Die Unterkunft des Magisters Domus Augusti Aelius Quarto während des Feldzugs gegen die Parther

  • Die Schlacht bei Edessa war geschlagen und das Römische Heer hatte gesiegt. Die Römer hatten noch einen Tag auf dem Schlachtfeld zugebracht, um die zahlreichen Verletzten zu bergen und zu versorgen und um die Toten zu beerdigen. Dann war das siegreiche, aber erschöpfte und empfindlich dezimierte Heer in Richtung der Stadt Edessa gezogen. Dort bezog ein Teil des Anhangs, zu dem auch Quarto und seine Bediensteten gehörten, ein provisorisches Lager und der Magister Domus Augusti ließ sein Zelt aufbauen.


    Endlich kam er dazu, den Brief zu diktieren, den er eigentlich schon von Zeugma aus in die Heimat hatte senden wollen:


    An die
    Decemviri litibus iucandis
    Basilica Ulpia
    Roma


    Salvete, ehrenwerte Decemviri litibus iucandis!


    Mir wurde zugetragen, dass die Basilica Ulpia wegen mehrerer Erbschaftsangelegenheiten jüngst einige Angehörige der Legionen angeschrieben hat, die sich zurzeit mit dem Imperator Caesar Augustus auf dem Feldzug gegen den parthischen Feind befinden. Dabei sollen Fristen genannt worden sein, innerhalb derer die möglicherweise Erbberechtigten ihre Ansprüche geltend machen sollen.
    Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass es für die Moral der kämpfenden Truppen nicht förderlich ist, wenn sie im Felde vom Tod lieber Verwandter, vielleicht gar Eltern oder Geschwister erfahren. Zudem sollte man sich auch innerhalb der Basilica Ulpia vor Augen führen, welch enorme Entfernung mittlerweile zwischen den hier, an vorderster Front kämpfenden Truppen und der Hauptstadt liegt. Die Postzustellung ist unsicher und zeitraubend. Mir wurde gesagt, dass einige Betroffene die Briefe der Basilica Ulpia erst nach Ablauf der in diesen Briefen genannten Fristen erhielten und schon aus diesem Grund nicht fristgerecht antworten konnten.


    Darum fordere ich euch im Namen des Imperators Caesar Augustus auf, jene Erbfälle bis zum Ende des Krieges ruhen zu lassen, in denen Angehörige der im Krieg kämpfenden Legionen zu den Begünstigten zählen. Bereits genannte und abgelaufene Fristen sollen hinfällig sein.


    gez. Lucius Aelius Quarto
    ----- MAGISTER DOMUS AUGUSTI -----



    EDESSA - ANTE DIEM V ID NOV DCCCLVII A.U.C.
    (9.11.2007/104 n.Chr.)


    Nachdem der Scriba alles ins Reine geschrieben hatte siegelte und unterzeichnete Quarto den Brief. Dann ließ er einen Reiter der Equites Singulares kommen, die den Heerzug des Kaisers begleiteten und den Kontakt zur Heimat aufrecht erhielten. Dem gab er das Schreiben und wies ihn an, es umgehend nach Rom zu bringen.

  • Noch vor der blutigen Schlacht an den Ufern des Chaboras, auf dem Weg vom eroberten Edessa dorthin, lagerte der große Tross des Heeres in einem kargen Tal, mit trockenen Sträuchern und kümmerlichen Bäumen. Sie waren gar nicht so weit von einer Stadt entfernt, deren Name jedem Römer einen kalten Schauer über den Rücken jagte: Carrhae!
    Vor 150 Jahren war in dieser Gegend ein römisches Heer unter Marcus Licinius Crassus Dives von den Parthern vernichtend geschlagen worden. Diese schlimme Niederlage war Mahnung und böses Omen bis in die Gegenwart.


    Unter einem der wenigen Bäume hatte der Magister Domus Augusti sein Zelt aufbauen lassen. Auch ihn plagten unheilvolle Gedanken.


    Endlich kam er einmal wieder dazu, einen Brief zu diktieren. Er galt seinem Bruder, dem vom Kaiser adoptierten Caesar, der als Legat in Illyrien weilte und nicht am Feldzug teilnahm. Quarto war hin und her gerissen, ob das gut oder schlecht war...


    An den Caesar
    GAIUS ULPIUS AELIANUS VALERIANUS
    Castra Legio XIV Flavia
    Singidunum, Moesia Superior


    Salve mein lieber Bruder!


