ihr auf die Bettkante und legte ihr leicht eine Hand auf die Schulter. Eine Geste die ihr wohlvertraut war, wie oft trösteten sie und Narcissa auf diese Weise. „Willst du reden?“ fragte sie schlicht. „Oder soll ich noch mehr Vasen besorgen, die du zerdeppern kannst? Das hilft!“

  • Ob Flora ihre Abweisung respektieren und wieder gehen würde? Oder würde sie es riskieren, trotzdem einzutreten auch auf die Gefahr hin, dass sie etwas an den Kopf geworfen bekäme? Prisca lag einfach nur weinend da und wusste selbst nicht was ihr lieber gewesen wäre. Natürlich würde sie niemals etwas nach ihrer Cousine werfen, niemals! … Naja, so ganz stimmte das nicht. Aber das letzte Mal als das passiert ist, war Prisca acht Jahre alt gewesen. Sie konnte sich sogar noch sehr gut daran erinnern, wie sie daraufhin von ihrer Mutter vor den beiden Zwillingen ausgeschimpft und bestraft wurde. Habe ich dir nicht ausdrücklich verboten Dinge nach deinen Cousinen zu werfen?! Zur Strafe wirst du den beiden eine Woche lang das Frühstück ans Bett servieren …, hatte Mutter damals ihre Tochter drakonisch vor den beiden bestraft.


    Seltsam, dass Prisca ausgerechnet jetzt daran denken musste. Vielleicht deshalb, weil sie damals ebenso verwirrt und beschämt darüber gewesen war von ihrer Mutter mit einem Sklavendienst bestraft zu werden, wie sie jetzt im Augenblick wieder verwirrt und beschämt war über das, was eben im Garten passierte. Die Strafe von damals war natürlich längst verziehen und vergessen und als sich die zarte Hand von Flora auf ihre Schultern legte, tat es unheimlich gut ihre Nähe zu spüren.


    Ungewollt musste Prisca sogar lachen, als Flora fragte ob sie neue Vasen holen sollte. Ob sie sich noch an damals erinnert? Prisca schüttelte sich kurz und auf das erstickte Kichern hin versuchte sie schniefend ihre Tränen irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Doch das wollte ihr einfach nicht gelingen. "Ach Flora, …es …ist …so schrecklich", krächzte Pirsca heiser und gleichzeitig rollte sich - samt Kissen - ein wenig zusammen und so herum, dass sie mit dem Kopf seitlich neben dem Oberschenkel ihrer Cousine zum liegen kam. Das Gesicht ein wenig zur Seite gedreht konnte sie Flora verschwommen erkennen und sie wiederum würde nun beurteilen können, wie schlimm es wäre.


    "Ich … ich glaub ich hab mich in ihn verliebt …"", begann Pricsa mittendrin und gerade heraus zu erzählen ohne darauf zu achten, dass Flora ja gar nicht wissen konnte welches Gefühlschaos gerade in ihrer Cousine tobte: "Schon auf dem Markt hat er mir so gut gefallen. …Er, er ist so anders! … Stell dir vor sogar ein Gedicht hat er für mich geschrieben, nur für mich … und … und jetzt haben wir uns geküsst und .. und dann hat er … er hat … wegen Marcus. Er wird nie zu lassen, dass … wir uns wieder sehen … nie, nie, niemals wieder", kamen die Gedankenfetzen ebenso unkontrolliert über Priscas Lippen, wie sie gerade durch ihren Kopf schossen. Aber irgendwie tat es gut es endlich jemanden sagen zu können, obwohl letztendlich auch Flora ihr sicher nicht sagen könnte:"Was …soll ich denn jetzt nur tun, ... FLora?", war der letzte verzweifelte Versuch irgendwie das Ganze zu ordnen, ehe sich die Aurelia hilfesuchend an ihre Cousine anschmiegte um wenigstens ein wenig Geborgenheit bei ihr zu finden, während sie weiter weinte ...

  • Prisca war so etwas wie die älteste Freundin der Zwillinge, sie hatten mit einander jede Menge Unfug ausgeheckt, wenn diese sie in Terentum besuchte. Sie Drei waren gefürchtet gewesen und das Mobiliar war nicht vor ihnen sicher gewesen, wenn sie durch das Haus getobt waren. Aus diesem Grund hatte sie das Gefühl, dass sie ihre Cousine jetzt nicht einfach allein lassen konnte in ihrem Kummer. Das hätte sie sich nicht verziehen, daher ging sie auch einfach das Risiko ein, etwas an den kopf geworfen zu bekommen, was bisher nur ein einziges Mal vor gekommen war. Aber das war mehr ein versehen gewesen und eigentlich vergessen. Sie waren eben Kinder gewesen und vor lauter Übermut, hatten sie einfach die Grenzen etwas überschritten. Ihre Mütter waren davon natürlich gar nicht begeistert gewesen, aber die Mädchen hatten sich schneller verziehen und wieder die Köpfe zusammen gesteckt, wie den Erwachsenen lieb war.


    Es stellte sich am Ende doch als die bessere Entscheidung heraus, einfach über die Abweisung ihrer Cousine hin weg zu sehen und sich zu ihr zu gesellen. Prisca war ja nicht auf sie wütend oder hatte wegen ihr Kummer, so hatte sie auch nichts zu befürchten. Mit ihrem kleinen Scherz hatte sie ein wenig Erfolg, zwischen den Schluchzern hörte sie ihre Cousine kurz lachen. Doch die Tränen wollten nicht versiegen. Ganz sacht streichelte sie Prisca und wartete einfach bis diese ihr erzählte, was ihr solchen Kummer bereitete.


    Schrecklich? Flora horchte auf, sie kannte dieses Gefühl, dass die Welt einfach nur ungerecht erschien und sie nichts weiter tun konnten, als mehr oder weniger schweigend alles zu ertragen. Einfach weil es von ihnen erwartet wurde. Derzeit steckte sie ja auch in einer Zwickmühle und wusste sich keine Lösung. Es war nicht einfach so zu sein, wie man es von ihr erwartete.


