Der Weg zurück... oder: ein letztes Geleit

  • DER WEG ZURÜCK


    Dura Europos...


    Es war Nacht. Eine kühle Nacht mit sternenklarem Himmel und genug Mondlicht, als dass man nicht völlig im Dunkeln tappte. Bereits als Dunkelheit hereinbrach, hatten die ersten Truppen, die Centurien der auf der anderen Flusseite befindlichen Legion, ihr Lager abgebrochen und setzten über den Fluss, um als erste abzumarschieren. Die anderen beiden Legionen folgten. Möglichst viele Mann nebeneinander, um die Marschkolonne nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Die Prima - untergebracht gegenüber der Westmauer der Stadt - blieb als letzte.


    Avitus wandte sich an Melder.
    "Befehl an die centuriae... Alle Mann auf, Marschbereitschaft herstellen"
    sagte er.
    "In einer halben Stunde erwarte ich Meldung der Centurionen, dass wir abrücken können"
    Auch, wenn die Prima damit noch warten würde, bis die Sicht besser wurde. Die Parther sollten ruhig sehen, dass sie abzogen. Sie sollten nicht das Gefühl haben, dass sich die Römer nachts heimlich und feige auf und davon gemacht haben. Zwar würden sie nicht warten, bis es taghell war, aber sobald man weiter sah, als die eigene Armlänge, wäre es soweit.
    "Die equites sollen sich bereit halten, alles in Brand zu setzen"
    fügte er hinzu. Sie wollten keine intakten Befestigungen hinterlassen. Es war nicht gut, wenn die Parther dadurch Rückschlüsse auf ihre Taktiken und Fähigkeiten ziehen konnten. Brückenbau, Befstigungen, Artillerie... wenn sie all das heil zurückließen, würde all das beim nächsten Mal - und ein nächstes Mal würde es geben, das würde es immer geben - gegen sie eingesetzt werden. Das wäre unklug. Und ausserdem würden die Flammen die Parther wenigstens eine Weile daran hindern, ihnen nachzusetzen. Bis dahin konnten sie, wenn sie ihr Tempo anzogen, eine beachtliche Strecke zurücklegen. Es standen einige fordende Tage vor ihnen, bei denen wohl so mancher Miles vor Erschöpfung auf der Strecke bleiben würde. Aber anders ging es nicht.
    "Agite"
    Die Meldet eilten davon. Kurze Zeit später ertönten die Signalrufe der Cornicen. Der Zeitpunkt ihres Abzugs stand kurz bevor...

  • ....UND EIN LETZTES GELEIT


    Dura Europos...


    Die vier Männer hatten in dieser letzten Nacht vor Dura Europos nicht geschlafen, sie hatten sich in den letzten Tag nicht rassieren lassen, so wie es die Tradition von ihnen verlangte. Die vier Legaten hielten in dieser Nacht gemeinsam Ehrenwache an der letzten Ruhestätte ihres Imperators Lucius Ulpius Iulianus.


    Die Ärtze und Leichenbestatter hatten die sterblichen Überreste auf Sorgsamstes und Gründlichstes gewaschsen und präpariert. Und so hatte er dagelegen, aufgebahrt und für seine letzte Reise vorbereitet. Zu jeder Zeit hatte eine stattliche Anzahl von Soldaten an seiner Seite Wache gehalten, aus jeder Legion hatte man aus jeder Kohorte Milites gegestellt.Und jetzt, in dieser letzten Nacht waren es die Legaten selbst gewesen, welche die Aufgabe übernahmen.


    Tiberius Vitamalacus hatte kein Wort gesagt seit er das Zelt betreten hatte, schweigend und mit starrer Haltung hatte er an der Bahre gestanden, allein mit seinen Gedanken. Zeit seines Lebens hatte er dem Imperator gedient, im Militär genauso wie als Magistrat, oft hatte er vor diesem Mann gestanden und immer hatte er in dem Bewusstsein gelebt, das, wenn auch alles schiefgehen würde, es immer den Imperator geben würde, der es richten könnte.


    Und nun ?


