Decima Seiana

  • Eine offene Tür, ein Disput zwischen Herrin und Sklavin. Es ging um die Vorbereitungen der Hochzeit. Ein notwendiges Übel für Seiana. Man spürte es förmlich bei jedem Kommentar den sie abgab. Ihr hätte eine Schreibtisch zum unterzeichnen der Ehedokumente gereicht, zum schließen des Paktes. Alles zum Wohle der Gens.
    Zu weit vorgewagt, Seiana hatte mich bemerkt. Ungesehen zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu kommen, war jetzt ausgeschlossen.
    Ein sehr unpassender Moment des Einstiegs in ein Gespräch. Wie geschickt und professionell sie umschwenkte. Die Distanz, trotz des Lächelns war spürbar. Ohne ein Wort setze ich mich. Mein Blick ging durch das cubiculum. Ich ließ es auf mich wirken. Nüchtern, rationell, passend zu ihrer Art, die sie nach außen zeigte. Wüsste ich es nicht von Faustus, hinter dem Lächeln, ein Wesen mit Gefühlen, schwer vorstellbar. Den Becher mit Wein in der Hand. Sollte ich beginnen? „ Faustus....“ einen Schluck nehmend. „ Ein unvergessliches Zusammentreffen in der Wüste.“ Den Becher in beiden Händen haltend, sah ich Seiana in die Augen. Da tief im Verborgenen, weg gesperrt unangreifbar. Faustus war der Schlüssel für all das was da schlummerte. Genau dieser Faustus, mein Freund, Geliebter mmhhh...eine Liebelei. Sein Herz war vergeben. Er war mehr, ich würde alles für ihn tun, ja er war für mich wie ein Bruder. In dem Punkt kamen Seiana und ich uns in gewissem Sinne nahe, Faustus.

  • Zitat

    Original von Caius Decimus Flavus
    Die etwas harsche Antwort wunderte ihn nicht weiter, es stand ihm auch eigentlich gar nicht zu. "Verzeih meine unangebrachten Worte, aber ich sage des öfteren was ich denke und das ging mir eben durch den Kopf." Wie ein reudiger Hund senkte er schuldbewusst seinen Kopf.
    Purgitus Macer, der Name sagte ihm etwas, allerdings war es damit auch bereits getan. Er wäre sicher eine gute Wahl und ein Versuch wert.
    "Ich denke Macer wäre eine gute Wahl. Wie stelle ich am leichtesten Kontakt zu ihm her, ich kann ja nicht einfach vorbeigehen, da sollte man schon vorbereitet sein." Eigentlich war es alles nur nicht das. Der CRV wäre ebenso wichtig wie alles weitere, gute Vorbereitung, Kenntnisse über den Senator und seine Karriere war von Vorteil. Vorbereitung war wichtig, sehr wichtig und Flavus wusste gar nicht wo er anfangen sollte.
    "Finde ich bei der acta etwas über Macer?" Das schien ihm eine gute Idee.


    Seiana nickte nur mit unbeteiligter Miene – und sparte sich den Kommentar, dass Flavus würde lernen müssen, eben nicht zu sagen was er dachte... jedenfalls wenn er es wirklich in der Politik zu etwas bringen wollte. Oder dass er so etwas wie Schuldbewusstsein besser nicht gar so sehr zur Schau stellte, denn das könnte ihm leicht als Schwäche ausgelegt werden. Und für schwach gehalten zu werden war fatal im politischen Betrieb Roms.


    „Nun, doch, ich würde dir tatsächlich vorschlagen vorbeizugehen. Es bietet sich natürlich an, dass du vorher einen Termin vereinbarst... aber du kannst auch einfach zur Salutatio kommen, die meisten Römer lassen auch noch andere Besucher nach ihren Klienten zu, sofern sie noch Zeit zur Verfügung haben“, antwortete sie dann. „Wichtiger ist, dass du dich auf diesen Termin vorbereitest.“ Als er die Acta erwähnte, überlegte sie einen Moment. „In den Archiven dürften wir sicher das ein oder andere haben. Allerdings ist es in meinen Augen noch wichtiger, dass du dir überlegst, was dich auszeichnet... Natürlich gehören dazu auch seine Erfahrungen, die eine Arbeit bei ihm für dich wertvoll machen, allerdings wird er, denke ich, vor allem wissen wollen, was du mitbringst, was dich interessiert, was dich antreibt – kurz: weswegen er dich nehmen sollte.“

  • Dass Massa nichts sagte, sie nicht einmal grüßte, sondern sich nur schweigend durch den Raum zu einem der Korbstühle bewegte, verwirrte und irritierte Seiana gleichermaßen ein wenig. Es war ungewöhnlich, und damit etwas, womit sie nicht allzu gut umgehen konnte... Ebenso schweigend ließ sie sich ihm gegenüber nieder, beobachtete ihn aufmerksam, während ihre Miene ruhig blieb und wenig von dem verriet, was gerade in ihr vorgehen mochte. Sie schwieg und wartete, darauf, dass er nun etwas sagte, immerhin hatte sie ja bereits den Anfang gemacht... und war schon drauf und dran, noch etwas anzufügen, als Massa doch etwas sagte. Allerdings nichts, was sie erwartet hätte. Immer noch keine Begrüßung. Kein Geplänkel. Keine Höflichkeiten. Er hielt sich nicht mit irgendetwas Unwesentlichem auf... sondern kam gleich auf den Punkt, diesen einen, einzigen Punkt, der sie tiefer mit ihm verband als mit jedem anderen Menschen außer ihrem Bruder, obwohl sie ihn kaum kannte. Faustus. Dass er ihrem Bruder in der Wüste das Leben gerettet hatte, dafür würde sie ewig in seiner Schuld stehen, ihm ewig dankbar sein. In ihren Augen flackerte es unstet, und für wenige Momente zeigte sich auf ihren Zügen der Schmerz, die Angst, die Sehnsucht und das Gefühl, ihn zu brauchen, ihn so dringend zu brauchen und doch allein zu sein, all das, was sie in der vergangenen Zeit empfunden hatte bei den Gedanken an ihren Bruder, während dieser auf seinem zweiten Feldzug unterwegs war, gegen irgendwelche Barbaren kämpfte und sein Leben riskierte.


