Decima Seiana

  • Aulus Amatius Corvus
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    Wenn auch seine Miene in diesem Wettstreit der Kühlheit keine Regung offenbarte, in seinem Kopf arbeitete es... Helfer, Helfershelfer, Bestechungsgelder, noch mehr Bestechungsgelder, das notwendige Material, die Tatsache, dass der Duccier ihm noch Geld schuldete, die Tatsache, dass er nach einem solchen Mord mehrere Monate in der Versenkung würde verschwinden müssen, und die Tatsache, dass die Decima zu den einflussreichsten Frauen der Stadt gehörte.. alles in allem ein sehr teures Geschäft.


    "Dreitausend Sesterzen...", stellte er mit einer Tonlage fest, als würde er beschreiben, dass der Himmel blau ist, "...soll er leiden, kostet es noch einmal so viel."


    Denn leiden war öffentlich. Sterben konnte man auf jedem popeligen Abort, in jeder schlichten Ecke. Sollte der Mann leiden, würde es kompliziert... und das war nichts, was Corvus seinen Kunden als Freundschaftsdienst anbot.

  • Dieses Mal zeigte sich flüchtig so etwas wie unwillige Überraschung auf ihrem Gesicht, in dem Aufblitzen in ihren Augen, dem leichten Zusammenziehen der Augenbrauen. Nicht bei dem Grundpreis, den er nannte – aber sie war zum ersten Mal in so einer Situation, und sie vermutete, dass es keine gute Idee war, mit einem Auftragsmörder zu feilschen. Abgesehen davon hatte sie keine Ahnung, ob das angemessen war oder nicht, insofern hatte sie gar keine Grundlage dafür. Was ihr allerdings nicht ganz eingängig war, war der Fakt, dass... nun ja... simples Leidenlassen, bevor der Sicinius starb, den doppelten Preis rechtfertigte. „Und was genau macht es so viel teurer, wenn das nicht schmerzfrei abläuft?“

  • Aulus Amatius Corvus
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    "Schmerzfrei...", wiederholte Corvus auf eine Art und Weise, die deutlich machte wie fremd ihm dieses Wort war, "..ist kaum etwas, das ich zu bieten habe."
    Seine Augen verengten sich ein Stück mehr, und seine Lippen zogen sich noch ein Stück schmaler, fast, als wäre er von der Frage enttäuscht. Offensichtlich hatte er hier wirklich jemanden vor sich, die neu in den Gefielden war in welchen Corvus sich bewegte wie ein Fisch im Wasser. Ein kleiner, unscheinbarer und ganz und gar unauffälliger Fisch. Aber höchst giftig..


    "So jemand will, dass das Ziel leidet, will man meist auch, dass dieses Leiden wahrgenommen wird.. damit es sich vermehrt, wie die Fäulnis in einem Obstkorb. Um sicher zu gehen, dass das Leiden sich nicht nur auf das Ziel beschränkt sind gewisse... Vorkehrungen... zu treffen.", fuhr er fort, als würde er einem kleinen Kind die Handwerkskunst des Mordens erklären, jedoch hielt er inne bevor er die Einzelheiten erläuterte, da ihm einfiel, was für eine Art Beziehung der Initiator des Projekts normalerweise zu Frauen pflegte, "Ah.. ich vergaß... in diesem Fall ist es nicht ganz so viel. Ich hole mir die zweite Hälfte an anderer Stelle."

  • Seiana hörte seine Worte, und wieder runzelte sie ein wenig unwillig die Stirn, als sie sich beinahe vorkam wie ein Kind, dem er etwas erklärte. Dass der Fall, den er schilderte, teurer war, war verständlich, auch ohne seine Erläuterung. Aber ihr war egal, ob jemand etwas mitbekam. Sie wollte, dass der Sicinius dafür bezahlte, was er getan hatte – dass er sie genommen hatte gegen ihren Willen, und dass er es irgendwie geschafft hatte damit, sie bis heute irgendwie zu beeinflussen. Einfach nur eine durchgeschnittene Kehle, das wäre… zu einfach gewesen, zu schnell. Er sollte keinen leichten Tod bekommen, er sollte leiden – aber sie meinte damit explizit ihn. Nicht sein Umfeld.


    Sie überlegte bereits, was sie davon wie sagen sollte, als der Mann weiter sprach… und den Preis relativierte. Und als er so auf den Duccius anspielte, erinnerte er sie zugleich auch daran, was überhaupt dazu geführt hatte, dass er hier war… Der Duccius hatte selbst Interesse an dieser Sache. Nicht an dem Sicinius, den sie im Blick hatte – aber seinem Vater. Ihm konnte gar nur daran gelegen sein, wenn das Ganze nicht ganz so stillschweigend über die Bühne gebracht wurde, wenn es… wie hatte der Mann vor ihr noch gesagt? … wenn das Leiden sich vermehrte wie Fäulnis in einem Obstkorb. Ihr war egal, was mit dem Vater oder dem Rest der Familie geschah, ob sie darunter leiden würden – wirklich leiden, und damit meinte sie nicht die Trauer über den Verlust eines Sohnes. Dem Duccius war das nicht egal, das hatte er deutlich gemacht, als sie auf dem decimischen Landgut gesprochen hatten.


    Seiana erwähnte davon nichts. Es ging ihn nichts an, und es war auch nicht wichtig für das, was er tun sollte. Sie nickte nur langsam. „Lass ihn leiden. Wie sehr das Umfeld betroffen ist, ist mir gleichgültig, aber er soll leiden.“

  • Aulus Amatius Corvus
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    Die emotionslose Maske, die Corvus sein Gesicht nannte, verriet durch keinerlei Reaktion was der Geist dahinter über den Auftrag dachte. Sie zeigte weder Überraschung, noch Enttäuschung, noch Befriedigung. Es war ein Geschäft, mehr nicht, und Corvus hatte derartige Gemütsregungen in Bezug auf diese Unterfangen schon vor langer Zeit erstickt.


