[Trans Tiberim] Eine kleine Taverne

  • „Du kannst nichts tun, Aulus,“ antwortete sie ihm. Ihre Stimme klang gequält, denn es schmerzte sie so sehr, ihn so leiden sehen zu müssen. Schon wieder hatte sie ihm einen Stich mitten ins Herz versetzt, indem sie ihm die Wahrheit gesagt hatte. Die Wahrheit über ihr Unvermögen, über das, was sie wohl nie wirklich richtig überwinden konnte. Gerne hätte sie ihm gesagt, das sie nie wieder zweifeln wollte, aber dieses letzte Stückchen Mut fehlte ihr einfach. Sie war eine Gefangene ihres Schicksals und die Ketten die sie banden, waren zu fest, um sie einfach abzustreifen.


    „Ja, vielleicht.“ Sie strich ihm sanft über sein Haar, um ihn zu trösten. Sie hätte gerne viel mehr getan, um ihm nicht ständig wehzutun. Vielleicht sollte sie versuchen, sich einfach fallen zu lassen, mit dem Wissen, dass er da war, um sie aufzufangen. Hatte sie nicht einmal gesagt, dass er ihr Fels in der Brandung war? So oft hatte er es ihr schon bewiesen, dass er selbst in den schlimmsten Stunden bei ihr war, so wie es eben ein Fels in der Brandung zu tun pflegte.


    „Komm!“ Sie versuchte, ihn näher an sich heran zu ziehen, denn sie wollte ihm endlich wieder ganz nah sein. Das hatte sich nach allem, was in den letzten Tagen geschehen war, gewünscht. Und auch in den letzten Stunden, als ihr Schicksal so ungewiss schien, war es das Einzige, was sie noch einmal erleben wollte, bevor sie…
    „Bitte halte mich!“, sagte sie und schloss ihre Augen.
    Vielleicht konnte sie in ihm noch einmal diese Erfülltheit heraufbeschwören, die sie empfunden hatten, als sie sich in den Gärten getroffen hatten, vor wenigen Tagen, als ihre Welt noch nicht endgültig aus den Fugen geraten war.

  • Nein, er konnte nichts tun, jedenfalls nicht mehr als er bereits unternahm. Er konnte nicht ungeschehen machen, was andere seiner Geliebten angetan hatten. Lediglich zu versuchen, eine bessere Zukunft für sie zu schaffen, in der Hoffnung, dass sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen konnte, blieb ihm übrig, und bei allem, was er für sie tat, war das sein wichtigstes Ziel.
    So wie es jetzt war, war es vorerst gut, das spendete zumindest etwas Trost, noch mehr aber ihre zustimmenden Worte und sanften Berührungen.


    Bei ihrer Aufforderung zögerte er keinen Augenblick, die Arme um sie zu legen, damit sie sich an ihn lehnen konnte. Er hatte ihre Nähe schon immer genossen, daran hatte sich nichts geändert und gerade jetzt wünschte er sie sich umso mehr. So konnte er wenigstens für den Augenblick ihre Lage vergessen und alle Strapazen waren unbedeutend, weil er wieder umso mehr daran erinnert wurde, weshalb er sie auf sich nahm. Ihre Wärme dicht bei sich zu spüren und ihren Geruch einzuatmen beruhigte ihn, sodass auch er langsam die Augen schloss und am liebsten eingeschlafen wäre.
    "Wenn du willst, werde ich noch ein wenig bleiben", murmelte er. Wie lange wusste er nicht, doch draußen war es bereits dunkel und die Castra lag auf der anderen Seite der Stadt. Dieses Mal brauchte sie ihn nicht darum zu bitten, wie damals in den Gärten. Er würde bleiben, wenn sie ihn brauchte. Müde würde er morgen ohnehin sein.

  • Behutsam hatte er seine Arme um Beroe gelegt und hielt sie einfach umschlungen. Sie konnte seinen Herzschlag hören, der ruhig und gleichmäßig ging. Einfach so bei ihm zu sein, seine Nähe zu spüren und die Wärme seines Körpers zu fühlen, war ein wertvolles Geschenk. Sie war dankbar dafür, für jeden einzelnen Herzschlag. Und doch war er bereit, ihr immer noch mehr von sich zu geben, als er ihr anbot, noch länger zu bleiben.
    „Ja, das will ich,“ raunte sie ihm ins Ohr, denn jeder Minute mit ihm war so unendlich kostbar. Ganz gleich, was morgen sein würde. Das Jetzt zählte und nichts anderes.


    Ihr Mund fand zu seinem, um ihn zu küssen. Heute Nacht wollte sie ihm gehören und von nun an nur noch ihm. Nie wieder, wenn die Götter es wollten, würde sie sich verkaufen müssen. Nie mehr! Eine neue Zeit hatte begonnen, klammheimlich in der größten Not. Vielleicht würde sich Beroe , darüber erst in einigen Tagen bewusst werden, dass nichts mehr so sein würde, wie es einmal war. Und möglicherweise erwies es sich sogar, dass ihr diesmal auch ein Stückchen Glück zufallen würde.
    Doch im Augenblick schob sie all das beiseite und genoss die Zweisamkeit mit ihrem Geliebten, dem sie all ihre Zärtlichkeit zuteilwerden lies, über die sie verfügte. Langsam hatte sie zurück auf das Bett fallen lassen und hatte ihn mit sich gezogen. So war es bequemer, für sie beide.

