Der Schatten des Krieges oder: Ein Dorf in Parthia

  • Erstickender Qualm drang mir in Mund und Nase, die Augen tränten, ich rang nach Luft, sah nur noch Schwärze und rot leckende Flammenzungen. Verzweifelt rüttelte ich an der Türe, hebelte mit dem Eisen, krallte mir die Finger an den Brettern blutig, doch das Ding hielt unseren halbblinden Bemühungen stand, und ich dachte, zum wiederholten Mal auf diesem Feldzug: Das wars dann wohl. Umgekommen beim Essen besorgen auf dem Rückzug, oh verdammt, da hätte ich in Circesium doch als Held sterben können, und jetzt sang und klaglos in irgendeinem Kuhdorf, tja, Chance verpasst, ruhmlos aus und vorbei..... - da öffnete sich mit einem Mal doch die Türe, und ohne dieses Wunder zu hinterfragen stürzte ich über die Schwelle, hinaus, ins Helle, ins Leben...
    Oder bessergesagt mitten hinein in ein wildes Kampfgetümmel. Ich keuchte und war noch vollauf damit beschäftigt Atem zu schöpfen, frische reine Luft in meine Lungen zu saugen, und mir den Russ aus den Augen zu reiben, als schon von irgendwoher ein Hackebeil nach mir geschwungen wurde. Mehr instinktiv wich ich zur Seite, es zischte knapp an mir vorbei, und ich schlug mit dem nächsten besten was ich zur Hand hatte - das war der Schürhaken - blindlings zurück. Ich drosch auf den Angreifer ein, traf ihn mitten ins Gesicht, und der Kerl jaulte auf, taumelte zurück, die Hand aufs Auge gepresst, und gab mir so Zeit mein Gladius zu ziehen. Es war nur einer von den Dörflern - ein Bauer! Die hatten es tatsächlich gewagt uns anzugreifen! Als ich das Gladius gegen ihn stiess, und ihn dabei auch ein wenig ankratzte, wich er schnell zurück und machte sich aus dem Staub.


    Ich holte tief Luft - meine Kehle schmerzte, war ganz wund - und versuchte den kurzen Moment in dem es keiner auf mich abgesehen hatte zu nutzen um mich zu orientieren, zu erkennen was hier eigentlich los war.Woher diese Reiter kamen, da machte ich mir in dem Moment keine Gedanken, aber der Kampf... der Kampf sah gar nicht gut aus. Die Männer die draussen gewartet hatten waren hart bedrängt von den Parthern, ihre Reihe zerbrach an manchen Stellen sogar in Einzelkämpfe. Die Kameraden, die mit dem Centurio und mir gerade der Flammen-Falle entronnen waren, eilten zur Hilfe wenn sie noch konnten, aber es war doch ein grosses Durcheinander.
    Schilde und Speere hatten wir vor dem Räucherhaus gelassen als wir da hineingegangen waren. Ich schnappte mir meine jetzt wieder und folgte dem Centurio um mich einzureihen, gegen die Reiter, und ich war mir, bei allem Schrecken, doch sicher dass er jetzt gleich mit ein paar klaren Befehlen die Situation wieder im Griff hätte...


    Da geschah es. Centurio Flavius ging getroffen zu Boden, gefällt von einer... (ich wage ja kaum es niederzuschreiben...) einer Mi....einer Mis... sagen wir einer Stangenwaffe. Sein roter Helmbusch verschwand einfach, in einem Wirrwarr von Staub, Füssen, Waffengeklirr und stampfenden Hufen.
    Oh Scheisse. Nein. Nein, das ist jetzt nicht wahr.
    Unwillkürlich wandte ich den Kopf nach dem Optio, doch da durchfuhr es mich siedendheiß: wir hatten gar keinen Optio dabei! Ergo musste der Tesserarius ran. Ich. ICH?! Per omnes deos! Ich stand ganz starr, und spürte wie mir ein Tropfen Angstschweiss leicht kitzelnd über die Stirn rann. Was sollte ich denn jetzt nur machen?! Die waren dabei uns aufzureiben! Ganz... starr....
    Aber dann gab ich mir einen kräftigen Ruck, verschob die Schreckstarre auf später, und nahm in meiner Not Zuflucht zu meiner geheimen Strategie: ich stellte mir vor es wäre alles nur ein Bühne (ist das Leben vielleicht ja auch), und ich müsste dort eine Rolle spielen. In diesem Schauspiel war ich... - na wer wohl, ich glaube man kann es leicht erraten wen ich mir da zum Vorbild nahm. 8)
    "Militeees",
    rief ich heiser krächzend, und dann brüllte ich es nochmal, wirklich laut, aus voller Kehle um durch den Kampfeslärm zu dringen.
    "Militeees, haltet die Linie! Ihr da rechts, zurück in die Linie, sofort! Haltet die Formation zusammen!!
    Wer aus dem Haus kommt in die zweite Reihe! Mit den Pila! Stecht den Pferden in die Hälse!"

    Und mitgerissen von meiner kühnen Rolle trat ich in die Lücke die der Centurio in der Formation hinterlassen hatte - oder jedenfalls in etwa an die Stelle, der Kampf wogte ja wild - um diese zu schliessen.
    Tatsächlich, meine Befehle bewirkten, dass die Formation wieder etwas klarer zutage trat, und dass die russgeschwärzte Verstärkung aus dem Haus sich als zweite Reihe formierte, und den Pferden mit den ragenden Eisenspitzen zu Leibe rückte. Teils waren es ja Kameraden aus der ersten Kohorte, die wussten genau wie der Hase lief, aber teilweise auch aus der neunten, mit wenig Kampferfahrung. Die Reiter sahen ganz schön wild aus, und schienen entschlossen uns in den Boden zu stampfen - aber wir hatten vor Edessa sogar gegen Panzerreiter gesiegt!


    "Standhalten! Formation halten!", brüllte ich, und riss mein Scutum hoch, wehrte Säbelhiebe ab, stiess meinerseits zu und schlitzte einem Reiter das Bein auf. Kreischend glitt eine Klinge von meinem Schulterschutz ab. Mein Schwertarm blutete aus einer Fleischwunde, aber wiederum spürte ich es kaum. Ein Pferd brach vor mir zusammen - die Gedärme hingen ihm aus dem Bauch heraus - und die Hufe wirbelten umeinander. Einer erwischte mich, schleuderte mich zur Seite. Die Luft um mich herum war erfüllt von Waffen, Stahl gleisste blendenhell in der Sonne, in der Nähe rauschte die Feuersbrunst. Ein Pfeil grub sich knirschend in meinen Schild hinein. Pfeile, auch das noch! Stur rappelte ich mich wieder auf, parierte Schläge und teilte aus, reihte mich wieder ein, und brüllte aus Leibeskräften:
    "Militeeees, langsam vor! Zuuugleich! Und vor! Und vor!"
    Unglaublich aber wahr, wir gewannen ein Stück Boden. So kam auch der Centurio wieder in Sicht, und wurde gleich nach hinten zum Capsarius gezerrt. Oder jedenfalls hoffte ich sehr, dass wir noch einen Capsarius hatten. Aus dem Augenwinkel konnte ich nur erkennen, dass der Centurio sich nicht regte, aber immerhin noch alle Gliedmassen hatte. Jetzt war auch nicht Zeit darüber nachzudenken. Einer der Parther, der wohl schon sein Pferd verloren hatte, hatte mich ins Auge gefasst - blutbesudelt war er, breitgebaut, schwang einen gewaltigen Säbel, und murmelte finster vor sich hin, etwa so als würde er, während des Kampfes selbst, Zwiesprache mit seinen blutrünstigen Götzen halten. Die Mütze die er auf dem Kopf trug hätte bei jedem anderen drollig ausgesehen, aber nicht bei diesem Mann... dem sprühte die blanke Lust am Morden aus den Augen!

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  • [Blockierte Grafik: http://img409.imageshack.us/img409/473/arikzv1.jpg| Arik Khingyr


    Von weit her kam der Wind, der über das Land strich und auch über das Dorf, der mit Leichtigkeit die Rauchschwaden, die von dem brennenden Haus aufstiegen, zerfetzte und Sand aufwirbelte, ebenso kleine Steinchen. Er schien sich nicht darum zu kümmern, was die Männer zu seinen Füßen trieben. Warum auch? Er hatte auf seinem Weg von weit in der Ferne sehr viel gesehen und unbekümmert mit seinem Hauch gestreift. Das tat er auch bei jenen Männern, die sich unerbittlich schlugen und Hiebe austeilten, die um ihre Leben kämpften oder darum den Sieg zu erringen. Doch viel lieber spielte der Wind in den trockenen Grashalmen am Rande des Dorfes und ließ die kämpfenden Männer ungestört. Arik schöpfte einen Moment Atem als der Wind kühlend über seine Stirn strich, doch gleich darauf führte er weiter seinen Säbel zu vernichtenden Hieben. Ärgerlich wich er einen Schritt nach dem Anderen zurück und fluchte leise vor sich her. Daß sich die Römer als so hartnäckig erwiesen hatte er nicht gedacht, beim letzten Mal hatten sie eindeutig ein leichteres Spiel gehabt. Ein Pfeil sauste über Arik hinweg und zack, schon versenkte sich dieser in dem Hals eines Römers. Der Mann starb noch ehe er den Boden berührte und das Blut den parthischen Boden besudeln konnte. Dennoch mußte Arik erneut einen pes zurück setzen.