    "Wie du wünschst.", quittierte er das Verlangen der Decima, die Zielperson leiden zu lassen, auf eine Art und Weise, als hätte sie gerade um ein Glas Wasser gebeten, "Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass die.. Leistung.. nur gegen Vorauszahlung erbracht wird."
    Was eigentlich nicht stimmte, aber hier war Corvus etwas unorthodox. Er hatte keine Kenntnis von dem Wissensstand der Decima über seinen eigentlich Auftraggeber, ob sie davon wusste, dass dieser für einige Zeit nach Aegyptus fliehen wollte. Daher hielt er es für ratsam, sich zumindest drei Viertel der Summe vorher zu sichern, bevor er nur die Hälfte bekam weil der Duccius im Mare Nostrum ersoff. Nein... hier würde er im voraus kassieren.

  • Für einen winzigen Augenblick senkten sich ihre Lider, als sie seine Zusage hörte. Der Sicinius würde bezahlen. Und dieses Wissen… löste ein merkwürdiges Gefühl in ihr aus. Sie fühlte sich nicht glücklich damit, noch nicht einmal wirklich zufrieden, aber sie spürte… Genugtuung. Und das bittersüße Gefühl, das Rache einem geben konnte.


    Der Moment des Innehaltens verging so schnell wie er gekommen war, und sie öffnete die Augen wieder und musterte ihn. Um ihre Lippen zuckte es abschätzend, und ihr Gesichtsausdruck wurde kühler. „Die Hälfte als Vorauszahlung“, erwiderte sie. Wenn sie seine Dienste schon öfter beansprucht hätte und um seine Zuverlässigkeit sicher wüsste, wäre das etwas anderes, aber er konnte nicht erwarten, dass sie ihm einfach so einen derartigen Vertrauensvorschuss gab. So gut kannte sie den Duccius bei weitem nicht, dass seine Empfehlung allein ausreichend wäre für sie – Tatsache war, sie kannte ihn so gut wie gar nicht. „Die andere Hälfte nachdem das erledigt ist.“

  • Aulus Amatius Corvus
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    "In diesem Fall...", bemerkte Corvus mit kühler Stimme, "...kommen wir nicht zusammen."
    Wenn man sich als Meuchelmörder für gehobene Ansprüche etwas leisten konnte, dann war es das Auslassen von irgendwelchen enervierenden Feilschereien. Er verhandelte nicht, er handelte.. und die Unbedarftheit dieser neuen Kundin war das einzige, was ihn davon abhielt das Zimmer und damit diesen Kontrakt ohne großes Federlesen zu verlassen. Senator hin oder her... er diktierte die Umstände.

  • Eine Weile breitete sich Schweigen aus, als Seiana die Antwort hörte. Eigentlich gab es nichts mehr zu überlegen danach – einzig die Tatsache, dass sie den Duccius kannte, wenn auch nur flüchtig, ließ sie noch einmal innehalten und überlegen. Überlegen, wie gut sie ihn tatsächlich kannte. Ob der Grad ihrer Bekanntschaft ausreichte, in einer solchen Sache blind zu vertrauen. Und sie kam zu dem Schluss, dass es nicht so war. Sie konnte an einer Hand abzählen, wie oft sie den Duccius getroffen und sich dabei tatsächlich mit ihm ein wenig unterhalten hatte. Dass sie vor Jahren einmal im Bett gelandet waren, änderte auch nichts daran, dass sie ihn kaum kannte, dass da nichts war, was ein solches Vertrauen gerechtfertigt hätte.


    „Nun...“ Ihre Stimme drückte Gleichgültigkeit aus, auch wenn sie innerlich nicht ganz so empfand. Wenn ihr dieses Gespräch eines zweifelsfrei klar gemacht hatte, dann dass sie tatsächlich wollte, dass der Sicinius bezahlte. Aber es gab mehr als einen Auftragsmörder in Rom, und mehr als einen guten. In ihrer Position sollte sich durchaus ein anderer finden lassen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass es tatsächlich üblich war, als Kunde – noch dazu als neuer Kunde – gänzlich in Vorleistung zu treten. Es würde nur länger dauern, sie würde noch warten müssen... Aber sie hatte lange genug gewartet, dass das nun auch nichts mehr ausmachte. „Dann kommen wir nicht zusammen“, wiederholte sie schlicht. „Vale, Cispius.“

  • Aulus Amatius Corvus
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    "Vale, Decima.", war die knappe Antwort, bevor Corvus das Zimmer so unauffällig verließ als wäre er einer der Bediensteten der Casa.
    Für diesen Fehlschlag würde der Duccius zahlen müssen, das war klar. Corvus verspürte vor allem Verbitterung über diese Zeitverschwendung, und die an ihn selbst gerichtete Schelte, sich nur noch auf Männer als Kontraktpartner einzulassen, denn diese wussten immerhin was sie wollten noch bevor sie dazu geschäftliche Beziehungen in Bewegung versetzten.


    Als er die Casa verlassen hatte blickte er nicht zurück, so naiv und grün die Decima gewirkt hatte, traute er ihr doch genug Intelligenz zu nicht über gewisse Dinge zu sprechen.