    So viel hätte sie sagen können. Sie hätte einfach über diesen ungewöhnlichen Gesprächseinstieg hinweg gehen können. Sie hätte ihn fragen können, wie seine Reise war, wie er Rom fand, wie ihm die Classis gefiel und seine Tätigkeit dort. Sie hätte auch über Faustus reden können... oder Massa nach der Wüste fragen, nach ihren Erlebnissen dort, nach dem Feldzug. Aber nichts davon wollte ihr so recht über die Lippen gehen, nichts, bevor sie nicht etwas anderes geäußert hatte, etwas, das ihr viel mehr am Herzen lag, viel wichtiger war. „Danke, dass du ihn nach Hause gebracht hast“, flüsterte sie.

  • Was ihn auszeichnete? Rom, das Imperium, seine Hingabe dazu und natürlich seine nicht ganz schlechte Grundbildung die er bereits aufweisen konnte. Natürlich dann auch der bestandene CRV, wenn es soweit war. "Ich werde mich Morgen in die Archive begeben und sehen was ich finde. Ich denke mal dass mich vor allem meine Hingabe zu Rom, mein Glaube an das Imperium und mein Wille es weit zu bringen auszeichnet."
    Wenn er so darüber nachdachte, er hatte ja kaum etwas vorzuweisen, eigentlich würde Macer sicherlich eine Empfehlung haben wollen, das wäre immerhin etwas. "Falls Macer eine Empfehlung möchte, darf ich dich dann nennen Seiana? Ich habe ja kaum Erfahrung, nur die Bildung ud meine Rhetorik die ich wirklich vorweisen kann. Das reicht ihm sicherlich nicht alleine aus."
    Ansonsten war es natürlich eine Menge Arbeit und außer Großvater hatte ihm auch niemals jemand gesagt ob er wirklich ein guter Redner war, ob er wirklich dafür geeignet war. "Denkst du denn ich kann das, also in der Politik bestehen, in Rom oder Alexandria bestehen?"

  • Ihre Worte, machten das Vergangene wieder lebendig. Es waren nur wenige, aber sie reichten aus. Unfähig etwas auf ihren Dank zu erwidern, senkte ich den Blick. Sah den Becher an, verlor den Bezug zur Realität, ließ alles innerlich an mir vorbeiziehen. Ich merkte nicht, dass ich zu erzählen begann.


    Der erste Angriff als Menas starb. Der Angriff vor der Oase, sein Ritt mit dem Signum, mein Blutrausch, der Nebel löste sich mit jedem Wort mehr. Immer mehr kam ans Licht, ich bekam vor mir Angst. War ich das? Was, wenn es wieder passierte? Die Ernüchterung, ein weinendes Häufchen Elend lag im Valetudinarium.


    Mit keinem meiner Freunde, nicht mit Faustus, mit niemandem hatte ich über das erlebte gesprochen. Warum tat ich es jetzt hier bei Seiana ? Sie war eine Außenstehnde neutral, nicht parteiisch. Sie wusste was es hieß zu kämpfen. Sie stand hier in Rom für die Gens. Sie hatte Macht und Einfluß durch ihre Arbeit bei der Acta. Hätte sie nicht gekämpft, wäre die Gens in der Bedeutungslosigkeit versunken. Machtkämpfe waren schmutzig. Die plötzliche Heirat mit dem Terentier eine Art Machtkampf? Unvermittelt sah ich auf, zu ihr. " Entschuldige, das....es ist vorbei. Vergiss es." ich trank den Becher aus. " Es gab auch wundervolle Momente mit Faustus und eine Frau, ein Mädchen mit smaragdgrünen Augen. Neriman ." Ich schenkte mir nach. Mit einem verträumten Lächeln prostete ich ihr zu. " Auf dich Seiana, jamas. Du bist genauso schön, wie Faustus dich beschrieben hat." Eine Blume, wundervoll in ihrer Blüte, kräftig, ausdauernd, zugleich, verletzlich und schutzbedürftig.

  • Seiana deutete ein Kopfschütteln an. „Und was glaubst du, hören Senatoren von Dutzend anderer junger Männer, die in die Politik einsteigen möchten? Jeder wird das oder etwas in dieser Art sagen. Du solltest dir ein paar Gedanken machen und versuchen etwas zu finden, das dich von anderen abhebt, Flavus. Sieh es als Übung für künftige Reden, in denen du den gesamten Senat wirst von dir überzeugen müssen. So wichtig Hingabe zu Rom, Glaube an das Imperium und persönlicher Ehrgeiz auch sind, aber das allein wird kaum reichen. Je höher du kommst, desto weniger... und wenn du es besser kannst, dann fang mit solchen Allgemeinplätzen gar nicht erst an. Und wie ich deinen Großvater kenne, wird er dafür gesorgt haben, dass du es besser kannst.“ Wenigstens rhetorisch. Was den Inhalt betraf, würde Flavus sich selbst Gedanken machen müssen. Sie nippte an ihrem Wein und nickte dann leicht, als er weitersprach. „Das kannst du gerne“, antwortete sie – sicher konnte er das, er war ein Verwandter, auch wenn es nur angebracht war, dass er vorher fragte. Sie hoffte nur, dass er den Purgitius dann auch würde von sich überzeugen können.