    Der Imperator war tot, er würde nicht einfach aufstehen und sagen was zu tun sei. Und sein Sohn ? Valerianus war, das wusste der Tiberier, viel mehr Soldat denn Politiker. Eine Eigenschaft, welche ihn in seinen Augen auszeichnete, welche auch in ihm selbst wohnte. Doch, dessen war sich der Legat der Prima bewusst, um Rom zu regieren, reichte es nicht, nur Soldat zu sein.


    Kurz bevor der Morgen graute blickten sich die vier Legaten an, es war Zeit...

  • An diersm Morgen war auch Appius gekommen und hatte sich reisebereit gemacht. Endlich würde es gen Heimat gehen, zwar ohne Feldherren, aber trotz all der Trauer, er freute sich wieder nach Monaten, fast Jahren des Krieges wieder nach Hause zurüczukommen.
    So beobachtete er das Sammeln und wartete auf das Signal zum Aufbruch.

  • Es waren Soldaten aus der ersten Kohorte der XII., welche in das Zelt traten und sich neben der Bahre mit dem toten Imperator aufstellten. Noch einmal blickten die die Legaten sich an, grüssten sich wortlos militärisch, dann gingen sie jeder für sich zu seiner Legion.


    Nur der Legat der XII. blieb zurück, er wartete bis ihm die Abmarschbereitschaft seiner Legion gemeldet wurde, dann erst setzte er sich gefolgt von seinen Soldaten in Bewegung. Es war die XII., welche als erste aufbrechen würde und zumindest am ersten Tag des Marsches zurück ins Imperium den toten Imperator tragen würde und aus dem schlichten Marsch der Legionen einen Klagemarsch machen würde.


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    Als er bei der Prima eintraf, war es noch dunkel, doch vor dem Praetorium stand schon sein Pferd bereit und Tiberius Vitamalacus schwang sich in den Sattel. Es würde nicht mehr lang dauern, bis die Praesenz der Legionen in Flammen aufgehen würde. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Klagegeräusche der dumpfen, langsamen Schläge der Soldaten der XII. auf ihre Scuti zu ihnen dringen würde.


    Ruhig lenkte er sein Pferd zum Praefectus, sein Blick wanderte über das Geschehen im Lager, nur der geschulte Blick erkannte die hohe Ordnung in dem scheinbar chaotischen Gewühls.


    "Praefectus ! Ist alles bereit ?"

  • Avitus schwang sich auf sein Pferd, kurz bevor Vitamalacus näher kam. Das Pferd schnaubte und der Artorier klopfte dem Tier sanft mit der Handfläche auf den muskulösen Hals. Er ließ sich seinen Helm reichen und setzte diesen auf, als im gleichen Moment die Stimme von Vitamalacus erklang, ihn fragte, ob alles bereit war. Er blickte über das Lager. Eine rege Betriebsamkeit herrschte, die Legion machte sich abmarschbereit.
    "Legatus..."
    grüßte er.
    "Ich habe Befehl gegeben, in einer halben Stunde Marschbereitschaft herzustellen"
    antwortete er. Und da nicht damit zu rechnen war, dass die Centurien es nicht rechtzeitig hinbekommen würden, fügte er
    "Bis dahin sind wir abmarschbereit und können aufbrechen, sobald der Befehl kommt"
    hinzu.

  • Es war eigentlich eher eine rethorische Frage gewesen, die der Legatus gestellt hatte, denn er zweifelte nicht daran, das der Praefectus alles nötige vorbereitet hatte. Ajax tänzelte leicht, der schwarze Hengst spürte schon, das es bald wieder auf den Marsch gehen würde und ungeduldig wartete er darauf, los gallopieren zu können. Doch diesmal würde es wohl zu keinem Gallop kommen.


    Tiberius Vitamalacus Blick wanderte vom Lager hinaus in die Ferne, dort wo sich schon die anderen Legionen langsam in Marsch gesetzt hatten, beziehungsweise begannen, dies zu tun.


    "Gut, Praefectus," meinte er nüchtern und fügte hinzu : "Wir mögen auf dem Weg nach Hause, die Nachhut übernehmern und die anderen Legionen für heute sichern, doch wir sind auch auf einem Trauermarsch. Ich will das das nicht vergessen wird."

  • Auch Appius begrüßte den Legat und wartete nun immer ungeduldiger auf das Signal. Er fühlte sich hier am Ende der Marschkolonne wie auf dem Präsentierteller und um so eher man maschierte umso eher würde man die Armee der Parther hinter sich lassen und die Anspannung die man hatte wenn man die Nachut bildete würde sich ein wenig lösen.

