Cubiculum - Iunia Axilla

  • Es war schon abend, als Axilla wieder zu sich kam. Ihr körper kribbelte und juckte von der Salbe, und sie hatte einen Geschmack im Mund, als hätte sich eine Maus zum Sterben ihr auf die Zunge gelegt. Sie schlug die Augen nur ganz leicht auf und versuchte, sich aufzusetzen, und sofort war jemand an ihrer Seite und setzte ihr einen Becher mit sehr stark verdünntem Wein an die Lippen.
    Das Schlucken funktionierte nicht so richtig, und Axilla musste beim Trinken husten, so dass sie sprudelnd kleine Weintropfen auf ihrem Helfer verteilte. Noch hustend ließ sie sich wieder zurück auf ihr Kissen sinken und sah sich schlaftrunken um, was denn hier los war. Noch immer spukten Bilder von Nymphen, Faunen, Harpyien, Centauren und allerlei anderer Geister in ihrem Kopf herum, dennoch fühlte sie sich merkwürdig klar.
    [size=6]“Was ist…“[/size] Ihre Stimme kam nur als heiseres Rascheln hervor, und sie räusperte sich noch ein paar Mal, um sie wiederzufinden. “Was ist passiert? Wieso bin ich so eingewickelt?“
    Das Licht blendete noch immer in ihren Augen und ihr Kopf fühlte sich leicht und schwer zugleich an. Es dauerte also eine Weile, bis sie Leander erkannte.
    “Du bist krank, Herrin. Du hattest Fieber und hast gehustet, und wir haben einen Arzt kommen lassen. Der hat dich behandelt und sagt, dass es nun wieder besser werden wird. Er kommt morgen noch mal wieder und meinte, wir sollen Isis und Asklepios opfern. Ich habe schon zwei weiße Kaninchen besorgt, die wir opfern können, und…“
    “Nein…“ Axilla schüttelte schwach den Kopf. Sie wollte kein Opfer, und sie wollte keine Medizin und keinen Arzt.
    Fieber. Husten. Das kannte sie schon. Ihre Mutter hatte jahrelang Husten gehabt, lange Fieber, das sie von innen heraus aufgefressen hatte. Axilla hatte Zeit ihres Lebens dabei zugesehen, wie die Mutter immer weniger und weniger wurde, bis sie schließlich auch Blut gehustet hatte. Von da an war es dann schnell gegangen, nicht einmal zwei Jahre hatte ihre Mutter dann mehr gelebt, bis sie schließlich dann als Schatten eines Menschen gestorben war. Und da hatte kein Opfer, kein Flehen und keine Medizin geholfen.
    Axilla hatte damals für sich eine Entscheidung getroffen. Wenn die Götter die Opfer ignorierten, dann ignorierte sie die Götter. Sie würde ihnen nicht opfern, um dann doch nur wieder verlacht zu werden. Wenn es die Götter gab, machten sie sich nichts aus den Menschen. Sie versprachen und stellten in Aussicht, aber sie gaben nicht. Und wenn doch, dann nur, um es später umso erbarmungsloser wieder wegzunehmen. Nein, Axilla würde sicher nicht opfern.
    Sie würde sowieso sterben. Ihre Mutter war gestorben, und nun bekam sie dieselbe Krankheit. Ganz gewiss war es so. Oh, Axilla wollte nicht sterben, sie hatte furchtbare Ângst davor. Aber die Gewissheit, mit der sie das zu Wissen glaubte, gab ihr eine seltsame Ruhe. Genug, um Leander das Wort abzuschneiden.
    “Ich verbiete es, hörst du? Du wirst die Kaninchen nicht opfern. Nicht dafür.“
    Leander starrte seine Herrin etwas fassungslos an. “Aber, Herrin, du willst doch wieder gesund…“
    “Gnaaa! Ich hab nein gesagt, und ich mein es auch so. Und Arzt will ich auch keinen. Lass mich einfach hier allein…“
    Axilla schaute in Richtung Fenster und hinaus. Eigentlich ein schöner Tag draußen. Ihr Blick glitt etwas tiefer und der Truhe, in der Schwert und Rüstung ihres Vaters lagen. Ein Plan begann sich in ihrem Kopf zu formen. Sie wollte nicht so lange wie ihre Mutter dahinsiechen, bis sie zu schwach war, sich gegen eine Behandlung zu wehren. Das wollte sie nicht mitmachen.