    Bei seiner nächsten Frage zögerte sie einen Augenblick. Beinahe mochte man meinen, er hätte bemerkt, was sie zuvor gedacht hatte... aber vielleicht hegte er ja wirklich Zweifel an sich. „Alexandria ist ein ganz anderes Pflaster, das kannst du nicht mit Rom vergleichen“, antwortete sie schließlich. „Und was Rom angeht... Nun, wenn ich offen sein darf: du solltest dir angewöhnen, nicht auszusprechen, was dir gerade durch den Kopf geht, sondern vorher nachzudenken. Du solltest dir überlegen, was dich von der Masse abhebt. Und du solltest dir Gedanken machen, wo dein Weg dich hinführen soll. Was du erreichen willst, was dich antreibt. Es gibt genug Politiker, die den Cursus honorum anstreben, nur um sich eines Tages Senator nennen zu können.“ Seiana wusste, dass die Worte hart klangen, aber es half Flavus auch nichts, wenn sie ihm Honig ums Maul schmierte. Und so, wie er sich ihr präsentiert hatte gerade... fehlte ihr einfach noch etwas. Aber unter anderem dafür waren Verwandte ja, dass sie halfen, verbesserten. Sie deutete ein Achselzucken an, bevor sie ein flüchtiges Lächeln sehen ließ, um nach der Peitsche... nun, nicht gerade ein Zuckerbrot folgend zu lassen, aber doch einen Abschluss zu finden, der Flavus Grund zur Hoffnung geben mochte. „Aber du stehst noch ganz am Anfang. Du hast viel gelernt, und du hast hier die Zeit und die Möglichkeit, das Gelernte in der Praxis zu erproben, zu vertiefen, zu verfeinern. Und weiter Neues dazu zu lernen.“

  • Die Zuversicht von Seiana machte auch dem jungen Flavus Mut. Er war es ja gewohnt dass man an ihn glaubte, aber es von denen zu hören die auch Erfolge nachzuwesien hatten, ja das war gleich etwas anderes. Natürlich wusste er dass es mit Standardfloskeln nicht getan war, natürlich wusste er dass es nicht einfach werden würde, aber es war ein Versuch wert.
    "Natürlich werde ich an meiner Rede arbeiten, es ist ja nicht gerade einfach so etwas aus dem Stehgreif zu sagen, aber ich denke ich habe genug Fähigkeiten auch solch eine Hürde zu meistern. Ich danke dir aber für deine Hilfe Seiana."


    Er hörte ihr natürlich zu als Sie von Alexandria zu reden began, diese Stadt war für Flavus mehr Mythos als realität. Die Bibliothek, der Leuchtturm, die Pyramiden, alleine die ganze Kultur war einzigartig und sicher einen Besuch wert.
    "Warst du schon einmal dort, also in Alexandria?"

  • Nach ihren Worten herrschte für einen Augenblick Schweigen... und dann begann Massa zu sprechen. Begann zu erzählen. Es schien regelrecht aus ihm herauszusprudeln, und Seiana bekam bald den Eindruck, dass Massa gar nicht mehr hätte aufhören können, selbst wenn er wollte. Und er erzählte. Von Aegyptus, von der Wüste, von dem Feldzug... den Kämpfen. Den Gegnern. Den Gefallenen. Von Faustus. Und von seinen eigenen Erfahrungen. Seiana war sprachlos, schien jedes Wort verloren zu haben. Sie sah ihn nur an und hörte zu, schweigend, mit jedem Wort betroffener, und sie meinte seinen Schmerz spüren zu können. Sein Leid. Und fühlte trotzdem, oder, nein: gerade deswegen eine merkwürdige Verbundenheit zu ihm. Sie konnte nachvollziehen, wovon er da sprach, verstand ihn auf einer Ebene, die nichts mit ihrem Verstand zu tun hatte. Sie kannte diesen Schmerz, von dem er sprach, dieses Gefühl durchhalten zu müssen um jeden Preis, nicht nachzulassen, keine Schwäche zu zeigen, egal was kam... um dann, wenn es vorbei war, zusammenzubrechen. Die Scherben aufsammeln und mühsam aneinander kleben zu müssen. Und damit dann weiter zu machen. Weiter zu leben. Egal wie schwer es sein mochte.


    Sie rekapitulierte in diesem Moment nicht bewusst, was geschah, aber einem Teil von ihr war wohl bewusst, dass er sich ihr gerade zutiefst öffnete. Sie konnte damit in diesem Moment so wenig umgehen wie sie es sonst konnte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, fand keine Worte, nichts. Das Seltsame in diesem Augenblick war, dass sie das Gefühl hatte, sie müsste gar nichts tun. Mehr noch: dass das, was sie tat – einfach nur schweigend, und durchaus ein wenig hilflos, aber dennoch verstehend, zuzuhören – genau das Richtige war.
    Erst als er das abrupt das Thema wechselte, schüttelte sie sacht den Kopf. „Es ist nie vorbei“, murmelte sie, und dachte dabei mehr an das, was sie nicht los wurde, egal wie sehr sie es zu verdrängen versuchte. Genau das versuchte sie auch jetzt, und Massa half ihr dabei. Kaum sichtbar verzogen sich ihre Mundwinkel in einem hauchfeinen Lächeln. Faustus. Und ein Mädchen. Es tat gut zu hören, dass da auch Positives war. Sein Trinkspruch allerdings machte sie verlegen, wie so häufig, wenn sie ein Kompliment hörte, insbesondere eines, das ehrlich klang – und in diesem Augenblick, in dieser Atmosphäre, die durch seine Erzählung entstanden war, gelang es ihr nicht wirklich, das zu verbergen. Sie sah zur Seite und presste kurz die Lippen aufeinander. „Faustus ist... ein Bruder, wie man ihn sich nur wünschen kann. Ich bin mir sicher, dass er übertrieben hat in seinen Erzählungen von mir.“ Sie hob auch ihren Becher an. „Auf Faustus und dich. Auf euren Mut.“

  • „Gern geschehen“, antwortete Seiana ruhig. Es würde sich zeigen, ob Flavus wirklich das Zeug dazu hatte, die diversen Hürden auf dem Weg zum Senator zu meistern. Wer in der Theorie gut war, bewährte sich deswegen noch lange nicht in der Praxis... Aber sie war sich sicher, was Flavus an Handwerkszeug brauchte, würde er von seinem Großvater mitbekommen haben. Der Rest lag letztlich an ihm selbst, was er daraus machte.