  • Licinus Aufgabe an diesem Morgen war nicht einfach gewesen, er musste prüfen, wie die eingeschränkte Ausrüstungspflege zu deuten war. Sollte sie nur dem Anlass des Trauerzuges entsprechen oder versuchten hier einige milites, mittels eines traurigen Anlasses, die Disziplin zu umgehen?
    Für diesen Tag, an dem sie die Nachhut bildeten hatten Licinus und sein centurio beschlossen, dass man einen mittelweg einschlagen würde, das hieß genu genommen: Unrasierte Gesichter und dreckige tunicae wurde übersehen, aber fehlerhafte Kampfausrüstung wie üblich bestraft. Schließlich konnte es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ja sein, dass die Parther sich zum Angriff entschließen würden.


    Überhaupt die Vorsichtsmaßnahmen. Der Befehl zum Aufbruch war in aller gerade noch vertretbaren Knappheit gegeben worden. In einer guten halben Stunde* alles zusammenzupacken, was in einem solchen Lager stand bewieß mal wieder wie gnadenlos effizient das römische Heer war.


    Kaum waren sie fertig mit Packen klang auch schon das Sammelsignalfür die legio, geblasen von den cornices und tubices des Kommandostabes, quer über das Lager und wurde von den cornices der einzelnen centruriae aufgefasst und weitergeben.
    Die I leg, I coh, I cen marschierte ab und nach dem Eintreffen auf dem Exerzierplatz wartete der primus pilus die Vollzugsmeldung der primi ordines ab, um dann seinerseits dem praefectus Vollzug zu melden.


    Sim-Off:

    * Hoffe ich hab das richtig gelesen

  • Der Befehl zum Lagerabbau kam nicht mehr überraschend, nachdem der Legat in seiner Rede angekündigt hatte, dass es für alle in Richtung Heimat gehen würde. Dass die Legio I die letzte war, die den Platz verlassen würde, machte die Sache insofern etwas einfacher, als dass die Männer die wenigste Eile hatten und den meisten Bewegungsfreiraum. Alle wussten, was kommen sollte und so waren die Gepäckbündel schnell geschnürt.


    "Wir decken hier einen Rückzug und einen Trauermasch, denkt daran", schärfte Priscus den Männern ein. "Entgegen der üblichen Reihung die Tragtiere nach vorne vor unsere Centurie. Und seid wachsam und kampfbereit. Man weiß nie, was die Parther sich noch ausdenken."

  • Zitat

    Original von Quintus Tiberius Vitamalacus
    ...


    "Selbstverständlich"
    entgegnete der Artorier. Obwohl dieser Trauermarsch sicher nicht ganz typisch würde, denn er würde in nicht befriedetem, um nicht zu sagen feindlichem Gebiet, stattfinden. Die Feldzeichen würden nicht der Bahre, auf der des Kaisers Leichnahm lag, getragen werden, sondern weiterhin ihren Einheiten voran, es würden die Klagelieder, wenn sie denn gesungen werden sollte, ehrlich gemeint sein und das Tempo, mit dem sich der Zug fortbewegen würde, eher einem Gewaltmarsch, denn einem Trauerzug gleichkommen. Aber besondere Umstände erfordern besondere Lösungen.
    "Dessen ist sich die legio bewusst"
    sagte er.

  • Natürlich war die letzte Bemerkung des Legaten im Grunde überflüssig, denn ein jeder wusste, was denn sein Pflicht war und ein jeder wusste, das Rom erwartete, das jeder Mann seine Pflicht tun würde. Aber vielleicht war das eine angewohnheit von Kommandanten, das sie immer wieder das Selbstverständliche betonten und damit manchmal bei ihren Stabsoffizieren innerliches Kopfschütteln bewirkten.


    "Sehr gut, Praefectus !" erwiederte Tiberius Vitamalacus just in dem Moment, da in der Ferne das rhythmische Schlagen von Metall auf Holz einsetzte. Die XII. hatte ihren Marsch aufgenommen und ihre Soldaten schlugen im langsamem Takt mit ihren Gladi auf die Scuti. Es war ein dumpfes, gleichmässiges Geräusch, das sich so ganz anders anhörte, als der sonst übliche Ausdruck des Jubels oder Einschüchterung.