    Daß die Bauern nicht lange Widerstand leisten würden, hatte Arik sich schon gedacht, dennoch grummelte er als er aus den Augenwinkeln bemerkte, wie immer mehr von den Ackersmännern das Weite suchten. Jetzt hieß es die Römer einzustampfen oder sie zur Flucht zu bewegen. Das Verlangen zu Töten war übermächtig in Arik und schon stellte er sich dem nächsten Gegner, der in der Reihe von römischen Gesichtern sich im stellte. Verächtlich verzog Arik seinen Mund als er den Jüngling vor ihm erblickte. Na, mit dem würde er ein leichtes Spiel haben.
    „Ihr Römer wähnt euch als Herrn der Welt? Ich zeig Dir schon, Römer, wer heute hier der Herr sein wird!“
    Sein Säbel schnellte nach vorne, in kurzen und heftigen Attacken drang Arik auf sein Gegenüber ein, verringerte mit einem nach vorne setzen seines Fußes die Distanz zwischen ihnen, wich dabei einem Hieb von dem römischen Nachbarsmann desjenigen aus, gegen den er gerade focht.
    „Ihr wolltet einfach zu viel, Römer. Aber hier werdet ihr auf Granit stoßen!“
    Arik stieß mit seinem Schild von unten nach oben und versetzte gleichzeitig mit dem hinteren Drittel seines Säbels einen heftigen Hieb. Direkt in das Gesicht des Römers. Leider erwischte er ihn nicht mit dem Säbel, dafür mit seiner Faust und der Parierstange.
    „Und dann schickt ihr auch noch Kinder in den Krieg. Zu schade, zu schade. Ich hätte mehr von den Römern erwartet!“
    Daß sein Gegenüber ihn wohl schwer verstehen konnte, sagen wir mal eher gar nicht, war Arik völlig gleichgültig. Er redete einfach gerne während des Kampfes, was immer eine Schwäche von Arik war, denn in dem Augenblick als er dem jungen Mann einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzt hatte und die Worte sprach, ließ er sein Schild sinken und offenbarte damit eine Lücke in seiner Verteidigung.

  • Wie ein Wirbelsturm, wie ein Gewitter aus Stahl kam der bluttriefende Säbel auf mich zu... ich hielt krampfhaft mein Scutum fest, riss es hoch, versuchte nur noch mir diese schreckliche Klinge vom Leibe zu halten. Zum angreifen kam ich überhaupt nicht mehr, so schnell und so wuchtig attackierte mich der Parther, und es war nicht schwer zu erkennen dass dieser Säbelheld mir beim Fechten bei weiten überlegen war. Ein eisiger Angstschauer rieselte mir über den Rücken, und mir war auf einmal wieder sehr klar dass ich, privates Schauspiel hin oder her, nicht der Primus Pilus war.
    Verdammte Scheisse, oh verdammte Scheisse, warum hilft mir denn keiner, oh Fortuna bitte hilf mir, der sticht mich ab, der macht Hackfleisch aus mir, im Handumdrehen macht der mich kalt, oh nein.... raste es mir im Kopf herum, als die Schläge auf mich runterprasselten, dumpf auf meinem Schild wiederhallten. Die Wucht pflanzte sich in meinen Unterarm fort, und ich konnte das Scutum kaum noch halten. Tiefe Scharten schlug der Säbel in das Holz. Dabei sprach der Parther auch noch, in einem unverständlichen Kauderwelsch, in dem man doch, auch über die Sprachgrenze hinweg, ganz deutlich den Hohn triefen hörte.


    Und da war er schon durch meine Deckung hindurch! Gerade mal den Kopf ein Stück zurück und zur Seite zu reissen gelang mir noch (sonst hätte ich eben jenen wahrscheinlich verloren), so traf mich nicht die Schärfe der Klinge, sondern "nur" ein widerliche Masse von Metall und Faust. Das Scheppern meines Helmes dröhnte ohrenbetäubend, mein Kopf schien zu platzen als gleissende Funkengarben darin explodierten. Alles schwankte, und vom Boden her erhob sich, wie dunkle, kriselige Wellen, die Ohnmacht, und steckte ihre schwarzen Arme aus um mich zu empfangen. Mein Schild entglitt meiner Hand, ich hörte ihn zu Boden poltern. Ich keuchte vor Schmerz und wankte, aber mir war völlig klar zu Boden gehen heisst sterben, und ich klammerte mich ans Bewusstsein wie ein Schiffbrüchiger an ein Stück Treibholz im Sturm, mit einer Zähigkeit von der ich gar nicht gewusst hatte dass ich sie besass. Blut floss mir über die Stirn, und in die Augen. Ich blinzelte. Alles schien sich mit einem Mal ganz ganz langsam abzuspielen, die Welt zerbrach für mich in einzelne Bilder, wie Scherben, verwischte Bilder in blutigrot und grellem Weiss...Die Augen des Parthers. Schwarze Abgründe in denen der Tod stand. Sein Mund, breite Lippen über dem struppigen Bart, die sich bewegten, losgelöst von allem anderen, die Worte formten. Triumph, Spott, Häme, Hohn, was auch immer... Und der Säbel der schon wieder ausholte... Und der Schild der.... ein Stück hinabsank!


    Der Mann hätte mich problemlos umgebracht, wenn er in genau jenem Augenblich nachgesetzt hätte. Aber er machte einen Fehler: Er redete zuviel.
    Und er unterschätzte mich. Und während er seinen Triumph auskostete, und Worte sprach, die mit dem Lärm des Gefechtes vermengt über mich hinweg brandeten, blinzelte ich das Blut aus meinen Augen und wurde wieder etwas klarer.
    Ich fiel. Nicht nach hinten, sondern nach vorne, ich liess mich praktisch gegen ihn fallen, er war ja schon ganz nahe, und dabei packte ich mit der linken den Rand seines Schildes. Ich schlang den Arm darum, drückte es auf diese Weise noch ein Stück weiter runter, und stach zugleich mit der rechten zu. Wir waren so nah aneinander, dass ich seinen stinkigen Atem roch. Über den Rand des Schildes hinweg traf ihn die Spitze des Gladius zwischen Brust und Schulter, und ich trieb sie weiter, umkrallte mit schweissiger Hand den Knauf und legte mich mit aller mir verbliebenen Kraft in den Stoss hinein.

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  • [Blockierte Grafik: http://img409.imageshack.us/img409/473/arikzv1.jpg| Arik Khingyr


    Der Dünkel von Arik schwand innerhalb weniger Herzschläge jäh und abrupt als er sich im nächsten Moment auf den trockenen und staubigen Erdboden wieder fand. Wuchtig schlug er mit seinem Rücken auf dem Boden auf, ein Stein bohrte sich in sein Kreuz, doch den Schmerz spürte er nicht, es war der scharfe, schneidende Schmerz als sich ein gladius in sein Fleisch bohrte. Ungläubig weitete Arik seine Augen und sah in das Gesicht jenes Kindes, was ihn zu Fall gebracht hatte. Ganz nahe waren sich die Beiden, wie in einem Liebesreigen, welcher brutaler nicht sein konnte. Mischte sich ein wenig Angst in die Augen des kräftigen Söldners, der einen Hang zur Schwatzhaftigkeit hatte? Die Starre, die Arik für einen Herzschlag lang ergriff, schwand abrupt als der Schmerz durch seinen ganzen Körper zog und sich das gladius durch ihn hindurch und in das Erdreich gebohrt hatte. Der Säbel entglitt seiner nun geschwächten Hand und fiel polternd auf die Steine hinunter, blutbesudelt und schartig von all den Treffern auf Schilden, Metall und Knochen. Jetzt verstummte sogar Arik. Seine Augen bohrten sich in die des Decimers, dann schoß seine kräftige Linke nach oben und umschloß damit den Hals von Serapio. Seine Finger krallten sich in die Haut des Römers, während er gleichzeitig sein Bein anzog, Serapio einen wuchtigen Tritt zu verpaßen, um ihn von sich herunter zu befördern.


    Selbst verletzt, war der Griff und der Tritt des Söldners noch gewaltig genug, um sich erst mal - für wenige Herzschläge lang – aus der Bredouille zu bringen und Luft zu verschaffen. Es war ihm egal, ob er damit den Römer in Sicherheit schickte oder direkt in das Messer eines Feindes. Stöhnend umgriff Arik das gladius und riß es aus seinem Körper hinaus, warf es mit Schwung in eine andere Richtung und rollte sich gerade noch zur Seite, um den Hufen eines Pferdes auszuweichen. Dabei schluckte er auch eine gehörige Portion Staub und Dreck, der ebenfalls in die Wunde drang und gehörig brannte. Doch Arik, der kein Bedürfnis hatte, hier und heute zu sterben, kroch eilends an Soldatenstiefeln und Hufen vorbei, um sich erst mal in Sicherheit zu bringen und außer Reichweite von römischen Schwertern. Keuchend erreichte er eine freie Stelle und rappelte sich erst auf alle Viere auf und erhob sich, die Hand an die Stelle gepresst, wo mit jedem seiner Herzschläge Blut hervor quoll und sich mit dem Lederkollier und dem Stoff seines Schurzes unter der Rüstung mischte. Arik warf einen Blick über seine Schulter. Einen Augenblick lang meinte er das Gesicht dieses Römers zu sehen, der ihn kalt erwischt hatte. Ariks fluchte leise und sehr derb – seine ältere Schwester hätte ihn sicher dafür gescholten – und sah sich schnell die Situation an, die durchaus besser sein konnte. Die Zahl der Römer hatte sich durch das Öffnen der Tür schlagartig verdoppelt und sie in eine schlechtere Position gedrängt.