    „Oh“, machte sie leise überrascht, als Prisca ihr eröffnete sie habe sich verliebt. Eigentlich sollte es ja was schönes sein, doch eigentlich durften sie es sich nicht leisten, sich zu verlieben. Sie seufzte und verspürte einen kleinen Stich. Warum musste sie ausgerechnet jetzt an Cimon denken? Um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen strich sie Prisca eine Strähne aus dem Gesicht. „In wen hast du dich verliebt?“ fragte sie leise nach. „Ich werde es auch niemanden verraten“, versprach sie ihr dann noch schnell. „Geküsst?“ echote sie leise. Das hätte sie eigentlich Prisca gar nicht zu getraut, sie wirkte immer so beherrscht. Aber auch Prisca war eben nur eine junge Frau und wollte hin und wieder selbst entscheiden. „Was ist mit Marcus? Sag bloß, er hat dich und ihn erwischt?“ Das würde jede Menge Ärger geben. Arme Prisca, sie tat ihr Leid. Flora durfte sich nicht mit Cimon erwischen lassen, sie wollte gar nicht wissen, was dann los war.
    „Ich weiß nicht… es war nur ein Kuss? Dann sollte Marcus nicht allzu wütend sein.“ Er ist wohl eher enttäuscht, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie wollte Prisca jetzt nicht noch mehr Kummer bereiten. „Es ist unfair, als Mann darf man alles und wir Frauen müssen tun, was sie uns vorschreiben…“, seufzte sie. Es war eines dieser Gespräche das sie sicher schon einige Male geführt hatten. Darüber dass die Männer eine elendige Doppelmoral hatten. Sanft streichelte sie Prisca und versuchte sie zu trösten. „Unfair“, murmelte sie noch einmal.

  • Flora war da! Ob sie nun Flora oder lieber Narcissa in diesem Moment bei sich gehabt hätte? Prisca könnte es nicht sagen. Die Zwillinge waren sich so ähnlich und wiederum so verschieden, wobei Prisca die beiden ohnehin gleichermaßen ins Herz geschlossen hatte. Wie viele schöne und unbekümmerte Stunden hatten sie zusammen verlebt und genossen. So wie es nun ein schönes und beruhigendes Gefühl war nicht allein zu sein, sondern einen der beiden Zwillinge ganz nah zu wissen, in dieser schweren Stunde. Flora würde bei ihr bleiben, würde sie trösten und sie würde verstehen, was in ihr vorging und das obwohl sie die Jüngere war. Bei allen Göttern! Prisca hatte ja keine Ahnung, dass Flora bereits mehr Erfahrung in diesen Dingen besaß wie sie selbst und noch viel weniger wäre es ihr in den Sinn gekommen, mit wem! ihre Cousine gar diese Erfahrungen gesammelt hätte.


    Zweifelssohne wäre sich Prisca aber - hätte sie es denn gewusst - lächerlich vorgekommen nun von ihrem (vergleichsweise) harmlosen Kuss zu erzählen und mit Sicherheit wäre sie schockiert gewesen über Floras Tat! … Doch andererseits hätte Prisca wohl nicht anders gehandelt wie augenblcklich Flora, egal welchen Rat sie einander würden geben können - oder auch nicht. Das war ohnehin nicht das Eintscheidende. Flora nahm an ihrem Kummer teil und das tat gut und es half, ein wenig die Tränen zu trocknen. "Unfair, ... genau", echote Prisca ganz leise, schniefend und nach Fassung ringend um ihrer Cousine die genaueren Umstände schildern zu können:


    "Es ist ein Flavier. ... Aulus Flavius Piso ist sein Name. … Ich weiß gar nicht, kennst du ihn zufällig?", kurz warf Prisca einen fragenden Blick hoch zu Flora, ehe sie das Gesicht wieder ein wenig ins Kissen vergrub und weiter erzählte: "Ich hab ihn das erste Mal auf der Hochzeit von Marcus getroffen, mit einer Anderen. … Das zweite Mal sind wir uns dann auf dem Markt begegnet. Da hat er mir erzählt wie unglücklich er sei, weil sie ihn einfach verlassen hat und so sind wir ins Gespräch gekommen. Er wirkte zuerst ganz niedergeschlagen und traurig, doch dann haben wir uns irgendwie immer besser verstanden. ... Er ist sehr gebildet und hat so viele Interessen. Er ist so anders, Flora, so … süß" Prisca verstummte eine Sekunde lang, grübelnd, wie sie jetzt ausgerechnet auf 'süß käme … "Naja und kurz darauf hat er mir ein Gedicht gewidmet und heute haben wir uns rein zufällig im Garten wieder gesehen", kürzte Prisca die Erzählung etwas ab, da Flora ja mittlerweile wusste was da passiert ist.


    Nein nicht ganz! Prisca spürte wie die Tränen erneut zu fließen begannen, wenn sie daran dachte warum Marcus so wütend gewesen war. Enttäuscht vielleicht auch, aber vor allem war er wütend auf den Flavier :"Doch er war wütend, Flora, sehr sogar! Piso ist anscheinend meiner Stimme gefolgt und einfach in den Garten gegangen, obwohl er im atrium hätte warten sollen. … Sieh mich doch an! Ich war fast nackt, als er mich dort beim sonnenbaden überrascht hat. Und Marcus wiederum hat mich so in Pisos Armen liegend gesehen!" So wütend hab ich Marcus selten erlebt. So wütend, dass er Piso am liebsten geschlagen hätte ... geschlagen?!


