servitriciuum | Ein Schlafraum der männlichen Sklaven

  • Er hatte wirklich zu viel getrunken an diesem Abend, denn der Boden näherte sich, entfernte sich, drehte sich und wölbte sich ihm immer mal wieder entgegen. Hannibal blinzelte und fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, um diese Sinnestäuschung zu vertreiben. Als er die Hand sinken ließ, sah er nicht mehr den Boden, sondern Füße. Verblüfft sah Hannibal auf und ließ die Öllampe sinken, die ihm in den Augen geblendet hatte. Nachdem er schon eine halbe Stunde lang durch die Dunkelheit geschlichen, mehr getaumelt, war. Einmal durch die Straßen von Rom, dann durch die Villa. "Cassim? Grüss Dich... " Doch, es war der gut aussehende Parther. Hannibal seufzte. Irgendwie war ihm heute nicht nach der Gesellschaft anderer Sklaven. Er stellte die Öllampe auf der Kiste neben seinem Nachtlager ab. Sie flackerte einen Moment, doch erlosch nicht. "Gut." Eine Lüge, aber in dieser Hinsicht war Hannibal immer verschlossen. "Und selber?" War da noch jemand, Hannibal kniff die Augen etwas zusammen, konnte den Anderen jedoch nicht genau erkennen.

  • Wie viele Becher Wein mochten wohl an diesem Abend seine Kehle hinunter geflossen sein, fragte sich Cassim, als er den Sklaven aus der Nähe betrachtete. Hannibal machte nicht den Eindruck, als hätte er etwas zu feiern gehabt. Ganz im Gegenteil! Beiläufig hatte Cassim erfahren, wie es um die Beziehung zwischen Hannibal und dem Römer stand. Allerdings hatte er nicht in Erfahrung bringen können, weswegen der Sklave in Ungnade gefallen war und aller seine Privilegien verlustig gegangen war. So versuchte er, sich nicht anmerken zu lassen und ging auf Hannibals Frage ein. "Recht gut, recht gut!" Es ging ihm von Minute zu Minute besser, wenn er daran dachte, bald von hier fort zu kommen und wieder in Freiheit leben zu können. "Sag Hannibal, kennst du eigentlich schon Chimerion?" Der Parther ließ kurz seinen Blick von Hannibal ab und winkte dem langhaarigen Sklaven zu sich. "Du solltest ihn unbedingt kennen lernen. Vielleicht ist er ein Teil dessen, was dein Leben in Zukunft um einiges attraktiver machen könnte!“ Der Parther hatte den zweiten Satz nur noch geflüstert, damit niemand hörte, was er nicht hören sollte.

  • Eine reichlich merkwürdige Begegnung fand Hannibal die ganze Angelegenheit. Zu dieser Stunde und so scheinbar unauffällig. Selbst wenn viele von Hannibals Gehirnwindungen von dem reichlichen Wein benebelt waren, am Rande bemerkte er es dennoch. Und irgendwie schien der Parther gut Laune zu haben. War was passiert, was Hannibal entgangen war? Offensichtlich. Chimerion? Hannibal sah an Cassim vorbei. Spähte in die Dunkelheit und schob die Lampe etwas an den Rand der Kiste. Um den anderen, erwähnten Sklaven zu betrachten. Hannibal schüttelte schon den Kopf als er die nächsten Worte von Cassim vernahm. Vielleicht ist er ein Teil dessen, was attraktivere Zeiten in Hannibals Leben brachte? Instinktiv wölbte sich Hannibals Augenbraue in die Höhe. Dann blinzelte er als er zu glauben verstand, was Cassim damit meinte. Die Szene in dem Atrium, in dem Serapio nicht nur seinem Herrn, sondern auch der halben Sklavenschaft Hannibals Vorliebe verraten hatte, war natürlich in der Gerüchteküche der Sklaven gelandet. Er hatte schon einge Kommentare erdulden müssen in den letzten Tagen. Hohn und Spott natürlich auch.