  • Seiana blieb regungslos am Fenster stehen, als der Mann ihr Gemach verließ, starrte vor sich hin und verlor sich in Gedanken. Dieses Gespräch war... nun... kein Erfolg gewesen. Und für einen winzigen Augenblick fragte sie sich dann doch, ob das wohl ein Zeichen war, ein Zeichen, dass sie es lassen sollte... dass der Gedanke, der Wunsch nach Rache vielleicht doch kein so guter war. Das Sterben eines anderen Menschen... dies zu verantworten, mehr noch, dies in Auftrag zu geben, überhaupt erst ins Rollen zu bringen, wo es im normalen Lauf der Dinge noch weit entfernt gewesen wäre... Sie entstammte einer Familie voller Soldaten, die militärische Tradition wurde groß geschrieben bei ihr. Ihr Vater war im Kampf gefallen. Sie mochte selbst keinen Krieg, keinen Kampf miterlebt haben, aber sie wusste dennoch, was es hieß, so gut man dies in der Theorie wissen konnte. Sie war Realistin, niemand, der sich so etwas schön redete. Sie machte sich keine Illusionen über glorreiche Kämpfe – der Ruhm kam danach, aber Kampf selbst war schmutzig, davon war sie überzeugt, auch wenn sie noch nie einen erlebt hatte.


    Mehr noch als dies jedoch wusste sie, was Tod, was Sterben hieß – und das nicht nur in der Theorie. Sie hatte es bei ihrer Mutter gesehen, hatte es erlebt, hatte sie auf ihrem letzten Weg begleitet. Sie war bei ihr gewesen, als sie immer kränker und kränker geworden war. Sie hatte sie gepflegt, ihr vorgelesen, sie beschäftigt und ihr Gesellschaft geleistet. Sie hatte es ertragen, wenn ihre Mutter unleidlich geworden war aufgrund der zunehmenden Schmerzen. Sie hatte es ertragen, wenn sie unfair geworden war. Sie hatte sich parallel dazu um den Haushalt gekümmert, in dem es neben den Sklaven nur ihre Mutter, sie und einen ihrer Brüder gegeben hatte – der sich allerdings so gekonnt aus jeder Verantwortung herausgezogen hatte, dass er genauso gut auch physisch abwesend hätte sein können, so wie die anderen zwei. Sie dachte nicht gern an diese Zeit, aber in diesem Moment tat sie es, mehr noch, sie war gefangen im Strom ihrer Erinnerungen. Und dieser trug sie immer weiter. Trug sie weiter, bis zu den Momenten, die sie so massiv ausgeklammert hatte aus ihrem Bewusstsein, dass sie ihr Denken nicht mehr berühren konnten, dass sie nur wie eiternde Wunden tief am Grund ihrer Seele schwärten. Sie wusste, was Sterben hieß. Sie hatte es erlebt. Sie war da gewesen, nicht nur über den langen Verlauf der Krankheit ihrer Mutter hinweg, sondern auch in den letzten Wochen, die ihr geblieben waren. Sie hatte über sie gewacht, Stunde um Stunde um Stunde. Sie hatte ihre Hand gehalten, hatte an ihrem Bett gesessen. Hatte gesehen, wie der Körper immer schwächer geworden war, gehört, wie es ihr immer schwerer gefallen war zu atmen. Hatte gespürt, wie es ihr immer schwerer gefallen war zu leben. Sie war an die Grenzen ihrer Kraft gekommen und hatte sie überschritten in diesen Wochen, hatte sich kaum von der Seite ihrer Mutter gelöst, hatte sich an ihr Bett gefesselt gefühlt und war doch immer wieder an den Moment gekommen, an dem sie es nicht mehr ausgehalten hatte. An dem sie hinaus musste, an die frische Luft, an dem sie in den Himmel geschrien und die Götter verflucht hatte, weil sie den Schmerz anders nicht mehr hatte kanalisieren können. Sie hatte Bäume umarmt, weil sie Menschen nicht an sich hatte heranlassen können, keinen außer ihrer Mutter – und von ihr konnte sie keine Kraft bekommen, weil dies der eine Mensch war, für den sie ihre gesamte Kraft aufbrauchte. Und sie war wieder zurückgegangen, getrieben von Gewissen, Pflichtbewusstsein, Liebe und dem Gedanken: was, wenn es jetzt so weit ist. Hatte sich zugleich gewünscht, dass es endlich so weit wäre, dass ihre Mutter endlich starb, damit sie Frieden fand, aber auch, damit sie, Seiana, endlich wieder zur Ruhe finden konnte, endlich diesem Druck entrinnen konnte – und genau das wiederum hatte ihr ein nur noch schlechteres Gewissen verschafft, noch größeres Pflichtbewusstsein, noch größere Schuldgefühle. Weil sie gewusst hatte, dass sie sich den Tod ihrer Mutter aus den falschen Gründen wünschte, aus egoistischen Gründen. Und sie hatte sich wieder an das Bett ihrer Mutter gesetzt. Stunde um Stunde um Stunde. Um es auszuhalten. Das rasselnde Geräusch ihres Atems. Das gelegentliche Zucken des Körpers, der immer seltener wach wurde. Das Unverständnis in den trüben Augen, wenn der Körper doch wach wurde, die Unklarheit, das fehlende Erkennen, da ihre Mutter noch weit seltener den Zustand des wirklich Bewussten erreichte. Und die ganz profanen Dinge... Das Unvermögen, sich um sich selbst zu kümmern. Nicht mehr in der Lage zu sein, zu essen, zu trinken, sich zu waschen... die Körperfunktionen unter Kontrolle zu halten. Ihre Mutter, die immer so penibel gewesen war, so auf Reinlichkeit bedacht, so stolz gewesen war auf ihr selbst im Alter noch gutes Aussehen, und die so selbständig gewesen war, die sich um alles gekümmert hatte nach dem Tod ihres Mannes – die dankbar gewesen war um jede Hilfe, die sie von den Verwandten bekommen hatte, die sich aber dennoch alleine um vier Kinder gekümmert hatte, die es ihr alles andere als leicht gemacht hatten. Es war... so... schwer gewesen, diesen Menschen so hilflos zu sehen und dabei selbst so hilflos zu sein. So unfähig. So machtlos.


