Siv nickte nur, als Minna Rom als unheimlich bezeichnete. Sie konnte dem nur zustimmen – wie konnten so viele Menschen an einem Ort leben, so aufeinander gedrängt? Sie begriff es nicht, und das würde sie wohl auch nie. "Bisher habe ich mich noch davor drücken können, mit auf den Markt oder sonst wohin zu müssen. Ich weiß nur nicht wie lange mir das noch gelingt. Eigentlich wäre es vermutlich ganz gut, wenn ich lernen würde, mich wenigstens etwas hier zurecht zu finden, aber ich bezweifle dass mir das gelingen wird." Als Siv etwas zögernd mit ihrer Frage herausrückte, wirkte Minna für einen Moment etwas seltsam, was aber sofort wieder verging, so dass Siv nicht wusste, ob sie sich das eingebildet hatte oder nicht. Sie war auch bereit, das Thema zu wechseln, ohne eine Antwort zu bekommen, als Minna auch schon sprach. Zu den Claudiern gehörte sie also… Von den Claudiern hatte Siv ebenfalls schon gehört. Auch eine der reichen Römerfamilien, so wie die Flavier und die Aurelier… denen sie gehörte. Sie hatte den feinen Unterschied gehört, den Minna gemacht hatte, ebenso wie sie selbst ihre Frage so formuliert hatte, dass daraus nicht deutlich wurde, dass sie im Grunde Sklavinnen waren. Und sie würde auch weiterhin versuchen, es nicht direkt auszusprechen. Aber was brachte es schon, sich selbst etwas vorzumachen? Sie gehörte den Aureliern, zumindest was die Römer betraf. Was sie selbst dachte oder wollte, zählte nicht. "Ich bin erst ein paar Wochen hier. Aber meine Heimat habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen, der Weg hierher hat lang gedauert." Siv seufzte lautlos. "Da sind wir schon zwei. Wenn ich könnte, würde ich sofort zurückgehen…" Die Sehnsucht, die sie auf einmal in sich spürte, sah Siv gespiegelt in den Augen der Germanin ihr gegenüber, und so kurz dieser Moment auch dauerte, seltsamerweise schöpfte sie Kraft aus dem Wissen, dass sie damit nicht alleine war. Als Minna dann wieder lächelte, fiel es Siv zu ihrer eigenen Überraschung leicht, es zu erwidern.
Mit einem Nicken folgte Siv Minna zu den Männern, die den Gästen auf ihren Tabletts die unterschiedlichsten Speisen anboten. Die Germanin holte sich zuerst einen Becher Wein, an dem sie zuerst schnupperte, um sich zu überzeugen, dass er auch wirklich herb war und nicht etwa irgendein süßer Fruchtwein – wieder hatte sie für einen Moment fast so etwas wie Gewissensbisse, als eine feine, aber unüberhörbare Stimme in ihr meckerte, dass sie eigentlich auf Met bestehen sollte. Aber sie versuchte die Stimme zum Schweigen zu bringen mit dem ihrer Meinung nach unschlagbaren Argument, dass Met ihr nun mal schlicht zu süß war – sie hatte den Honigwein vor ein paar Jahren noch gemocht, aber inzwischen hatte sich ihr Geschmack geändert. Trotzdem, beharrte die Stimme in einer Art störrisch-kindischem Trotz, und Siv beschloss sie einfach zu ignorieren. Stattdessen musterte sie die verschiedenen Gerichte und schwankte für einen Moment, bevor sie sich für das Hammelfleisch entschied, zusammen mit einer etwas seltsam, weil ziemlich bunt aussehenden Sauce entschied und dazu etwas Käse nahm – Käse war auch so etwas, von dem sie hier nicht genug bekommen konnte. Sie hätte nie gedacht, dass es so viele unterschiedliche Sorten davon gab, und sie schien jede einzelne davon zu mögen. Sie ignorierte die Stimme in sich genauso wie die kleinen, ovalen, grünen und schwarzen Dinger, die ebenfalls angeboten wurden. Sie hatte keine Ahnung, was das war, und so weit ging ihre Experimentierfreudigkeit im Moment dann doch nicht. Stattdessen wandte sie sich wieder Minna zu, deren Aufmerksamkeit für einen Moment abgelenkt gewesen war, was Siv allerdings nicht mitbekommen hatte. Ihr Blick schweifte kurz über Caelyn, die sich mit einem ihr fremden Mann unterhielt, dann wurde sie auch schon abgelenkt von einer Hand, die plötzlich in ihre freie geschoben wurde. Überrascht sah Siv zur Seite und erblickte Tilla neben sich, die irgendwie verschüchtert und traurig aussah. "Tilla? Was ist denn? Was, was sein? Du… haben schlecht?" Sie deutete auf das Essen. "Du bist Hunger vielleicht?"