    Ein Pferd streifte ihn – reiterlos – und Arik ergriff schnell mit seiner noch kräftigen Hand die Zügel. Das Roß wollte sich gegen ihn sträuben, doch Arik schwang sich bereits schnell auf dessen Rücken. Mit den Augen suchte er nach seinem Bruder. Sie mußten nicht lange Blicke wechseln, um sich zu verstehen.
    „Rückzug!“
    , rief Arik bereits. Den Kameraden in der Scheune würden sie eventuell auch noch retten können, aber das Dorf würden sie gewiss nicht halten. Außerdem konnten die Bauern selber sehen, wie sie zurecht kamen. Arik scherte das Bauernpack nicht einen Deut. Arik teilte noch ordentlich Fußtritte aus, ließ das Pferd gegen einen aufdringlichen Römer angehen und nahm langsam, aber sicher die 'geordnete' Flucht auf. Erst dann riß er die Zügel herum, als auch seine Mitbrüder und andere Haudegen sich sortiert hatten, und preschte in die andere Richtung. Sollten die Römer sie verfolgen, würde sich Arik gewiß noch einmal dem Kampf stellen, denn als Schlachtvieh würde er sich nicht benutzen laßen. Wenn nicht, dann wäre Arik erst mal nur froh, noch mal die Haut gerettet zu haben. Über die Schmach einer Niederlage würde er an einem anderen Tag grübeln.

  • [Blockierte Grafik: http://img443.imageshack.us/img443/921/soeldnerfuehrerca1.jpg] | Xvásak


    Anfangs war der Überfall ja ganz gut gelaufen, doch nachdem die Römer sich berappelt hatten, dazu noch Verstärkung aus dem brennenden Haus bekommen hatten, setzten sie sich energisch zur Wehr. Xvásak liess sich ein wenig zurückfallen, denn er überliess, als Savaran Salar und als Denker, gerne mal den anderen die Blutarbeit und die Gefahr an vorderster Front. Überhaupt liess das Töten ihn mittlerweile eher kalt, er hatte es im Laufe der Jahre ja auch schon zu Genüge ausgekostet. Mit kalten Augen musterte er das Kampfgeschehen, nahm den Bogen von Sattelknauf und sandte den ein oder anderen Pfeil über die Köpfe seiner Leute hinweg in die römische Formation hinein. Arik wütete mal wieder. Xvásak zielte genau, liess einen weiteren Pfeil von der Sehne schnellen, verfolgte dessen Bahn mit den Augen und sah, mit dem Hauch eines Lächelns, wie dieser einem der römischen Hurensöhne in die Kehle fuhr. Der Hauch verflüchtigte sich, als sein Bruder wieder in Sicht kam - schwergetroffen. Das war schlecht. Sie tauschten einen Blick - Rückzug war angesagt. Um ein paar Sklaven, Waffen und Rüstungen lohnte es sich nicht aufs ganze zu gehen.
    "Rückzug!", kommandierte auch Xvásak. Er reichte einem verletzten Waffengefährten die Hand, zog ihn zu sich aufs Pferd, und dann wandte sich die ganze Rotte um, zog sich ziemlich geschlossen zurück. Ein paar weitere Pfeilschüsse schreckten etwaige übermütige Verfolger ab, während die Söldner in Windeseile auch noch ihren halbtoten Kameraden aus der Scheune bargen, dann hinaus aus dem Dorf jagten, den Fluss entlang.
    Sorgenvoll blickte Xvásak zu seinem Bruder, der gar nicht gut aussah, sich aber noch immer eisern hielt. Sie würden sehr bald halt machen müssen, um seine Wunde, und auch die der anderen Verletzten, zu versorgen. Wie gut dass diese Römer, die wie Ungeziefer auf ihren eigenen Füssen auf der Erde krabbelten, so langsam waren. An die Dörfler verschwendete der Sogde keinen Gedanken, sollten die Römer sie doch massakrieren. Jetzt hiess es erst mal die Wunden zu lecken, und dann ab nach Süden...
    Eine dichte rotbraune Staubwolke wirbelte auf, unter den Hufen ihrer Rösser, als die Söldner sich immer weiter entfernten. Dann verklang der Hufschlag, und der Wind, der gleichmütige Wind, verwehte auch den Staub, bis der Himmel sich erneut bis zum Horizont in strahlender, stählerner Bläue zeigte.

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  • [Blockierte Grafik: http://img264.imageshack.us/img264/282/scatori8.jpg] | Servius Salassus Scato


    Die Staubwolke, die die Söldnerreiter am Horizont hinter ließen, fiel sanft auf den Boden hinab. Einer der Männer, die zurück blieben, starrte ihnen grimmig hinter her und das war Scato, der schwer atmend und nur mit einem Dolch bewaffnet auf dem Dorfplatz stand. Eine Schramme zierte sein dreckiges Gesicht, das durch die Wochen mit Entbehrung und Bartwuchs gezeichnet wurde. Seine rote, zerschlißene und dreckige Tunika wehte im Wind. Grantig sah er denen hinter her, die ihm ein wochenlanges Martyrium verschafft hatten, doch es war nichts zu ändern, die Söldner waren davon galoppiert. Aber er, Salassus Scato, war immerhin frei. Was langsam in seine Seele tropfte und erhellte, ein unbedeutendes Lächeln zeigte sich auf seinen schroffen und ausgetrockneten Lippen, die an manchen Stellen blutig waren und noch etwas geschwollen, durch den letzten Schlag von Arik. Scato steckte sich den Dolch, den er von einem toten Soldaten genommen hatte, an seinen Gürtel und drehte sich zu den Trupp Männern um, um nach dem Soldaten Ausschau zu halten, der das Kommando inne hatte. Er brauchte nicht lange zu suchen, denn sein Blick fiel auf den Mann, der noch eben die Reihen angefeuert hatte. Mit einigen Schritten war Scato an den jungen Mann heran getreten.


    „Salve, ich bin Salassus Scato von der Decima. Bist Du der kommandierende Offizier?“


    Die Flammen loderten durch jede Öffnung vom Rauchhaus. Mit einem lauten Krachen brach des Gebälk des Daches endgültig ein und hätte wohl jeden, der nun dort noch drinnen gewesen wäre, erschlagen und verbrannt. Selbst die Lehmmauern knisterten und an manchen Stellen sprangen Klumpen der getrockneten Blöcke ab, um sich in alle Richtungen zu verteilen. Scato hob die Hand und duckte sich gerade noch rechtzeitig als so ein heißes Geschoß an ihm vorbei zischte. Ein anderer Soldat, aus der neunten Kohorte, eilte an die Seite von Serapio. Der Soldat, Futius war sein Name, war zwar ein älterer Soldat, doch noch nie in seiner Laufbahn hatte er das Bedürfnis verspürt mehr Verantwortung als unbedingt notwendig zu tragen. Darum tat er das, was ihm am Nächsten lag.


    Tesserarius, der centurio ist bewußtlos. Du bist jetzt der ranghöchste Soldat hier! Was sollen wir machen?“


    Einige Gesichter richteten sich auf Serapio und sahen ihn fragend an, denn er würde entscheiden müßen, ob sie in dem Dorf bleiben würden, sich zurück ziehen, die Räuber verfolgen oder was auch immer.

  • Haltlos und schwertlos rollte ich durch den Staub, fortgeschleudert von dem Tritt des Parthers, und einen Augenblick lang blieb ich benommen liegen, rang einfach nur nach Luft. Den Griff dieses Ungetüms spürte ich immer noch an meiner Kehle, wie er mir die Gurgel zerquetschen, mir die Luft abschnüren wollte. Ich richtete mich auf. Gleich lief mir frisches Blut in die Augen. Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Brauen, ertastete eine aufgeplatzte Stelle an der Stirn, und sah mit weitaufgerissenen Augen um mich, suchte die nächste Bedrohung zu erkennen, suchte eine Waffe... Doch die Reiter zogen ab! Bona Dea, wir hatten sie tatsächlich in die Flucht geschlagen! (Wenn das nicht bloss wieder ein fieser Trick war, natürlich.) Kurz erblickte ich noch mal den Säbelhelden - verdammt, ich wünschte ich hätte diesen Irren umgebracht - aber dann erfüllte mich unendliche Erleichterung als sie ihre Pferde wandten, und sich in einer Staubwolke davon machten.
    Oh Fortuna ich danke Dir! Und Mars, Dir natürlich auch.
    Ich öffnete den Mund, um meiner Erleichterung Ausdruck zu verleihen, aber nur ein Krächzen entwich meiner malträtierten Kehle. Die fühlte sich an wie ein Reibeisen, und sah sah ich stumm wie nun auch die letzten Fellachen hastig das "Schlachtfeld" verliessen. Sie liessen die Waffen fallen, rannten davon, und ich sah durch eine Lücke zwischen den Katen einen ganzen Pulk dieser verräterischen Bauersleute wie sie mit Kind und Kegel, noch zwei Ziegen an Strick, aus dem Dorf flohen.
    "Nicht nachsetzen!"
    Ich wollte es rufen, aber erst mal war es wieder nicht mehr ein heiseres Flüstern. Ich hustete und versuchte es noch mal:
    "Milites, nicht nachsetzen!"
    Naja, ich glaube die wenigsten konnten es hören, aber wir waren ja inzwischen alle durch Erfahrung äusserst misstrauisch wenn etwas parthisches sich anscheinend zur Flucht wandte, und so sahen die Kameraden auch so von einer Verfolgung ab.