    Ich schreibe Dir aus einem staubigen, wenig einladenden Land. Wie Du sicherlich schon weißt, begleite ich den Imperator Caesar Augustus bei seinem Feldzug gegen die Parther. Wir haben Edessa erobert! Ein glücklicher Erfolg der uns mit Stolz erfüllen kann.
    Aber noch so viel Land liegt vor uns.


    Du kannst Dir bestimmt vorstellen, dass ich inmitten dieses Heeres nicht so recht passen will. Ich bin kein Soldat und war es nie, so ganz anders als Du. Aber ich bemühe mich und klage über keine Strapaze und keine Unanehmlichkeit, die ich auf dieser beschwerlichen Reise auf mich nehmen muss.
    Doch, natürlich, für Dich wäre dieser Feldzug eine Freude, wo er mir Sorge und Pein bereitet. Ich wünschte Du wärst hier, an der Seite des Kaisers und würdest ihm gut raten.
    Denn ich fürchte, seinen Beratern mangelt es an dem richtigen Einfluss. Sie meinen es bestimmt gut mit ihm und mit dem Imperium, aber sie raten ihm schlecht. Sie bestärken ihn in der Absicht, immer weiter in das Land des Gegenspielers vor zu rücken.
    Wir haben ein stolzes Heer und im Norden kämpft ein zweites, aber wissen wir nicht alle, dass selbst mit dieser gewaltigen Anstrengung das riesige Partherreich nicht erobert werden kann? Wissen wir nicht alle, dass es irgendwann zu Verhandlungen mit Oroes, dem listenreichen König der Parther kommen muss?
    Iulianus, nur Dir wage ich das so offen zu sagen, scheint dies vergessen zu haben. Ungestüm wie ein junger Alexander treibt er uns voran, ohne einen Gedanken an das Morgen zu verschwenden. Ich bin alt und zögerlich von Natur, dass weiß ich wohl. Aber ich fürchte, er könne in sein und in unser aller Verderben rennen. Er wäre nicht der erste römische Feldherr, dem diese verfluchte Gegend zum Verhängnis wird. Du musst wissen; wir lagern heute gar nicht weit entfernt von der Stadt Carrhae, einem Ort der Schande und der Trauer, wie Du sicherlich weißt.
    Oh ich wünschte Du wärst jetzt hier und könntest dem Kaiser gut zureden. Aber zugleich bin ich froh, Dich fernab dieses Krieges in Sicherheit zu wissen. Weil ich Dich liebe, mein Bruder, und weil es an Dir wäre, Iulianus' Erbe fort zu führen, wenn das Schlimmste in diesem Feldzug eintritt, von dem niemand hofft das es je geschehen und worum jeder Mann die Götter anfleht, dass es niemals sein wird: Das nämlich der Kaiser verstirbt.
    Dann wäre es an Dir, dass Imperium zu führen. Gut das Du nicht hier bist, und der gleichen Gefahr ausgesetzt bist wie er und wie wir alle.
    Mögen die Götter Dich wohl behüten und mögen uns Mars und Fortuna im neuen Jahr zulächeln!


    Dein Bruder Lucius Aelius Quarto



    In der OSROENE - ANTE DIEM XI KAL DEC DCCCLVII A.U.C.
    (21.11.2007/104 n.Chr.)


    Als dieser sehr persönliche Brief geschrieben war, der so viel Zweifel und Zaudern enthielt, zögerte Quarto, ob er ihn wirklich abschicken sollte. Aber schließlich setzte er sein Siegel darunter und ließ einen Prätorianer kommen, der ihn nach Westen bringen würde.

  • Natürlich ahnte Aelius Quarto an diesem Tag und auch in den darauf folgenden Wochen nicht, wie schlecht es seinem Bruder ging. Er ahnte nichts von dem Gebrechen, dass Valerianus ans Bett fesselte und ihm seine Pflichten zur Qual werden ließ.
    Hätte er es gewusst, wie sehr wäre er in Sorge um ihn gewesen!
    So aber glaubte er das, egal was in diesem Krieg noch geschehen würde, sein Bruder, der Caesar und designierte Nachfolger des Kaisers, sicher und wohlbehalten in Illyrien weilte und die Zügel ergreifen würde, wenn es nötig war.
    Hätte er die Wahrheit geahnt, dann hätte er vor Kummer des Nachts gewiss kein Auge mehr geschlossen.

  • Ein Bote trägt einen Brief aus dem Zelt des Kaisers in jenes des Magister Domus Augusti.