    Aber Seiana war zurückgekommen, jedes Mal, wenn es sie fortgejagt hatte. Um es auszuhalten, diesen Menschen vergehen, verwittern zu sehen, wie einen alten Baum, dessen Wurzeln nicht mehr genug Kraft aus dem Boden ziehen konnten, diesen Menschen, mit dem sie so viel verband, so viel Widersprüchliches – so viel Liebe, aber zugleich auch so viel Pflicht und Schuld und Verantwortung. Was das Aushalten nur umso schwerer machte, weil es ihr unmöglich war, selbst Frieden zu finden. Nicht einmal dann, als ihre Mutter ihn endlich fand.



    Seiana wusste, wusste nur allzu gut, was es hieß, einem Menschen beim Sterben zuzusehen. Sie wusste, was Sterben hieß. Langsames, qualvolles Sterben. Und genau das wollte sie für ihn. Egal ob dieser Wunsch nun verständlich war oder nicht, gerechtfertigt oder nicht, gut war oder nicht. Sie wollte, dass er starb, und sie wollte, dass er dabei litt.




    Natürlich kommst du durch.
    Durch diesen tobenden Sandsturm.
    Diesen metaphysischen, symbolischen Sandsturm.
    Doch auch wenn er metaphysisch und symbolisch ist,
    wird er dir wie mit tausend Rasierklingen das Fleisch aufschlitzen.
    Das Blut vieler Menschen wird fließen, auch dein eigenes.
    Warmes, rotes Blut.
    Du wirst dieses Blut mit beiden Händen auffangen.
    Es ist dein Blut und das der vielen.
    Und wenn der Sandsturm vorüber ist,
    wirst du kaum begreifen können,
    wie du ihn durchquert und überlebt hast.
    Du wirst auch nicht sicher sein,
    ob er wirklich vorüber ist.
    Nur eins ist sicher.
    Derjenige, der aus dem Sandsturm kommt,
    ist nicht mehr derjenige, der durch ihn hindurch gegangen ist.
    Darin liegt der Sinn eines Sandsturms.


    Aus: "Kafka am Strand" von Haruki Murakami

  • Vorsichtig klopfte Flavus an der Tür zum cubiculum von Seiana an. Er wollte mit ihr über seine Karriere sprechen, immerhin wollte er zwei Ansichten darauf haben und Serapio wusste ja auch nur bedingt über das Geschehen hier in Rom bescheid. Seiana hingegen hatte die Casa instand gehalten, stets modernisiert und dabei an einer eigenen, sehr erfolgreichen Karriere gearbeitet. All das sprach auch für sie, mehr als es manche gewonnene Schlacht von Serapio sagen konnte. Und Massa, nun der war ja ebenfalls außen vor, nein wenn es um das Gescehen in Rom ging musste man mit Seiana reden.


    Seiana hier ist Flavus. Hast du etwas Zeit für ein Gespräch?

  • Seiana saß, wie so häufig, an ihrem Schreibtisch und arbeitete, als es an der Tür klopfte. „Ja?“ rief sie, und herein trat Flavus, der um ein Gespräch bat. Seiana erhob sich. „Sicher“, antwortete sie mit einem vagen Lächeln und wies auf eine kleine Sitzgruppe in der Nähe eines der Fenster, zu dem sie ebenfalls ging. Auf dem Tischchen standen einige Becher sowie zwei Karaffen – eine mit Wein, eine mit Wasser – bereit. „Setz dich doch. Möchtest du etwas trinken?“ Sie drehte zwei Becher um und schenkte ihm das Gewünschte ein, dann sich selbst Wein, gemischt mit Wasser, bevor sie sich setzte. „Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, dich wirklich zu begrüßen. Ich freue mich, dass du hier bist. War deine Reise angenehm?“ Auch wenn sie erwartet hätte, dass der Brief an sie gerichtet wäre, der sein Kommen ankündigte... und wenn schon nicht allein an sie, dann doch wenigstens auch an sie. Immerhin war sie diejenige gewesen, die hier die Stellung gehalten hatte in den letzten Jahren, und das mehr oder weniger allein, denn Mattiacus war viel zu sehr in seine Studien vertieft gewesen und auch des Öfteren abwesend, auf den Landgütern außerhalb Roms unterwegs. Und Faustus war erst kurze Zeit wieder hier... nein, es gefiel ihr nicht wirklich, dass sie so komplett übergangen worden war. Und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass das nun, wo Faustus wieder in Rom war und noch mehr Decimer kamen, häufiger passieren würde... dass man sie einfach überging, weil als Frau ihre Meinung nicht zählte.


    Ihrem Lächeln indes war von diesen Gedanken nichts anzumerken. Zu gut war ihre Maske, zu gut ihre Selbstbeherrschung, als dass man ihr da auch nur das Geringste hätte anmerken können. „Worum geht es?“

  • Er nahm Platz, trank mit ihr erst einen Schluck Wein und dann began er auch schon damit ihr Fragen zu beantworten.
    Die Reise war etwas unangenehm. Zuviel Wind auf den Meeren, dazu ein Schiff zur Hälfte voll mit Sklaven und sonstigem Abschaum, nichts angenehmes. Und die letzten Meter zu Lande war ebenfalls eher ein Schaulaufen und verhindern von Überfällen. Aber zum Glück bin ich ja nun hier. Er musste an die Abreise denken, an die damaligen Annahmen die Tullus machte und nun merkte er ja wie falsch informiert man in Hispania war, eigentlich wusste man weniger als gedacht davon, was wirklich in Rom passierte.
    Entschuldige auch bitte dass du im Brief nicht erwähnt wirst, aber wir dachten Serapio sei bereits länger wieder hier und du kennst ja auch Tullus und seine Ansichten zu Frauen die alleine die Casa führen.... Nein dazu musste man nicht viel erähnen, sein Großvater war da sehr konservativ, um nicht zu sagen chauvinistisch veranlagt und brachte manchmal Sätze hervor, die er besser nie sagen würde. Seiana kam aber auf den Punkt, so konnte man unangenehme Themen umgehen.