    Jetzt, nach dem Abflauen der Gefahr, kam wie so oft der Moment wo meine Knie weich werden wollten. Ich stemmte die Füsse in den Boden und atmete ganz tief. Hinter mir krachte gerade funkenstiebend das Räucherhaus zusammen. Auf den Boden lagen Tote und Verwundete. Einer der Wägen die mit uns gekommen waren, war gegen eine Hauswand gekracht und nur noch ein Haufen Trümmer.
    Ich hob irgendein Gladius vom Boden auf, und presste mir einen Zipfel des Focale gegen die Stirn, um die Blutung zu stillen. Meine Augen brannten, ich blinzelte wieder und suchte erst mal nach dem Centurio, erfüllt von der vernunftwidrigen Hoffnung er wäre wieder wohlauf, oder wenigstens in der Lage zu entscheiden was jetzt getan werden musste.
    Jemand sprach mich an, und überrascht blickte ich auf den Mann, der so vollkommen verwildert aussah, dass ich ihn im ersten Moment eher für einen der Dörfler gehalten hätte. Aber natürlich nur bis er den Mund aufmachte. Ob ich der kommandierende Offizier wäre wollte er wissen.
    "Salve", quetschte ich mit Reibeisenstimme hervor, verwirrt wo der auf einmal herkam, "nein, ich bin der Tesserarius, Decimus Serapio, von der Prima, unser Centurio ist allerdings gerade, äh...-"
    Tja, und da brachte einer der Soldaten auch schon die Kunde. Bewusstlos. Mist. Immerhin nicht tot.
    "Also doch", revidierte ich meine Aussage - zwar nicht Offizier aber kommandierend. Mir wurde sehr unbehaglich als sich so viele fragende Blicke auf mich richteten. Das war echt ein übles ins kalte Wasser springen! Aber eben hatte es doch auch funktioniert, mit den Befehlen. Salassus auszufragen verschob ich auf später, ich überlegte kurz und krächzte dann:
    "Zuerst bringen wir unsere Verwundeten weg von dem Brand, rüber zu dem Wagen, da haben sie auch Deckung falls diese Schweinehunde wiederkommen sollten."
    Das brennende Haus war mir unheimlich, immer wieder barst da etwas in Flammen, flogen glühende Splitter in weitem Umkreis durch die Luft. Ich deutete auf den Karren, der noch fahrtüchtig war.
    Dann wandte ich mich einem unserer Eques zu, der noch zu Pferd war, die beiden anderen sah ich gerade auch nicht, und befahl: "Reite ein Stück in die Richtung in die der Feind verschwunden ist, und sieh nach ob sie sich auch wirklich zurückgezogen haben. Oder ob noch mehr in der Gegend sind. Ähm... aber sieh vorher zu dass Du Deine Kollegen findest, sie sollen mit Dir reiten wenn sie noch in der Verfassung dazu sind."
    Wenn sie noch am Leben sind. Einer alleine auf Spähmission war schlecht.


    Wir brachten die Verwundeten rüber, wie ich gesagt hatte. Dem Capsarius musste ich natürlich nicht sagen was er zu tun hatte, ich sah ihn schon über den Centurio gebeugt, die Hände rege. Beim Anblick von dessen Bein - war das Weisse da Knochen der durch das Fleisch stach? - musste ich heftig schlucken. Hoffentlich kam er durch!
    Auch die Toten trugen wir beiseite und legten sie nebeneinander. Vier Mann hatten wir verloren, bei diesem Überfall. Ganz schön viele. Dazu die Verwundeten. Eine harte kalte Wut regte sich in mir, auf dieses tückische, schlangengleiche Partherpack dass uns in die Falle gelockt hatte. Einer der Feinde auf dem Boden war noch nicht ganz tot, ein der Dörfler, er krallte die Hände in den Boden und versuchte davonzukriechen. Mit ein paar Schritten holte ich ihn ein. Er hob das Gesicht, stierte mich mit blutunterlaufenen Augen an, und ich erkannte das Milchgesicht wieder - das war das Schwein das den Centurio so verletzt hatte.
    "Cabrón!", zischte ich, packte ihn am Schopf und stiess ihm das Gladius hinters Schlüsselbein. Röchelnd hauchte er sein Leben aus. Direkt daneben schnitt gerade einer der Kameraden einem toten Parther den Kopf ab. Es berührte mich kein bisschen, in dem Moment, in meiner Wut. Wenn ich daran dachte, wie mir das mit den abgeschnittenen Köpfen damals, beim allerersten Scharmützel auf dem Weg nach Edessa, an die Nieren gegangen war!


    "So. Jetzt teilen wir uns auf."
    Ich hatte mich sozusagen warmgeschwommen, und obwohl ich immer noch Angst hatte was falschzumachen, ging das Befehle geben immer leichter. Zwei Gruppen bildete ich, eine kleine und eine grössere.
    "Ihr bleibt bei den Verwundeten, und das kampfbereit", meinte ich heiser zu der ersten, und zu den Männern in der zweiten: "und ihr durchsucht zusammen zügig diese Bruchbuden hier nach was Essbarem und bringt es her. Wer von den Männern von diesem heimtückischen Bauernpack noch da ist, der wird versklavt wenn er sich ergibt, ansonsten getötet. Aber nur die Männer. Danach zünden wir alles an. Age."
    Die Vergeltung für solche Attacken wie wir sie gerade erlitten hatten war nun mal harsch, und das machte ja auch Sinn. Die hatten uns bei lebendigem Leibe verbrennen wollen, da geschah es ihnen gerade recht wenn jetzt ihr armseliges Dorf dran glauben musste.
    Noch immer sickerte Blut über meine Stirn. Ich schnappte mir einen Streifen Verband vom Capsarius, nahm im Schatten des Wagens meinen Helm ab, und wickelte mir den Stoff fest um den Kopf herum.
    "Salassus", wandte ich mich dann wieder an den Kameraden von der Zehnten, "wie kommst Du hierher? Warst Du in Gefangenschaft?"
    Sein erbärmliche äussere Erscheinung, und die roten Ränder an seinen Handgelenken liessen jedenfalls darauf schliessen. Ein Deserteur war er wohl kaum, sonst hätte er sich ja nicht als Soldat vorgestellt.

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  • [Blockierte Grafik: http://img264.imageshack.us/img264/282/scatori8.jpg] | Servius Salassus Scato


    Martialisch wirkten manche der Mienen der Soldaten, als sie die Befehle vom tesserarius erhielten. Wütend waren viele der Männer, nachdem sie derart tückisch von den Ackersmännern in einen Hinterhalt gelockt worden waren und zudem von fremden Soldaten angegriffen wurden. So manch einem der Soldaten dürstete es auch nach Rache für den Tod des Kaisers, etwas, was sie in Dura Europos nicht erhalten hatten und sich nun gedachten hier zu holen. Schon krachte es als zwei Soldaten im nächst besten Haus die Tür eintraten und in dem Inneren verschwanden. Ebenso schwärmten die anderen Männer aus, in dem Dorf, das so erbitterten Widerstand gegen die römischen Soldaten geleistet hatte.