  • Gestern noch hatte sie alles wegwerfen wollen und heute schmiegte sie sich an ihn, als wäre nie etwas passiert, und er war froh, den letzten Abend zumindest für jetzt aus seinen Gedanken verbannen zu können. Er wollte das bisschen Geborgenheit nicht zerstören, das sie scheinbar beide gerade dringender nötig hatten als alles andere.
    Er lauschte ihren Worten, erwiderte den Kuss und ließ sich von ihr mitziehen. Er würde bleiben. So wenig, ein kleiner Gefallen, und dennoch war er unendlich viel wert. Diese Augenblicke waren es, die ihn dazu zwangen, an dem wenigen festzuhalten, das Sibel und er hatten.
    "Hm…?", machte er nur als er sich mit ihr auf das Bett zurücksinken ließ und sich neben sie legte. Endlich fand er die Ruhe, nach der er sich bereits den ganzen Tag über gesehnt hatte und die er, so schien es, nur bei ihr auf diese Art und Weise finden konnte. Auch weil sie so dicht bei ihm war, und er sich keine Sorgen darüber machen musste, wie es ihr ging und ob sie sich in Sicherheit befand. Noch immer hielt er sie, zog sie näher zu sich und küsste sie noch einmal sanft auf die Stirn, bevor er die Augen wieder schloss.

  • Als sie nun ganz eng in seinen Armen lag, begann alles, was an ihr genagt hatte, abzufallen bis nur noch ein wundervolles Gefühl des Friedens übrig blieb. Ihr Körper fühlte sich so leicht an, alle ihre Muskeln waren entspannt. Sie musste nicht mehr darüber nachgrübeln, was in Zukunft mit ihnen sein würde. All das spielte nun keine Rolle. Wenn ein solcher Augenblick, wie dieser möglich war, dann würde es dovh auch eine Lösung geben müssen, für alles, was sie sonst so belastete. Daran wollte sie glauben, daran würde sie sich festhalten.


    Sanft strichen ihre Finger über sein die Konturen seines Gesichtes. Es sah so friedlich aus, wenn er die Augen geschlossen hatte. Selbst die markanten Falten zwischen seinen Augen, sie sich immer dann bildeten, wenn er angespannt war, wirkten gelöst. Ihr Zeigefinger wanderte vorsichtig an seiner Nase hinab, bis er auf seine Lippen traf. Schließlich setzt ihre Hand ihre Wanderschaft weiter fort zu seinem Nacken. Vorsichtig versuchte sie unter seine Tunika zu gelangen, was ihr dann auch gelang.
    Dabei küsste sie ihn wieder, diesmal weitaus fordernder, als sie es beim ersten Mal tat. So verlockend es auch war, aber an einschlafen dachte sie noch nicht. Nicht wenn er bei ihr war!

  • Eigentlich hatte sich Avianus bereits darauf eingestellt, in den nächsten Augenblicken mit ihr in seinen Armen einzuschlafen. Ihre zärtlichen Berührungen in seinem Gesicht taten seiner vollkommenen Entspannung keinen Abbruch, sondern ließ ihn einen wohligen Schauer verspüren. Unerwartet fühlte er ihre Hand unter seinen Kleidern, ihre Lippen, die fordernd auf seine trafen, und erwiderte dennoch leidenschaftlich den Kuss. Seine Augen öffneten sich wieder, um Sibel forschend anzusehen, als sich ihre Lippen voneinander lösten. Eigentlich hatte er erwartet, dass auch sie den Schlaf dringend nötig hatte, sie sah zumindest danach aus. Vielleicht war es ein kleines Geschenk, das sie ihm machen wollte, dafür, dass er noch nicht gegangen war. Er war müde und hätte sie ihn nicht geküsst, sich nicht einen Weg unter seine Tunika gesucht, wäre er vermutlich bereits eingeschlafen, doch er wollte es nur zu gerne annehmen. Vielleicht könnte es wieder so sein, wie damals in den Gärten, wo alles um sie herum jegliche Bedeutung verloren hatte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.
    Seine Finger glitten über ihren Körper hinunter zu Sibels Taille und zu ihren Schenkeln. Dort wanderten sie unter den Stoff ihrer Tunika, um sie näher an sich heran und mit sich zu ziehen, als er sich auf den Rücken drehte. Wieder küsste er sie und genoss derweil jede noch so geringe ihrer Berührungen. Wie konnte eine Frau noch zärtlicher und schöner sein, als sie es war? Sein Mund koste ihren Hals, wo die Würgemale noch immer langsam verblassten, während seine Hände sich daran machten, das Band um ihre Taille zu lockern, voller Vorfreude, sie näher bei sich spüren zu können, denn nichts anderes wünschte er sich mehr.

