Der Tag begann, wie ein gewöhnlicher Tag in Rom zu dieser wie auch zu jeder anderen Zeit beginnen musste, wie ein gewöhnlicher Tag auch an unzähligen anderen Orten zu jeder anderen Zeit begann, indem sukzessive das dunkle Tuch der Nacht wurde gelüftet und die Helligkeit des Tages sich über den Himmel hinweg schob, um schlussendlich die Welt gänzlich zu umfassen. Das leuchtende Rund der Sonne schimmerte träge durch eine dünne Wolkenschicht, welche im Laufe des Tages sich durchaus noch mochte zusammenballen, denn vom Ozean im Westen her drängten sich dichte Wolkenfelder aneinander. Möglicherweise jedoch würden auch diese völlig unbeteiligt vom Geschehen unter sich über die ewige Stadt hinweg ziehen, erst weiter im Osten - allfällig auch im Norden, so Zephyrus sich von Notus würde verdrängen lassen -, sich um die Hügel des Landes schmiegen, bis dass derart sie trunken wären vor Nass, dass in kräftigen Schauern sie dort sich würden ergießen.
Ein gewöhnlicher Tag also in und um Rom, so mochte man meinen, doch nicht so für seine Bewohner. Eine lustratio war angekündigt, ein Sühnopfer, und ein äußerst spektakuläres dazu, da es die Wiederherstellung der pax deorum nach dem Mord an der Virgo vestalis maxima und damit das Wohl des Staates betraf - weshalb dies nicht nur jene tangierte, welche es auszuführen hatten - die Senatoren - sondern gleichsam ebenso die Bevölkerung, sei es aus tatsächlicher Besorgnis um das Gleichgewicht des Friedens mit den Göttern, aus reiner Neugier oder womöglich gar aus Schadenfreude - immerhin sah man nicht oft den Senat sich körperlichen Strapazen aussetzen, und es mochte einige Bürger mehr als nur erfreuen, die so oft gerühmte 'Last der Verantwortung', welche die Staatsmänner zu tragen hatten, einmal ganz bildlich vor Augen zu sehen. Der Weg um das pomerium, den heiligen Bezirk der Stadt herum war daher von Menschen gesäumt wie sonst nur die Straßen an Tagen eines Triumphzuges, allenthalben hatten sich Zuschauer versammelt und warteten auf den Zug. Je nachdem, wo der einzelne sich hatte platziert, würde dies jedoch noch eine ganze Weile dauern, denn längst hatten sich nicht alle Senatoren auf der Kuppe des kapitolinischen Hügels versammelt.
Gegenteilig harrten die zehn zum Opfer bestimmten Rinder bereits ihres Schicksals, umsorgt von zahlreichem Dienstpersonal des Cultus Deorum. Ihre Hörner und Hufe waren prächtig vergoldet, selbst ohne den Schein der Sonne glänzten sie weithin, um ihre Köpfe waren die infulae genannten Bänder gebunden, welche wie die dorsulae über ihren Rücken aus der besten und reinsten Wolle gefertigt waren, welche man hatte auftreiben können. Ein wenig kurios jedoch war ihr Anblick trotz allem, denn nicht wie gewöhnlich standen die Rinder träge inmitten der Prozession, sie lagen, friedlich auf Gräsern kauend oder mit glasigem Blicke in die Gegend starrend, auf großen Bahren, zu deren Seiten lange Tragestangen befestigt waren, nicht unähnlich jenen gewaltigen, gar Raum-artigen Sänften, mit welchen die ägyptischen Herrscher pflegten sich durch ihre Städte tragen zu lassen. Auf diesen Bahren thronten die Tiere, festgegurtet mit breiten, ledernen Bändern, welche unter den dorsulae verliefen, so dass die Rinder selbst von etwaigem Verlangen geleitet nicht würden sich erheben und möglichst nicht viel sich bewegen konnten, denn bereits eine marginale Positionsänderung würde die unter seiner Last schwer tragenden Senatoren leicht aus dem Gleichgewicht bringen können. Um die Opfertiere herum standen Angehörige des Cultus Deorum, welche bis zum Beginn der lustratio die wie Pendel an Ketten befestigten Gefäße mit Räucherungen schwenkten, welche die Tiere beruhigten und in einem Zustand zwischen Schlaf und Wachen hielten. Die Senatoren, welche die Opfer indes begutachten wollten, sandte man aus diesem Grunde höflich ein Stück hinfort, auf dass nicht ebenfalls sie in jener rauchigen Umnachtung mochten verloren gehen.
Manch einer der Senatoren hoffte dabei sicherlich, in einer anderen Welt verloren zu gehen, da er der Tiere angesichtig wurde, manch anderer diskutierte bereits mit dem Nebenmann über die beste Technik, mit welcher die Bahren würden anzuheben sein, wiederum andere dehnten zur Vorbereitung ein wenig die müden Gelenke unter ihren Togen, manche waren blass um die Nase und jammerten noch bevor sie auch nur einen Schritt hatten getan, und einige versuchten trotz der anstehenden Anstrengung einigermaßen würdevoll in ihren Togen repräsentativ herum zu stehen.