    Salassus Scato sank auf einen der noch leeren Wagen im Schatten herunter und kratzte sich an dem störenden Bart, den er jedoch schon seit Wochen nicht rasieren konnte. Schließlich hatten die Söldner tunlichst darauf geachtet, daß er keine Waffe in die Hände bekam, um sie nachts auf ihren Lagern abzustechen und zu fliehen. Wovon Scato durchaus viele Male geträumt und es sich lebendig vorgestellt hatte. Er verzog das Gesicht bei der Frage und betrachtete zwei Soldaten, die einen Mann aus einer Kate heraus zerrten und auf den staubigen Boden warfen. Einer der Soldaten beugte sich über den Mann und hielt das gladius an seine Kehle. Scato wandte die Augen nicht von der Szenerie ab, während er antwortete:
    „Beim Chaboras, als wir in den Hinterhalt geraten sind. Da waren diese Bastarde auch dabei. Ein paar von uns wurden dort gefangen genommen...!“


    Bitter klang die Stimme von Scato, aber er hatte auch allen Grund dazu. Viele seiner Kameraden hatte er sterben sehen, gefangen zwischen einer Flammenmauer und dem Heer der Parther, abgeschnitten von Verstärkung. Die Augen von Scato trübten sich ein wenig als er an jenen Tag zurück dachte. Als die Bilder vor seine Augen traten. Das Blut um ihn herum, die Schreie und das verzweifelte Kämpfen, um das nackte Überleben. Glorie, Ruhm und Ehre waren in jenem Moment vergeßen gewesen und Scato hatte in seinem Leben noch nie eine derartige Angst verspürt. Starr war seine Miene nun, obgleich er sich für diesen Tag auch schämte. Immer wieder träumte er davon und glaubte, ein Feigling zu sein. Sicherlich, er war gefangen genommen worden, aber hätte er sich nicht frei kämpfen können? Hätte er nicht sterben sollen, wie viele seiner Männer? Und was danach kam, war auch nicht besser. Wie sie durch die Straßen von Dura Europos getrieben wurden, wie Beutestücke. Die Bevölkerung warf mit verfaulten Gemüse und Dung nach ihnen. Wie sie auf die Tribüne geführt wurden und viele von ihnen noch am selben Tag starben, manche jedoch als Sklaven weiter verkauft wurden. Jene, die nicht verletzt waren und bei denen es sich noch lohnte. Die wenig Widerstand geleistet hatten. Scato schloß einen Augenblick lang die Augen, gerade als der Soldat dem Bauersmann das Schwert in den Hals trieb. Der leblose Mann sackte auf den Boden herab, die Soldaten zogen weiter, um im Dorf zu plündern.


    „Es wurden einige Soldaten von der Decima gefangen genommen. Die Meisten sind tot!“


    Heiser klang die Stimme von Scato, brüchig. Er verstummte und sah in eine andere Richtung. Betrachtete den Wall aus Steinen und dornigen Gebüsch, wich dabei dem Blick von dem Decimer aus, denn er erwartete die Vorhaltungen in dessen Augen zu sehen, die sich Scato selber machte. Warum bist Du nicht tot? Warum lebst Du noch, im Gegensatz zu Deinen Kameraden? Scato biß sich auf seine ausgetrocknete Unterlippe. Ein Schrei ertönte aus einer der Keuschen, ein Poltern und Klirren. Das Weinen eines Kindes und erneut der Schrei...von einer Frau, gepaart mit dem Lachen von zwei Männern. Von einer anderen Ecke des Dorfes wurden ein paar der Dörfler in die Dorfmitte getrieben. Sie starrten mit Grauen auf den toten Körper, der dort regungslos lag. Ein junger Soldat führte mit einem glücklichen Strahlen ein Kuh hinter sich her und band sie an einen der Wägen fest. Die Kuh, deren Euter prall gefüllt waren, schien sich nicht sonderlich daran zu stören, jetzt in römische Besitzschaft übergegangen zu sein. Scato, der der Zunge der Kuh auswich, die ihn neugierig belecken wollte, wandte sich wieder Serapio zu.


    „Wie steht es mit dem Krieg? Wo sind die Truppen zur Zeit und haben sie die Stadt eingenommen?“


    Die Schreie aus der einen Kaluppe wurden nicht weniger. Einer der Soldaten, Lucius Vullius, ein Veteran aus Dacia und nun Soldat in der Prima, eilte auf Serapio zu. Die Stoppeln stachen dem Soldaten aus dem Gesicht, aber viele der Männer trugen ihr Kinn unrasiert, seitdem der Kaiser verstorben war. Lucius Vullius hatte eine Wunde an der Schläfe, aber er schien sich nicht sonderlich darum zu kümmern.


    Tesserarius, was sollen wir mit den Frauen und Kindern machen? Sollen wir sie nicht auch versklaven? Die Frauen und Kinder können doch eh hier nicht alleine - ohne Männer - überleben!“

  • Auf einmal war es, als hätte man wilde Hunde von der Kette gelassen. Die Kameraden plünderten, und liessen dabei ihrer Zerstörungswut freien Lauf. Wie schon in Circesium.... ansonsten ganz nette, freundliche Leute legten auf einmal Seiten an den Tag die man ihnen sonst überhaupt nicht zugetraut hätte. Aber wir hatten jedes Recht dazu! Die hatten uns angegriffen - da mussten wir nun mal Vergeltung üben! Eigentlich waren meine Befehle noch viel zu zaghaft, eigentlich hätten wir, nach ur-römischen Gebräuchen des Krieges, alles lebendige was es da gab erschlagen müssen...
    Ich fingerte an meinem Verband herum und versuchte die Schreie zu überhören. Sowas passierte nun mal im Krieg, so was war normal... Aber da war so ein Kinderweinen dabei, ein dünnes, jämmerliches Greinen, das mir in die Ohren stach und in seiner Verzweiflung an meine Nerven sägte... am liebsten hätte ich dem ganzen wieder Einhalt geboten. Aber ich befürchtete, dass die Soldaten mir dann einfach nicht mehr gehorchen würden.
    Einige hatten doch noch ein Vorratslager entdeckt, und schleppten Getreidesäcke herbei. Wir luden sie auf den Wagen. Keine grosse Ausbeute war das. Ein paar Hühner kamen noch dazu, dann die Kuh, ein lahmendes Pferd, und ein paar magere Ziegen die ebenfalls hinten dran gebunden wurden.
    Oben auf den Säcken würden die Verwundeten, die nicht mehr laufen konnten, und der bewusslose Centurio Platz finden. Die Toten würden wir tragen müssen, auf den Schilden...
    Immer noch das Weinen. Dünn und penetrant. Ich legte den Kopf in den Nacken und blickte in den Himmel hinauf, aus keinem besonderen Grund.


    Der Kamerad von der Zehnten musste ganz schön was durchgemacht haben. Nein, er musste entsetzliches durchgemacht haben. Die Verbitterung, die um ihn war, war fast mit Händen zu greifen. Ich sah in sein ausgemergeltes Gesicht, in die Augen die wie ein grauer, verhangener Wolkenhimmel waren, nickte nur, und wünschte dabei ich könnte ihm etwas aufmunterndes sagen. Eben war alles rasendschnell gegangen, aber als ich ihn jetzt so ansah kam vage ein Bild zurück - Salassus mit einem Schlüssel in der Hand - das ich in dem Moment, in meiner Panik vor dem Feuer nicht weiter beachtet hatte.
    "Drecksparther. - Kann... kann das sein dass Du uns geholfen hast da raus zu kommen? Gerade im rechten Moment... "
    Ich wies auf die schwelende Brandruine, die verkohlten Balken, und wieder lief mir ein Schauer über den Rücken. Nervös rieb ich mir den Nacken. Was für ein gewaltiges Glück dass wir es noch rechtzeitig hinaus geschafft hatten! Mein Dank kam aus tiefster Seele.
    "Danke, Commilitio, Du hast uns echt den Arsch gerettet!"
    Natürlich fragte er nach dem Stand des Krieges. Unwillkürlich zögerte ich einen Moment, aber es half ja nichts es nicht zu sagen, also berichtete ich möglichst sachlich:
    "Die Truppen sind auf dem Rückzug. Der Imperator ist tot. Er wurde am Chaboras verwundet, und ist im Lager vor Dura gestorben. Alle Legionen hier, also die Erste, die Zwölfte, die Sechzehnte und der Rest der Zehnten haben dem Caesar die Treue geschworen, und dann wurde die Belagerung abgebrochen. Der Feldzug ist vorbei..."


    Es war gewiss nicht die Sorge um das Wohlergehen der Bauersfrauen, die Lucius Vibullus umtrieb. Ich schüttelte den Kopf, auf seine Frage hin, und verschränkte die Arme hinter dem Rücken als ich bestimmt antwortete:
    "Nein. Die Männer haben uns angegriffen, die Männer sollen dafür bezahlen, die Männer nehmen wir mit als Sklaven! Nicht die Frauen und nicht die Kinder."
    Ich hob das Kinn und starrte ihm ins Gesicht, mit einer Miene die sehr viel entschlossener war als ich mich fühlte. Der Mann war Veteran, er war wohl etwa doppelt so alt wie ich, und dazu einen halben Kopf grösser.
    "Lasst sie einfach laufen, jagt sie davon. Dann legen wir Feuer und machen uns auf den Rückweg."
    Wer wusste schon ob die Reiter wirklich weg waren. Oder was sich hier noch alles in der Gegend rumtrieb.

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  • Der trübe Blick des Soldaten der Decima schwand. Verwirrt blinzelte er zu Serapio als sich dieser bei ihm bedankte. Eher peinlich berührt winkte Scato ab, denn in seiner Seele brannte immer noch die schwärende Wunden, die er in der Schlacht vom Chaboras erhalten hatte und die wohl niemals mehr in seinem Leben ordentlich verheilen würden.
    „Nein, im Gegenteil, wären nicht Du und Deine Männer gekommen, dann würde ich immer noch das Feuerholz für diese Hurensöhne schleppen.“
    Die Nachricht um den Tod des Kaisers traf Scato deutlich und sichtbar. Er zuckte zusammen als ob er einen Hieb eingesteckt hätte. Stumm stierte er auf das parthische Land und schwieg einige Herzschläge lang, dann entfleuchte seinem Mund einige bittere Worte, doch nicht auf Latein gesprochen, es klang sehr viel nordischer, rauer und urtümlicher. Doch der Sinn der Worte war dennoch klar und deutlich. Er fluchte.
    „Chaboras, den Namen wird wohl keiner von uns je vergeßen, keiner...“
    Der Soldat sank in sich zusammen und schien die Welt um sich herum zu vergeßen, auch die Kuh, die nun anfing an seiner Tunika zu knabbern. Auch den Soldaten, der sich vor Serapio aufbaute, bemerkte Scato nicht mehr.