  • Diese Nacht gehörte nur ihnen ganz allein. Niemand war da, der ihnen auflauern konnte oder sie störte. Es gab nur noch sie auf der Welt. Wer hätte da also an schlafen denken können? Nur ein Narr, der nichts wusste vom Leben! Niemand konnte vorhersagen, wie viele solcher Nächte ihnen noch vergönnt waren. Das machte jede Minute zu einer kostbaren Gabe. Sie beide hatten das erkannt und so erwachte in ihnen das Verlangen, sich ganz nah zu sein, um schließlich eins zu werden.


    Während er noch mit dem Band kämpfte, welches ihre Tunika um ihre Taille zusammenhielt, begann sie schon, sich an seiner zu schaffen zu machen. Dabei liebkoste er ihren Hals und ließ keinen Zweifel daran, wonach er sich sehnte. Und Sibel, da konnte er gewiss sein, würde ihm alles geben, wonach es ihn dürstete. Er, Avianus war ihre große und Liebe, den sie so sehr begehrte, wie sie noch niemals einen Mann begehrt hatte. Wenn ihr Leben morgen enden müsste, dann stürbe sie glücklich.


    Langsam schob auch sie seine Tunika nach oben, um ihn endlich davon zu befreien. Auch ihm war es inzwischen gelungen, den Gürtel zu lösen und ihre Tunika zu lockern, so dass auch er ihr das Kleidungsstück nur noch über den Kopf streifen musste. Dann konnte endlich Haut auf Haut treffen.
    Wie wunderschön er war als er nun vor ihr lag. Sein stählerner Körper und seine starken Arme, die sie vor allem Unheil bewahrt hatten. Nein, sie konnte nicht von ihm ablassen. Wieder begaben sich ihre Finger auf Wanderschaft auf seinem Körper hinab, gleichzeitig erwiderte auch sie seine Küsse, noch heißblütiger voller Verlangen. Ein leises „Ich liebe dich,“ hauchte sie ihm ins Ohr.

  • Nach allem, was hinter ihnen lag, hatten sie diese Nacht verdient, eine gemeinsame Nacht. Er sollte ihr danken, ihn wachgehalten zu haben, wie hatte eilig haben können, zu schlafen, wo sie doch solch ein Geschenk für ihn bereithielt und bereit war, sich im vollkommen hinzugeben. Und es war doch genau das, was er sich die ganze Zeit über gewünscht hatte. Eine Nacht mit ihr.
    Sie hatte ihm bereits dabei geholfen, die eigene Tunika hochzuschieben und abzustreifen, als er auch Sibel ihre über den Kopf zog und achtlos zu Boden fallen ließ. Kein Stoff sollte sie von einander trennen, nichts sollte zwischen ihnen sein. Endlich hinderte nichts mehr seine Finger daran, alles an ihr zu liebkosen, und nichts störte mehr, als seine Hände ihren Weg dort fortsetzten, wo sie zuvor bei ihren Schenkeln abgesetzt hatten, um jetzt weiter über ihren vollkommenen Körper zu wandern. Ja, für ihn war sie vollkommen, sie war alles, was er wollte, alles was für ihn noch existierte. Voller Begierde ging sein Atem schneller, als sie dasselbe tat, ihre Finger über seine Haut strichen und sich tiefer tasteten.
    Wie er es liebte, wenn sie ihm ins Ohr flüsterte… Sie liebte ihn. Und wie sehr er sie liebte. Egal wie oft sie einander diese Worte sagten, sie würden scheinbar niemals an Bedeutung verlieren.
    "Ich kann nicht ohne dich…", wisperte zwischen seinen Küssen und heftigen Atemzügen. Seine Lippen tasteten alles an ihr ab, was sie erreichen konnten und nahmen den Geschmack ihrer Haut auf, während er unter ihr lag. Er wollte sie wieder voll und ganz, um ein weiteres Mal dieses unfassbare Glück zu empfinden, das sie ihm bereits einmal zuteil hatte werden lassen.

  • Seine Berührungen lösten ein betörendes Prickeln in ihr aus, das ihr Begehren noch weiter anspornte. Er konnte nicht ohne sie, hatte er ihr zugewispert. Genauso wenig konnte sie ohne ihn sein. Sie waren füreinander geschaffen. Deshalb waren sie sich damals begegnet. Daran würde sich auch nie etwas ändern, ganz gleich, was kommen mochte. Wenn sie irgendwann von ihm ihr Amulett zurück erhalten sollte, dann würde ein Teil von ihr fehlen. Aber daran wollte sie nun keinen einzigen Gedanken verschwenden.


    Vielmehr war sie damit beschäftigt, ihm all ihre Liebe, die sie für ihn empfand, zu schenken. Noch einmal wollte sie diese Vollkommenheit spüren, die sie an jenem Abend in den Gärten erleben durfte. Sibels Verlangen nach ihm stieg ins unermessliche. Sie wollte ihn jetzt, ohne es noch länger aufzuschieben. Auch seine Leidenschaft war heftig entbrannt, auch er wollte nicht länger warten.


    Schließlich vereinigten sich ihre Leiber und wurden eins. Sibels Atem ging heftig und strömte heiß auf seine Wange. Ihre Zunge schmeckte den salzigen Geschmack auf seiner Haut. Lodernd waren ihre Küsse und voller Leidenschaft als er unter ihr zu erbeben begann. Sie nahm sich, wonach sie sich gesehnt hatte und trieb so unaufhaltsam dem Höhepunkt entgegen. Gleichzeitig machte sie sich ihm zum Geschenk. Sie schenkte ihm alles, was sie besaß.