    Dann kam Flavus allerdings noch einmal auf Alexandria zu sprechen. Seiana war nicht unbedingt begeistert davon, gehörte ihre Zeit in Alexandria doch zu jenen, die sie eigentlich lieber vergessen wollte... nicht weil es dort so furchtbar gewesen wäre, eher im Gegenteil. Weil sie dort noch geglaubt hatte, dass so etwas wie Glück doch möglich war. Alles ein Irrtum.
    Sie verbarg ihre Gedanken und Gefühle geschickt hinter einem vagen Lächeln, ließ nur ein wenig Verwunderung sehen, die sie empfand, weil er offenbar nicht wusste, dass sie ein paar Jahre in Alexandria gewesen war. „Ja, ich war dort. Ein paar Jahre sogar. Hat dein Großvater sich dir gegenüber nicht darüber aufgeregt?“ Immerhin war sie alleine dorthin gereist, hatte alleine dort gelebt, sah man von ihrer Leibsklavin ab, und hatte sich dort verlobt... und war verlobt geblieben, dort. Zwar mit Meridius' Einverständnis, aber trotzdem. Nun ja... sie konnte sich gut vorstellen, dass Flavus' Großvater der Ansicht war, dass sie nur die gerechte Strafe für dieses einer Römerin unangemessenen Verhaltens erfahren hatte, als ihr Verlobter sie um einer anderen willen sitzen gelassen hatte, kaum dass sie wieder in Rom gewesen waren.

  • Ihre gemurmelte Bemerkung ließen mich nichts gutes ahnen. Seiana, hier in Rom, als Frau, hatte sich der Führung der Familie angenommen. Was hatte sie durchmachen müssen, unter diesen Aasgeiern, die es geschafft hatten, dass sich Decimus Livianus nach Hispania zurück zog. Wäre ich nicht nur ein kleiner Optio, ich würde alles in Bewegung setzen um ihr zu helfen. Es tat weh eine hübsche, intelligente Frau an diese Assgeier auszuliefern.
    Um so mehr freute es mich, dass mein Kompliment ernst genommen wurde. Verlegenheit bei Seiana, sicher ein seltener Anblick. " Mut der Verzweifelten. " bemerkte ich mehr für mich, trank einen Schluck. " Er hat sogar ein wenig untertrieben. Deine Ausstrahlung ist bemerkenswert. Wäre ich kein Decimus, eine solche Frau wie dich würde ich als Bereicherung meines Umfeldes ansehen. Wenn ich dir irgendwann irgendeinen Gefallen tun kann."mein Blick ging über den Becherrand zu ihr. Wir hatten uns noch nicht richtig kennengelernt, verließ sie das Haus um dem Terentier zu folgen. Sehr schade. Ich hatte keinen Fehler gemacht, dem hispanischen Zweig meine Verbundenheit auszudrücken. Ihn als neue Familie anzunehmen. Faustus, Seiana, die beiden jungen Hispanier Flavus und Pinus und Venusia. " Kannst du mir etwas über Venusia erzählen?" Sie gehörte zur Familie und ich hatte sie bisher mehr erahnt als gesehen.

  • Mut der Verzweifelten. Ob das zutraf, vermochte Seiana nicht zu beurteilen – aber sie wusste, dass Verzweiflung nicht immer etwas schlechtes war. Ganz im Gegenteil. Unter gewissen Umständen konnte es kaum einen besseren Antrieb geben…
    Sie verdrängte den Gedanken, nur um sich gleich darauf mit einem weiteren Kompliment konfrontiert zu sehen, das sie nicht so recht zu erwidern wusste. Ausstrahlung. Sie, als Bereicherung. Entweder Massa war nur höflich, oder er gehörte tatsächlich zu jenen, die wenig Wert auf die typischen Eigenschaften einer Matrona legten. Von denen sie nicht viel mitbrachte, angefangen davon, dass sie immer noch unverheiratet war, bis dahin, dass sie zu selbständig war. Der Terentius schien darauf auch wenig Wert zu legen… aber Seiana hatte inzwischen den Verdacht, dass es ihm einfach nur gleichgültig war, wie sie bisher gelebt hatte, er aber bei weitem nicht mehr so reagieren würde, wenn sie erst seine Frau war. Aber sie vermutete, dass es wohl keinen Mann gab, der sie in einer Ehe nicht in der ein oder anderen Form in ihrem bisher gewohnten Lebensstil einschränken würde, und sei es nur, weil eine solche Partnerschaft immer Kompromisse erforderte. „Danke, Massa“, antwortete sie schließlich nur leise, das höfliche Du schmeichelst mir, das ihr in solchen Fällen standardmäßig über die Lippen kam und auch jetzt schon auf der Zunge lag, beiseite schiebend. Ihre Mundwinkel hoben sich leicht in der Andeutung eines Lächelns, das ein wenig wehmütig war. „Das gleiche gilt für dich. Wenn du etwas brauchen solltest… gib Bescheid.“ Sie räusperte sich. „Aber es gibt tatsächlich etwas – ich würde mich wirklich freuen, wenn du zu meiner Hochzeit kommen könntest. Der Praefect der Classis wird auch eingeladen werden, insofern… hast du vielleicht ganz gute Chancen, ebenfalls kommen zu dürfen.“