    Leander erwiderte nichts, ließ Axilla aber auch nicht allein. Er setzte sich einfach in den Korbsessel neben ihrem Bett und ließ seine Herrin vor sich hin dösen. Auch wenn sie offenkundig wohl sterben wollte, würde er sie nicht einfach so ihrem Selbst überlassen. Die Kaninchen waren ohnehin schon auf dem Weg zum Isistempel und würden dort geopfert werden. Und den Arzt würde er auch wieder vorlassen, selbst wenn seine Herrin ihn deshalb schlagen lassen würde. Auch wenn er nicht glaubte, dass Axilla eine strafe gegen einen Sklaven wegen so etwas verhängen würde.

  • Anthi kam zu seinem zweiten Krankenbesuch in die Casa Iunia. Er hoffte es würde ihr schon wieder besser gehen. Vorsorglich hatte er aber die passenden Instrumente dabei, um bei einer Verschlimmerung schon alles dabei zu haben. Die Porta war ihm schnell geöffnet worden und als Iatros war er auch schnell zu seiner Patientin geführt worden. Die Sklaven waren Griechen und somit wussten sie, dass es mit zu Hippokratischen Eid gehörte, niemandem zu schaden und schon gar nicht in dessen haus, somit brachten sie Ànthimos viel vertrauen entgegen und er hatte nicht vor dieses zu erschüttern.


    Als er dann in Axillas Cubiculum ankam, schien sie zu schlafen. Leise ging er an die Seizte ihres Bettes und beobachtete sie eingehend. Dem Sklaven hatte er ein zeichen gegeb still zu sein, denn den patienten im Schlaf zu beobachten lieferte ebenfalls wichtige Erkenntnisse über dessen Zustand. Sie schien nicht sonderlich tief zu schlafen, aber sie atmete ruhig, so das es den Anschein machte, als habe sich ihr Zustand verbessert. Nun galt es noch ihre Temperatur zu überprüfen, also legte er ihr seine Hand auf die Stirn. Würde sie davon aufwachen, wäre das ebenso ein gutes Zeichen, auch wenn sie noch deutlich wärmer war, als sie es hätte sein dürfen.

  • Als sie die kühle Hand auf ihrer Stirn fühlte, wachte Axilla sofort aus ihrem dösenden Halbschlaf auf. Ihre Sklaven berührten sie nicht einfach so ungefragt, und im ersten Moment dachte sie, Urgulania wäre hereingekommen. Doch dann erkannte sie Ánthimos und schaute ihn ganz verwirrt an. Was machte er in ihrem Cubiculum? Und wer hatte ihn reingelassen? Und warum?
    Und sie trug doch grade nur eine wirklich dünne Tunika, die Bandagen hatte sie sich abnehmen lassen. Auch wenn Leander herumgejammert hatte deswegen.
    “Ánthimos, was machst du denn hier?“
    Auf seltsame Art erinnerte sie die Situation an den Morgen, als sie aus Timos' Zimmer gekommen war, ebenfalls nur mit einer dünnen Tunika bedeckt und etwas wackelig auf den Beinen. Sie setzte sich auf, und ihr wurde schwindelig dabei, so dass sie die Augen zukniff und sich ächzend abstützte. In ihrem Kopf drehte sich noch alles und ihre Nase saß vollkommen zu. Durch das ständige durch den Mund atmen fühlte sich ihre Zunge ganz pelzig an. Und sie schmeckte nichts, absolut gar nichts. Deshalb aß sie auch nichts, das Frühstück stand noch immer unangetastet auf dem Tischchen neben dem Bett.
    Als sie richtig saß, musste sie erst einmal husten, so dass es ihren schwachen Körper richtig durchschüttelte. Es hörte sich ein wenig rasselnd an.
    “Komm lieber nicht so nahe, ich bin krank. Ich... egal.“
    Sie wollte ihn nicht damit belasten, dass sie sterben würde. Er würde es noch früh genug erfahren, wenn er es nicht ohnehin schon in ihren fiebrig glasigen Augen sah.
    “Was machst du hier? Hat Timos dich geschickt?“
    Kurz glomm so etwas wie eine kleine Hoffnung in ihr auf. Sie hatte Timos seit Anthis Hochzeit nicht mehr gesehen. Er war jetzt Strategos, wusste sie. Aber sie hatten sich nie mehr getroffen. Natürlich war das für sie beide besser, aber grade jetzt hätte sie ihn wirklich gern noch einmal gesehen und mit ihm einmal noch richtig gesprochen über alles, was gewesen war. Und es wäre ein schönes Gefühl, zu wissen, dass es jemanden gab, der einen liebte. Axilla kannte das Gefühl nicht mehr und sehnte sich danach.