  • Es gab keine Zweifel, dass sie dasselbe wollte, alles an ihr ließ ihn spüren, dass es so war. Er wollte ihr alles geben, das sie sich wünschte in dieser Nacht, genauso wie sie ihm alles geben würde.
    Der Geruch von Schweiß, ihr Atem auf seiner Haut, sein eigener ging stoßweise zwischen den immer intensiver und fordernder werdenden Küssen und genüsslichen Lauten. Er ließ seiner Leidenschaft freien Lauf, wie im Rausch, auf dem gemeinsamen Weg zum Gipfel dessen, was sie diese Nacht einander schenken konnten. Sein gesamter Körper bebte, bis sich ein Gefühl der vollkommenen Entspannung und des Glücks in ihm ausbreitete.


    Sein Herz pochte noch immer, der Brustkorb hob und senkte sich unter tiefen Atemzügen und trotz aller Erschöpfung verspürte er doch tiefste Behaglichkeit. Könnte er auch jemals ohne Sibel an seiner Seite dasselbe Glück empfinden? Er küsste sie noch einmal sanft. An diesem Abend hatte er zuvor einmal gesagt, die Dinge wären gut, so wie sie jetzt waren. Nein, für diesen Augenblick waren sie weit mehr als nur gut.
    "Nicht gut, perfekt", murmelte er seine Gedanken. Dennoch waren seine letzten Energiereserven aufgebraucht, sodass die Erschöpfung endgültig über ihn hereinbrach, und noch während er Sibel an sich schmiegte musste er sich zwingen, die Augen offen zu halten. Mit halb geschlossenen Lidern lag er da und konnte seinen Blick nicht von ihr lösen.

  • Auch er hatte nicht gezögert, ihr alles zu geben. Voller Lust erbebten ihre bieden Körper in höchster Ekstase, bis sie sich schließlich erschöpft aber ganz erfüllt von Glück neben ihn niedersinken ließ. Ihr Atem beruhigte sich langsam wieder. Ein zufriedener Ausdruck lag auf ihren Lippen als sie zu ihm blickte, seine Hand nahm und sie in ihrer hielt. Voller Dankbarkeit empfing sie seinen Kuss.
    So nah bei ihm zu liegen und die Wärme seines Körpers zu erleben, fühlte sich so vertraut an. Bei ihm war sie sicher, hier drohte ihr kein Unheil. Deshalb gab es keinen Grund mehr, sich nicht endgültig fallen zu lassen. Gab es etwas schöneres, als an der Seite des Mannes einzuschlafen, den man liebte? Ja, das war Glückseligkeit, genau so fühlte sie sich an. Wenn es nur immer so sein könnte!


    Nur verschwommen nahm sie seine geflüsterten Worte wahr, die für sie keinen rechten Sinn ergeben wollten. Doch sie war viel zu müde, um genauer darüber nachzudenken. So kommentierte sie es nur mit einem langsam entrückenden „W..was… meinst…du..?“ Und falls er ihr tatsächlich darauf noch geantwortet hatte, dann war sie längst abgedriftet, hinab in die Gefilde des Schlafs. Ein ruhiger Schlaf war es, ohne die Träume, die sie manchmal heimsuchten und sie dann jedes Mal aus dem Schlaf rissen. Nur ihre leisen regelmäßigen Atemzüge durchdrangen die Nacht.


    Erst sehr früh am Morgen klopfte es an der Tür. Die Nacht war vorbei!

  • Ihre geflüsterten Worte hörte er nicht mehr, seine Lider hatten sich bereits gesenkt und tiefer Schlaf ihn weit fort gezogen. Lange hatte er nicht mehr so ruhig und tief geschlafen, wie jetzt mit Sibel dicht bei sich.


    Ein Pochen an der Tür weckte den Iunier. Er öffnete gemächlich die Augen und sah sich im ersten Moment, als sich sein Blick klärte, etwas irritiert um. An seiner Seite spürte er ihre Wärme, die ihn wieder daran erinnerte wo er sich eigentlich befand. Sibel in den Gärten, der Weg zur Taberna, das kleine Zimmer, der letzte Abend. Alles kehrte schlagartig in seine Erinnerungen zurück. Und da lag sie noch immer, dicht an seiner Seite, schön wie sie war. Die zerknitterte Decke auf der sie lagen, hatten sie offenbar nicht gebraucht.
    Nein, was er am Vorabend erlebt hatte, war nicht irgendein abstruser und doch unbegreiflich wundervoller Traum gewesen. Gerne hätte er sich ihrem Anblick länger gewidmet, doch da war es wieder. Das Klopfen. Er starrte zur Tür und hatte erst absolut keinen Plan, was er tun sollte. Sie wecken? Auf keinen Fall. Sibel würde vermutlich wieder panisch werden vor Angst, denn schließlich wusste niemand davon, dass sie hier waren. Oder zumindest sollte es niemand wissen. Und wie spät war es wohl? Er löste er sich von ihr, setzte sich vorsichtig auf und griff nach der Tunika neben ihm, um sie sich überzustreifen. Die Caligae hatte er sogar noch an.
    Er kletterte aus dem Bett, ein kurzer Blick zurück zu Sibel - er war nicht sicher, ob sie nicht doch bereits wach war. Er legte noch füchtig den Saum der Decke, auf der sie geschlafen hatten über ihren nackten Körper, dann bückte er sich nach dem Gürtel mit seinem Gladius und ging zur Tür. "Wer ist da?", fragte Avianus nervös. Er hatte schließlich allen Grund beunruhigt zu sein. Wer wusste schon, wer hinter dem Holz auf sie wartete und jetzt konnte er eindeutig keine Probleme gebrauchen. Eigentlich sollte er vermutlich schon auf dem Weg zur Castra sein.