    "Herr, dieser Brief wurde an den Imperator Caesar Augustus gesandt. Er trägt dir auf, die Antwort bezüglich Aegyptus zu verfassen und lässt mitteilen, dass er gegen das in diesem Brief geäußerte Anliegen keine Einwände hat und alles weitere somit deinem Urteil überlässt.


    Alle weiteren Punkte des Briefes betreffen dich nicht."



    M. AELIUS CALLIDUS PROCURATOR A LIBELLIS PALATII
    PROCONSULI ET IMPERATORI L. ULPIO IULIANO SUO


    Mit äußerster Sorge, Herr, las ich deine Worte über die dir zugetragene Verletzung. Mögen die Götter das frevelhafte Verbrechen der Parther schnell vergelten.
    Ich selbst will dir die Nachricht zukommen lassen, dass sich ausgerechnet für Aegyptus, einer Provinz, die dir stets besonders nahe war, ein besonders fähiger Mann in deinen Dienst stellen will. Lucius Aelius Claudianus Marcellus, Adoptivsohn des Lucius Aelius Quarto, ehemaliger curator aquarum Italias, quaestor consulum und quaestor classis, der unter dir die praefectura annonae innehatte, erbittet die Einsetzung in das Amt des iuridiculus in der Provinz. An der academia legte er nicht nur schon das examen secundum ab, er erwarb den Abschluss des cursus iuris an der schola Atheniensis ebenso.
    Noch in einer weiteren Sache erwarte ich deine Antwort, erbat doch Aurelius Ursus in einem Schreiben das Tribunat von dir verliehen zu bekommen. Jenes Schreiben fügte ich dir bei.
    Vale.




  • Mit großem Interesse las der Magister Domus Augusti von der Bitte seines Adoptivsohnes. Er wollte also in ein Amt eingesetzt zu werden, das ihn nach Aegyptus führen würde. Iuridiculus war ein hübsches, kleines Amt in der Provinz, zwar weit weg von Rom und sicherlich nicht dazu geeignet, sich sofort für die höchsten Ämter zu empfehlen, aber doch ein richtiger Schritt seines Adoptivsohnes in eine gute Zukunft, fand Quarto. Der Praefectus Aegypti Germanicus Corvus war zudem einer von Quartos Clienten und dort würde Marcellus nicht nur sicher sein, er würde in dieser wichtigen Provinz auch noch entschiedener die Interessen der Familie vertreten können.
    Also setzte er sehr zufrieden ein Antwortschreiben an den Procurator a libellis auf, der ja ebenfalls ein Verwandter von ihm war. Trotz seines offiziellen Inhalts war es ein recht persönlich gehaltener Brief:


    An den
    Procurator a libellis
    Marcus Aelius Callidus
    Palatium Augusti
    Roma


    Salve mein lieber Marcus!


    Ich schreibe Dir aus dem Lager des kaiserlichen Heeres, im parthischen Feindesland. Vor Kurzem sind wir von Circesium aufgebrochen. Wir marschieren nach Süden, zu einer Stadt mit Namen Dura. Es könnte ein langer Brief werden, wollte ich dir alles Berichtenswerte aus diesem Feldzug schildern. Doch ich will mich kurz fassen und dir nur versichern, dass es mir gut geht und ich wohlauf bin. Die Götter haben mich bis hierhin gut behütet, was mich mit tiefer Dankbarkeit erfüllt.


    Der Grund dieses Schreibens ist nämlich nicht, dass dir ein alter Mann von seinen Kriegserlebnissen berichtet, bei denen er ohnehin nur ein ferner Zeuge sein kann und nicht selbst das Schwert führt.
    Der Grund liegt in einem Schreiben, dass Du dem Kaiser gesandt hast. Es geht um das Ansinnen meines angenommenen Sohnes Lucius Marcellus als Iuridiculus in die Provinz Alexandria et Aegyptus entsandt zu werden. Der Imperator Caesar Augustus hat mir mitgeteilt, dass er keinerlei Einwände dagegen hat und die weitere Entscheidung mir überlassen.
    Auch ich begrüße seinen Wunsch und stimme ihm gerne zu.


    Du wirst also im Namen des Kaisers die entsprechende Ernennungsurkunde aufsetzen und auf üblichem Wege öffentlich bekannt machen.
    Teile Lucius bitte mit, dass seiner Bitte entsprochen wurde. Sage ihm meine besten Wünsche und das ich ihn in meine Gebete an die Götter einschließe, damit sie ihm eine glückliche Reise schenken mögen. Gib ihm eine Zweitschrift seiner Ernennungsurkunde mit auf den Weg, damit er sie bei dem Praefectus Alexandriae et Aegypti vorweisen kann. Das ist Germanicus Corvus, ein Client von mir. Er soll ihm bitte meine Grüße ausrichten.