    Ich wollte mit dir über meine Karriere hier in Rom reden, Serapio ist ein Militär und er erwähnte mir gegenüber dass du eher bescheid weißt wer hier in Rom das sagen hat. Also ich sage es vorweg, mein Geldbeutel ist recht leer, was bedeutet dass ich zusehen muss an Geld zu kommen damit ich den cursus honorum auch finanzieren kann. Er trank erneut einen großen Schluck, das Thema war auch eher unangenehm, gerade wegen dem Geld. Er fühlte sich sehr unwohl dabei mit Seiana darüber zu reden und versuchte schnell auf ein weiteres Thema zu springen in der Hoffnung sie würde nicht näher darauf eingehen. Fakt ist auch dass ich die Schola besuchen muss und dich da fragen wollte welche Kurse du für essentiell erachtest.


    Nun aber sprudelte aus dem sonst ruhigen Mann die Worte heraus. Ich habe mir ja bereits ein paar Gedanken gemacht, denn so einfach werde ich nicht in den ordo senatorius aufgenommen werden. Ich dachte vielleicht erst auf der ritterlichen Laufbahn zu beginnen, wohlmöglich mit einem procutor Amt. Dort kann ich Erfahrungen sammeln, Kontakte knüpfen und mir das nötige Geld für die eigentlich wichtigere Aufgabe zusammensparen.

  • Seiana nippte an ihrem Wein, während sie Flavus‘ Erzählung ruhig lauschte, hin und wieder zustimmend nickte, ansonsten aber schwieg. Ihre Miene blieb auch unbeteiligt, verriet nichts von ihren vorigen Gedanken, als er sich dann auf diesen Brief zu sprechen kam und seinen Großvater. Das Kind war in den Brunnen gefallen – und davon abgesehen machte Seiana sich nichts vor. Es würde anders werden, hier, jetzt wo sie nicht mehr größtenteils allein war. Wo vor allem Verwandte kamen, die vermutlich mitreden wollten. Es war ja nicht so, dass Seiana sich darum gerissen hatte, sich hier um alles zu kümmern. Sie hatte nur keine andere Wahl gehabt. Venusia war zwar mittlerweile auch bereits etwas länger in Rom, aber so lange Magnus noch gelebt hatte, hatte sie auch immer wieder Zeit in Misenum verbracht. Und Mattiacus schien froh gewesen zu sein, dass er sich um nichts hatte kümmern brauchen hier. Nein, Seiana hatte nicht unbedingt auch noch die Verantwortung für die Abläufe der Casa Decima übernehmen wollen, oder die Rolle der Vertreterin der Gens in Rom, aber irgendjemand musste es ja tun – und jetzt, wo sie das nun mal übernommen hatte und sich schon so lang kümmerte, da war es einfach… Das war ihr Haus, ihr Reich, dazu hatte sie es gemacht in den vergangenen Jahren, und es war egal, ob sie das von Anfang an so gewollt oder ob es sich nur so ergeben hatte. Jetzt war es so. Und in ihren Augen war es eine Frage des Respekts, sie nicht zu übergehen, sie nicht einfach beiseite zu schieben. Auch wenn sie sich im Klaren darüber war, dass andere – wie beispielsweise Flavus‘ Großvater – das völlig anders sahen.


    Um seine Karriere ging es ihm also... Seiana nippte an ihrem Wein und hörte ihm ruhig zu, bevor sie antwortete. „Den cursus de rebus vulgaribus möchte ich dir ans Herz legen. Diesen brauchst du unbedingt für das Wahlrecht; das passive sowie das aktive für die ersten beiden Stufen des cursus honorum. Und er ist auch Voraussetzung für jeden weiteren Kurs, den du später belegen möchtest. Für römische Bürger ist der erste Anlauf kostenfrei.“ Sie lächelte flüchtig. „Was weitere Ausgaben angeht, die auf dich zukommen, eines vorweg: du kannst auf deine Familie zählen, wenn du etwas brauchst. Daran soll dein Karrierestart nicht scheitern.“ Auch wenn sie freilich der Meinung war, dass er sich nicht nur vom Vermögen seiner Familie aushalten lassen, sondern auch selbst etwas beisteuern sollte. „Du könntest allerdings bei einem Senator um einen Posten als scriba personalis bitten. Von einem Posten der ritterlichen Laufbahn möchte ich dir nämlich explizit abraten, wenn du wirklich vorhast, den cursus honorum zu beschreiten. Keiner sieht es gerne, wenn Männer zwischen den verschiedenen Laufbahnen wechseln, schon gar nicht wenn ersichtlich wird, dass dies aus finanziellen Gründen geschieht. Ich kann deinen Wunsch verstehen, rasch ein wenig Geld zu verdienen... aber auf lange Sicht schadest du dir damit nur; dir, deinem Ruf und deinen Chancen, vom Senat gewählt zu werden. Und nicht zuletzt auch dem Ruf unserer Familie. Man könnte annehmen, wir wüssten nicht über die üblichen Sitten Bescheid... oder wären inzwischen verarmt.“ Und das würde sie ganz sicher nicht zulassen, dass sich halb Rom über die Decima das Maul verriss. Nicht aus einem so banalen Grund. „Als scriba personalis eines angesehen Senators, vielleicht sogar Consulars, wirst du zwar nicht sonderlich viel verdienen... aber es ist eine gute und vor allem akzeptable Vorbereitung auf den cursus honorum. Und du wirst dort wertvollere Erfahrungen sammeln und bessere Kontakte knüpfen können als in der kaiserlichen Kanzlei, weil du hautnah mitbekommst, was ein Senator tut, was seine Aufgaben sind, mit wem er häufig Umgang hat – alles Dinge, die auch auf dich zukommen werden, wenn du anstrebst selbst Senator zu werden. Darüber hinaus lernen dich andere Senatoren so besser kennen, und darauf kommt es an, willst du von ihnen gewählt werden. In der Kanzlei hingegen wirst du zwar sicherlich auch Kontakte knüpfen können – aber kaum solche, die dir auf deinem späteren Weg behilflich sein könnten. Also entscheide dich jetzt für eine Laufbahn, und dann verfolge diese konsequent.“