    Und in dem Augenblick vermutete Hannibal, dass die Gerüchte auch bis an die Ohren der beiden Sklaven gelandet waren. Stumm seufzte er und versuchte es zu ergründen, ob Cassim auch seinen Spott mit ihm treiben wollte. Oder versuchte er gar ihn zu verkuppeln? Hatte er im Nachhinein nun doch die Blicke so gedeutet, wie sie auch angedacht waren. Schließlich war der Parther nicht unattraktiv. Wenn er ihn unbedingt kennen lernen sollte. Bei dem Gedanken verflog der leidige Gesichtsausdruck wieder und ein belustigtes Grinsen trat auf Hannibals Gesicht. "Ah, wirklich?" Hannibal sah erneut an Cassim vorbei und musterte Chimerion von oben bis unten. Hannibal konnte nicht viel erkennen, aber gut gebaut schien der Sklave zu sein. Aber er meinte sich zu erinnern, den Sklaven hin und wieder mal gesehen zu haben. Er war nicht wirklich Hannibals Typ. "Ist er das? Und mit welchen Vorzügen kann er denn aufwarten, dass die Zukunft so sein wird?" Man konnte es sich ja mal anhören. Vielleicht brachte das ja etwas Kurzweile.

  • Hannibal schien nicht verstehen zu wollen. Lag ihm am Ende seine Freiheit doch nicht so sehr am Herzen? Oder war es einfach nur der Alkohol, der seine Sinne trübte?
    Was in den Tagen zuvor in der Villa geschehen war, hatte Cassim nicht wirklich wahrgenommen. Er war zu sehr mit dem Falken beschäftigt, der nun so weit war, um zur Jagd abgerichtet zu werden. Lediglich war ihm die Nachricht untergekommen, Hannibal sei bei dem Römer in Ungnade gefallen. Wieso es dazu gekommen war, interessierte ihn nicht. Wichtig für ihn war nur, dass der Sklave für eine gemeinsame Flucht bereit war. Außer ihn kannte Cassim niemanden, dem er hätte vertrauen können und der sich auch außerhalb Roms auskannte.
    "Er will das Gleiche, wie wir, Hannibal! Und zwar sofort, nicht erst in einigen Jahren!" Cassims Züge waren ernst geworden. Noch einmal winkte er Chimerion zu sich, der noch gezögert hatte. "Chimerion, komm doch! Das ist Hannibal! Hannibal, das ist Chimerion!" Der Parther machte die beiden miteinander bekannt. "Chimerion hat es auch satt, nach der Pfeife dieser römischen Hure zu tanzen. Er will hier weg, so wie ich und… so wie du!"

  • Chimerion stieg leise von seinem Bett, um näher zu den beiden anderen zu kommen.
    Der Sklave, der eben hereingekommen war, roch ziemlich nach Wein, scheinbar hatte er Ausgang gehabt. Chimerion grüßte den Mann mit einem Nicken.
    "Also du bist Hannibal. Cassim hat mir schon von dir erzählt.... Er meinte du seist vertrauenswürdig?"
    Ein Blick in Hannibals Augen faszinierte den Thraker. Sein Gegenüber schien intelligent zu sein, wenn auch ein wenig angetrunken. Vielleicht würden sie es mit seiner Hilfe schaffen... Aber so weit wollte er noch nicht denken.