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    Rachel


    Rachel arbeitete noch nicht lange als Lupa. Wie viele andere war sie aus der Not heraus war sie bei den Lupae gelandet, die sich in der Nähe der Trajansmärkte anboten. Von ihrer Familie verstoßen und aus der vertrauten Umgebung des jüdischen Viertels verbannt, hatte sie ums Überleben kämpfen müssen und war dabei in eine völlig andere Welt geraten. Schon manches Mal hatte Rachel es bitter bereut, sich gegen den Willen ihres Vaters zu stellen. Doch nun war es zu spät.
    Doch ab und an, wenn das Heimweh überhandnahm und es sie zu verzehren drohte, überquerte sie wieder den Tiber, um sich heimlich mit Mirjam, ihrer Mutter zu treffen.


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    Mirjam


    Mirjam hatte sich dem Urteil ihres Gatten widerstandslos beugen müssen, als er vor einigen Monaten seine Tochter wegen eines schrecklichen Streits im Zorn verstieß. Voller Gram über sie hatte er seine Tunika zerrissen und das Kaddisch gesprochen, so als wäre sie bereits gestorben. Und für Simon, einem gottesfürchtigen Mann, war sie das fortan auch. Rachels Name war aus den Alltagsgesprächen verbannt worden. Lediglich die Erinnerung an eine verstorbene Tochter war übrig geblieben. Für Mirjam hingegen war eine leidvolle Zeit angebrochen, da sie den Verlust ihrer Tochter nur schwer bewältigen konnte. Als sie kurz davor stand, endgültig zu zerbrechen, hatte sie das Haus verlassen, um sie auf der anderen Seite des Tibers zu suchen und dort auch zu finden. Seitdem trafen sie sich heimlich, ohne dass Simon davon erfuhr.


    Nachdem Rachel am Abend zuvor ihre Freundin Beroe in die Taberna ihrer Eltern geschickt hatte, zehrte nun schon die ganze Nacht die eine Frage an ihr: War ihre Freundin sicher angekommen? Beroe hatte einen verstörten Eindruck auf sie gemacht… und was wollte eigentlich dieser Prätorianer von ihr? Sie steckte bestimmt in Schwierigkeiten. Nach einer schlaflosen Nacht, machte sie sich am frühen Morgen auf, um zur Taberna ihrer Eltern zu eilen.
    Zögernd blieb sie davor stehen. Nachdem ihr Vater sie verstoßen hatte, war sie nicht mehr hier gewesen. Wenn sie ihm nun unter die Augen trat, da war sie sich gewiss, würde er sie sofort des Hauses verweisen. Doch für gewöhnlich suchte er bereits kurz vor Sonnenaufgang die Synagoge zum Beten auf. Sie musste also versuchen, mit Hilfe ihrer Mutter zu Beroes Zimmer gelangen, falls sie überhaupt hier war.
    Vorsichtig öffnete sie die Tür und schlich sich in die Küche, in der sie ihre Mutter erwartete. Um diese Zeit war sie meistens schon auf den Beinen. So war es auch an diesem Morgen. Beim Anblick ihrer Tochter erschrak Mirjam, dann fiel sie ihr um den Hals und dankte dem Allmächtigen. Rachels Absichten waren kurz erklärt und so führte Mirjam ihre Tochter zu dem Zimmer, das Simon am Abend zuvor an den Prätorianer vermietet hatte, der mit der jungen Frau gekommen war.
    Rachel klopfte einmal, aber nichts geschah. Sie klopfte ein weiteres Mal und die Stimme eines Mannes ertönte. Überrascht zögerte Rachel vorerst. „Beroe? Ist Beroe hier? Ich bin‘s, Rachel! Bitte lass mich rein.“

