Jetzt endlich grinste er nicht mehr, der Parther. Ich sah auf ihn hinunter - auf den in der Bewusstlosigkeit erschlafften Körper, auf die Platzwunde an der Schläfe - und verspürte einen Anflug von Unglauben, dass tatsächlich ich es gewesen war, der den Parther Ziaar, diesen furchterregenden Feind, letztendlich niedergestreckt hatte! (Naja, nicht allein, aber trotzdem.) Ich fesselte ihm die Hände und Füsse, durchsuchte ihn nach Waffen, und hob den Säbel, der ihm entfallen war, vom Boden auf. Der war schön! Die Klinge schimmerte in einem fliessenden Wellenmuster, Griff und Parierstange waren prunkvoll verziert, und die Scheide, die ich Ziaar gleich mit abnahm, war mit Goldfäden durchwirkt. Eine nette Revanche für mein geklautes Gladius, und eine schicke Trophäe um sie in der Casa Decima an die Wand zu hängen, auf jeden Fall.
Dasius und ich machten uns natürlich gleich auf, um den Schützen auch noch zur Strecke zu bringen. Schildgedeckt, das blanke Schwert in der Hand, huschten wir durch das Haus, fanden eine Treppe, und tasteten uns, zügig aber vorsichtig, immer so von Ecke zu Ecke (wie es sich gehört) durch die Zimmer des Hauses vor. Prunkvolle Gemächer waren das. Schliesslich erblickten wir den Schützen, der sich oben auf der Balustrade die um den Innenhof herumführte postiert hatte. Er sandte uns einen Pfeil entgegen, der blieb aber in Dasius' Schild stecken, dann schwang er sich gelenkig aufs Dach hinauf, sprang aufs angrenzende Gebäude und hastete davon. Wir verfolgten ihn ein Stück, verloren ihn aber, schwergerüstet wie wir waren, schnell aus den Augen.
So kehrten wir zu den anderen zurück, und mit Erleichterung sah ich, dass Musca wieder wohlbehalten im Kreise seiner Kameraden stand.
"Wir haben ihn leider nicht erwischt, er ist über die Dächer abgehauen.", meldete ich Sparsus.
"Armer Verax.", murmelte Musca, suchte eine Decke und schlug den Leichnam darin ein, um ihn mitzunehmen.
"Dafür werden sie büssen!", grollte Silio, und versetzte den beiden Gefangene ein paar kräftige Fusstritte. "Ab ans Kreuz mit dem Schweinepack!"
"Nein", protestierte ich, und zeigte auf Ziaar, "der da gehört mir! Das ist der Sklave den ich neulich gekauft habe, nach der Schlacht. Der mir gleich wieder, naja, ausgebüxt ist. Den will ich behalten, der kommt nicht ans Kreuz."
"Später. Jetzt verschwinden wir erst mal.", beendete Musca diese Diskussion. Unbehaglich rieb er sich den Nacken. "Nicht dass hier gleich noch mehr von diesen Widerständlern aufkreuzen."
Und so geschah es. Wir trugen den Toten und die Gefangenen hinaus, legten sie quer über den Rücken der Mulis, und luden schnell auch noch die Vorräte, die wir gefunden hatten, auf. Der Händler hatte sich wohlweislich aus dem Staub gemacht. Der seltsame Grieche, der mit dem Apfel, schien von den ganzen Ereignissen ziemlich mitgenommen zu sein, und ich hatte den gänzlich un-soldatischen Impuls mich bei ihm zu entschuldigen.
~"Ähm, verzeih bitte den ganzen Aufruhr,"~ setzte ich verlegen an, ~"mein Kamerad hat das wirklich nicht so gemeint, vorhin, wirklich. Er war bloss ein bisschen nervös."~
Ein letztes mal blickte ich durch den Verkaufsraum, wo Trümmer und Blutschlieren mit zermatschtem Apfel auf dem Boden ein makaberes Stilleben bildeten.
~"Wir tun ja nur unsere Pflicht, für unseren Kaiser und für das Imperium..."~, sagte ich leise, wobei das wieder einer dieser Moment war, in denen ich mich fragte: was zum Henker haben wir hier eigentlich verloren? Auf der Kiste neben dem Griechen liess ich einen grossen roten 'requirierten' Granatapfel liegen, so als notdürftige Geste der Entschädigung falls er wollte, drehte mich dann um und ging hinaus zu den anderen. Durch Strassen in denen die Sonne flirrte und waberte verliessen wir Edessa und kehrten zurück zur Castra. Schweigend und bedrückt und ein Mann weniger als auf dem Hinweg.