    Erneut verstumme Prisca, schniefend, als sie spürte wie die Tränen zurück kamen. Das war ein so beschämender Moment gewesen, aber nicht nur, weil sie unpassend gekleidet gewesen war. Viel schlimmer war, dass sie es insgeheim genossen hatte sich Piso so zu zeigen und das Schlimmste?! Das mit Abstand Schlimmste kam zum Schluss: " Und und dann, … dann Hat Piso plötzlich nur noch von seiner Arbeit gesprochen, weswegen er eigentlich her kommen sei." - Wollte er sich damit nur heraus reden? Männer! Sie dürfen sich alles erlauben, und wir? Flora hat ja so recht! " Er tat irgendwie, als sei nichts weiter gewesen. Verstehst du das? Und unser Kuss? Bedeutet ihm der etwa gar nichts?!" Dieser Schuft! "Oh Flora und da, da … ha.hab ich ihn vor Marcus´Augen einfach geoooohrfeeigt . " Wie schrecklich! Damit ist jetzt alles aus. Aus und vorbei und für immer. Das letzte Wort ging in ein klägliches Wimmern über, während Prisca - geschüttelt von einem neuerlichen Weinkrampf - sich ganz fest an Flora drängte. Ihre Cousine wusste jetzt alles und Prisca war froh darüber. Jetzt wollte sie eigentlich an nichts mehr denken und nur noch eines ... gehalten werden und irgendwie Trost finden ...

  • Ihre Worte halfen Prisca anscheinend. Auch wenn die Tränen nicht versiegen wollten. Aber das war egal. Vor ihr brauchte sich ihre Cousine nicht schämen. Sie würde diese trösten, bis es ihr besser ging. So machte sie es ja auch immer mit Narcissa und umgekehrt. Hin und wieder brauchte man einfach eine Schulter an der man sich ausweinen konnte. Stockend und mit Schluchzern erzählte ihr dann Prisca was genau vorgefallen war.


    Ein Flavier? Eigentlich keine schlechte Partie, im Gegenteil, besser hätte es ihre Cousine nicht treffen können. Da war sie ja wirklich vorbildlich, während Flora selbst anscheinend andere Vorlieben entwickelte. Vorlieben die nicht wirklich gesund waren und sie geheim halten musste. Kurz überlegte sie sich Prisca anzuvertrauen, aber diese hätte sicherlich so gar kein Verständnis für sie. Wenn sie überhaupt jemand außer Narcissa verstehen würde. Dabei waren sie sich eigentlich alle Drei ähnlich. Prisca hatte genauso oft den Predigten lauschen müssen, welche Lucilla gehalten hatte, wenn die Mädchen sich zu Streichen hatten hinreißen lassen.
    „Den kenn ich, wir haben ihn kurz kennen gelernt. Narcissa und ich“, berichtete sie. Sie hatte ihn ziemlich nett gefunden. Vielleicht etwas zurückhaltend und distanziert, aber nett. „Wir waren in Rom unterwegs. Bummeln!“ fügte sie erklärend hinzu, nicht dass Prisca jetzt auf falsche Gedanken kam. Was folgte war dann mehr oder weniger eine tragische Liebesgeschichte, wie sie doch sonst nur in irgendwelchen Büchern vorkam. Mehr oder weniger verträumt, hörte sie sich die Schwärmerei an und versuchte dies in Einklang zu bringen, mit dem Mann den sie kennen gelernt hatte. Sie musste sich dann aber eingestehen, dass sie ihn nicht wirklich einschätzen konnte. Mehr als ein paar höfliche Floskeln hatten sie ja nicht mit einander ausgetauscht. „Er hat dir ein Gedicht gewidmet? Das ist ja so romantisch“, meinte sie ganz entzückt. Welches Mädchen träumte denn nicht von ihrem edlen Prinzen. Prisca jedenfalls schien ihn gefunden zu haben.


    Doch das Glück schien nicht lange gewährt zu haben. Kurz überlegte sie ja glatt in den Garten zu schleichen und dann heraus zu bekommen, wie wütend Marcus genau war. Ihre Augen wurden groß, als Prisca dann meinte halbnackt. Sie hatte ihre Cousine noch gar nicht richtig gemustert und es stimmte, vielmehr wie ein Tuch trug diese tatsächlich nicht. Das Marcus darauf hin wütend wurde war ja klar. „Ach herrjemine, was für ein Schlammassel!“ kommentierte sie. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn man sie und Cimon erwischte. Sie nahm sich vor noch vorsichtiger zu sein… Das Beste wäre eigentlich, Cimon ganz und gar aus dem Weg zu gehen, doch das konnte sie irgendwie nicht. Ständig liefen sie sich über den Weg und es fiel ihr dann schwer, einfach so zu tun, als wäre nichts gewesen.


    Wieder machte Flora „Oh“, als Prisca erzählte, dass ihr Schwarm dann plötzlich so geschäftsmäßig geworden war. Das war ja nun wirklich wie ein Schlag ins Gesicht. „Vielleicht wollte er einfach nur von euch Beiden ablenken?“ startete sie den versuch Prisca wieder aufzubauen. „Wenn Marcus doch so wütend ist!“ Es wäre möglich. Dennoch auch sie wäre verletzt bei solch einem Verhalten. „Du hast WAS?“ fragte sie dann völlig verblüfft und sah auf die Aurelia hinab. Das war ja besser wie jeder Schundroman! Aber eigentlich richtig tragisch. „Ich hätte das auch getan!“ meinte sie und schlang dann die Arme um ihre Cousine um diese zu trösten.

  • Flora hätte genauso gehandelt! Es war also völlig in Ordnung ihn zu ohrfeigen, versuchte sich Prisca immer wieder einzureden und Floras beipflichtende Worte waren eigentlich Bestätigung genug. Ich hab das Richtige getan, ich hab das .. ich hab .. ich..nein! Wirklich erleichtert war Prisca nicht. Vielmehr glaubte sie sämtliche Gefühle in Piso für sie, mit mit dieser einen Ohrfeige ausgelöscht zu haben - sofern sie überhaupt (schon) vorhanden waren. Von (s)einer 'Opferung für die Liebe' wusste sie ja nichts und bis dato nicht einmal der Flavier selbst! Hätte es doch nur so etwas wie eine Vorahnung gegeben, dann wäre Prisca mit Sicherheit erleichterter gewesen. Zu wissen, dass er von einer regelrechten Liebestollheit befallen war? - wie aufregend wäre das denn! Stattdessen saß der Schmerz in ihrem Herzen - hervorgerufen von Amors Pfeil - so tief und fest, dass sie einfach keine Ruhe mehr fand.