  • Flavus hörte Seiana genau zu, man merkte ihr an dass sie genau wusste wovon sie redete. Es war schön dass jemand im helfen konnte, oder den Anschein nach auch wollte, und er davor bewahrt blieb dem Gens einen schlechten Ruf zu verschaffe. Es war das Letzte was er wollte, denn seine Familie war ihm stets wichtiger als vieles andere.


    "Nun, den CRV werde ich auf jeden Fall belegen, muss ich dazu extra zu schola oder kann ich mich auch direkt bei dir anmelden?" Diese Frage war ja nicht unerheblich, denn ansonsten würde er sich direkt nach diesem Gespräch auf den Weg machen. Besser direkt als zu spät. "Was wird beim CRV unterrichtet, auf was muss ich achten?"[/B]


    Nun erklärte ihm Seiana aber noch das weitre Vorgehen, was ihm logisch erschien, allerdings kannte er ja in Rom niemanden, außer eben seine Familie. Und einfach einen Senator anhauen, nein das würde sicherlich daneben gehen. "Sag, kennst du einen Senator oder Consul, den ich um einen solchen Posten bitten könnte. Ich kenne zwar viele Namen, aber natürlich nicht die Personen dahinter." Ein wenig Hilfe würde da sicher nicht schaden und es würde ihn auch weiter bringen, Kontakte waren entscheidend, nicht nur wichtig. Und als scriba eines Senators oder Consuls lernte man genug Leute kennen.


    Seine letzte Frage war heikel, aber auch wichtig, denn es war etwas dass sein Großvater des öfteren erwähnte. "Was denkst du über ein Patronat, macht es Sinn?"


  • „Für den Cursus wirst du dich in der Schola direkt einschreiben müssen“, beantwortete Seiana die Frage. Auskunft gab sie ihren Verwandten gern, aber diese Dinge mussten sie dann schon selbst erledigen. „Der Unterricht umfasst Grundlegendes. Zu Rom, zur Politik… mit einer entsprechenden Ausbildung solltest du keinerlei Probleme haben – genauso wenig wie jeder andere Römer. Aber der Cursus dient dazu, ein gewisses Grundniveau zu sichern, auch bei homines novi, die in die Politik möchten. Und natürlich ist der bestandene Cursus de rebus vulgaribus auch für Peregrini etwas Vorzeigbares.“


    Sie überlegte einen Moment bei seiner nächsten Frage. „Das kommt darauf an, in welche Richtung du strebst. Möchtest du dich zusätzlich im religiösen Bereich engagieren und später das Amt eines Pontifex anstreben, wären Flavius Gracchus oder Tiberius Durus geeignet.“ Die Tradition der Decima lag eindeutig auf dem Militär, aber es konnte sicher nicht schaden, wenn sich einer der ihren zur Abwechslung mal der Religion widmete, lag dort doch ebenfalls ein nicht unwesentlicher Einflussbereich. „Wenn du dich militärisch orientieren willst, wäre Purgitius Macer eine mögliche Wahl. Er ist Kommandant der Academia Militaris und war Legat der II. Wenn die Justiz dich interessiert, könnte Vinicius Hungaricus der Richtige sein…“ Natürlich konnte Flavus das auch unabhängig von seinem späteren Weg wählen, aber wenn er jetzt schon wusste, wo er sich voraussichtlich engagieren wollte, war es ganz sicher besser, den Senator, bei dem er Scriba werden wollte, entsprechend sorgfältig zu wählen, damit er bestmöglichst davon profitieren konnte. Ganz abgesehen davon, dass er mit einer vernünftigen Begründung, warum er speziell zu diesem einen Senator wollte, deutlich bessere Chancen haben würde genommen zu werden. „Und ein Patronat würde ich dir dringend empfehlen. Nicht jetzt sofort, aber mittelfristig ganz sicher. Für die Auswahl eines Patrons solltest du dich allerdings nicht nur auf Empfehlungen anderer verlassen… such dir zuerst einen Posten als Scriba, lern ein paar Senatoren kennen… dann bekommst du recht bald einen Überblick, wer als Patron für dich geeignet sein könnte.“