    "Abmarsch sobald bereit !" befahl Tiberius Vitamalacus knapp.

  • "Wird gemacht, legatus"
    entgegnete Avitus. Er ritt weiter die Zeltreihen entlang, die nun in aller Eile abgebaut wurden. Die Milites arbeiteten daran, die Legion abmarschfähig zu machen. Freilig wussten sie schon seit dem Appell, dass sie diese Gegend verlassen würden und zurück in Richtung des Imperiums marschieren würden. Wer also mitdachte, hatte jetzt weniger zu tun. Dennoch, die Legion hatte nicht gerade viel Zeit, aber Avitus war zuversichtlich, dass es keine Verzögerungen geben würde. Hier zahlte sich die Professionalität, die ihnen innewohnte, aus. Ein ganzes Heer innerhalb kürzester Zeit auf die Beine zu Stellen und abziehen zu lassen, war nicht gerade eine Kleinigkeit. Selbst wenn die Parther ihnen folgen wollten, würden sie niemals so schnell und organisiert aufbrechen können. Für ein paar Tage wenigstens würden sie nicht mit mehr als ärgerlichen kleinen Überfällen und Geplänkel rechnen müssen. Und überhaupt war es nicht sicher, dass man ihnen folgen würde. Hätten die Parther es auf eine weiter Schlacht auf offenem Feld angelegt, hätten sie sich nicht verschanzt. Zwar war es möglich, dass sie die römischen Absichten falsch interpretierten und Schwäche zu entdecken glaubten, aber wenn ihre Kundschafter entdeckt haben würden, dass die Römer nicht flohen, sondern sich geordnet und diszipliniert wie immer zurückzogen und dabei den Leichnahm ihres Feldherrn vorantrugen, würden sie wissen, dass nicht Feigheit es war, die sie zum Rückzug veranlasste, sondern höhere, wichtigere Pflichten, als die zur Einnahme der Stadt.

  • Die erste(n) Legion(en) verließ(en) das Lager, tragend und Dumpf, ein richtiger Trauermarsch, bald würde auch die I. folgen und dann würden vier ganze Legionen hunderte von Kilometern diesen Trauermarsch beibehalten, sicherlich ein interessantes Schauspiel für jeden Beobachter. Ungeduldig wartete er also auf den Abmarsch der I.

  • DER WEG ZURÜCK



    Frisch wehte der Nachtwind durch das Lager, klar war die Nacht und damit umso kälter. Die Augen verengt stand Marcus inmitten all der Zelte der zweiten Zenturie, um sich herum die arbeitenden Soldaten, die Zelte abbauten, das Tuch zusammen schlugen und von Dreck befreiten, die die gemeinschaftliche Ausrüstung auf die Tiere packten und ihr Marschgepäck unterbrachten, so daß sie es gut über die Schulter tragen konnten, selbst einen ganzen Tag lang und unter widrigsten Bedingungen. Marcus spähte jedoch zu den Sternen hinauf, die schwach am Himmel blinkten und flirten. Es fröstelte ihm nicht, aber er trug den Rüstschutz und einen dicken Umhang, während er ab und an im Zeltlager entlang lief und Anweisungen gab, wo bestimmte Dinge hin sollten, auf welche Wägen, welche Geräteschaft kam. Nur wenig Zeit blieb Marcus, um mal auch zu der Stadt zu spähen, die düster und dunkel sich in den Nachthimmel erhob, einige Fackeln brannten auf den Mauern, aber Gestalten der Parther konnte Marcus nicht ausmachen. Ob sie sich freuten? Jubelten sie und würden sie morgen feiern, die Römer in die Flucht geschlagen zu haben? Sicherlich würde ihr General das so verkaufen! Marcus seufzte und riß seinen Blick von der entfernten Stadt ab.