    Naja, ein klein wenig beruhigte sie sich schon in Floras Armen. Das Kuscheln tat richtig gut und half, die Gedanken zumindest etwas langsamer kreisen zu lassen. Um ihn. Natürlich! Nur an ihn konnte Prisca denken und was Flora sagte klang einleuchtend. Vielleicht wollte Piso wirklich nur ihren Onkel ablenken. Herrje, das macht die Ohrfeige nur noch schlimmer! .."Glaubst du wirklich?", wisperte Prisca hoffnungsvoll und gleichzeitig seufzend schob sie sich ein klein wenig von Flora weg um ihr in die Augen blicken zu können.


    Es war eigentlich unmöglich die beiden Zwillinge auseinander zu halten, fand Prisca, selbst nach all den Jahren die sie ihre beiden Cousinen nun kannte und in denen, aus zwei frechen Mädchen, wunderschöne junge Frauen geworden waren. Was wird nur sein wenn die beiden einmal ihre Liebe finden und heiraten werden? Flora ohne Narcissa, Narcissa ohne Flora? Die beiden je einen Verehrer - Einen? Nein, für die beiden müssten es schon zwei hübsche Zwillingsbrüder sein, musste Prisca unwillkürllich innerlich schmunzeln, denn so recht konnte sie es sich nicht vorstellen, dass ihre Cousinen irgendwann einmal getrennte Wege gehen würden. Deshalb hatte sie vorhin auch gar nicht in diese Richtung gedacht als Flora ganz besonders erwähnte woher sie Piso kannte. Er und sie? Nein, Piso hat doch keinen Zwillignsbruder, oder?


    "Danke Flora, dass du vorhin nicht einfach wieder gegangen bist! Und … entschuldige bitte wenn ich etwas abweisend geklungen habe … Ich bin so froh, dass du bei mir bist", waren die nächsten Worte die Prisca über die Lippen brachte. Der Versuch eines dankbaren Lächelns scheiterte eher kläglich, dafür strich sie ihrer Cousine zärtlich über die Wange, zum Dank, während sie gedankenverloren das hübsche Gesicht ihre Cousine betrachtete.


    "Wie findest du ihn eigentlich? Glaubst wir würden gut zusammen passen? … Ich finde ihn ja auch sooo romantisch", hatte Flora doch vorhin auch ganz verzückt bemerkt. "Das Gedicht. Möchtest du es denn mal lesen?", bot Prisca deshalb bereitwillig an Flora das Wertvollste zu zeigen, das sie von ihm besaß und im selben Atemzug musste sie schon wieder tief auf seufzen:"Ach Flora, was soll ich denn jetzt nur tun? …" Alles hätte so schön sein können, wie konnte es nur so kommen und wie wird es nun weiter gehen? Prisca hatte keinen blassen Schimmer. Ob ich Amor oder Venus opfern soll, selbst daran dachte die Aurelia in dem Moment da sie Flora weiter verzweifelt ansah und das hübsche Gesicht ihrer Cousine insgeheim mit dem der Göttin verglich.

  • Wenn man traurig war, dann half es meist, wenn man dann in den Arm genommen wurde. Und für ihre Cousine war sie gern da, diese würde sie auch trösten, wenn sie Kummer hatte. „Also ich hätte auch versucht abzulenken!“ meinte sie leise und drückte Prisca kur noch ein wenig mehr an sich. „Aber auch wenn er ablenken wollte, ist es nicht nett, dann einfach dich wie Luft zu behandeln. Du hattest wirklich jedes Recht ihm eine Ohrfeige zu verpassen“, munterte sie die andere Aurelia auf. Nicht nur, weil diese die Worte hören wollte, sondern, weil sie der Meinung tatsächlich war. Es war schon Schwierig genug zu wissen, dass man als Frau im Grunde keinerlei Rechte hatte, aber zumindest sollte man sie dann Respektvoll und mit ausgesuchter Höflichkeit behandeln. Prisca suchte ihren Blick und sie erwiderten diesen mit einem ernsten Lächeln.


    „Ich hätte dich nicht allein lassen können“, meinte sie sanft. „Wir müssen doch zusammen halten und außerdem würdest du für mich dasselbe tun. Wir sind doch eine Familie!“ baute sie ihre Cousine weiter auf und war froh, dass sie sich mit Prsica so gut verstand. Was wohl auch einfach daran lag, dass sie wussten, was man im Leben von ihnen erwartete und das man dieselben Vorstellungen davon hatte, wie sie sich zu benehmen hatte. Es war nicht immer einfach und manchmal kam sie nicht umhin ihr Leben mit dem eines Sklaven zu vergleichen, nur dass sie im goldenen Käfig lebte und nicht arbeiten musste. Aber Rechte hatte sie nicht wirklich, nur jede Menge Pflichten. Sie seufzte leise. In letzter Zeit haderte sie immer öfter mit ihrem Schicksal. Unzufrieden war sie nicht wirklich, sie wünschte sich nur etwas mehr Selbstbestimmung. Prisca streichelte sie und sie genoss die kleine Zärtlichkeit.


    Schließlich wurde sie um ihre Meinung gebeten. „Mhm… ich weiß nicht. Ich hab ihn nur kurz kennen gelernt und da wirkte er sehr zurückhaltend und höflich.“ Ob er zu Prisca passen würde? Wünschen würde sie es ihr. Nichts anderes hatte ihre Cousine verdient, als etwas Glück und jede Menge Liebe. „Ich glaub schon, dass ihr zusammen passen würdet“, meinte sie dann und nahm sich vor demnächst ein besseres Bild von dem Flavier zu machen. Am besten sie und Narcissa statteten ihm einen spontanen Besuch ab. Nur um ihm auf den zahn zu fühlen und sicher zu gehen, dass er es mit Prsoca ernst meinte und nicht mit ihr spielen wollte. „Also jedenfalls ist er netter wie Claudius Brutus“, sie machte eine kleine Grimasse. „Den Claudier haben wir auf dem Mercatus kennen gelernt, angetrunken, mit einem Haufen Schleimer im Schlepptau, recht aufdringlich und wollte uns glatt dazu überreden, ihn zu begleiten…“, berichtete sie um Prisca ein wenig abzulenken. „Hast du den Claudier mal kennen gelernt?“ fragte sie nun ihre Cousine.