    Auch Dich schließe ich immer mit ein, wenn ich mich an die Götter wende und um ihren Segen bitte. Ich hoffe, in meinem Haus ist alles zum Besten bestellt und bin beruhigt, weil ich weiß, dass Du dafür Sorge tragen wirst.


    Vale, mein lieber Marcus, auf das wir uns bald glücklich wiedersehen.
    Lucius Aelius Quarto
    ----- MAGISTER DOMUS AUGUSTI -----



    Bei DURA EUROPOS am Euphrates
    ANTE DIEM XII KAL FEB DCCCLVIII A.U.C.
    (21.1.2008/105 n.Chr.)


    Als der Brief geschrieben war unterzeichnete und versiegelte Quarto ihn. Dann ließ er nach einem Reiter der Prätorianer rufen, der ihn mit, in das so ferne Rom nehmen würde.
    Rom... ach, er sehnte sich nach Rom und an diesem Abend wünschte er, der Krieg wäre schon vorbei, er auf der Heimreise und alles ganz so wie es war, bevor sie nach Parthia aufgebrochen waren.
    Aber Nona, Decuma und Morta – die drei Schicksalsgöttinnen – hatten längst seinen Schicksalsfaden gesponnen und lachten nur über seinen wehmütigen Wunsch. Oh wie gut, dass er ihr boshaftes Lachen nicht hören konnte...

  • Der gerufene Prätorianer trat in das Zelt des Magisters Domus Augusti und riss ihn mit seinem militärisch, knappen Gruß aus allen Träumereien.
    Er nahm das Schreiben entgegen und war genau so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war.
    Die Männer der Equites Singulares waren bekanntlich immer in Eile.

  • Ein Brief erreichte Lucius Aelius Quarto... wenige Wochen, nachdem er geschrieben worden war.


    An den
    Magister Domus Augusti
    Lucius Aelius Quarto
    Lager der Legio I, Parthia



    E I L B R I E F



    Geschätzter Vater!


    Vielen Dank für deine rasche Antwort aus Parthia und deine freundlichen Worte, die mir Callidus heute in deinem Auftrag übermittelt hat. Wie du dir denken kannst, werde ich Roma auf Grund meiner Ernennung zum Iuridiculus in den nächsten Tagen verlassen und mich gemeinsam mit meinen Sklaven und meiner Tochter Dolabella nach Aegyptus begeben. Ich möchte dir auf diesem Wege meinen Dank aussprechen, da ich mir sicher bin, diesen Posten auch auf Grund deiner Stellung am Kaiserhof und deiner Fürsprache beim Kaiser erhalten zu haben. Ich stehe bereits so tief in deiner Schuld, dass ich es nicht mehr für möglich halte, diese jemals wieder begleichen zu können. Dennoch muss ich es wagen und dich um einen weiteren Gefallen zu ersuchen.


    Im Zuge der bevorstehenden Veränderungen und in anbetracht der Umstände die dich derzeit selbst von Rom fern halten und uns dadurch nur einen eingeschränkten Kontakt ermöglichen, halte ich es für äußerst Sinnvoll und Notwendig dich in diesem Schreiben zu bitten, mich und meine Tochter Dolabella aus deiner Patria Potestas zu entlassen, sodass ich wieder uneingeschränkt Herr über mein Tun und Handeln sowie über meine Familie sein kann. Gerade beim Amt des Iuridiculus halte ich es für ausgesprochen wichtig, von vornherein den Eindruck eines unabhängigen und unbeeinflussbaren Magistraten zu erwecken. Ich hoffe daher du verstehst den Grund meines Ansinnens und die dahinter stehende Motivation.


    Ansonsten bleibt mir nur noch dir zu versichern, dass auch wir dich in unsere Gebete einschließen und hoffen, dass wir dich bald gesund und erfolgreich wieder sehen werden. Ich wünsche dir alles Gute und mögen die Götter auch weiter ihre schützende Hand über dich halten.


    Vale Bene


    gez. Lucius Aelius Claudianus Marcellus
    [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Gens%20Aelia/SiegelAeliaPapyrus.gif]



    ROMA - ANTE DIEM V KAL FEB DCCCLVIII A.U.C. (28.1.2008/105 n.Chr.)

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