    Auch Marcus erreichte ein Melder, in der Ferne hörte er einen cornicen. Mit einem Nicken schickte Marcus den Melder davon und ließ die Soldaten weiter arbeiten, während schon die ersten Soldaten abzogen, die erste Legion das Lager verließ. Einige der Männer aus seiner Einheit standen immer noch auf dem vallum, beobachteten die Stadt und würden sie warnen, sollten die Parther auf den Gedanken kommen, jetzt noch einen Ausfall zu wagen, jetzt, wo sie abzogen und ihnen somit das Feld überließen. Schließlich war es so weit, seine Einheit hatte zusammen gepackt und die Männer waren Abmarsch bereit. Marcus zog einen der Soldaten zur Seite und schickte ihn – mit Meldung für den praefectus – zur principia. Das signum wurde in die Mitte der Reihen aufgenommen, der cornicen blies in sein Horn. Marcus spähte in den Himmel, der sich schon marginal heller verfärbt und einen königsblauen Ton angenommen hatte.

  • Nachdem die Equites alles in Brand steckten, formierten sie sich wieder und ritten langsam weg. Hinter ihnen loderten die Flammen, dunkler Rauch machte sich breit und verhüllte den Himmel über dem Ort.
    Numerianuns blickte zurück, er ging tief in sich, atmete durch und blickte dann wieder nach vorne.
    Viele Verluste hatten sie machen müssen, der Preis war hoch, und ob es ein Sieg war?
    Diese Frage ist ungeklärt..
    Sicherlich würde man in einigen Jahren am Stammtisch heftig darüber diskutieren.

    'Hannibal wusste wie man Siege erringt, aber nicht wie man damit umzugehen hat.'

  • Wie auf einem Schiff bewegte sich die Welt einer Iulierin recht schwankend. Früher war es ihr nie unangenehm gewesen zu reisen, sie war gern ausgeritten, aber in den letzten Tagen verursachte ihr die Bewegung ihres schäbigen, aber schnellen Pferdes eine stets vorherrschende Grundübelkeit, die sich auch mit Tees nicht vertreiben ließ. Es war sogar so heftig gewesen, dass sie sich morgens nach einem kurzen Ritt hatte übergeben müssen - und ab da hatte sich Iulia Helena so weit wie möglich geschont. Dass nach dem Tod des Kaisers der Feldzug Geschichte war und man nach Rom zurückkehren würde, begrüßte sie nun, auch wenn sie das noch vor wenigen Wochen nicht einmal vermutet hätte, das Reisen war ihr nun fast zuviel geworden, ebenso das leise Genörgel der Sklaven und die stetige Leidensmiene von Xamander, dessen ausdrucksstarkes Gesicht ihn immer verriet, wenn er unzufrieden war.


    Bequem war das Leben bei der legio ganz sicher nicht, und während sich in ihrem Magen alles drehte und krampfte, was sich nur drehen und krampfen konnte, hielt sie sich eisern am Sattelknauf festgeklammert und versuchte, wenigstens aufrecht zu sitzen, damit es niemandem auffiel, wie elend sie sich fühlte. Am liebsten wäre sie im Zelt geblieben, den ganzen Tag auf einer kline liegend, um sich auszuruhen - und die alte Befürchtung, das schwächende Fieber, das sie schon einmal für lange Monate aufs Bett gefesselt hatte, könnte zurückkehren, war in diesen Tagen lebendig wie nie. Vitamalacus hatte sie von ihren Befürchtungen noch nichts gesagt, und so ritt sie schweigend und wenig gesprächsbereit mit, einer Statue auf einem sich bewegenden, mechanischen Pferd gleich.

  • Auch die Tribune der Garde hatten Wache gehalten an der Bahre des Kaisers. Als Leibwächter war es ihre Pflicht dies zu tun, und diese nahmen sie ernst.


    Doch nichts konnte darüber hinwegtäuschen dass in der Garde Unmut herrschte; Niemand hatte sie in die Planungen einbezogen, die Legaten der Legionen hatten alles selbst in die Hand genommen. Die Gardisten fassten dies als nicht ungefährliches Zeichen auf, die Missachtung der Garde wurde unter ihnen nicht gerade als Kaisertreue gewertet.


    So hatte der oberste Tribun, Romanus, die ihm unterstellten Speculatores angewiesen ein sehr wachsames Auge auf die Legionsführer zu haben und ihm regelmäßige Berichte zu senden die er unverzüglich nach Rom weiterleiten würde.