    „Ich würde gern das Gedicht einmal lesen…“, meinte sie dann recht neugierig. „Das Einzige was du im Augenblick tun kannst, ist abwarten… aber wenn du magst, kann ich mich in den garten schleichen und heraus finden wie schlecht gelaunt Marcus wirklich ist. Früher oder später wird er mit dir reden wollen und vielleicht ist es besser, wenn du den ersten Schritt machst!“

  • Floras Worte taten wirklich gut und halfen die scheinbare Ausweglosigkeit zu ertragen. Vielleicht war ja alles wirklich nicht so schlimm wie Prisca es im ersten Moment empfunden hatte. Der wundervolle Kuss, Pisos Verhalten, mein wütender Onkel, die Ohrfeige … Und jetzt soll ich einfach abwarten können was passiert?? Ohhhh... doch es war schlimm. Alles war schlimm, sehr schlimm sogar! Prisca musste noch einige Male hart mit ihren Tränen kämpfen, bis sie ihr inneres Gefühls-Chaos einigermaßen wieder unter Kontrolle hatte. Es ist nicht so schlimm! Flora meint auch wir würden gut zusammen passen und er, er ist einfach anders, etwas besonderes. Das fühle ich. und nur daran wollte Prisca glauben. Der Flavier war so spontan in ihr Leben getreten das konnte und durfte einfach kein Zufall sein. Das müsste sogar Marcus verstehen, egal wie wütend er auf Piso auch war und wie ausweglos die die Situation damit schien. Abwarten, ich muss abwarten. Und mit Marcus reden. Reden … nein, nein, das kann ich nicht. Wie soll ich ihm das aller erklären? Aber ich kann nicht einfach nur dasitzen und …


    "Das würdest du für mich tun?", griff Prisca verzweifelt und gleichzeitig voller Hoffnung nach dem Strohhalm den Flora ihr hin hielt. Vielleicht könnte ihre Cousine zumindest vorfühlen, wie wütend Marcus wirklich wäre. Andererseits ..."Nein, das kann ich nicht von dir verlangen Flora. Ich möchte nicht, dass du wegen mir noch Schwierigkeiten bekommst. " Prisca schenkte Flora ein dankbares Lächeln und drückte sie noch einmal innig, während sie gleichzeitig leicht den Kopf schüttelte und grübelnd die Stirn kraus zog: "Ich muss nur irgendwie heraus finden was ich Piso wirklich bedeute und … ob Marcus ihn tatsächlich umbringen wird wenn er uns noch einmal zusammen erwischt." Zumindest hatte Marcus so geklungen als er Piso klipp und klar zu verstehen gegeben hatte sich nie und niemals wieder in die Nähe 'seiner Nichte' zu trauen.


    Eine Antwort auf ihre Fragen würde sie jedoch nicht so schnell bekommen und deshalb war Prisca froh, dass Floras von dem Claudier erzählte und den Wunsch äußerte das Gedicht zu lesen. Das brachte sie wenigstens auf andere Gedanken. "Claudius Brutus?", wiederholte Prisca nachdenklich den Namen." Nein ich kann mich nicht erinnern, ihm schon einmal begegnet zu sein. Wie sieht er denn aus?" Ihn nicht zu kennen schien allerdings nicht weiter tragisch zu sein, so wie Flora über ihn sprach. "Wie bitte? Er wollte, dass du und Narcissa ihn und seine … seine Kumpels begleitet?...Einfach so, wohin denn?" Prisca sog scharf die Luft ein. Das war ja unfassbar. Das klang ja gar nicht nach dem feinen alten Adel, aber dazu kannte sie zu wenige männliche Claudier. "Und was habt ihr ihm geantwortet?" Sicher haben die beiden den aufdringlichen Kerl schnell in seine Schranken gewiesen, wie ich die beiden kenne, schmunzelte Prisca


    Während Prisca ihrer Cousine weiter zuhörte löste sie sich gleichzeitig von ihr und begab sich ziemlich undamenhaft auf alle Viere vor das Bett. Einen Arm streckte sie darunter und kurz darauf hatte sie ein kleines verschlossenes Schmuckkästen hervor geangelt. Zugegeben es war kein besonders gutes "Versteck" aber zumindest machte es deutlich, dass Prisca nicht wollte das jeder sofort sah, wo sie ihren wertvollsten Besitz verwahrte.


    Es war ein Kästchen aus Ebenholz, verziert mit vielen kleinen Intarsien aus Elfenbein, wobei einige von den Mosaiken den Öffnungsmechanismus verbargen. In beiden Händen haltend stellte Prisca das Kästchen neben Flora ab und blickte diese kurz und verschwörerisch an. Ihre Cousine kannte das Kästchen noch von früher und Prisca war sich eigentlich ganz sicher, dass ihre Cousine niemals ungefragt in ihren Sachen wühlen würde. Naja früher, als Kinder, hatten sie das natürlich ständig getan. Mittlerweile waren sie älter und ihre Cousine wusste auch, wie viel es für Prisca bedeutete. Ohne weitere Worte öffnete Prisca das Geheimfach, indem sie zuerst gleichzeitig auf zwei unscheinbare Elfenbeinsteinchen an den Seiten drückte und anschließend den hinteren rechten Fuß des Kästchens einmal herum drehte. *klack*


    In dem Schmuckkasten befand sich, neben dem Schmuck ihrer Mutter, ihren Briefen (dem einen Brief ihres Vaters) und einigen liebgewonnenen Kinderspielsachen auch das besagte Gedicht. Prisca holte es heraus und reichte es mit zitternder Hand schließlich an Flora weiter. Sie war ja so gespannt wie es ihr gefallen würde …



    An Aurelia Prisca
    Villa Aurelia
    Roma
    Italia



    So samtig wie ein Pfirsich hat zu sein,
    so leicht wie Federn, aufgewühlt vom Wind.
    So zart wie Feigen, die am Land gedeih’n,
    ein Duft wie Flieder, den man selten find‘t.