  • Er will das Gleiche wie wir? Jetzt sah Hannibal Cassim doch verdattert an. Hatte er Cassim ganz falsch eingeschätzt? Stand er doch auf dem anderen Ufer? Und zwar sofort und nicht in einigen Jahren? Langsam verstand Hannibal nur noch Hafen. Er blinzelte verwirrt und sah zu Cassim hoch. Doch langsam dämmerte es als dieser weiter sprach. Die Flucht! Ach so. Das war es. Römische Hure? Hannibal betrachtete Chimerion und versuchte sich zu erinnern, wem er gehörte. Epicharis nicht. Antonia auch nicht. Celerina womöglich? Ganz sicher war sich Hannibal darüber nicht. Er nickte Chimerion freundlich zu und sah sich in der Dunkelheit der Sklavenunterkunft um, ob ihnen jemand seine Aufmerksamkeit schenkte und lauschte. "Von solchen Dingen sollten wir besser woanders sprechen.", flüsterte Hannibal nun. "Sciurus hat genug armselige Handlanger in der Villa. Und wenn er davon Wind bekommt, sitzen wir alle schneller im Carcer als wir Atem schöpfen können." Und die elende Kröte hatte leider zu viel Macht in der Villa bekommen. Sehr zu seinem Bedauern. "Ob man jemanden Vertrauen kann oder nicht, sieht man nur an dessen Taten.", erwiderte Hannibal noch leise. "Ich könnte Dir natürlich alles sagen und euch dennoch ans Messer liefern."

  • Die Verwirrung war Hannibal ins Gesicht geschrieben. Er verstand absolut gar nichts, von dem, was Cassim im sagen wollte. Das musste am Alkohol liegen! Cassim wehrte sich gegen den Gedanken, Hannibal könnte alles schon wieder vergessen haben, wovon er mit ihm vor wenigen Wochen gesprochen hatte. Er hatte damals ganz deutlich die Sehnsucht nach Freiheit in seinem Gesicht erkennen können. Und siehe da, langsam sickerten seine Erinnerungen zurück!
    Hannibals Einwand, dies sei der falsche Ort um ihren Fluchtplan zu besprechen, war nachvollziehbar. Er selbst hatte zwar noch nicht Bekanntschaft mit diesem Scuirus geschlossen, jedoch war es im nicht entgangen, wie sehr die meisten Sklaven von ihm eingeschüchtert gesprochen hatten.
    "Da stimme ich dir zu! Was haltet ihr davon, wenn wir uns morgen treffen? Kommt morgen in der Mittagszeit zu mir zur Falkenvoliere. Dort sind wir um diese Zeit ungestört!" Er warf den beiden Sklaven einen verschwörerischen Blick zu. In seinem Inneren wollte sein Herz fast vor Freude zerspringen. In wenigen Monaten schon, würde er wieder in seine Heimat zurückkehren. Davon war Cassim überzeugt!
    "Hannibal, ich vertraue dir voll und ganz! Du wirst mich nicht verraten, dessen bin ich mir gewiss!"

  • Chimerion nickte bei den Worten Hannibals. Einige Sklaven hatten sich einmal kurz über den Sciurus genannten Sklaven unterhalten, der offenbar alles was gesagt wurde, an seinen Herren Gracchus weiterleitete.
    Er zuckte mit den Schultern. "Der Verräter würde sich nicht lange eines schönen Lebens erfreuen, dessen könnt ihr euch sicher sein... Aber je weniger Aufsehen wir erregen, desto besser. Dann also morgen zur Mittagszeit bei dir Cassim."Dann nickte er den beiden zu und legte sich wieder auf sein Bett. Die Türe zu den Unterkünften öffnete sich und ein weiterer Sklave trat herein. Er würde keinen Verdacht schöpfen.

  • Von einem Moment zum Anderen war Hannibal in eine Verschwörung verstrickt, einer Konspiration, um die Ketten der Sklaverei abzuschütteln und in die Freiheit zu fliehen. Ein Teil von ihm fand das Ganze urkomisch und durchaus Stoff für einen syrischen Roman, ein anderer Teil von ihm, der im Moment die Oberhoheit besaß, klammerte sich daran wie ein Insekt an den rettenden Schilfhalm, der sich in den strömenden Fluß beugte und das Tier vor dem Ertrinken rettete. Langsam nickte der flavische Sklave. "In Ordnung. Morgen Mittag bei Deinen Vögeln. " Er nickte auch Chimerion zu, denn Hannibal hatte durchaus verstanden, was der andere Sklave damit meinte. Zumindest glaubte Hannibal das. Denn eine deutliche Warnung schwang bei dessen Worten mit, dass Hannibal sie gefälligst nicht verraten sollte. Hannibal verübelte es ihm nicht, er hätte wohl ähnlich gehandelt. Hannibal verfolgte, wie der Sklave sich entfernte und griff selber nach der Öllampe, um sie auszublasen. Dunkelheit breitete sich aus.