    Sie trank einen weiteren Schluck Wein und überlegte kurz bei seiner anschließenden Frage. „Venusia… Sie stammt aus Germanien, ist Mitglied einer Familie, die wie unsere erst in der letzten oder vorletzten Generation das Bürgerrecht erhalten hat. In den letzten Jahren ist sie häufig zwischen Misenum und Rom hin und her gependelt… Seit Magnus‘ Tod lebt sie mit den Kindern hier. Sie… hat sich ziemlich zurückgezogen seit sie Witwe ist. Verständlicherweise.“ Aus irgendeinem Grund scheute Seiana sich zu sagen, dass sie im Grunde wenig Kontakt mit der Duccia oder ihren Kindern hatte. In erster Linie war ihr wichtig, dass die Kinder in Rom blieben und als Decimer aufwuchsen… und nicht in Germanien, wo Seiana die reelle Gefahr sah, dass die beiden sich mehr und mehr als Duccier fühlen würden.

  • Die Freude würde ich ihr ohne Frage bereiten wollen. Ob der Octavier zur Hochzeit kam, nach den Differenzen beim Patronat. Hatte Faustus Seiana nichts gesagt?
    " Wenn du es so diplomatisch eingefädelt hast, den Praefecten einzuladen, ja, dann werde ich dir die Freude vielleicht machen können. Das ist es was ich an dir bewundere. Dein Geschick, in Wort und Schrift. Dein Wille mehr zu erreichen. Deine Selbständigkeit, Zielstrebigkeit, dein Auftreten." Der Wein vom Abendessen und hier wieder Wein, er machte sich bemerkbar. Dem Trinken tat das keinen Abbruch, ich wusste mich zu beherrschen. " Die Frau eines hochrangigen Offiziers, eines Praefecten, ich meine das allgemein , nicht auf bestimmte Personen bezogen. Das ist das mindeste für eine Frau wie dich." Beim Terentier hielt ich mich zurück. Meine Meinung zur Hochzeit zwiespältig. Politisch korrekt, menschlich eine Katastrophe. Was spielte der einzelne schon für eine Rolle. Für das Ganze musst gesorgt werden. Für die Gens, die Stärkung ihrer Position im Machtgefüge Rom's. " Ich hoffe, du gibts nicht zuviel von all dem auf, was dich so bewunderswert macht." Mein Becher war leer, ich bediente mich einfach. Sah sie eine Weile an, trank, meine Blicke ruhten wieder auf ihr. " Ich würde jede Schandtat für dich begehen, Schwester." murmelte ich vor mich hin. Ein leises Lachen. Ich schüttelte den Kopf über meine eigenen Wort. Frei heraus. Ehrlich gemeint. Ein Schwur. Mit ernster Miene sah ich sie an. Ja, ein Schwur. " Wie gesagt, so vor den Göttern geschworen." flüsterte ich, den Becher an den Lippen. " Jamas."


    Es war gut, dass sie von Venusia sprach. Der Wein stieg mir langsam zu Kopf, trotzdem war meine Aufnahmefähigkeit noch gut. " Was denkst du, wäre es nicht angebracht Venusia aus dem Schatten zu holen. Sie mehr in die Familienangelegenheiten einzubinden. Sie zieht Magnus Kinder groß. Dann weißt du sicher nicht was sie in der Zukunft vor hat? Was hälst du davon, wenn ich mich mit ihr unterhalte. " mein Griff ging zum Wasser. Genug, es reichte, ich wollte gerade aus Seiana's Zimmer gehen.

  • „Nun, er ist Livianus’ Klient. Es ist selbstverständlich, dass auch er eingeladen wurde.“ Außerdem war er in Ägypten direkt ihrem Zukünftigen unterstellt gewesen. Auch wenn sein Verwandter diesen unrühmlichen Prozess geführt hatte, für eine simple Einladung zur Hochzeit zählten diese Dinge dann doch mehr. „Mit Diplomatie hat das in diesem Fall wenig zu tun“, versuchte sie das Kompliment diesmal wegzulächeln, aber Massa sprach weiter, und Seiana wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte… wie sie reagieren sollte. „Ich… ich tue einfach nur, was ich kann. Ich versuche mein Bestes hier zu geben, für die Familie. Das ist alles“, antwortete sie leise, in dem Versuch wenigstens etwas darzustellen, wie sie das sah, ohne deutlich zu sagen, dass sie sich schlicht und ergreifend anders sah, anders wahrnahm, als er. „Und ich werde das auch weiterhin versuchen. Egal ob ich verheiratet bin oder nicht.“ Mehr konnte sie nicht sagen, mehr konnte sie nicht versprechen. Sie wusste ja selbst nicht, wie ihr Leben aussehen würde, wenn sie erst mal verheiratet war. Was der Terentius von ihr dann erwarten würde, welches Verhalten… und welche Regeln er aufstellen würde. Erst wenn sie das wusste, konnte sie abschätzen, wie sie darauf am besten reagieren würde, um ihren Weg zu gehen.