    Besagter Veteran, Lucius, verzog das Gesicht. Denn er war wahrlich nicht der Sorge wegen darauf erpicht, Frau- und Kindsvolk zu versklaven, sondern weil sie einfach mehr Geld einbrachten und die Frauen zudem etwas Vergnügen auf dem Weg. Und Skrupel beherrschten den Mann auch nicht, warum auch? Sie waren schließlich im Krieg und das normale Sitte, römischer Brauch und der Brauch vieler anderen Völker zudem. Lucius hob seine Hand und strich über die Bartstoppeln in seinem Gesicht.
    „Ich glaube, tesserarius, das wird den Männern gar nicht gefallen. Ganz und gar nicht!“
    Er ließ seine Hand sinken und steckte die Daumen in seinen cingulum militare, dabei stand er betont läßig vor Serapio und maß ihn mit einem stechenden und durchdringenden Blick. In seinem Rücken wurden tatsächlich auch ein paar Frauen nach draußen getrieben und ein paar der Männer fingen an, die Ware zu begutachten.
    „Wir haben schließlich schon sonst nicht plündern dürfen. Es reicht langsam mal, Decimus! In jeder Stadt wurden wir zurück gehalten! Das hier ist Krieg! Wir haben das Recht uns zu nehmen, was wir wollen. Sollen die verfluchten Partherhunde sich uns eben nicht in den Weg stellen!“
    Der Soldat verstummte, spuckte aber – wie zur Bekräftigung – auf den Boden.

  • "Dann würde ich sagen: wir sind quitt.", meinte ich noch zu Salassus.
    Eine Frage, die mir sehr wichtig war, hätte ich ihm gerne auch noch gestellt, aber er versank in düsteres Brüten nachdem er die schlechte Nachricht gehört hatte. Kein Wunder. Es war eines, diesen ganzen Mist hier mitzumachen, in dem Wissen dass es für den Kaiser war, für den Sieg Roms über die Barbaren, also letztendlich schon einen Sinn hatte - aber ganz etwas anderes, wenn es auf einmal alles so vergeblich erschien...
    Darüber würde ich allerdings ein andermal sinnieren müssen. Vullius' Widerworte kamen zwar nicht wirklich überraschend, aber sie erwischten mich doch ziemlich kalt. Verdammt, wie ich mir doch gerade den Centurio zurückwünschte! Was würde der Primus Pilus jetzt tun? Ganz kurz fragte ich mich, ob der Veteran nicht vielleicht sogar recht hatte? Dem Sieger die Beute, etc. Aber das Weinen, obwohl es mittlerweile verstummt war, stach mir immer noch in den Ohren, und ich dachte mir einfach: Irgendwo muss doch mal Schluss sein! Sogar im Krieg...
    Viele sagen ja, Mitleid ist Schwäche, und ein echter Mann soll seine Pflicht stoisch erfüllen ohne sich von so zarten Seelenregungen beeinflussen zu lassen, aber das war mir in dem Moment egal. War ich halt ein Weichei, na und, war mir ja nichts neues.


    Ausserdem war mir klar: wenn ich jetzt nachgeben würde, hätte ich mein bisschen Autorität gleich verspielt. Die Zweifel verbannte ich weit weg, und geradeaufgerichtet, ohne mit der Wimper zu zucken, unter seinem bedrohlichen Blick, sah ich Vullius fest in die Augen. Ich fühlte in mir mit einem Mal eine ungewohnte Entschlossenheit. Zwar war ich nur Tesserarius, doch durch die Verkettung der Umstände hatte ich jetzt nun mal das Sagen hier. Eine so gewaltige Hierarchie wie die unserer Armee in meinem Rücken zu wissen, das stärkte mir eben jenen enorm.
    "Miles Vullius", gab ich zurück, schneidend kalt, aber ohne die Stimme zu heben (die hätte das auch kaum verkraftet), "ich habe einen Befehl erteilt. Und den werde ich nicht mit Dir diskutieren. Aber Du wirst ihn jetzt ausführen. Und dann werd ich Deinen ... Auftritt hier vergessen. - Wenn aber nicht, dann sorge ich dafür dass Du wegen Befehlsverweigerung ausgepeitscht wirst bis..." - und wieder mal flocht ich ein Zitat meines Idols ein, man möge es mir nachsehen - "...mindestens ein Dutzend Vites an Deinem Rücken brechen."
    Das meinte ich ganz ernst. (Und hoffte dass man mir das auch anmerkte.)

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  • Der Wind bestrich die Zweige des dornigen Walls, die Flammen schlugen in dem Rauchhaus noch einige Zeit in der Höhe, ehe sie immer weniger an brennenden Zweigen fanden und zu einem Glimmen herunter brannten. Einige Funken tanzten in der Luft. Scato nickte marginal als er die Antwort von Serapio – wie aus weiter Ferne – vernahm. Er schien alles um sich herum nicht mehr wahr zu nehmen, versank tiefer in das Brüten und sah dabei durch den Soldaten hindurch, der sich – wichtigtuerisch – vor Serapio aufgebaut hatte und grimmig auf den Decimer hinab starrte. Einige der Soldaten sahen zu Vullius und Serapio hinüber. Vullius bestrich sich erneut den stoppeligen Bart und sah Serapio nachdenklich, sogar etwas spöttisch an. Ein kehliges Lachen drang aus seinem Mund.
    „Du? Du willst dafür sorgen, daß der centurio seine vites an meinem Rücken bricht?“
    Seine Schultern zuckten als das Lachen etwas lauter wurde.
    „Vor ein paar Monaten konntest Du noch nicht mal Deine Rüstung alleine zuschnallen und ein pilum von einem gladius kaum unterscheiden!“


    Vielleicht waren da doch ein paar Zweifel bei Lucius Vullius, trotz seines hämischen Lachers. Denn er sah sich über seine Schulter zu den anderen Soldaten um, fast so, als ob er ihren Beistand suchen wollte. Vielleicht wollte er auch sehen, ob sie lachten. Die meisten Männer verfolgten die kleine Konfrontation zwar, sahen jedoch weg als Vullius nach Unterstützung suchte. Sicherlich, sie würden es alle gespannt verfolgen, sollten die Beiden sich streiten, aber kaum einer der Soldaten würde vor treten und sich den Worten anschließen. Vullius grunzte leise und unzufrieden. Dabei wußte Vullius genau, daß er nur das aussprach, was viele der Soldaten auch dachten. Manchen sah man das sogar an, als sie grinsten während sich Vullius wieder dem tesserarius zu wandte. Grimmig fixierte Lucius Vullius sein Gegenüber. Stumm focht Vullius es aus, ob er es riskieren sollte oder nicht. Scato schien derweil wieder den Soldaten zu sehen und tangierte ihn auch mit einem ruhigen Blick. Vullius, der sein Gesicht nicht verlieren und sich nicht mit eingekniffenem Schwanz zurück ziehen wollte, überlegte noch etwas länger.


    „Mal sehen, was der centurio sagt, wenn er aufwacht!“
    , gab Vullius übellaunig von sich, betrachtete Serapio noch einen Atemzug lang finster und mit der unausgesprochenen Drohung, die Konfrontation an einem anderen Zeitpunkt fort zu führen. Dann drehte er sich herum und stapfte auf die anderen Männer zu. Mit einer Hand stieß er einer der Frauen grob zur Seite, die sie in die Mitte des Dorfplatzes geführt hatten und machte sich weiter daran, das Dorf auszuplündern. Etwas enttäuscht widmeten sich auch die anderen Männer dem weiteren Rekrutieren von Vorräten und dem Versklaven der Männer.