    Dergleichen habe ich vernommen hier
    dergleichen habe ich wohl jüngst verspürt,
    ach, wie erweichte es das Herze mir,
    ach, wie die Seele in mir war berührt!


    Denn Seide war es, von dem ich geglaubt,
    in meinen Händen hätt‘ ich es gefühlt
    Doch meines Atems war ich wohl beraubt,
    wie innerlich war ich doch aufgewühlt.


    Ich dachte nie, dass es je möglich war,
    dass hier ein Mensch so göttlich‘ Hände hat.
    Oblag es mir, zu schätzen, ob fürwahr,
    es wahr ist, dass es Hände gibt, so glatt?


    Doch griff ich sie, und Zweifel hier verschwand.
    Es gibt auf Erden Frauen, die allhier
    Besitzen einen solche schöne Hand.
    Ich hielt so eine – sie gehörte dir.


    Bei dir, da hörte meine Suche auf,
    nach Händen, die ein‘ Göttin haben kann.
    Es war hier, dass ich, wohl in Schicksals Lauf,
    auf einen Schlage ward ein sel’ger Mann.


    So fand ich sie, bei dir, was ich ersehnt,
    der Gram hört auf, und meine Seele singt.
    Ich fand dich, was ich nirgendwo gewähnt,
    der‘n schöner Name blumengleich erklingt.


    So seidenhändig, hold und wundersam
    Solch Edelmut – wer kann da widersteh’n?
    Oh Blume, deren Hände ich einst nahm,
    wann werd‘ ich Leidender dich wieder seh’n?



    Mit höchster Wertschätzung und in zutiefster Verehrung,


    [Blockierte Grafik: http://img29.imageshack.us/img29/589/unterschriftafp.png]


    Und? …, frage sie deshalb auch ganz ungeduldig nach, sobald Flora die Zeilen zu Ende gelesen hatte … ^^

  • „Natürlich würde ich das für dich tun“, setzte sich Flora direkt für Prisca ein. „Schließlich ist es mir nicht verboten in den Garten zu gehen und wenn ich Marcus dabei ganz zufällig über den Weg laufe, dann wird er sich wohl kaum sofort denken, dass ich von dir komme“, meinte sie. Irgendwie würde sie es schon heraus finden, wie schlecht gelaunt Marcus war oder eben nicht. „Du brauchst es nur zu sagen, dann geh ich sofort los“, meinte sie mit leisem Tatendrang in der Stimme. Für ihre Cousine würde sie fast alles tun, nur für Narcissa noch mehr. Außerdem konnte sie Prisca doch nicht einfach in die Höhle des Löwen schicken, ohne dass diese Rückendeckung bekam. „Ich werde sicherlich keine Schwierigkeiten bekommen“, versicherte sie ihr dann und drückte die Aurelia einmal an sich. „Ich bin für dich da“, fügte sie etwas leiser hinzu. Das Herzeleid ihrer Cousine ging ihr nahe und sie wollte ihr helfen und aufmuntern und eine Lösung für sie finden. Die Welt einer römischen Frau war eben irgendwie ungerecht. Für sie gab es wesentlich mehr Regeln, als für einen Mann. Und jeder Fehltritt wog auch doppelt so schwer, als wäre einer ihrer Cousins knutschend im Garten erwischt worden.


    Ihr Gespräch brachte sie zurück auf den Claudier, welcher so schamlos versucht hatte die Zwillinge in seine Villa zu locken. Prisca hatte ihn noch nicht kennen gelernt, jedenfalls sagte der Name ihr nichts. Kurz musste sie überlegen, wie hatte der gleich ausgesehen? „Er hat blaue Augen, fein geschnittene Züge, fast aristokratisch, blond, ziemlich muskulös und weder zu groß noch zu klein“, die Beschreibung hätte auf jeden Gladiator gepasst und eigentlich passte sie auf viele Patrizier. Sie musste grinsen. Wirklich im Gedächtnis war ihr der Claudier nicht geblieben, bis auf seine unverschämte Art. „Er wollte uns direkt in die Villa Claudia einladen und da ein Gelage veranstalten… eigentlich sind wir ja für fast jeden Spaß zu haben, aber er wirkte nicht gerade Vertrauens erweckend, da er mir ehrlich gesagt zu schnell zugestimmt hat, dass wir nicht ohne Begleitung zu ihm dürften… Ich hab ihn dann einfach abgewimmelt und stehen gelassen…“, erzählte sie dann weiter. „Ich hab ihm einfach gesagt, wir werden zu Hause erwartet! Echt aufgeblasen und unverschämt war er“, beschwerte sie sich dann noch im nachhinein bei ihrer Cousine.


    Prisca löste sich von ihr und kniete sich neben das Bett um ein kleines Kästchen aus ihrem Geheimversteck zu holen. Das Kästchen kam ihr bekannt vor, als kleine Mädchen hatten sie sich gegenseitig Streiche gespielt und die Schätze entwendet. Nach einer kleinen Aufgabe haben sie dann meist ihre wertvollen Erinnerungen zurück bekommen. Jetzt aber, wo sie älter war, würde sie niemals auf die Idee kommen, Prisca wieder so einen Streich zu spielen. Dieses Kästchen war das Allerheiligste ihrer Cousine und sie selbst besaß eine ähnliche kleine Schatztruhe, angefüllt mit unwichtigem Tand der nur für sie einen echten Wert besaß. Verschwörerisch lächelte sie Prisca zu und wartete einfach darauf, dass diese ihr das Gedicht geben würde. Ganz leicht zittere Priscas Hand dabei. Flora nahm es entgegen, als sei es das wertvollste Stück Pergament auf der Welt.