    Unmut herrschte auch und vor allem unter den Mannschaften darüber, dass es nicht die Garde sein würde die die Urne nach Italia leiten würde, sondern die Legionen. In den AUgen der meisten Milites kam das einer Beleidigung gleich, und dieser Unmut machte nicht einmal vor den Offizieren halt. Die Centurionen versuchten ihre Männer zwar zu beruhigen, fühlten sich jedoch ebenso hintergangen, so dass der eine oder andere bereits offen davon sprach dass sich mal "einiges ändern müsse".


    So beschlossen die Tribune, unverzüglich mit der XII Legion abzureisen, was sie dann auch taten.

  • Als auch die letzte Centurie ihre marschbereitschaft gemeldet hatte, setzte sich die Prima in Bewegung. Das hallen von tausenden Calligae auf demn staubigen Boden, das gleichmässige Klirren von Rüstung und Ausrüstung waren die vornehmlichen Geräusche, welche zuhören waren und sie gingen in den Klagelaute der XII. Legion unter.


    Hinter der Prima ging alles in Flammen auf, was die Legionen nicht mitnahmen, und wer einen Blick zurück warf , der konnte die Flammen bewundern, welche vor der Stadt loderten und mit der langsam aufgehenden Sonne ein beeidruckendes Farbspiel boten.


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    Tag um Tag das gleiche Ritual : Jeden Morgen setzte sich der Zug in Bewegung, jeden Tag übernahm eine andere Legion die Pflicht und die Ehre, die Barre mit den sterblichen Überresten des Imperators mit sich zu führen. Und jeden Abend schlugen die Legionen wieder hier Lager auf.


    Am Morgen des achten Tages war es wieder die Prima, welche die Barre mit sich führte und welche an der Spitze des Zuges marschierte. Soldaten aus allen Centurien wechselten sich mit dem Tragen ab und es war auch an der Prima die Trauer der Legionen über den Tod des Imperators ausdruck zu verleihen.....

  • DER WEG ZURÜCK


    Erst drei Stadien entfernt drehte sich Marcus um, nachdem auch die Prima das Lager verlaßen hatten und sich die Soldaten der Reiterei um das Abbrennen jenes Feldlagers kümmerten. Die Flammen schlugen hoch in den Himmel, der sich über ihnen blau verfärbt hatte und an dessen östlichen Rand die ersten gold-orangenen Flammenzungen von Sol – oder Mithras! - hinauf schlängelten. Blutrot vor dem Sonnenaufgang, die Stadt lag noch im Schatten und wirkte umso unheilvoller durch die verzehrenden Flammen. Einige Herzschläge lang genoß Marcus das Bild, was sich vor ihm ausbreitete und schwieg andächtig. Mit diesem Brand ging der Stoß in die Eingeweide und das Land der Parther zu Ende. Der Feldzug war vorbei, selbst wenn sie noch einige Zeit unterwegs sein würden, ehe sie wieder in friedvollere Gegenden kamen. Ein schaler Geschmack lag auf Marcus Zunge. Grimmig starrte er auf die Stadt und hielt dabei den Griff seines gladius fest umschlungen. Die Männer rauschten an ihm vorbei, Schemen gleichend, die zu einer endlosen Masse von Gesichtern verschwammen. Erst als seine Einheit schon einige passi an ihm vorbei waren, riß sich Marcus von dem Anblick los und folgte den Männern, weg von der Stadt und zurück...in Richtung Heimat.



    ...UND EIN LETZTES GELEIT


    Es war einer jener heißen Tage in dieser Jahreszeit als es an ihnen war, die Bahre des Kaisers auf ihren Schultern zu tragen. Als die Prima - die doch so viel darauf gehalten hatte, die Legion des Kaisers zu sein, und die ihm in dem Bürgerkrieg vor vielen Jahren treu zur Seite gestanden hatte, loyal zu der kaiserlichen Familie - die Bürde des Geleits auf sich nahm und der Corpus des Kaisers, geschmückt und prachtvoll ausgestattet, auf der massiven und schweren Bahre von Zenturie zu centuria gereicht wurde. Und so auch zu der Zweiten. Jeder der Soldaten sollte an diesem Tag den Kaiser mit seinen Händen und Schultern tragen, ihn durch das feindselige Land in die Heimat bringen, wo er ehrenvoll bestattet werden konnte. Darum sollten sich die Soldaten nach einer gewissen Zeit ablösen laßen, immer einer nach dem Anderen, damit der Zug nicht ins Stocken geriet. Sowohl Sparsus, aber auch er würden jedoch die ganze Zeit lang die Bahre mittragen. Marcus vorne und Sparsus weiter hinten, so zumindest hatte Marcus es noch am Morgen befohlen, als sie erfuhren, daß die Ehre heute auf die Prima fallen würde.