  • Die Stimme der Frau auf der anderen Seite der Tür rief wage die Erinnerung an Sibels Freundin hoch, die ihnen den Weg zur Taberna gewiesen hatte, und als sie ihren Namen nannte, war er sich bereits ziemlich sicher, dass es sich um genau diese Freundin handelte. Seine Nervosität legte sich wieder etwas. Solange der Frau niemand gefolgt war, drohte vermutlich keine Gefahr.
    "Warte einen Augenblick", sagte Avianus schlicht nach einer kurzen Pause, während er damit beschäftigt war, den Gürtel anzulegen. So wie seine Geliebte noch auf immer schlafend und notdürftig zugedeckt auf dem Bett lag, wollte er niemanden ins Zimmer lassen, obwohl es mehr oder weniger offensichtlich sein würde, dass sie die Nacht gemeinsam verbracht hatten. Da musste sich die Dame vor der Tür aber noch etwas gedulden.
    Er ging er wieder die wenigen Schritte zurück zum Bett, hob Sibels Tunika auf und setzte sich zu ihr. Mit der freien Hand zog er fürsorglich die Decke noch etwas mehr über ihren Körper, legte die Tunika neben sie auf das Bett, um sich dann zu ihr hinüberzubeugen. Am liebsten hätte er sie noch etwas schlafen lassen. So ruhig und friedlich wie sie jetzt dalag, hatte er sie bisher nie gesehen und ganz offensichtlich schlief sie noch tiefer, als er es getan hatte, denn nicht einmal durch das wiederholte Klopfen und die Stimmen hatte sie sich wecken lassen. Doch es führte kein Weg daran vorbei, selbst wenn niemand an der Tür geklopft hätte, er musste gehen und würde es nicht übers Herz bringen zu verschwinden ohne sich zu verabschieden.
    "Sibel", sagte er ruhig und strich ihr erst über den Arm, dann über das ungekämmte Haar, um sie möglichst sanft zu wecken. "Deine Freundin ist hier, Rachel. Soll ich sie hereinlassen?"

  • Sibel schlief noch, zwar nicht mehr ganz so tief, doch hatte sie das Klopfen nur schemenhaft wahrgenommen. Ebenso als Avianus aufgestanden war und im Zimmer umher lief. Aus der Ferne hörte sie ihren Namen, dann eine zarte Berührung. Sie wollte sie wieder zu Avianus umdrehen, der sicher noch neben ihr lag. Aber dann drang die Stimme, die diesmal deutlicher schien, wieder zu ihr. Langsam erwachte sie endlich. „Was? Wer?“ fragte sie verschlafen und gähnte. Am liebsten wäre sie sofort wieder eingeschlafen, weil es doch so gemütlich und warm im Bett war. So gut hatte sie wirklich schon lange nicht mehr geschlafen, was natürlich nur zu einem Bruchteil an dem sauberen gemütlichen Bett lag. In ihrem Kopf aber begann es zu arbeiten. Ihre Freundin war da… Ihre Freundin war da? Rachel…
    Sie schlug die Augen auf, die eine Weile brauchten, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Schließlich erblickte sie ihren Geliebten, der sich bereits mit seiner Tunika und dem Gürtel bekleidet hatte und sich über sie beugte. Endlich hatte sie begriffen! „Rachel? Äh ja, lass sie doch rein.“ Schnell zog sie sich noch ihre Tunika über und setzte sich auf.


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    Rachel
    Als Rachel eintrat warf sie als allererstes dem Prätorianer einen skeptischen Blick zu. „Schalom, äh Salve!“, begrüßte sie ihn etwas verunsichert und ging recht zügig zu ihrer Freundin hinüber. „Wie schön, dich zu sehen, Beroe!“, rief sie, als sie sie umarmte. „Ich habe gehofft, dass du hier bist. Geht´s dir gut?“ erkundigte sie sich und warf dann noch einmal einen flüchtigen Blick auf den Römer. „Was macht der denn hier?“ , flüsterte sie und deutete mit ihrem Kinn auf Avianus.„Bist du in Schwierigkeiten? Soll ich Hilfe holen?“ Nun ja, die meisten Leute hatten mächtigen Respekt vor Prätorianern. Da war Rachel keine Ausnahme. Also konnte man es ihr nicht verdenken, dass sie gegen ihn misstrauisch war.
    Beroe lachte vor Freude, die Freundin wieder zusehen, diesmal in einer weitaus ungefährlicheren Umgebung. „Ja, wir sind gleich hierher gegangen. Der Wirt hat uns sein letztes Zimmer überlassen. Und ja mir geht es gut! Übrigens, die Hilfe ist schon da! Das ist Avianus, mein Freund.“ Eigentlich hatte sie Gelbiebter sagen wollen. Sie deutete auf den Iunier, der sich sicher gerade ziemlich fehl am Platz vorkommen musste.