    Und dann sagte Massa etwas, was sie sprachlos machte. Schandtat. Schwester. Für Augenblicke fassungslos starrte Seiana ihn an. Sie hatte seine Geschichte gehört, gerade eben, von Aegyptus, dem Feldzug, den Kämpfen. Von Faustus. Hatte gehört, in Worten und vor allem zwischen den Zeilen, wie viel ihr Bruder auch Massa bedeutete. Sie hatte nur nicht begriffen, wie sehr Massa diese Verbundenheit auch auf sie ausdehnte… einfach nur, weil sie Faustus‘ Schwester war. Sie musterte ihn, seine feinen Gesichtszüge, sein Mienenspiel, seine Augen, nur um dann etwas zu tun, was sie nur noch äußerst selten tat: sie gab einem plötzlichen Impuls nach. Sie neigte sich leicht nach vor, streckte ihre Hand aus und berührte die seine, fuhr mit ihren Kuppen sacht über seinen Handrücken und strich dann über seine Finger, um ihre Hand schließlich so liegen zu lassen, dass sich ihre Fingerspitzen nach wie vor berührten. „Jamas“, erwiderte sie leise, bevor auch sie einen weiteren Schluck Wein trank. Bruder. Das sagte sie nicht laut, und sie wusste nicht, ob sie das je laut würde sagen können. Die Verbundenheit zu Massa und die Tatsache, dass sie sich dagegen nicht zu wehren können schien, erschreckte sie tief in sich ein bisschen zu sehr, als dass sie mehr als dieses jamas von sich hätte geben können. Sie konnte es sich nicht rational erklären… außer mit ihrer tiefen Dankbarkeit darüber, dass er Faustus‘ Leben gerettet hatte. Aber das erklärte eben nicht alles, und schon gar nicht, warum diese Verbundenheit offenbar gegenseitig war. Und Seiana war schlecht darin, mit etwas umzugehen, was sie nicht erklären konnte…


    Sie schob die Gedanken weg und widmete sich stattdessen dem nächsten Thema. Venusia… das war auch nicht einfach, aber immer noch einfacher als das davor. „Ja… das ist vielleicht eine gute Idee, wenn du mit ihr sprichst.“ Massa war dazu sicherlich besser geeignet als sie. Kunststück, nahezu jeder war dafür besser geeignet als sie. Und vielleicht war das ja auch eine Erklärung für das, was vorhin passiert war… vielleicht war Massa tatsächlich der Typ Mensch, der mit anderen einfach gut klar kam und immer irgendwie die richtigen Worte zu finden schien… auch wenn er Seiana bisher eher ruhig und zurückhaltend vorgekommen war. „Sie hatte einmal etwas davon erwähnt, dass sie gerne wieder nach Germanien reisen würde.“ Und jetzt war Seiana durchaus gespannt, wie Massa darauf reagieren würde.

  • "Du tust mehr als das Seiana." Ja, mehr als es typisch römische Frauen taten. Sie war einem Diamanten gleich zu setzen, vollendet geschliffen ohne Fassung von unermesslichem Wert. Ob der Terentier die passende Fassung dazu ergab. In der der Stein seinen Wert behielt ?


    Die Hand Seianas irritierte mich ein wenig. Ihre Fingerspitzen, weich und zärtlich. Aus ihnen sprach eine ganz andere Seiana. Meine Hand blieb liegen, ich zog sie nicht weg. Es ging nicht, etwas hielt mich unsichtbar davon ab. Als ob ich diese Hand seit Ewigkeiten kannte. Auf ihre Berührung gewartet hatte. Eine Geste ohne Worte. Ich betrachtete ihr Hand, war versucht nach ihr zu greifen. Nein, so wie es war, war es angenehm, unverfänglich. Seiana, war wie ein starker, schwerer Wein. In kleinen Schlucken davon trinken, ihn auf der Zunge spüren. Sonst erschließt sich dir nie das einzigartige Aroma. Kosten, die Lippen benetzen, den Becher nie austrinken, sonst verlierst du dich in ihm. Es ist Faustus Schwester ! Sie heiratete bald den Terentier. Massa! komm zurück! Ich holte tief Luft. Seiana hatte das Thema Venusia aufgegriffen.


    " Will sie für immer nach Germanien zurück? Hast du versucht sie hier zu halten? Ich meine hier in der Familie?" Eine erneute Hochzeit mit einem Decimer. Viele kamen dafür nicht in Frage.
    " Die Kinder sind Römer. Magnus Kinder.Decimer. Meinst du sie würde ohne sie nach Germanien gehen? Ohne Begleitung kann sie sowieso nicht nach Germanien. Eine Frau alleine, sie kommt nie dort an." Es wäre ein verantwortungsvolle Aufgabe. Einer unserer zwei jungen Decimer ? Vielleicht war es besser erst mit ihr zu reden.

  • Seiana selbst war da anderer Meinung. Vielleicht wirkte es auf andere so… sie selbst allerdings wusste nur zu gut um die Einschränkungen, die sie hatte. Sie tat, was sie konnte… aber sie hatte ihre Grenzen, sowohl sie als Frau, als auch sie ganz persönlich. Und sie kannte diese Grenzen, kannte ihre Unzulänglichkeiten, kannte sie viel zu gut, um sie je zu vergessen.
    Aber sie sagte nichts dazu, hob nur ihren Becher an und trank einen Schluck, als er es tat. Und ließ ihre Hand dort liegen, wo sie zur Ruhe gekommen war, neben der seinen, wo nur wenige Berührungspunkte gegeben waren… aber diese wenigen ließen sie dennoch die Wärme seiner Haut spüren, auf eine angenehme Art.


    „Um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie für immer nach Germanien zurückkehren möchte… oder nur ihre Familie für einen längeren Zeitraum besuchen. Ich habe ihr allerdings gesagt, dass sie hier immer willkommen sein, dass dieses Haus immer ihr Zuhause sein wird. Sofern sie selbst das möchte“, antwortete sie. „Ich glaube nicht, dass sie ohne die beiden gehen würde. Meine Befürchtung ist, dass sie vielleicht mit ihnen geht… und das nicht nur für einen Besuch, sondern um dort zu bleiben und Sevilla und Secundus dort aufzuziehen. Und das können wir nicht zulassen… die beiden können gern die Familie und die Heimat ihrer Mutter kennen lernen, aber sie sind Decimi, sie gehören zu ihrer Familie, und sie sollten in unserem Sinn erzogen werden. Nicht in dem einer anderen Familie.“

  • Liebe Seiana,


    wir hatten es ja schon besprochen, aber hier noch mal schriftlich, nur für alle Fälle.