  • Ich hasse es wenn man mich auslacht.
    "Ja genau.", gab ich mit zusammengebissenen Zähnen zurück, "Ich.", und starrte diesen Möchtegern-Meuterer sehr eindringlich an.
    Ruhig Blut. Immer schön kühl bleiben. Dass ich vor nicht so ungeheuer langer Zeit noch ein Grünschnabel gewesen war, da hatte er leider recht, das konnte ich nicht bestreiten. Aber um so mehr musste es ihn wurmen dass er jetzt in diesem Moment mir gehorchen musste.
    Tatsächlich war Vullius sich trotz seiner grossen Klappe offenbar doch nicht ganz so sicher, denn er begann sich nach den anderen umzusehen. Obwohl manche feixten, und es wohl gerne gesehen hätten wenn er mich klein gekriegt hätte, sich zu exponieren und ihm offen beizustehen, das wagte dann doch keiner. Hin und wieder mag ich über den blinden Gehorsam, zu dem man die Soldaten drillt, gespottet haben - aber in diesem Moment war ich echt froh darüber! Auch die Anwesenheit des Kameraden von der Zehnten, der absolut gelassen blieb, war gut, ich hatte dadurch das Gefühl nicht ganz alleine dazustehen.
    Schlussendlich gab er doch nach, Vullius dieser Vervex, und räumte das Feld. Ich sah ihm kurz nach, und versuchte mir meine Erleichterung nicht zu sehr anmerken zu lassen. Aber ich merkte mir ganz genau die Gesichter der Leute die bei seinen Worten gegrinst hatten! In sowas bin ich nachtragend. Die konnten sich gleich schon mal auf ein paar der besonders beliebten Hundewachen gefasst machen.
    Was der Centurio dazu sagen würde, ob er mein Handeln gutheissen würde, da war ich mir zwar gar nicht so sicher, aber es war jetzt echt nicht der Moment sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Und falls Vullius das ein anderes mal 'austragen' wollte - zurück in der Castra war ja Sparsus wieder in der Nähe, der würde mich sicher nicht im Stich lassen.
    Puh.


    Das Plündern ging weiter. Nachdem Vullius den Schwanz eingezogen hatte, beschränkten sich die Kameraden jetzt tatsächlich darauf die Männer zusammenzutreiben. Ein paar Frauen verzogen sich, ihre Kinder am Rockzipfel, andere blieben, jammerten und kreischten, verfluchten uns hasserfüllt und wollten ihre Männer nicht hergeben. Ich trat zu den Sklaven, und sah mit grosser Genugtuung, dass auch der hyänenhafte Alte, der uns in die Falle geführt hatte, darunter war. Sie wurden gefesselt, und in einer langen Reihe aneinander gebunden, damit wir sie mit uns führen konnten. Sonst gab es ja nicht viel zu holen in dem Kaff, aber in der allgemeinen Raffgier machten die Kameraden vor nichts halt, krallten sich selbst verbeulte Kessel oder Kleidungsstücke die derart armselig waren, dass man dafür kaum ein As bekommen würde.
    Ich gebe zu, dass mich auch ein wenig die Habsucht packte. Gerade stand ich neben einem Pferdekadaver, den schon jemand um das Zaumzeug erleichtert hatte, und auch eine der Satteltaschen war aufgeschlitzt, aber da war noch eine auf der anderen Seite, halb begraben unter dem toten Tier. Ich beugte mich runter, zerrte sie hervor und durchwühlte sie. Erst mal sah ich nur Proviant darin - langweilig, aber dann fiel mir, eingeschlagen in ein schmutziges Tuch, eine kleine Statuette in die Hände, aus schimmerndem Alabaster. Sie stellte eine Frau mit langem Lockenhaar dar, in dem sie die Mondsichel trug, sie hatte Augen aus milchigblauem Mondstein, mit denen sich mich verklärt anzusehen schien. Gebannt betrachtete ich das wunderschöne Stück, dann steckte ich es schnell weg, bevor jemand es mir womöglich streitig machen konnte.


    An einem Ziehbrunnen holte ich mir einen Eimer Wasser hoch, trank in tiefen Zügen und füllte meinen Schlauch wieder auf. Ich klatschte mir auch ein paar Handvoll Wasser ins Gesicht und wusch mir das Blut und den Russ ab. Der Eques, den ich vorhin ausgesandt hatte, kehrte zurück, zusammen mit dem jüngeren seiner Kameraden. Aber er führte ein weiteres Pferd am Zügel, mit dem reglosen Körper seines anderen Kameraden quer über dem Sattel. Sein Gesicht war starr, als er mir berichtete:
    "Die Parther sind etwa zweieinhalb milia passum entlang des Flusses geritten, haben dann Halt gemacht und sind abgesessen. - Werden wir sie verfolgen?"
    Er schien begierig darauf zu sein Rache zu nehmen. Aber ich schüttelte den Kopf - ich würde heilfroh sein wenn wir wieder zurück in der Castra waren.
    "Nein. Es ist wichtiger die Verletzten ins Valetudinarium zu bringen.", meinte ich, und reichte ihm den Wassereimer weiter, so dass er die Pferde tränken konnte. Wenn die Parther noch in der Nähe weilten, dann war es jetzt wirklich Zeit zu gehen. Ich holte tief Luft und heiser rief ich die Soldaten zusammen.
    "Milites! Convenite!"
    Der ein oder andere brauchte natürlich etwas länger. Während sie eintrudelten nahm ich mir ein Bündel trockenes Reisig, und steckte es an der glimmenden Ruine, den Überresten des Räucherhauses an. Sacht blies ich auf die kleinen Flämmchen, bis sie höher brannten und züngelnd begannen, das dürre Holz zu verzehren. Ich reckte mich ein wenig, und hielt den Feuerbrand an das Dach der nächsten Kate. Schilf deckte es, und sofort sprangen die Flammen über, frassen sich knisternd ihren Weg.


    "Wir ziehen ab.", befahl ich. "Zurück zur Castra. Den Wagen nehmen wir in die Mitte, und die Sklaven auch. Die Toten tragen wir abwechselnd auf den Schilden. - Die beiden Reiter an die Flanken. Die anderen in Zweierreihen. Pergite!"
    Der Zug setzte sich, wenn auch etwas verzögert, in Bewegung. Einige ausser mir hatten auch schon gebrandschatzt, und so flammten jetzt an mehreren Stellen im Dorf die Brände auf. Als wir durch den Wall hindurchzogen, und diesen Unglücksort endgültig wieder verliessen, warf ich noch einen Blick zurück. Ich sah wie das Feuer sich ausbreitete, die Dächer umhüllte, von First zu First sprang. Des nachts wäre das, rein ästhetisch gesehen, sicher ein schönes Bild gewesen, aber jetzt am hellen Tag kam es nicht richtig zur Geltung... Das war das einzige was ich in dem Moment dachte. Um über richtig und falsch nachzugrübeln war ich inzwischen einfach zu erschöpft.
    Wieder überquerten wir das Meer golden wogender Gräser. Ich lenkte meine Schritte neben den Wagen, und warf einen Blick über den Rand hinweg, auf den Centurio. Richtig übel zugerichtet sah er aus, und nicht gerade so als ob er jetzt mit einem Lagebericht was anfangen könnte. Ich biss auf meiner Unterlippe herum und kämpfte gegen den Kloß in meinem Hals. Durch seine väterliche Art, und dadurch wie er für mich eingestanden war, hatte ich den Centurio wirklich ins Herz geschlossen, und ich hoffte inständig dass er sich wieder erholen würde!


    Es war ein sehr schweigsamer Zug, abgesehen von den Verwünschungen mit denen die Kameraden den Sklaven Beine machten. Nach einer Weile gesellte ich mich wieder an die Seite des ehemaligen Gefangenen. Ich räusperte mich, um ihm dann meine Frage zu stellen.
    "Sag mal... Als Du in Gefangenschaft warst, hast Du da vielleicht... zufällig irgendetwas gehört von Decimus Livianus?! Dem verschollenen Legaten der Prima?"
    Eigentlich dachte ich inzwischen, dass so gut wie keine Aussicht mehr bestand meinen Onkel jemals wiederzusehen, aber trotzdem klopfte mein Herz heftig bei der Frage. Ich wollte einfach die Hoffnung nicht aufgeben.

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    Klient - Decima Lucilla

  • Zwischen den Ästen eines Busches raschelte es. Dornig waren die Zweige und schmiegten sich an aufgeschichtete Steine, die den Wall jenes Dorfes bildete, der die Bewohner vor den wilden Tieren schützen sollten – insbesondere ihr Federvieh und sonstige nützliches Getier. Doch die größte Bedrohung polterte langsam davon – der Mensch. In Form von Soldaten, Söldnern oder den Schergen des Shahs war die Bedrohung in das Dorf gekommen. Unbeeindruckt von dem Wall. Zwei dunkelbraune Kulleraugen spähten ängstlich, aber auch gebannt zwischen den Zweigen hervor. Ein kleines Kind, vielleicht vier Lenze alt, spähte auf den davon ziehenden Troß. 'Wir spielen verstecken, wie gestern Abend. Ja? Los, lauf und versteck' Dich!' Das hatte sein Vater noch zu ihm gesagt. Schon seit einer Stunde wartete das Kind nun in den Ästen, daß sein Vater ihn suchen kam. Ängstlich drückte es sich mehr in das Gebüsch als die Schreie ertönten. Es wagte nicht heraus zu kommen. Doch als der Zug vorbei polterte, spähte das Kind zu den Soldaten und den Männern. Die Männer kannte es doch. Und auch seinen Vater erkannte das Kind darunter. An dem Daumen herum kauend verfolgte das Kind mit den Augen den davon ziehenden Tross. Kurzentschlossen krabelte es aus dem Gebüsch hervor und lief durch das hohe goldene Gras, das im Wind hin und her wogte. Die braunen Haare streckten sich kaum über die Gräser, mit den braunen Wollhosen und dem schafweißen Kittel fügte sich das Kind in die Landschaft. Eilig folgte es den Römern. Doch die Kinderbeine trugen es nicht schnell genug und irgendwann verschwanden die Wägen am Horizont, der sich in den sich langsam herunter neigenden Sonnenlauf ähnlich rot färbte, wie die Dächer des armseligen Dorfes.