    Schritt für Schritt trugen sie den toten Imperator auf ihren Schultern. Die Rüstungen blitzten im Sonnenlicht, gemeßen waren ihre Schritte, die Gesichter betrübt und gedrückt – Marcus hing auch seinen düsteren Gedanken nach. Jener Mann war ihm noch vor wenigen Jahren so vital vorgekommen und im Feldzug war er stets besonnen gewesen, hatte sie von einer Schlacht zur Anderen geführt, die Soldaten hatten seiner Führungskraft vertraut; Marcus hatte geglaubt, der Kaiser wäre unsterblich, unverletzbar, ein Fels in der Brandung. Und nun trugen sie ihn durch das Land, was er erobern wollte. Von einem Pfeil durchbohrt und getötet. Marcus Gesicht offenbarte die bitteren Gefühle, die er hegte. Schritt für Schritt marschierte er weiter, dem Kaiser die Ehre erweisend, die er sich in seinem Leben als großer Mann, als herausragender Kaiser verdient hatte. Schritt für Schritt lief Marcus und dachte darüber nach, was den Kaiser so heraus ragend gemacht hatte. War er einer, der nach vorne stürmte und mit großen Worten beeindrucken wollte? Gewiß nicht. Die Würde, die jener Mann ausgestrahlt hatte, die hatte Marcus tief in seine Seele beeindruckt – womöglich lag es auch daran, daß Marcus immer eine Vaterfigur in seinem Leben gefehlt hatte. Schritt für Schritt marschierte Marcus weiter, die Bahre tragend...

  • Doch uns alle erwartet die eine Nacht.....
    Scheu streifte mein Blick den Leichnam des bis vor wenigen Tagen mächtigsten Mannes der Welt, als ich herantrat, um an der reichgeschmückten Totenbahre meinen Platz einzunehmen. Es war eine Ehre, eine grosse Ehre, ihn ein kurzes Stück des Weges mit tragen zu dürfen. Ich löste einen Kameraden ab, umgriff mit beiden Händen das Holz der Tragestange und schob meine Schulter darunter. Im Gleichschritt mit den anderen trug ich die Bahre, und irgendwie konnte ich es immer noch nicht so ganz glauben. Der Imperator, unser Feldherr, der Vater unserer Legion, er war gestorben wie jeder andere auch..... an einer Pfeilwunde.
    Es war wieder ein heisser Tag, und unter dem Duft der Öle und wohlriechenden Essenzen mit denen man den Leichnam gesalbt und balsamiert hatte, drang, nur ganz leicht aber unverkennbar, ein Hauch von Verwesung hervor. Diesen süßlichen Geruch, den hatten wir während des Feldzuges so oft in der Nase gehabt. Ich setzte einen Fuss vor den anderen, achtete darauf nicht aus dem Tritt zu geraten, und kämpfte mit der Erkenntnis dass, am Ende, auch der Körper eines Imperators aus Fleisch und Blut und dem Verfall anheimgegeben war.
    Wie zuversichtlich waren wir ihm gefolgt, ins Feindesland hinein! Gesungen hatten wir noch auf dem Weg nach Dura. Jetzt brachte jeder Schritt uns näher an die Heimat heran. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich so erleichtert über den Rückzug war, denn er war doch mit dem Tod des Kaisers "erkauft" worden. Wäre der Imperator nicht gefallen, er hätte gewiss nicht mal an Rückzug gedacht bevor wir Kthesiphon eingenommen hätten! Schwer war er nicht zu tragen - wir waren ja genug Männer an der Bahre - doch die Last auf unseren Schultern war auch die eines gewaltigen Scheiterns. Wozu all die Toten, wozu all das Leid, da wir uns nun doch halbverrichteter Dinge zurückzogen?! Die Götter hatten einen Schlusstrich gezogen unter diesen Krieg, und trübe dachte ich: Vielleicht ist selbst ihnen das Schlachten zuviel geworden.