    Ihre Augen wanderten von Zeile zu Zeile. Immer wieder seufzte sie auf oder mache leise entzückt ‘Oh‘. Es war wundervoll. Diese Worte berührten sie zutiefst. Sie spürte einen Kloß im Hals und wie ihre Augen feucht wurden vor lauter Rührung. Wie wäre es nur, wenn auch sie einen solchen glühenden Verehrer hatte. Der so mit Worten umgehen konnten. Sie musste undamenhaft schniefen. Mit glänzenden Augen sah sie Prisca an. „Das ist wunderschön…“, hauchte sie ergriffen.

  • Natürlich wäre es Flora nicht verboten gewesen in den Garten zu gehen um vorzufühlen wie wütend Marcus war. Und Schwierigkeiten?Nein warum sollte sie welche bekommen? Marcus hatte ja keinen Grund auf Flora wütend zu sein. Andererseits, was könnte sie Neues in Erfahrung bringen? Dass Marcus wütend auf den Flavier ist und enttäuscht wegen mir? Mittlerweile kannte Prisca ihren Onkel gut genug. "Danke Flora das ist wirklich lieb von dir. Aber nicht jetzt. Ich …Ich denke Marcus ist wütend und er wird mich - so oder so - in Kürze sprechen wollen. Vielleicht kannst mir ja später, oder … bei Piso. Ich... ach Flora, ich weiß ja selbst nicht so recht ..." was ich tun soll, beharrte Prisca schweren Herzens auf ihrem Entschluss. Einen klaren Gedanken oder gar Plan konnte sie momentan einfach nicht fassen. Als Flora aber ihren Willen und ihren Beistand noch einmal bekräftigte, seufzte Prisca überglücklich auf: "Danke ... Kleines Blümchen". Den Kosenamen ihrer Cousinen verwendete Prisca eigentlich fast nie. Meistens nur um Flora und Narcissa zu necken, oder so wie jetzt um ihnen zu zeigen, wie sehr sie die beiden lieb hatte.


    So lieb, dass Prisca durchaus sehr darüber echauffiert war, dass ihre beiden jüngeren und unschuldigen Cousinen, mitten in Rom, von einer Horde Halbstarker zu einem Gelage eingeladen worden waren. … für fast jeden Spaß zu haben? Oh Flora! Was hätte da alles passieren können! Prisca biss sich schnell auf die Unterlippe da sie unweigerlich an ihre eigenen Unternehmungen denken musste und gerade daran wollte sie jetzt am allerwenigsten erinnert werden. Obwohl es durchaus Spaß gemacht hatte ein wenig mit dem Feuer zu spielen. Zum Glück hatten die Zwillinge diesem aufdringlichen Kerl letztenlidh eine Abfuhr erteilt, was Prisca nur gut heißen konnte:"Ihr habt absolut richtig gehandelt. Bei so etwas hört der Spaß auf!" Die beiden, allein, mit mehreren Männern?! … Du meine Güte, "Ich hoffe doch ihr habt immer genügend custodes dabei, wenn ihr euch unter das Volk begebt?! Falls nicht, sagt es nur, dann leihe ich euch meine dazu" Zur Not würde Prisca auch welche von ihren Leibwächtern zur Verfügung stellen, sofern sie nicht gerade selbst deren Dienste benötigen würde.


    Wir könnten allerdings auch mal wieder etwas zusammen unternehmen. Das wäre bestimmt sehr lustig, schoss es Prisca gleichzeitig mit ihrem Angebot durch den Kopf. Doch ehe sie Flora darauf ansprechen konnte, hatte diese das Gedicht zu Ende gelesen und sah mit glänzenden Augen wieder auf. Das Gedicht hatte ihre Cousine anscheinend sehr berührt und das brachte auch Priscas Tränen schnell wieder in Fluss. "Ja das ist es …", piepste die Aurelia mit versagender Stimme zurück und nur mühsam gelang es ihr, die neuerlichen Tränen mit einer fahrigen Handbewegung beiseite wischen. Irgend wann musste das aufhören, so konnte es nicht weiter gehen. "Oh Flora. Und was jetzt? … Soll ich zu Piso gehen und ihm alles erklären? " Muss ich wirklich? "Nur wie soll ich das anstellen?" Prisca blickte hilflos in Floras Augen, als würden dort die Antworten auf all ihre Fragen stehen.

  • Prisca tat ihr sooo Leid. Es war offensichtlich, dass ihre Cousine mit sich selbst haderte und ratlos war und Trost brauchte. Sie tat ihr Bestes um die Aurelia aufzumuntern, ihr zu helfen. Doch im Grunde konnten sie dann doch nur warten. Aber sie würde so lange wie Möglich da bleiben. „Es war ein Vorschlag! Dann werde ich bei dir bleiben“, sagte sie leise und drückte Prisca liebevoll an sich. Meist reichte es aus, wenn jemand da war, dem man seinem Kummer erzählen konnte. „Marcus wird zwar Böse sein, aber wenn du es ihm erklärst, wird es verstehen. Er ist doch kein Unmensch.“ Gab Flora sich alle Mühe sie wieder aufzubauen. Sie konnte sich kaum vorstellen dass Marcus wegen eines Kusses einen großen Aufstand machte. Aber so genau konnte sie es dann doch nicht beurteilen. So gut konnte sie ihn dann doch nicht einschätzen. Flora hoffte einfach das Beste. Sie war Prisca nicht einmal sauer, dass sie mit dem Kosenamen angesprochen wurde, dass die Familie für sie hatte.


