Es war schon abend, als Axilla wieder zu sich kam. Ihr körper kribbelte und juckte von der Salbe, und sie hatte einen Geschmack im Mund, als hätte sich eine Maus zum Sterben ihr auf die Zunge gelegt. Sie schlug die Augen nur ganz leicht auf und versuchte, sich aufzusetzen, und sofort war jemand an ihrer Seite und setzte ihr einen Becher mit sehr stark verdünntem Wein an die Lippen.
Das Schlucken funktionierte nicht so richtig, und Axilla musste beim Trinken husten, so dass sie sprudelnd kleine Weintropfen auf ihrem Helfer verteilte. Noch hustend ließ sie sich wieder zurück auf ihr Kissen sinken und sah sich schlaftrunken um, was denn hier los war. Noch immer spukten Bilder von Nymphen, Faunen, Harpyien, Centauren und allerlei anderer Geister in ihrem Kopf herum, dennoch fühlte sie sich merkwürdig klar.
[size=6]“Was ist…“[/size] Ihre Stimme kam nur als heiseres Rascheln hervor, und sie räusperte sich noch ein paar Mal, um sie wiederzufinden. “Was ist passiert? Wieso bin ich so eingewickelt?“
Das Licht blendete noch immer in ihren Augen und ihr Kopf fühlte sich leicht und schwer zugleich an. Es dauerte also eine Weile, bis sie Leander erkannte.
“Du bist krank, Herrin. Du hattest Fieber und hast gehustet, und wir haben einen Arzt kommen lassen. Der hat dich behandelt und sagt, dass es nun wieder besser werden wird. Er kommt morgen noch mal wieder und meinte, wir sollen Isis und Asklepios opfern. Ich habe schon zwei weiße Kaninchen besorgt, die wir opfern können, und…“
“Nein…“ Axilla schüttelte schwach den Kopf. Sie wollte kein Opfer, und sie wollte keine Medizin und keinen Arzt.
Fieber. Husten. Das kannte sie schon. Ihre Mutter hatte jahrelang Husten gehabt, lange Fieber, das sie von innen heraus aufgefressen hatte. Axilla hatte Zeit ihres Lebens dabei zugesehen, wie die Mutter immer weniger und weniger wurde, bis sie schließlich auch Blut gehustet hatte. Von da an war es dann schnell gegangen, nicht einmal zwei Jahre hatte ihre Mutter dann mehr gelebt, bis sie schließlich dann als Schatten eines Menschen gestorben war. Und da hatte kein Opfer, kein Flehen und keine Medizin geholfen.
Axilla hatte damals für sich eine Entscheidung getroffen. Wenn die Götter die Opfer ignorierten, dann ignorierte sie die Götter. Sie würde ihnen nicht opfern, um dann doch nur wieder verlacht zu werden. Wenn es die Götter gab, machten sie sich nichts aus den Menschen. Sie versprachen und stellten in Aussicht, aber sie gaben nicht. Und wenn doch, dann nur, um es später umso erbarmungsloser wieder wegzunehmen. Nein, Axilla würde sicher nicht opfern.
Sie würde sowieso sterben. Ihre Mutter war gestorben, und nun bekam sie dieselbe Krankheit. Ganz gewiss war es so. Oh, Axilla wollte nicht sterben, sie hatte furchtbare Ângst davor. Aber die Gewissheit, mit der sie das zu Wissen glaubte, gab ihr eine seltsame Ruhe. Genug, um Leander das Wort abzuschneiden.
“Ich verbiete es, hörst du? Du wirst die Kaninchen nicht opfern. Nicht dafür.“
Leander starrte seine Herrin etwas fassungslos an. “Aber, Herrin, du willst doch wieder gesund…“
“Gnaaa! Ich hab nein gesagt, und ich mein es auch so. Und Arzt will ich auch keinen. Lass mich einfach hier allein…“
Axilla schaute in Richtung Fenster und hinaus. Eigentlich ein schöner Tag draußen. Ihr Blick glitt etwas tiefer und der Truhe, in der Schwert und Rüstung ihres Vaters lagen. Ein Plan begann sich in ihrem Kopf zu formen. Sie wollte nicht so lange wie ihre Mutter dahinsiechen, bis sie zu schwach war, sich gegen eine Behandlung zu wehren. Das wollte sie nicht mitmachen.
Leander erwiderte nichts, ließ Axilla aber auch nicht allein. Er setzte sich einfach in den Korbsessel neben ihrem Bett und ließ seine Herrin vor sich hin dösen. Auch wenn sie offenkundig wohl sterben wollte, würde er sie nicht einfach so ihrem Selbst überlassen. Die Kaninchen waren ohnehin schon auf dem Weg zum Isistempel und würden dort geopfert werden. Und den Arzt würde er auch wieder vorlassen, selbst wenn seine Herrin ihn deshalb schlagen lassen würde. Auch wenn er nicht glaubte, dass Axilla eine strafe gegen einen Sklaven wegen so etwas verhängen würde.