  • Mit einem Lächeln beobachtete er, wie Sibel erst gemächlich den Schlaf abschüttelte, bevor sie wirklich realisierte, was er gesagt hatte. Ihre Antwort kommentierte er mit einem flüchtigen Nicken und stand wieder auf, um Rachel ins Zimmer zu lassen, nachdem sie sich zügig die Tunika über den Kopf gezogen hatte.
    Das erste, das ihm begegnete, als er die Tür öffnete, war der argwöhnische Blick der jungen Frau. Nicht weiter verwunderlich, was wollte ein Prätorianer normalerweise auch in einer Taberna wie dieser mit einer Frau wie Sibel? Er versuchte einfach, ihren Ausdruck mindestens so kritisch zu erwidern, er grüßte mit einem schlichten "Salve" zurück und schloss die Tür hinter Rachel wieder, die ohne Zögern direkt zu Sibel lief.
    Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete er das Gespräch der beiden Frauen und kam sich fast schon etwas deplatziert vor, denn alles, was er dann mitbekam, war Rachels flüchtiger Blick zu ihm, ihr kurzes Nicken in seine Richtung, Geflüster und Sibels Lachen. Natürlich ging es um ihn, was sonst, selbst wenn Sibels Antwort nicht direkt darauf schließen ließ. Bei Rachels Verhalten ihm gegenüber glaubte er nicht, dass sie ihn bei der Unterhaltung gerne dabei hätte, aber die Meinung der jungen Frau interessierte ihn eigentlich nicht sonderlich, deshalb beschloss er, nicht länger am Rande des Geschehens bei der Tür zu bleiben. Auch weil er sich von Sibel verabschieden wollte, denn viel länger konnte er nicht bleiben.
    "Äh… ja", kommentierte er nur, ging auf die beiden zu und wandte sich nun in erster Linie an seine Geliebte. "Si… Beroe… ich denke es wird langsam Zeit, dass ich gehe. Hast du alles, was du brauchst?" Er zwang sich dazu etwas Abstand zu halten, denn alleine die Tatsache, dass sie ihn als Freund betitelt hatte, ließ ihn vermuten, dass Rachel eher nichts wissen sollte. Denn am Ende ging wahrscheinlich sowieso von jedem, der von ihnen wusste, eine gewisse Gefahr aus.

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    Rachel


    Noch war der skeptische Blick nicht aus Rachels Gesicht verschwunden. Auch wenn Beroe diesen Mann als ihren Freund bezeichnet hatte, hieß das noch lange nicht, dass er auch ihr freundlich gesonnen war.


    Beroe indes verließ das Bett und ging Avianus entgegen. Es war Zeit, er musste gehen. Jedoch blieb auch sie auf Abstand. Sie war sich nicht schlüssig, ob sie vor Rachel ihre wahren Gefühle zu dem Iunier offenbaren sollte. Bestimmt würde Avianus dafür Verständnis haben, hoffte sie.
    „Äh, ja Avianus. Ich glaube schon. Vielen Dank nochmals.“ Wie ungewohnt es für sie inzwischen war, ihn mit Avianus anzusprechen, benutzte sie doch sonst immer sein Praenomen. Auch auf die übliche Umarmung und den Abschiedskuss verzichtete sie diesmal besser, obschon es ihr sehr leid tat. Mit einem sehnsuchtsvollen Blick sah sie ihm nach, als er ging. Und erst als er die Tür hinter sich schloss, widmete sie sich wieder der Freundin.


    „Na sag mal, wo hast du den denn aufgegabelt?“, war Rachels erste Frage, als sie sich Beroes Aufmerksamkeit wieder sicher sein konnte. Die beiden Frauen hatten inzwischen auf dem Bett Platz genommen. Beroe versuchte, sich auch weiterhin nichts anmerken zu lassen. „Och, er war einer meiner Kunden. Und weil er ziemlich nett ist, hat er sich in den Kopf gesetzt, mir zu helfen,“ antwortete sie arglos. Allerdings war damit Rachels Skepsis lange noch nicht aus der Welt geschafft, ganz im Gegenteil, sie wurde dadurch nur noch mehr angestachelt.
    „Aha, weil er nett ist... Einfach so?“ Das musste sich erst mal bei ihr setzten. „Das hört sich für mich ganz schön komisch an, wenn du mich fragst. Du solltest vorsichtig mit dem Kerl sein. Wer weiß, was er mit dir noch alles anstellt. Bist du sicher, dass du keine Hilfe brauchst?“, fragte Rachel nocheinmal nach, diesmal wesentlich eindringlicher als zuvor. Ihrem Verständnis nach, gab es keiner Männer, die einfach nur so nett waren, und schon gar nicht waren römische Männer einfach nur nett, und noch weniger zu einer Lupa!


    „Mach dir keine Sorgen, Rachel. Glaub mir, ich brauche keine Hilfe, ich vertraue Avianus.“, beschwichtigte sie die Freundin. Dabei wurde ihr erst im Nachhinein klar, was sie ihr da soeben, voller Überzeugung gesagt hatte. Warum hatte sie sich bei Avianus so schwer getan, ihm zu sagen, dass sie ihm vertraute? Es hatte sich doch eben so richtig und selbstverständlich geklungen.
    Rachel aber wollte sich damit immer noch nicht zufrieden geben. Irgendetwas schien an dieser Geschichte faul zu sein.


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    Mirjam


    Bevor sie jedoch noch etwas entgegnen konnte, klopfte es noch einmal an der Tür. Kurz drauf öffnete sie sich einen Spalt und Mirjam, die Wirtin schob sich zwischen Tür und Angel. „Rachel, schnell beeil dich, dein Vater kommt gleich nach Hause! Du weißt, was geschieht, wenn er dich hier findet!“
    Beroes Freundin schien daraufhin sehr verändert. Ruckartig sprang sie auf und hatte es plötzlich sehr eilig.
    „Beroe, ich muss jetzt gehen! Kann ich noch etwas für dich tun?“ , fragte sie noch, bevor sie das Zimmer verließ. Die Lykierin war sehr überrascht, als alles auf einmal so schnell ging. „Dein Vater?“, fragte sie verwundert, doch sie merkte es der Freundin an, dass sie auf dem Sprung war. „Könntest du mir ein paar Kleider aus der Villa Ogulnia holen? Aber bitte sei vorsichtig und lass dich nicht von Silanus erwischen!“ Im Nachhinein machte sie sich Vorwürfe, ihrer Freundin eine solche Bürde aufzuerlegen. Doch Rachel nickte nur und verschwand dann schnell, ohne ein weiteres Wort des Abschieds.