  • Chimerion hatte mit seinen Worten noch einmal bekräftigt, was Cassim Hannibal damit sagen wollte. Der Sklave hatte verstanden, wie es gemeint war. Cassim hatte auch nicht anderes erwartet.
    "Gut, dann bis Morgen! Ich erwarte euch! Lasst uns jetzt schlafen gehen. Es ist schon spät!" Er nickte Hannibal und Chimerion noch einmal zu und ging zurück zu seinem Lager. Diese Nacht würde er gut schlafen können. Endlich ging es voran! Er konnte es kaum erwarten, bis es endlich Morgen war und er zu der Falkenvoliere gehen konnte!

  • Lupus


    Vom Cubiculum seines Herren kommend, hatte Lupus den neuen Sklaven Angus aus Britannien in die Unterkunft der männlichen Sklaven gebracht. Hier sollte die Magie beginnen, hier sollte aus dem störrischen Barbaren ein ansehnlicher Sklave des Flavius Scato werden..
    "Setz dich dahin.", Lupus deutete auf einen Schemel während er sein Werkzeug bereitmachte, "Ich denke ich werde deine Haare vorher nassmachen, es geht einfacher, und schneller." erklärte er Angus während er einen Eimer mit Wasser neben ihn stellte. Lupus hoffte inständig dass sich der Kerl benehmen würde, aber er rechnete nicht damit, deswegen gehörte neben seinem Werkzeug zum Haareschneiden auch ein recht dünner aber sehr harter Stock zu seiner Ausrüstung, unauffällig in der Ecke angelehnt, aber jederzeit bereit für den Einsatz..
    "Zieh dich am besten aus, sonst hast du die Haare überall an deiner Kleidung." beratschlagte er noch emotionslos und wartete einen Moment ab..

  • Mein Gezeter perlte an Lupus einfach ab. Er schob mich weiter vor sich her und als ich endlich aufhörte, zu protestieren, bemerkte ich, wie sich auf einmal meine Umgebung veränderte. Bewegten wir uns anfangs noch durch luxuriös ausgestattete Korridore, waren nun die Gänge grau uns schmucklos. Irgendwann schob er mich in einen Raum, in dem es zu Beginn recht düster war. Nachdem einige Öllampen entzündet worden waren, erkannte ich einige einfache Betten, einen einfachen klapprigen Tisch und einen Schemel. Mein Zorn verflüchtigte sich kurz, da ich meine Umgebung erst erfassen musste.


    Lupus wies mir den Schemel zu. Ich wollte schon wieder loszetern, da erkannte ich mein Spiegelbild im Wasser des Eimers. Das was ich sah, erschütterte mich regelrecht! Seitdem sie mich aus meiner Heimat verschleppt hatten, gab es für mich keine Möglichkeit mehr, mich selbst zu betrachten. Mein Haar war lang und struppig geworden und in meinem Gesicht wucherte bereits ein Bart! Nun ja, vielleicht hatte der Lackaffe doch recht gehabt!
    Noch ganz irritiert von meinem Äußeren setzte ich mich und nahm nahezu teilnahmslos wahr, was um mich geschah. „Äh ja… ausziehen.“ Fast schon mechanisch entledigte ich mich meiner Hosen. Meine Tunika war ja bereits am Morgen Kretos´ Zerstörungswut zum Opfer gefallen. Erst als ich schließlich unbekleidet auf diesem Schemel saß, fragte ich mich, weshalb ich das tat. Wenn Aislin mir immer die Haare geschitten hatte, musste ich mich nie ausziehen...
    „Aber scheid ja nicht zu viel ab! Du hast ja gehört, was dieser…. gesagt hat.“ Ich verkniff mir das Wort, das bereits auf meiner Zunge lag. „Ach ja und eine Rasur könnte mir auch nicht schaden!“, entgegnete ich zugegebenermaßen etwas ruppig.