  • Anthi ging zu dem kleinen Tischchen der neben dem Bett stand und goss etwas Wasser in einen Becher. Diesen reichte er Axilla. "Trink erst einmal etwas. In deinem Zustand musst du so viel wie möglich trinken." Entweder war sie wirklich noch etwas verwirrt, oder sie hatte wirklich nicht gesagt bekommen, dass er am Vortag dagewesen war.
    "Keine Angst, ich weis dass du krank bist und deswegen bin ja wieder hier. Zumal man mich sowieso nicht so leicht ansteckt. Wie dir offenbar nicht gesagt wurde war ich bereits gestern da und habe dich behandelt. Hast du nicht gewusst, dass ich Iatros bin? Ich hoffe es ist dir nicht unangenehm, dass wir uns kennen. Wie du vielleicht weist, ist es Bestandteil des Hippokratischen Eides, das hiervon nichts nach außen gelangt. Daher weis mein Bruder davon natürlich nichts. Aber sag: Wie geht es dir heute Morgen?"

  • Axilla nahm den Becher erstmal lustlos entgegen, machte aber keine Anstalten, irgendwas zu trinken. Woher wollte denn bitteschön Ánthimos wissen, was sie tun musste? Sterben konnte man auch, ohne vorher ordentlich Wasser getrunken zu haben. Doch als sie ihm dann zuhörte, blickte sie ganz verwundert auf. Er war gestern schon hier gewesen? Und er war ARZT?
    Warum nur wusste sie von all dem nichts? Ein bitterböser Blick traf Leander, der ganz geschäftig etwas auf dem Tisch aufzuräumen anfing und ansonsten so tat, als wisse er von nichts. Vor allem, hatte sie nicht gesagt, dass sie keinen Arzt sehen wollte? Hörte denn keiner auf sie?
    Andererseits passte das wieder ins Bild. Dass Silanus nun der Präfekt der Ala in Germania war, hatte sie ja auch erst aus der Acta erfahren. Wieso sollte sie also erfahren, dass Ánthimos Iatros ist? Redete ja nie jemand mit ihr und klärte sie auf. Dabei war sie gar nicht so dumm, wie alle sie hielten. Sie konnte es nur nie zeigen, was sie alles konnte, das war auch schon alles.
    Aber im Grunde war das jetzt alles sowieso unwichtig geworden. Sie hatte schlimmen Husten und Fieber, bald würde sie auch Blut spucken und nicht mehr aufstehen können. Sie wusste es.


    “Wie soll es mir schon gehen? Ich hab mich damit abgefunden, dass ich sterbe. Deshalb brauchst du dich auch eigentlich gar nicht bemühen.“
    Den Becher stellte sie unangetastet auf ihr Nachttischchen und ließ sich wieder schlapp in die Kissen zurücksinken. Ihr wäre lieber gewesen, Timos hätte ihn geschickt.
    “Dann weiß Timos gar nichts davon?“ fragte sie noch einmal nach. Sie war sich nicht sicher, ob sie das gut oder schlecht finden sollte.

  • Anthi nahm den Beser und streckte ihn ihr wieder hin. "Trink!" meinte er in einem klaren Befehlston mit einem ernsten Gesichtsausdruck. er hatte gelernt, wie man mit bockigen Patienten umzugehen hatte. Meist half das, aber im Endeffekt würde er sie natürlich nicht zwingen können.


    Aber dann konnte er nicht mehr an sich halten und musste grinsen.


    "Ich wusste gar nicht, dass du ebenfalls Iatros bist. Was denkst du denn an welcher Krankheit du leidest, wenn du demnächst zu Grabe getragen wirst? Offenbar scheinst du mehr davon zu verstehen als ich, denn ich hätte gesagt, dass ich dich in den nächsten Tagen sicher aus meiner Behandlung entlassen kann-natürlich in einem lebenden und gesunden Zustand."


    Aber dann wurde er wieder ernst. ofenbar hatte sie die Sache mit Timos noch immer nichts verdaut.


    "Nein, er weis nichts davon. Wie gesagt ich darf ihm nichts davon sagen. Und wenn ich es dürfte dann würde ich es nicht wollen." Er mochte sie zwar, aber ganz sicher nicht in der Nähe seines Bruders. Das würde nur Unheil über die Familie bringen.
    "Außerdem ist er zur Zeit sehr mit den Unruhen beschäftigt. Und wenn er mal Zeit hat, dann nehmen ihn meist meine Cousinen Emila und Berenike oder seine alte Freundin Persiphae in Anspruch."


    Er hoffte das wären jetzt genug Frauennamen gewesen um sie von seinem, in dieser Sache so schwachen, Bruder fern zu halten. Ein Kind mit einer Römerin wäre wohl momentan das Schlimmste was den Bantotaken passieren könnte.