  • Verabschiedet euch von Freunden und Familie. Es wird eine lange Reise. Seneca hatte sich mehr als deutlich ausgedrückt. Sie würden lange weg sein, vielleicht sogar bis in den germanischen Winter hinein. Es fröstelte ihn. Und Sibel würde die ganze Zeit über allein sein, niemand würde sie beschützen, sie trösten. Doch es gab nichts was er tun konnte. Avianus war sich zwar sicher, dass sie es verstehen würde, aber mit Sicherheit würde es sie alles andere als glücklich machen. Sagen musste er es ihr trotzdem und deshalb war er hier. Die Paraderüstung war poliert und verschnürt und lag gemeinsam mit dem restlichen Gepäck in seinem Contubernium in der Castra bereit, er hatte bereits alle Vorkehrungen getroffen, nur eines fehlte. Er würde nicht gehen, ohne sich noch von Sibel zu verabschieden.
    Er klopfte kurz an der Tür des Zimmers. Er war nicht mehr da gewesen, seit er sie damals vor Tagen in die Taberna gebracht hatte. Bestimmt ging es ihr inzwischen gut. Und er würde wieder nur schlechte Nachrichten bringen. "Sibel?", sagte er und öffnete die Tür einen Moment darauf.

  • Das Zimmer in der kleinen Taverne war zu ihrem neuen Zuhause geworden. Mirjam, die herzensgute Wirtin, sorgte für ihr leibliches Wohl und tat manchmal mehr, als sie eigentlich hätte machen müssen. Durch Beroe hatte sie eine neue Möglichkeit erhalten, gelegentlich wieder ihre Tochter Rachel sehen zu können, was für Mirjam einem unerwarteten Geschenk gleichkam.


    Beroe verließ so gut wie nie ihr Zimmer. Höchstens in den frühen Morgenstunden traute sie sich hinaus, um sich zu waschen und um Mirjam in der Küche etwas zur Hand zu gehen. So kam sie wenigsten ein bisschen unter Menschen. Zu groß war immer noch ihre Angst, jemand könnte sie hier finden.


    An den Abenden wartete sie immer auf ein Klopfen. Bisher hatte sie jedoch jedesmal vergeblich gewartet. Doch sie glaubte fest daran, dass Avianus sie bald wieder besuchen würde. Er hatte einfach viel zu tun! Das redete sie sich immer wieder ein und sie hatte keinen Grund, daran auch nur zu zweifeln.


    Als es eines Abends nun endlich klopfte, war sie vor Freude aufgesprungen und zur Tür geeilt. Noch ehe sie die Tür erreichte, öffnete sie sich bereits und Avianus trat herein.
    „Aulus!“ Sie umarmte ihn überschwänglich und küsste ihn.
    Endlich war er wieder da! Diesen Abend würde sie nicht alleine verbringen müssen! Vielleicht konnte er auch wieder bis zum Morgen bleiben… wenn sie ihn ganz lieb darum bat, würde er bestimmt nicht nein sagen. Und vielleicht brachte er Neuigkeiten mit. Vielleicht musste sie gar nicht mehr lange in der kleinen Taberna wohnen… ja, vielleicht…

  • Kaum hatte er die Tür geöffnet fiel Sibel ihm um den Hals und küsste ihn. Trotz der Botschaft, die er ihr überbringen würde, konnte er nicht verhindern, dass ein flüchtiges Lächeln über seine Lippen glitt. "Du hast mir gefehlt ", brummte er. Er erwiderte noch einen Moment die Umarmung, bevor er sich behutsam etwas von ihr löste. Jetzt konnte er sie auch ein wenig mustern und feststellen, dass ihr die ruhigen Tage gut getan hatten. Wenigstens ein kleiner Trost.
    Wie sehr sie sich freute, ihn zu sehen… dabei waren es nur ein paar Tage gewesen. Und es lagen Wochen vor ihnen. Wochen, in denen er nicht einen Moment lang sicher sein konnte, dass es ihr gut ging, so wie jetzt. Er würde nicht mehr tun können als hoffen, dass sie sich solange alleine durchrang. Schon jetzt bereitete ihm alleine die Vorstellung Magenschmerzen.
    "Es gibt… Neuigkeiten", begann er vorsichtig. Eigentlich wollte er länger aufschieben, was er zu berichten hatte, um ihr Glück nicht zu zerstören, und gleichzeitig wusste er, wie sinnlos das wäre. Schon alleine wegen der wenigen Zeit, die ihm heute mit ihr blieb. "Ich werde die nächste Zeit nicht hier sein können." Er schob nachdenklich die Augenbrauen zusammen und strich ihr mit der Hand zärtlich über die Wange. "Ich muss nach Germania."

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