    Klageweiber gab es keine, hier in der Einöde, so war es an uns den Toten zu beweinen. Ich trauerte, aber nicht auf einer persönlichen Ebene (ich machte mir eher Sorgen um uns, die wir ohne unseren Heerführer dastanden, und um das Imperium, das in solchen Zeiten von allen möglichen Seiten bedroht war), dafür war der Imperator zu fern gewesen, zu streng und erhaben. Selbst wenn er sich unter uns Soldaten gemischt hatte, auf seinen Gängen durch das Lager, hatte ihn doch, ausser einer Masse von Praetorianern natürlich, auch noch etwas anderes von uns abgeschirmt, wie dicke Wände aus Glas. Ein strenger, sehr ferner Vater...
    Wir alle waren unrasiert, uns allen stand wohl die Erschütterung ins Gesicht geschrieben. Die Musiker, die voraus gingen auf diesem tagelangen Trauermarsch, spielten getragene Klänge, die mischten sich mit dem Stampfen der Caligae auf dem steinigen Boden, und ständig hörte man Klagerufe, manche weinten auch.
    Wie es sich also gehörte, begann auch ich zu wehklagen, wobei mir mein natürlicher Hang zur Theatralik sicher zugute kam.
    "Oh ihr Götter", so klagte ich herzzereissend, "warum nur hab ihr ihn uns entrissen, unseren Imperator dem wir in den Krieg gefolgt sind! Unseren Feldherren, den Tapfersten der Tapferen, der uns mit seinem Mut immer beflügelt hat! Der uns allen ein Vorbild war an Selbstzucht und Grossmut und Güte!"


    So langsam kam ich in Fahrt. Mit einer Hand hielt ich die Stange auf der Schulter fest, mit der anderen schlug ich mir in jammervoller Gebärde an die Brust, und meine Tunika hätte wohl dran glauben müssen, wenn ich nicht meine Lorica darüber getragen hätte, was ein effektvolles Zerreißen nun mal unmöglich machte.


    "Weh! Der Kaiser ist tot. Unermesslich ist unsere Trauer! Den wahrhaft grössten und edelsten Mann, den hat der Tod dahingerafft, viel zu kurz war seine Lebenszeit! Jedem ist sein Tag bestimmt, wir alle gehen einmal den selben Weg, doch ihn, unseren erhabenen Imperator, den habt ihr uns zu früh genommen! Welch schwarzer Tag für das Reich, als der heimtückische Pfeil, gesandt vom niederträchtigsten aller Feinde, ihn traf! Oh ihr Götter der Unterwelt, straft diesen Mörder! Möge die frevelnde Hand, die diesen Pfeil von der Sehne sandte, verdorren und zu Staub zerfallen!
    Wir waren seine Legion, wir waren wie seine Söhne, und wie Waisen trauern wir nun um ihn - unseren Vater, der uns verlassen hat, der uns nicht länger leiten wird! Unendlich viel Segen hat er dem Reich geschenkt, nun ist es ohne ihn wie ein Schiff ohne Steuer und Ruder in der wilden See! Weh! Keiner kam ihm gleich an Weisheit und Staatsklugheit und Wohlwollen! Unsere Liebe gilt seinem grossmütigen Herzen, unsere Verehrung seinem unerschütterlichen Pflichtgefühl! Ein grosses, leuchtendes Vorbild war er uns als ein guter und edler Herrscher und Mensch, und wir werden ihm auch im Tod unwandelbar treu sein!
    Oh ihr Götter, nehmt ihn auf in eurer Mitte, den vergöttlichten Imperator Lucius Ulpius Iulianus, damit er auch in Zukunft gnädig auf uns herabschaut, und weise über das Imperium wacht! Möge er von den Sternen herab seinem Thronfolger mit all seiner Güte beiseitestehen, auf dass dieser die Geschicke des Reiches ebenso gut und gerecht lenken möge wie der grosse Verstorbene!"


    Auf diese Art fuhr ich fort, während wir die Bahre trugen, ich klagte und schluchzte und schlug mir verzweifelt an die Brust und lamentierte wie es dem Toten eben gebührte, bis ich am Ende völlig erschöpft war - seelisch und körperlich - und komplett heiser dazu.

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