  • Die Hochzeit. Die HochzeitdieHochzeitdieHochzeit. Seiana hätte am liebsten frustriert aufgeschrien, aber das wäre nicht sonderlich zielführend gewesen. Nur: sie hasste es schon jetzt. Sie fand nicht den geringsten Gefallen daran, eine solche Feier zu veranstalten, sie organisieren zu müssen. Und ihr graute schon jetzt bei dem Gedanken daran, diese Feier zu erleben. Was nichts und zugleich alles damit zu tun hatte, dass es ihre eigene Hochzeit war.
    Nichts, weil es im Grunde keine Rolle spielte, was der Anlass für dieses Fest war. Dass sie heiratete, war für sie weder ein Grund sich zu freuen, noch einer unglücklich zu sein. Eine Eheschließung war etwas völlig normales, und der einzige Grund, warum sie sich darüber freuen könnte, war der Fakt, dass es bei ihr schon lange überfällig war.
    Alles, weil die Tatsache, dass sie heiratete, sie zu einer der Hauptpersonen machte, sie ohne Zweifel und ohne jede Diskussion in den Mittelpunkt rückte. Es gab einen Grund, warum Seiana keine Feste veranstaltete. Sie ging hin, wenn sie zu wichtigen eingeladen wurde, ließ sich sehen, redete, knüpfte Kontakte und machte all das, was nötig war, um in Roms Gewirr ihren Platz zu sichern. Das hieß allerdings nicht, dass sie das mochte – und es hieß erst recht nicht, dass sie selbst so etwas veranstaltete, wo sie dann gezwungen war bis zum bitteren Ende zu bleiben und nicht einfach gehen zu können, wenn es ihr zu viel wurde. Bei einer anderen Feier hätte sie es aber wenigstens noch so drehen können, dass sie als Veranstalterin nur im Hintergrund agierte – bei ihrer Hochzeit war das nicht möglich. Der einzige Vorteil daran war, dass eine Hochzeit die einzige Art von Fest war, wo gerade die Hauptpersonen früher gehen konnten, ohne dass es Gerede geben würde. Was den Gedanken an die Hochzeitsnacht, bei aller vorhandenen Unsicherheit, tatsächlich zu einem erfreulichen machte.


    Was aber nichts daran änderte, dass das Ding erst mal organisiert werden wollte. Und der Versuch, das komplett in Sklavenhände abzuschieben, entpuppte sich gerade als mittleres Desaster.
    „Das ist eine Hochzeit!“ fuhr sie mit eisigem Ton eine Sklavin an. „Keine götterverdammten Spiele für ganz Rom!“ Nur für halb Rom, wenn sie sich die Gästeliste ansah.
    „Aber… Herrin…“
    „Was genau an meinen Vorgaben ist so schwer zu verstehen? Die Feier soll geschmackvoll sein, ohne Pomp, ohne Übertreibung. Lieber zu wenig als zu viel, so schwer kann das doch nicht sein, dass du wegen jeder Sache zu mir rennst!“
    „Aber die Dekoration ist-“
    „-ist mir egal!“ fiel Seiana der Frau ins Wort. Da wählte sie bewusst Sklaven aus, von denen sie erwartet hätte, sie würden sich für eine solche Aufgabe eignen – und dann wollten die jedes Detail mit ihr absprechen. „Orientier dich meinetwegen an den Familienwappen bei Farben und Motiven. Oder mach was ganz anderes. Nur frag nicht ständig mich!“
    „Herrin…“ Die Sklavin starrte sie verständnislos an. „Das ist deine Hochzeit.“ Allein schon wie die Frau das Wort betonte, ließ Seiana beinahe die Augen verdrehen – und machte ihr zugleich klar, woher der Wind wehte. Dass dahinter nicht Unselbständigkeit oder Unfähigkeit steckte, sondern die Erwartungshaltung, dass sie sich dafür interessieren müsste. Das konnte ja heiter werden. Sie presste eine Hand auf ihre Stirn und beschloss in diesem Augenblick, dass sie sich das ganz sicher nicht weiter antun würde. Sie wollte am liebsten gar nichts mit der Organisation zu tun haben. Dass das nicht praktikabel war, war ihr klar, aber es war nicht zu viel verlangt, dass ihr ein fertiges Konzept vorgelegt wurde, dass sie nur noch abnicken brauchte, abgesehen von einigen kleineren Korrekturen vielleicht. Seiana wollte gerade dazu ansetzen, die Sklavin zu verscheuchen und das leidige Thema damit ein wenig aufzuschieben, als ihr Blick auf die Tür fiel, die die Sklavin offen gelassen hatte – und auf Massa, der dort stand. Seiana schloss für einen Augenblick die Augen. Massa. Sie hatte ihn gebeten, bei ihr vorbeizuschauen während der kurzen Zeit, die er in Rom verbrachte, aber dass er ausgerechnet jetzt kam und womöglich die ganze Diskussion mit der Sklavin mitbekommen hatte... war ihr unangenehm. Der Moment, in dem das wohl sichtbar war, dauerte allerdings denkbar kurz. Nur einen winzigen Augenblick später öffneten sich ihre Augen, und sie setzte ein Lächeln auf, jenes, das sie für Verwandte reserviert hatte – höflich, aber nicht ganz so kühl wie normalerweise. „Massa. Schön dass du es einrichten konntest. Komm rein, setz dich.“ Sie wies auf die Sitzgruppe am Fenster und machte dann eine knappe Handbewegung zu der Sklavin. „Schenk uns ein und dann geh.“

  • Wie immer in seinem Leben hörte Flavus Seiana gut zu, sie war ihm schon oft eine mehr als helfende Stütze gewesen, hatte ihm oft gute Ratschläge gegeben. Er schätzte sie sehr, auch wenn er sich das selten anmerken lies. Ja, vielleicht waren die beiden sich etwas ähnlich, wer konnte das schon sagen.
    "Nun, dann werde ich morgen die Schola aufsuchen. Ich wollte eh auf den Markt, falls du möchtest kann ich dir da etwas mitbringen. Bist du dann in der Schola?"
    Was sein Interesse war? Schwer zu sagen, was war es eigentlich. Er wurde auf eine politische Laufbahn hin unterrichtet, nie auf etwas anderes. Religion spielte nie eine große Rolle, auch nicht das Militär. "Eine schwere Wahl. Religion spielte eine untergeordnete Rolle bisher, auch das Militär war es nie. Und die Verwaltung, nun ich denke da lernt man sicher eine Menge Leute kennen mit viel Einfluss. Ich schätze deine Worte Seiana, was würdest du mir raten? Du kennst diese Menschen, nicht ich."
    Ja, das war sicher das einzigste Problem, er kannte ja niemanden und musste auf Seiana vertrauen, was ihm nicht schwer fiel. Doch auch er wollte mal einen Rat geben, oder seine Gedanken mitteilen. Er atmete durch, denn was nun folgen würde könnte sich ebenso als Fehler erweisen.