  • Lupus


    Lupus reagierte eher überrascht auf Angus plötzliche Allüren, es war mal was anderes, weniger kriegerisches Gehabe, scheinbar war er doch um seine Optik bemüht, der Haussklave Scato's quittierte es mit einem Grinsen und einem kopfschütteln, "Ja ja ich pass auf keine Sorge.", entgegnete Lupus, "Der Bart kommt aber ganz ab, Bärte sind was für Soldaten im Feld, nein, sogar die rasieren sich." scherzte der unfrei geborene und feuchtete mit einem Krug voll Wasser die ersten Haarsträhnen an, "Dann erzähl mal, wie bist du hierher gekommen? Also abgesehen davon dass ich dich auf dem Markt gekauft habe." bis er die Matte auf dem Kopf des Kerls hingebogen hätte, konnte man ja ein wenig plaudern, immerhin schien er ja zumindest im Moment einigermaßen gebändigt zu sein..

  • Noch immer sinnierte ich über die Frage, was ich eigentlich hier machte. Sicher, dieser Hänfling hatte mich als Leckerbissen für seinen überkandidelten Herrn gekauft. Aber warum nur hatte ich mich ausziehen müssen? Nicht dass es mir etwas ausgemacht hätte, schließlich konnte ich mich sehen lassen.
    Mein düsterer Blick verfolgte nun jeden seiner Handgriffe und nicht nur die!
    „He, was grinst du so?“, blaffte ich Lupus an. Irgendwie schaffte es der Kerl jedes Mal, dass sich meine Faust am liebsten in seinem Gesicht verewigen wollte. Er und dieser seltsam gelockte Wicht passten wie Pech und Schwefel zusammen.

    „Na klar kommt der Bart ganz ab!“, entgegnete ich ihm forsch. Ich hatte mich immer rasiert, nur war das in den letzten Wochen nur schwer möglich gewesen. Aber davon hatte dieser Vogel ja keine Ahnung. Während er sich nun am meinen Haaren zu schaffen machte, glaubte er, es wäre an der Zeit, mit mir etwas zu plaudern. Eine seltsame Angewohnheit, die typisch für diesen Berufszweig war. Zuerst entgegnete ich nichts auf seine Frage, denn eigentlich hatte ich keine Lust, diesem Kerl von Aislin und meinem zu erzählen. „Wir sind verraten worden!“ begann ich dann doch.

  • Lupus


    Lupus grinste weiter, auch wenn es Angus nicht passte, er saß am längeren Hebel, auch wenn die Situation im Moment ja recht ruhig war, "Nur so, du kannst ja scheinbar auch sprechen ohne wie eine Katze zu Fauchen oder ein Bär zu brüllen." kommentierte Lupus Angus' Einwände und schnitt erst einmal grob weitere Haarsträhnen bis zu einem gewissen Punkt ab...
    Als er sich jedoch doch dazu hinreißen ließ über seine Vergangenheit zu sprechen wurde Lupus hellhörig, "Verraten worden? Von den Römern?" fragte er bewusst ruhig, auch wenn es versprach eine spannende Geschichte zu werden, und er ihm eigentlich wesentlich mehr Informationen aus der Nase ziehen wollte..