    „Du hättest mal das Gesicht von dem Claudier sehen sollen“, kicherte sie und wechselte wieder auf das Thema Claudius Brutus. „Der was fassungslos, dass wir ihn abserviert haben. Ich glaub, das hat er noch nicht erlebt!“ grinste sie schon fast frech. „Keine Sorge, wir haben immer mindestens zwei Leibwächter dabei. Wir dürfen uns ja Cimon von Titus ausleihen! Wir müssen unbedingt einmal gemeinsam bummeln gehen. Du kennst sicherlich die besten Geschäfte.“ Ein Bummel mit Prisca klang verlockend und würde sicherlich jede Menge Spaß machen.


    Sie brauchte einen Moment sich zu sammeln nach diesen wundervollen Zeilen. „Schreib ihm doch einen Brief und wenn du magst, dann bring ich ihm den vorbei und erkläre ihm alles!“ schlug sie Prisca dann vor. „Und dann kann er dir nicht Böse sein!“

  • Floras Bemühungen, ihre Cousine wieder aufzubauen, fruchteten. Langsam zwar, aber immerhin konnte Prisca bald schon wieder auch an etwas anderes denken, als nur an diese schreckliche Szene vorhin im Garten. Über die Geschichte mit dem Claudier konnte Prisca sogar wieder ganz ausgelassen lachen, wenn sie sich ihre beiden Cousinen bildlich in Aktion vorstellte. "Herrje der Arme. Der kann einem ja richtig leid tun, dass er ausgerechnet an euch beide geraten musste", neckte Prisca ihre Cousine liebevoll, wobei sie natürlich voll und ganz auf der Seite ihrer Cousinen stand. "Ich hoffe nur, dass ich diesem Claudier nicht zufällig einmal irgendwo begegne," was auf einer der zahlreichen Festivitäten in Rom durchaus irgendwann der Fall sein könnte. "Nicht, dass mir am Ende noch eine falsche Bemerkung raus rutscht, oder ich einfach nur laut lachen muss wenn ich ihn sehe", was durchaus passieren könnte, wenn Prisca diesem dreisten Kerl gegenüber stünde und sie daran erinnert würde, was Flora ihr eben erzählt hatte.


    Prisca erwiderte das Grinsen ihrer Cousine mit einem verschmitzten Lächeln und selbstverständlich war sie von dem Vorschlag eines gemeinsamen Stadtbummels hellauf begeistert. "Das machen wir! Aber dann nehmen wir besser ein paar Leibwächter mehr mit. Nur für alle Fälle. Und sag bloß, du und Narcissa habt noch nicht alles von Rom gesehen? … Na dann wird es aber Zeit!", zwinkerte Prisca ihrer Cousine richtiggehend gut gelaunt zu. Gute Adressen kannte sie mittlerweile in Rom zur Genüge und wenn ihre beiden kleinen Cousinen wirklich noch Nachholbedarf hätten, würde Prisca ihnen selbstverständlich gerne ein paar Geheimtipps geben.


    Nachdem Flora allerdings wieder auf das Gedicht zurück kam und anbot, dem Flavier alles erklären zu wollen, waren auch Priscas Gedanken wieder bei dem einen Thema angelangt. "Das würdest du wirklich für mich tun? Oh Flora, …. Danke! Ja ich schreib ihm ein paar Zeilen, du hast recht. Er wird es verstehen …" Er muss einfach! Voller Tatendrang sprang Prisca auf, huschte hinüber zu ihrem Schreibtisch und setzte sich dort in den Korbsessel. Schon hatte sie Feder, Tinte und ein unbeschriebenes Papyrus zurecht gelegt, als der Mut sie ebenso spontan wieder verließ wie er gekommen war. Würde es Piso nicht wundern, warum Prisca ihre Cousine vorschickte um alles zu erklären? Würde er ihr überhaupt zuhören und begreifen warum sie das getan hatte? Hilfesuchend drehte sich Prisca zu ihrer Cousine um. "W.. Was soll ich ihm denn schreiben, Flora? " Es war wirklich zum verzweifeln. Hätte Prisca nicht ihre Cousine gehabt, dann würde sie wahrscheinlich immer noch weinend auf dem Bett liegen und noch weniger wissen, was zu tun wäre ….

  • „Mutter wäre auf uns Stolz gewesen, hätte sie gesehen, wie wir den Claudier abserviert haben“, meinte sie dann noch versonnen. Vermutlich sogar mehr als nur Stolz, sie hätte jubiliert und gewusst, dass ihre Töchter auch gut ohne sie zu Recht kamen. Sie waren eben doch nicht mehr die kleinen Mädchen, die ständig beobachtet werden mussten. „Ich bin sicher, du wirst ganz Dame von Welt sein, solltest du ihm begegnen“, sagte sie liebevoll. Prisca hatte in Sachen gesellschaftlichen Umganges einfach viel mehr Erfahrungen und würde sicherlich nicht in irgendein Fettnäpfchen treten.


    Ein Bummel durch Rom, Marcus sollte lieber die Truhen mit dem Familienvermögen wegschließen, es konnte durchaus passieren, dass die drei jungen Frauen ganz und gar dem Einkaufswahn verfielen und am Ende harte Sesterzen gegen Flitterkram und sinnlosen Nippes eingetauscht hatten. „Leider nicht, aber ich vertraue dir ganz und gar. Du wirst uns sicher ein paar Ecken zeigen können, die uns noch unbekannt sind.“ Hoffentlich würden sie sehr bald gemeinsam die Stadt unsicher machen. „Wir werden wohl wirklich ein paar Sklaven mehr brauchen. Zum tragen“, grinste sie breit.


    Prisca war hellauf begeistert von ihrem Vorschlag und machte sich umgehend daran einen Brief aufzusetzen. Aber schon bei der ersten Zeile zögerte sie. Flora kam zu ihr und setzte sich auf die Lehne des Stuhles. „Mhm…“, machte sie. Sie selbst hatte noch nie einen Liebesbrief geschrieben. „Schreib ihm doch erst einmal, dass du dich gefreut hast ihn wieder zu sehen und das du seinen kuss nicht vergessen kannst“, schlug sie dann vor. „Das ist zumindest erst einmal unverfänglich! Und danach das es dir Leid tut, das mit der Ohrfeige.“

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