    "Wie ich hörte wirst du den praefectus praetorio heiraten, einen Terentier. Nun, je weiter man sich von Rom entfernt, desto mehr schlechte als gute Dinge hört man über den PP, ebenso wie über den PU wie ich anmerken möchte. Diese Hochzeit hat natürlich einen gewissen Reiz, keine Frage, ihr beide habt durch deine Anstellung und seinen Posten eine gewisse Macht die, richtig kombiniert, jeden Kaiser stürzen könnte. Doch der Terentier gilt als ebenso kalt wie du es für manche bist, doch wie ich von einem alten Optio aus seiner Laufbahn hörte hat er auch einen weichen Kern. Ich wünsche dir, ebenso wie ihm, dass jeder den Kern des anderen entdecken kann."
    Was er ihr sagen wollte? Nun, eigentlich nur dass diese Hochzeit vielleicht auch etwas gutes haben konnte, aber er wusste nicht einmal ob es eine gute Idee war das zu sagen.

  • „Danke, aber ich brauche nichts“, antwortete sie mit einem höflichen Lächeln. „Und nein, morgen nicht. In der Schola bin ich nur alle paar Tage... aber die Scribae wissen, wie sie mich am besten erreichen können.“
    Beim nächsten Thema wurde es dann schon etwas kniffliger. Weder Militär noch Religion schienen es ihm also angetan zu haben. „Nun... als Plebejer wirst du im Lauf des Cursus honorum ohnehin ein Tribunat absolvieren müssen, bevor du dich für das Amt des Quaestors bewerben kannst. Möglicherweise wirst du dann erleben, ob das Militär dir zusagt. Natürlich musst du dich weder auf das eine noch das andere konzentrieren. Allerdings muss das deine Entscheidung sein, Flavus. Ich kann dir nicht raten, dich in die militärische Richtung zu entwickeln, um später einmal leichter einen Posten als Legatus Legionis zu bekommen, wenn das Militär nichts für dich ist. Das gleiche gilt für den religiösen Bereich. “ Sie trank einen Schluck Wein. „Wenn du dich jetzt noch nicht entscheiden kannst... nun, dann solltest du dir einen Senator suchen, der selbst ein möglichst breites Spektrum an Aufgaben in seinem Leben schon übernommen hat. Purgitius Macer war, wenn ich mich recht entsinne, eine Zeit lang auch Curator...“ Ein flüchtiges Stirnrunzeln zeigte sich. „Viarum? Aquarum? Eines von beiden. Egal bei wem du dich allerdings vorstellst: du solltest dich auf dieses Gespräch gut vorbereiten und zeigen, dass weißt, was du willst. Oder dass du dich bewusst entschieden hast, dir verschiedene Optionen offen zu halten für deinen späteren Weg.“


    Als Flavus dann allerdings weiter sprach, verschloss sich Seianas Miene mit jedem neuen Wort mehr, und ihre Ausstrahlung, die ohnehin nicht als warm hätte bezeichnet werden können – das war selten der Fall –, wurde kalt. Mit dieser kleinen Ansprache ging er für ihren Geschmack eindeutig zu weit. Die Hochzeit mit dem Terentius brachte ihrer Familie – und damit auch Flavus – nur Vorteile, das war das einzige, was ihn zu interessieren hatte. Alles was darüber hinaus ging, ging nur sie selbst etwas an. Höchstens noch Faustus... und selbst diesen nur in begrenztem Ausmaß, denn auch ihm erzählte sie mittlerweile längst nicht mehr alles von sich, verbarg im Gegenteil gerade die Dinge, die am meisten an ihr zehrten. Es war ja durchaus nett von Flavus, dass er sich augenscheinlich Gedanken um sie machte, aber sie wollte das nicht. Sie wollte, abgesehen von Faustus, keine Vertraulichkeiten. Und sie wollte schon gar nicht darauf eingehen.
    „Eine Ehe ist nicht dazu da, den Kern eines anderen zu entdecken“, kanzelte sie ihn kühl und in einem tatsachenorientierten Ton ab – und war sich durchaus bewusst darüber, dass sie mit ihrer Reaktion bewies, dass ihr Ruf, den er gerade selbst angesprochen hatte, nicht von ungefähr kam. „Eine Ehe ist ein politisches Mittel, und sie dient dazu, beiden Familien politische Vorteile zu verschaffen. Dies zugrunde gelegt, hat diese Heirat nicht nur einen gewissen Reiz, sondern ist eines der besten Bündnisse, das unsere Gens je geschlossen hat. Das ist das einzige, was zählt.“

  • Die etwas harsche Antwort wunderte ihn nicht weiter, es stand ihm auch eigentlich gar nicht zu. "Verzeih meine unangebrachten Worte, aber ich sage des öfteren was ich denke und das ging mir eben durch den Kopf." Wie ein reudiger Hund senkte er schuldbewusst seinen Kopf.
    Purgitus Macer, der Name sagte ihm etwas, allerdings war es damit auch bereits getan. Er wäre sicher eine gute Wahl und ein Versuch wert.
    "Ich denke Macer wäre eine gute Wahl. Wie stelle ich am leichtesten Kontakt zu ihm her, ich kann ja nicht einfach vorbeigehen, da sollte man schon vorbereitet sein." Eigentlich war es alles nur nicht das. Der CRV wäre ebenso wichtig wie alles weitere, gute Vorbereitung, Kenntnisse über den Senator und seine Karriere war von Vorteil. Vorbereitung war wichtig, sehr wichtig und Flavus wusste gar nicht wo er anfangen sollte.
    "Finde ich bei der acta etwas über Macer?" Das schien ihm eine gute Idee.

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