    Die Sklaven Theseus der Germane, Lupus der Hibernier und Ravdushara der Nabatäer gehen heute aus meinem, Decimus Serapios, Besitz in den Besitz meiner Schwester Decima Seiana über.


    [Blockierte Grafik: http://img571.imageshack.us/img571/3672/fds5b.png]


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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Sim-Off:

    entschuldige, komplett aus den Augen verloren :(



    Mir ging so viel durch den Kopf. Sie war auf der einen Seite wie ein offenes Buch, auf der anderen verschlossen, unergründlich, unnahbar. Ich konnte stundenlang über meine Beobachtungen sinnieren, das Ergebnis war nicht befriedigend. Sie war anziehend, faszinierend oder war es das Unergründliche, ein Geheimnis? Fragen? Wen? Sie selber, nein. Ich hatte nicht den Drang danach zu fragen. Es war ein unausgesprochenes Tabu, was mich zurück hielt. Nein, entweder sie behielt es für sich, oder sie kam eines Tages, irgendwann und befreite sich davon. Vielleicht gab es gar keine Geheimnis, ich bildete mir alles ein, es war nur eine Illusion. Genieße das sitzen bei ihr, jeden Augenblick. Höre auf zu Grübeln. So schnell wirst du nicht wieder Gelegenheit haben, mit ihr zusammen zu sitzen.


    “ Der Bezugspunkt zu unserer Familie in Form von Magnus ist verloren gegangen. Der sollte wieder behutsam aufgebaut werden. Du tust genug für die Decimer , ein anderer sollte dies tun. Venusia braucht jemanden der sie unterstützt. In allen Fragen die ihre Zukunft betreffen. Wir sollten sie ihr geben und sie kann dann entscheiden.”


    So einfach, wie ich mir das vorstellte war es nicht zu bewerkstelligen. Wer sollte sie unterstützen? Flavus oder Pinus? Nein. Keiner von Beiden war dazu in der Lage. Serapio....hatte ganz andere Ambitionen und war immer noch nicht er selbst. Blieb nur....ich. Warum ich? Ausgerechnet ich? Familie war ein Geben und Nehmen. Die Kinder gehörten zu unserer Familie. Aber was brachten zwei Kinder die von ihrer Mutter getrennt wurden. Sie waren in einem Alter, was es schwierig machte es plausibel zu erklären.


    “ Ich werde mit ihr Reden und dann werden wir weiter sehen. Viel Zeit bleibt mir nicht. Ich muss nach den Ludi Romani wieder zurück nach Misenum.”


    Ein Becher Wein war jetzt angebracht. Mit einer Frau reden. Mit Seiana redest du auch. Seiana ist etwas völlig anderes. Das verstehst du nicht. Ja, ich weiß, ich versteh ja nie was.
    Der Wein tat gut, spülte alles was mich ins Grübeln brachte davon. Bei ihr sitzen und es genießen.

  • Sim-Off:

    Kein Problem :)


    Seiana nickte leicht, als Massa davon sprach, dass ein anderer es übernehmen sollte, sich an Venusia heran zu tasten. Sie war damit mehr als einverstanden – auch wenn sie das nicht laut sagte, und schon gar nicht warum: weil sie wusste, wie ungeeignet sie dafür war. Sich anderen Menschen auf der verständnisvollen, gefühlsmäßigen Ebene zu nähern, lag ihr nicht. Faustus war, momentan zumindest, die einzige Ausnahme... bei allen anderen jedoch... gelang es ihr einfach nicht, selbst wenn sie es versuchte. Nur eine ihrer Unzulänglichkeiten, eine von jenen, die sie nicht wirklich gut zu kaschieren vermochte, weil sie echt wirkende Nähe und Anteilnahme auch nicht glaubwürdig vorspielen konnte. Dazu kam, dass sie sich in solchen Situationen immer... unwohl fühlte. So hilflos... und sie hasste es, sich hilflos zu fühlen.
    Sie stimmte mit Massa also überein, dass sie das besser nicht übernahm – dass er das aus einem völlig anderen Grund so sah, hörte sie zwar, aber sie sah keinen Anlass, ihn zu korrigieren, ihm zu erzählen, warum es wirklich besser war, dass nicht sie das machte. Es war nie gut, mit den eigenen Schwächen hausieren zu gehen.