~ ~ ~ ~ ~
Es war am darauffolgenden Tag. Verax' Leichnam war gestern noch verbrannt worden, am Abend. Und nicht weit von seinem Scheiterhaufen, in Sichtweite unserer Zelte, hatte man den zweiten Rebellen, den wir gefangen hatten, wie zu erwarten ans Kreuz geschlagen. Ein mieser Drecksparther war er nur gewesen, aber sein Leiden war doch zum Göttererbarmen gewesen. Naja, als wir bei Morgengrauen vom üblichen Schmettern der Cornicen geweckt wurden, war er jedenfalls endlich tot. Ein Geier hockte oben auf dem Kreuz, mit Fleischfetzen im Schnabel, einer von diesen hässlichen, schwarzen, buckligen Unglücksboten, die sich auch über den (noch lebendigen) Centurio hatten hermachen wollen, in den Hügel als wir nachts überfallen wurden. Schaurig, diese Tiere.
Was Ziaar anging, so war es mir zum Glück gelungen, Sparsus und meine Contubernales davon zu überzeugen, dass der MIR gehörte, deshalb hatten wir ihn nicht als "Rebellen" zur Kreuzigung abgeliefert, sondern als "Sklaven" in einen der Käfige für die Gefangenen gesteckt. Er war noch sehr benommen gewesen, am Vortag, trotzdem hatten wir ihm die Fesseln nicht abgenommen, nur ein bisschen gelockert damit ihm nicht die Hände und Füsse abstarben. Die Kopfwunde hatte ich ihm gesäubert und mit einem Stoffstreifen verbunden, und ich hatte ihm auch eine Decke gegen die Kälte übergelegt. Ich hoffte, dass die Kopfverletzung nichts ernstes war, denn schliesslich wollte ich ihn noch als Sklaven.
Am liebsten hätte ich ihn als Knecht für unser Contubernium behalten, ich stellte mir das wunderbar vor, jemanden zu haben, der für uns das Korn mahlte, und das Wasser holte, und überhaupt so lästige Arbeiten übernahm. Ich brachte die Sprache darauf, als wir alle verschlafen herumsassen und unseren Morgen-Puls assen. Aber Musca erlaubte es nicht, und als Contuberniumsältester hatte er da leider ein Wörtchen mitzureden.
"Das geht nicht", meinte er bestimmt, "die Offiziere wollen das nicht. Verstehst Du, Serapio, sie haben einfach etwas dagegen dass wir die Arbeit an andere abgeben. Die sind der Meinung Arbeit ist ein Grundpfeiler der Disziplin. Legionäre die ständig schuften müssen, die kommen gar nicht auf dumme Gedanken. Müssiggang ist aller Laster Anfang, besonders bei Soldaten - glauben jedenfalls die Offiziere. Deshalb auch die Strafen wenn sie uns dabei erwischen würden wie wir unser Korn im Trosslager gegen fertiges Brot eintauschen. - Ausserdem, so ein wilder Parther, das ist doch sowieso eine Schnapsidee. Wovon willst du ihn überhaupt ernähren? Du kannst ihn nicht hierbehalten."
Basta. Ich seufzte geknickt. Den Gefangenen wollte ich nicht hergeben! So einen exotischen Krieger zu besitzen, das war doch sowas von angesagt, einfach ein tolles Prestigeobjekt! Jedenfalls in Rom. Vielleicht sollte ich ihn Lucilla schicken? Aber bei so Sklaventransporten starben die armen Sklaven ja wie die Fliegen, das war mir eigentlich zu riskant. Was sollte ich nur mit ihm anfangen?
"Vielleicht..." überlegte ich, "vielleicht sollte ich ihn einfach dem Centurio überlassen. - Während des Feldzuges jedenfalls..."
"Willst Dich wohl einschmeicheln!", versetzte Rupus grob.
Aber Musca sah das ganz pragmatisch.
"Es ist nie verkehrt, sich mit dem Centurio gut zu stellen.", bemerkte er weise. Und da hatte er recht.
Jedenfalls wollte ich den Gefangenen nicht verhungern lassen. Ich füllte eine Holzschale mit warmem Puls, und eine Kanne mit Wasser, und ging ein Stück, bis zu dem Käfig. Es war nur einer von vielen, er stand neben einem Maultierpferch, am Rande irgendwelcher Vorratslager-Zelte, und war leer bis auf Ziaar. Vor dem Käfig blieb ich stehen und blickte den Parther nachdenklich an. Sesterzen hin oder her, womöglich wäre es doch besser (und vor allem sicherer!) ihn einfach auch als Rebellen hinrichten zu lassen? Es war ein komisches Gefühl, so über einen anderen Menschen entscheiden zu können. Stumm beugte ich mich vor und schob ihm Essen und Wasser durch die Gitterstäbe hindurch.