  • Dem Kerl konnte man offensichtlich nur sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht schlagen! Andererseits erinnerten mich seine Worte an meine Frau, die mich mehr als einmal zur Besonnenheit aufgerufen hatte, wenn ich erst einmal wütend war. Aislin – wie sehr ich sie vermisste! Selbst jetzt, da sie tot war, hatte sie noch so viel Macht über mich und brachte mich dazu, meine Wut beiseite zu schieben, jedenfalls solange ich nicht an die Umstände ihres Todes denken musste. „Ja, das kann ich,“ sagte ich ungewöhnlich ruhig. „Eigentlich bin… war ich so gar nicht… so aufbrausend meine ich…. jedenfalls nicht immer.“ Und dann passierte es doch, was ich eigentlich gar nicht gewollt hatte, dass ich über mein altes Leben davor zu sprechen begann. Aber in diesen Zeiten war es sowieso unwichtig geworden, was ich wollte.
    „Nein, nicht von den Römern. Es war einer von unseren eigenen Leuten, der sich von den Annehmlichkeiten Roms hat einlullen lassen.“ Allein der Gedanke an Cedrecs elender Fratze konnte mich schon wieder zur Weißglut bringen. Deswegen sprach ich gleich weiter. „Ich stamme aus dem Norden Albions… äh Britannias. Die Römer waren einige Jahre vor meiner Geburt gekommen und sie nahmen sich immer alles, was sie wollten. Wegen der Zunahme von Überfällen der wilden Stämme aus dem Norden, hatten sie begonnen, überall Lager für ihre Soldaten zu errichten. Eines Tages ging schließlich das Gerücht um, sie wollten sich auch unser Land nehmen. Ausgerechnet der, der uns verraten hat, rief unsere Männer zum Aufstand gegen die Römer auf. Während wir dann kämpften, hatte er sich bereits auf ihre Seite geschlagen. Dieser elende Verräter!“ Wieder quoll der Zorn in mir auf, meine Muskeln spannten sich an. Ich war bereit, um irgendetwas, was mir in die Hände fiel, kaputtzumachen… aber ich hatte nichts...
    „Aber das ist noch lange nicht alles…“ Ich stockte, weil mich wieder die Trauer ergriff. Wieder sah ich diese letzten Augenblicke in Aislins Leben vor mir, wie sie mit unserem Sohn in den Tod rannte.

  • Lupus


    Die Haare fielen, nicht zu wenige, aber auch nicht zu viele, Lupus hatte keine Lust sich wieder eine Schelte seines Herren einzufangen und wollte den Wünschen Scatos so gut es ging entsprechen..
    "Aber was hatte er denn davon?", fragte Lupus beiläufig während er hier und da noch ein paar Spitzen kürzte, "Was geschah denn dann?", die Geschichte vermochte spannend zu werden, wenn Angus so weitererzählte würde er bald den anderen Sklaven auch ein wenig "Unterhaltung" bringen können, viel zu lachen hatten sie ja nicht, und auch wenn diese Geschichte nicht zum Lachen war, hatte sie eine gewisse Dramatik, und damit auch Unterhaltungspotenzial..

  • So sehr ich mich auch zu Beginn dagegen gesträubt hatte, hier du jetzt vom Untergang meines Dorfes zu berichten, empfand ich es nun als eine Art Balsam für mein gequältes Innenleben. Endlich konnte ich aussprechen, was mir die letzten Wochen und Monate den Schlaf geraubt hatte. Allerdings war ich dadurch auch abgelenkt und dachte gar nicht mehr darüber nach, was Lupus mit meinen Haaren anstellte.

    „Ich nehme an, dass die Römer ihm das Blaue vom Himmel versprochen haben, wenn er uns verrät. Sonst kann ich mir das nicht erklären,“ antwortete ich ihm, nachdem er mich durch seine Frage unterbrochen hatte. Doch da er mich danach direkt aufforderte, weiter zu erzählen, ließ ich mich auch nicht lumpen.
    „Äh ja, wo war ich stehengeblieben? Ach ja, nun komme ich zum bittersten Teil meiner Geschichte. Meine Frau…“ Und da übermannte mich wieder die Trauer, so dass ich den Kopf sinken ließ und mein Gesicht in meine Hände vergrub. Ich brauchte einen Moment, bis ich wieder bereit war, weiter zu erzählen. „Sie haben sie getötet …und meinen kleinen Sohn. Aislin war mit einem Gladius auf den Verräter zugelaufen und dann haben sie sie niedergestreckt.“ Ich spürte, wie meine Hände von meinen Tränen nass wurden. Doch ich wischte sie schnell ab und richtete mich wieder auf. Wenn man mich nun ansah, dann erkannte man einen verzweifelten Mann, der alles verloren hatte und am Ende war.
    Mir war völlig entgangen, dass in der Zwischenzeit einige Männer mit teils fremdartigen Gesichtern den Raum betreten hatten und dem lauschten, was ich zu erzählen hatte. Da kam es natürlich nicht gut, dass ich hier saß und wie ein Mädchen flennte.
    „Und was ist mit dir?“ fragte ich schließlich, um von mir und meiner Trauer abzulenken.