    Dennoch gab es freilich andere Dinge, die sie sagen konnte. „Ihr Bezugspunkt zu uns sind die Kinder.“ Die beiden waren Decimi, wie Magnus es gewesen war. Und Seiana würde sich in dieser Hinsicht nicht umstimmen lassen: die Kinder gehörten hierher, zu ihrer Familie. Wenn Venusia entschied, nach Germanien zurückzukehren, würde sie ohne die Kinder gehen müssen – jedenfalls wenn es nach Seiana ging. Und die Duccia hatte keine Handhabe. Sie mochte die Mutter sein, aber sie war nicht mit den Kindern verwandt, nicht rechtlich gesehen. Die einzige Möglichkeit, wie sie die Kinder dennoch von der Familie des Vaters würde fortnehmen können, war die, dass eben jene Familie es duldete. Und sie hoffte doch stark, dass ihr Bruder und der Rest der Gens das genauso sehen würden wie sie und es eben nicht duldeten. „Das sollte ihr klar sein.“
    Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich dann auf ihrem Gesicht. „Das ist eine gute Idee... wenn du das wirklich tun möchtest.“ Ja, dass Massa mit Venusia sprach, war wohl wirklich eine gute Idee. Faustus hatte auch viel zu tun, und die beiden Jungspunde... waren eben genau das. Jungspunde. Seiana traute keinem von beiden zu, dass sie eine solche Aufgabe schon übernehmen konnten. Massa hingegen wirkte so, dass er dem durchaus gewachsen war. Dazu kam, dass er zur Familie gehörte und für sie sprechen konnte – zugleich allerdings aufgrund seiner Abstammung aus der griechischen Linie mit Magnus eigentlich nichts zu tun hatte. Er konnte weder Venusia wirklich an ihren Mann erinnern und damit von vornherein ungute Gefühle auslösen, noch war er selbst gehemmt durch mögliche Gefühle, die der Verlust eines nahen Verwandten auslösen mochte. Und wenn Seiana eine Erfahrung gemacht hatte, dann die, dass immer Gefühle mit im Spiel waren, wenn etwas schief lief.
    Als er dann noch anfügte, dass er nicht viel Zeit hätte, zog sie unwillkürlich ihre Hand zurück... und griff noch in derselben Bewegung nach ihrem Weinbecher, um einen Schluck zu trinken. Seltsamerweise machte es sie fast ein wenig traurig zu hören, dass er so bald wieder fort musste, und das wiederum war etwas, womit sie nicht gut umgehen konnte – mehr noch, da sie ihn ja eigentlich kaum kannte. Zudem zeigte es ihr erneut, wie gefährlich zu große Vertrautheit war... es machte verletzlich. Und so, obwohl sie vordergründig die Hand nutzte, um nach dem Becher zu greifen, war der eigentliche, wenn auch eher unbewusste Grund ein anderer: wieder ein wenig Distanz zu schaffen.

  • Nachdenklich hielt ich den Becher. Sie zog ihre Hand zurück. Hatte sie der Hinweis auf meine baldige Rückkehr nach Misenum dazu gebracht? Sie mochte sich nicht gefühlsmäßig an andere binden oder nur anlehnen. Sie vermied alles was Gefühle betraf. Sie ließ es nicht zu, verweigerte sich. Alles unter Kontrolle haben, nichts dem Zufall überlassen. Unabhängig und unantastbar. Keinem Vertrauen. Die Angst vor Verlust. Ich hatte sie durchlebt und sie konnte immer wieder auftauchen. Kein Mensch war in der Lage dazu sich vor ihr zu verstecken, auch Seiana nicht.


    Faustus war ihr wichtigster Bezugspunkt, gleichzeitig eine Schwachstelle. Noch mehr wollte sie nicht zulassen. Keinen weiteren Menschen. Es wurde kühler als ihre Hand zum Becher griff. " Misenum ist nicht Alexandria. Ich bin nicht aus der Welt. Eine Nachricht, wie es um dich und Rom steht ist gern gesehen." So einfach kam sie mir nicht davon. Sie sollte merken, dass sie nicht mehr alleine für alles die Verantwortung trug. Ich war bereit die Familie von Misenum aus zu unterstützen. " Wie bist du zur Arbeit bei der Acta Diurna gekommen? Es ist ungewöhnlich, dass eine Frau die Leitung einer solchen Institution inne hat."

  • Ich bin nicht aus der Welt. Seiana starrte Massa einen Augenblick lang an, verwundert, verwirrt. Was hatte ihn veranlasst, das zu sagen? Wieso... hielt er es offenbar für notwendig, ihr das zu versichern. Dass er nun näher an Rom war. Dass er da sein würde... oder es wenigstens vorhatte. „Nein... Misenum ist wirklich nicht Alexandria.“ In vielerlei Hinsicht nicht. Sie bemühte sich um ein Lächeln, immer noch unschlüssig, wie er seinen Kommentar wohl gemeint hatte. „Natürlich schreibe ich dir, was in Rom vor sich geht. Und bei mir“, fügte sie nach einer kurzen Pause noch hinzu, als ihr auffiel, dass er auch sie erwähnt hatte – sie sich selbst allerdings ausgeklammert hatte zunächst.


    Bei seiner nächsten Frage entspannte sie sich ein wenig. Sie lehnte sich zurück und nippte an ihrem Wein. „Nun... als ich nach Rom gekommen bin, war Aurelius Corvinus Auctor der Acta Diurna. Er war Sodalis in der Factio Aurata, die damals von Meridius geleitet wurde. So haben wir uns kennen gelernt.“ Bei einer Feier in der Casa Decima, eine der ersten, die sie hier mit ausgerichtet hatte. So lang war das nun schon her... „Bei einer Gelegenheit haben wir uns über die Acta unterhalten, und am Ende dieses Gesprächs stand fest, dass ich anfangen würde für die Acta zu schreiben. Nach einigen publizierten Artikeln wurde ich Subauctrix. Ein paar Jahre später Lectrix, als meine Vorgängerin aus Rom wegging. Und als der Aurelius dann, noch ein paar Jahre später, beschloss, seinen Posten aufzugeben, hat er mich im Senat als seine Nachfolgerin vorgeschlagen. Eine kurze Vorstellung von mir in der Curia Iulia, ein paar Fragen... dann wurde ich gewählt.“ Seiana deutete ein Achselzucken an, auch wenn ihr danach eigentlich nicht zumute war. Auch daran konnte sie sich noch gut erinnern, an ihren ersten Auftritt im Senat – und den ersten einer Frau seit langer Zeit.
    Hatte ihre Erzählung bislang mehr nach einem schlichten Tatsachenbericht geklungen, bemühte Seiana sich nun erneut um ein Lächeln. „So bin ich dazu gekommen.“

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