    Von grimmig- haßerfüllt bis resigniert- hoffnungslos, so schwankten die Ausdrücke in den Gesichtern der Bauern, die nicht an jenem Tag gestorben oder vor den Römern geflohen waren. Manch einer ließ den Kopf hängen und schlürfte inmitten der römischen Soldaten den Weg entlang, der nur aus Steinen und trockenem Boden bestand, mal einen dornigen Busch an der Seite. An einer Gruppe von Tamarisken zogen sie vorbei. Ihr Weg wurde gesäumt von den goldenen Halmen, dazwischen erhoben sich zahllose Ginsterbüsche, die auch an den zerklüfteten Teilen dieses Landes wuchsen und sich beharrlich gegen den Wind stemmten. Stumm marschierte auch Salassus Sacto in dem vorderen Drittel der Soldaten. Seine Schuhwerk war schon vor langer Zeit notdürftig geflickt worden, seine guten Soldatenstiefel hatte man ihm bei der Gefangenschaft abgenommen und verhökert. Dennoch ging er stoisch weiter und kümmerte sich nicht -wie in all den letzten Wochen – um die Steine, die sich in seine Sohle bohrten. Einer der Soldaten reichte Scato seinen Schlauch mit der Essigmischung. Scato nickte ihm dankbar zu und nahm einen tiefen Schluck von dem vertrauten Getränk. Als sie einen Haufen von Steinen, die am Wegesrand aufgeschichtet lagen, passierten, gab er den Schlauch zurück. Wie aus weiter Ferne schien ihn Serapio zurück zu holen als dieser ihn unversehens und in dem stummen Marsch ansprach. Scato wandte seinen Blick dem jungen Soldaten zu.


    „Decimus Livianus?“
    , echote seine Stimme.
    „Hm!“


    Scato zog seine Augenbrauen zusammen und hob die Hand, um sich am störenden Bart zu kratzen. Das Erste, was er tun würde, wenn er wieder in zivlisierteren Gegenden war, würde sein, dieses Gestrüpp abzurasieren. Nachdenklich betrachtete er eine Steineiche, die an ihrem Wegesrand wuchs und ihren Schatten über den ganzen Weg warf. Natürlich hatte Scato von dem seltsamen Verschwinden des Legaten der Prima gehört. Viele der Soldaten hatten in jenen Tagen spekuliert, was paßiert war und wohin der Legat wohl verschleppt wurde...und ob überhaupt. Manche gehäßigen Stimmen waren in jenem Moment zu hören gewesen, aber Scato hatte an so einen Unsinn nicht geglaubt. Der Schatten legte sich auf sein Gesicht als sie unter dem Baum entlang kamen, in dem das ein oder andere Vogelstimmchen verstummte.


    „Ich habe von ein paar hochrangigen Gefangenen gehört. Aber ich dachte immer, hauptsächlich, es wären Männer der Decima. Aber es kann natürlich sein, daß auch der Legat dabei war. Manche von ihnen sind nach Dura Europos gekommen. Aber ich hörte auch davon, daß ein Tribun nach Assur gebracht wurde, vielleicht auch andere Gefangene. Aber das können genauso Gerüchte sein.“


    Scato zuckte mit der Schulter. Er sah Serapio etwas entschuldigend an. In jenen Tagen hatten sie alle Neuigkeiten, was die Legionen betraf, in sich aufgesaugt. Als sie im Gefängnis der Parther harrten, wartend, ob sie hingerichtet wurden oder versklavt. Immer in der Hoffnung, die Legionen würden eintreffen und die Stadt erobern. Umsonst hatten viele der Gefangenen gewartet und jeden Tag waren es weniger geworden. Bitter verzogen sich die Züge von Scato. Er blinzelte kurz und spähte in den Horizont, dort, wo die Sonne sich hinter den Horizont schieben würde. Dort, wo ihre Heimat lag. In weiter Ferne.


    „Ist er Dein Verwandter?“
    , fragte Scato ohne den Blick von der sich verfärbenden Sonnenscheibe zu nehmen. Tonlos in der Stimme. Wieder, als ob die Welt an ihm vorbei ziehen sollte und ihn nicht berührte.

  • Hungrig auf irgendwelche Hinweise, jeden noch so geringen Anhaltspunkt, hing ich an Salassus' Lippen. Gerüchte... allgemeine Gerüchte, das war doch schon mal besser als gar nichts! Ich nickte und beschloss diese Information sobald wir zurück waren natürlich gleich weiterzugeben.
    "Ja", sagte ich, "mein Onkel.", dann versanken wir wieder in Schweigen. Die Schatten waren länger geworden, während des Rückmarsches, die Sonne näherte sich langsam dem Horizont. Im Osten nahm der Himmel einen dunkleren Blauton an. Dura lag in dieser Richtung, und noch viel weiter, viel tiefer im Partherreich, auch Assur. Die Prima würde zu den Parther gehen, dem Legaten nachfolgend, hatte mir der Imperator gesagt... Aber da hatte er sich getäuscht. Der Imperator war tot, die Legionen zogen ab, und der Legat, falls er noch lebte, konnte auf solche Hilfe nicht mehr hoffen. Ich seufzte leise, und senkte den Kopf, betrachtete trübsinnig den Pfad unter unseren Füssen, der hart und steinig war, und auf dem keine Fusspuren zurückblieben.


    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir das Lager. Ich verabschiedete mich von Salassus, dann brachten wir die Verletzten ins Valetudinarium, die Sklaven in die Pferche, und die Vorräte ins Lager. Natürlich erstattete ich gleich Sparsus Bericht, der jetzt erst mal den Centurio vertreten musste. Ausserdem galt es sich um die Bestattung der toten Kameraden zu kümmern. Kurz, ich hatte alle Hände voll zu tun; die Wache war ja auch zu organisieren, wie jeden Tag, und ich kam überhaupt nicht zum Nachdenken, was wahrscheinlich ganz gut war. Später verfasste ich dann noch den Bericht über diese unglücksselige Expedition, für Centurio Imperiosus, weil von ihm ja auch Männer dabeigewesen waren, und natürlich für den Praefectus Castrorum. Magere, nüchterne Worte schrieb ich auf die Wachstafeln, Listen und Ziffern kratzte der Stylus penibel in das Wachs. Die Schrecken des Tages, die wir erlitten ebenso wie verbreitet hatten, fein säuberlich gebannt auf eine Tessera - irgendwie absurd.
    Nichtsdestotrotz, nachdem ich die Tafeln noch kurz Sparsus unter die Nase gehalten hatte, gab ich die Berichte dann an den Zelten der Empfänger ab - bei Artorius&Artorius sozusagen.



    --- Bericht ---
    Vexillatio zum Requirieren von Verpflegung
    II. ID Febr. 858 a.u.c.


    Unter dem Kommando von Princeps Flavius Aristides brachen wir zur hora secunda auf - 23 Mann aus der Coh.I Cen.II und der Coh.IX Cen.IV, dazu drei Equites und zwei Maultierkarren mit Fahrern. Keine Vorkommnisse während des Vormittages. Zur hora octa trafen wir auf ein Dorf, und begannen mit dem Beschlagnahmen der Lebensmittel. Dabei gerieten wir jedoch in einen Hinterhalt und wurden von einer Abteilung parthischer Reiter, die sich in dem Dorf verborgen hatte, angegriffen. Auch die Dorfbewohner schlossen sich dem Angriff an. Wir schlugen den Angriff zurück, bis die verbliebenen Reiter sich zur Flucht wandten. Verluste auf unserer Seite: drei Milites, ein Maultierknecht. Centurio Flavius erlitt schwere Verletzungen und war nicht mehr einsatzfähig. Zur Vergeltung veranlasste ich die Versklavung der Männer der Dorfes und das Abbrennen der Häuser.
    Der weiteren trafen wir dort auf einen Soldaten der Legio X, Salassus Scato sein Name, der seit der Schacht am Chaboras in Gefangenschaft der Parther gewesen war. Er kehrte mit uns zurück. Befragt über mögliche Hinweise auf den Verbleib des Legaten Decimus Livianus berichtete Salassus, er habe von hochrangigen Gefangenen gehört. Einige seien nach Dura gekommen, er habe aber auch von einem Tribun gehört den man nach Assur gebracht habe.
    Zur hora duodecima Rückkehr in die Castra.


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    Liste der Verluste:
    Miles Sp. Plancius Gnipho
    Miles L. Critonius Fimbria
    Miles Cn. Iturius Albinus
    Mulio Timotheus


    Verletzte, z.Zt. nicht einsatzfähig:
    Centurio M. Flavius Aristides
    Eques Gn. Velius Valenus
    Miles Ser. Toranius Pulcher
    Miles L. Nerius Nacca


    Verlust an Material:
    Ein Wagen, zwei Maultiere
    Zwei Scuta


    Requiriertes Gut:
    27 Sack Korn, 5 Säcke Sesam
    1 Kuh, zwei Ziegen, acht Hühner
    1 Reitpferd
    13 Sklaven



    Faustus Decimus Serapio, Tesserarius Coh.I Cen.II


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