  • Lupus


    Diese Geschichte hatte wirklich das Zeug zu einer Tragödie! Im Theater von Athen vielleicht, auch wenn man dort im allgemeinen auch nicht so auf Barbaren erpicht war..
    "Ich bin sicher deine Götter haben einen speziellen Platz für Leute wie ihn.", kommentierte Lupus, und stellte fest dass die Frisur wohl so in Ordnung ging, Zeit für den Bart, und das Rasiermesser, welches er vorsichtig an der Wange ansetzte, "Deine Frau war sehr tapfer, weine nicht um sie, ich bin sicher ihr geht es gut dort wo sie ist. Es tut mir leid um sie.", natürlich hatte Lupus keine Ahnung was der Kerl und seine Leute glaubten, aber irgendetwas musste er ja sagen, und "Tja, pech gehabt" hätte wohl dieses zarte Pflänzchen der Verständnis zerstört, und außerdem hantierte er mit einem scharfen Messer am Gesicht von Angus herum, also war das typische Schluchzen nicht sehr förderlich. Umso besser für die Rasur, und so unerfreulicher für die neuerlichen Zuschauer das Angus das Thema wechselte, und Lupus die immergleiche, langweilige Geschichte erzählen muss..
    "Nun, ich bin als Sklave geboren, und mit dem Dominus aufgewachsen.", sagte er knapp, und ließ erst einmal die Details weg, auch wenn es für Angus sicher interessant war wie sein neuer Herr früher einmal war..

  • „Wenn mir meine Götter gewogen sind, dann werden sie mich direkt zu ihm führen, damit ich dann seinem elenden Dasein ein Ende bereiten kann!“, entgegnete ich schroff und ich spürte, wie mein Zorn wiederkehrte. Dabei spannten sich erneut meiner Muskeln an. Bei Lugh, wenn mir dieses gelingen würde, dann hätte dieses jämmerliche Dasein, welch ich nun zu führen gezwungen war, einen Sinn! Wenigstens gab es hier jemanden, der mir zuhörte und ich begriff, dass ich Lupus wohl falsch eingeschätzt hatte. Als er sich gerade nun mit dem Rasiermesser meiner Wange näherte, ergriff ich plötzlich sein Handgelenk, nicht etwa weil ich ihm nicht vertraute, nein ich war einfach nur dankbar. „Danke, dass du das sagst! Du bist ein wahrer Freund und bitte, verzeih mir mein schlechtes Benehmen von vorhin!“ Dann ließ ich ihn wieder los, damit er fortfahren konnte.


    Wie ich sehen konnte, waren die Zuschauer regelrecht an meinen Lippen gehangen gewesen, als ich meine Geschichte zum Besten gegeben hatte. Indes nun, da Lupus seinerseits zu erzählen begann, drehten sich die ersten mit etwas enttäuschter Mine um und gingen weiter ihrem Tagwerk nach. :P


    Als Sklave war er geboren, niemals frei gewesen, zusammen mit dem Dominus… Ich sann kurz darüber nach, ob ich ähnliche Worte des Trostes für ihn finden konnte. Andererseits machte er einen recht zufriedenen Eindruck. Vielleicht genügte ihm das ja, was er war, wenn er niemals etwas anderes kennengelernt hatte…


    „Du bist mit ihm aufgewachsen? Dann kennst du ja diesen Geck ziemlich genau… erzähl mir mehr über ihn!“, bat ich Lupus, statt meinem Mitgefühl, das ich für ihn hegte freien Lauf zu lassen. Bedauern konnte ich ihn auch noch später, das hier war wesentlich interessanter.

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