    "Aber lass uns solche Sachen später besprechen, jetzt haben wir erstmal etwas wichtiges zu tun und jetzt gib mir bitte eine richtige Antwort: Wie fühlst du dich? Ist dir heiß oder kalt? Wie fühlen sich deine Glieder an? Fühlst du dich sehr schwach? Du hast noch Fieber, allerdings nicht so stark wie gestern."

  • Als Anthi ihr den Becher so entgegenstreckte und ihr Befahl, schaute Axilla ganz verwirrt zu ihm hoch und nahm den Becher erstmal an sich. Allerdings trank sie nicht, sie war über den Tonfall viel zu verwirrt.
    Und dann machte sich Ánthimos auch noch über sie lustig! Sie merkte, wie sie deswegen böse auf ihn wurde. Sogar sehr. Erst befahl er ihr, und dann verspottete er sie auch noch. Doch dann kam wirklich die Krönung des ganzen, als er ihr eröffnete, dass er Timos selbst dann nichts sagen würde, wenn er dürfte. Und die ganzen Frauennamen die er aufzählte machten die Sache nicht besser. Das war fast, als wollte er ihr absichtlich weh tun.
    Axilla hielt sich an dem Becher so sehr fest, dass ihre Knöchel unter der Haut weiß hervortraten und schaute Anthi trotzig an. So war das also. Er hielt sich und die seinen wohl für etwas besseres! Und sie hatte gedacht, sie hätten Freunde sein können. Axilla gab eigentlich nichts auf Gerede und war von Vorurteilen frei, aber in diesem Moment konnte sie sich nicht erwehren und musste denken, dass die Römer vielleicht doch recht hatten und die Griechen selbstverliebte Gockel waren, die ihren Stand nicht kannten. Zumindest manche von ihnen.
    Anstatt ihm zu antworten, wie sie sich fühlte – das Kopfweh nahm gerade wieder rapide zu, da ihr Blutdruck und damit ihr Fieber gestiegen waren – warf sie ihm mit einer trotzigen Bewegung den Becher zielsicher gegen die Brust. Zugegeben ein nahes und breites Ziel, und eigentlich hatte sie auf seinen Kopf gezielt, aber es gab ihr ein wenig trotzige Genugtuung, ihn überhaupt getroffen zu haben.
    Sie war wütend, und wie schon einmal, wenn sie wütend war, überlegte sie gar nicht erst lange, sondern schrie einfach das heraus, was ihr in den Sinn kam. Oder sie versuchte es, mit der verstopften Nase und dem Husten war es mehr ein heiseres Japsen, immer wieder durchbrochen von Hustenattacken.
    “Behandel mich nicht wie ein Kind! Ich bin eine erwachsene Frau, und ich verlange Respekt! Hältst du dich denn für was Besseres, dass du mir sowas sagen darfst? Dein Bruder ist auch erwachsen, der kann auch für sich selbst entscheiden, was er möchte. Du bist der jüngere!
    Ich hab gedacht, dass wir vielleicht nicht Freunde sind, aber dass du mich wenigstens ein bisschen magst. Aber du machst dich nur lustig über mich. Reicht es dir nicht, dass ich sterbe? Musst du mich auch noch demütigen? Ich wollt doch nur ein bisschen Hoffnung, dass ich Timos nicht egal bin, und du…
    Wieso ich denke, dass ich sterbe? Ich weiß es! Mutter war jahrelang krank, hatte jahrelang diesen Husten und Fieber! Und auch da ist ein Arzt gekommen und hat gesagt, in einer Woche sei sie wieder gesund, wenn sie nur dieses Mittel nehme und an jenen Gott opfern würde. Und? Sie wurde nicht gesund, sie wurde nur immer kränker und kränker und egal, wie viel ich geopfert habe, egal wie sehr ich mich gekümmert hab, sie ist tot! Und ich will nicht auch jahrelang vor mich hinvegetieren, bis ich nur noch ein Schatten bin!“

    Axillas Lunge brannte von der vielen Anstrengung und sie musste so sehr husten, dass sie sich auf die Seite rollen musste und sich den Bauch hielt. Sie fühlte sich ganz schrecklich, aber vor allem fühlte sie sich im Moment wieder so einsam wie schon seit langem nicht mehr.

  • Axilla schrie herum. Anthi wäre wohl sichtlich überrascht, gar perplex, gewesen, wenn er so etwas nicht schon bei ihr erlebt hätte. So war er zwar auch überrascht, konnte aber seine ruhige Miene behalten.


    "Ich weis sehr wohl, dass du kein Kind bist. Aber du bist eine Patientin und es ist nur zu deinem Besten, wenn du auf mich hörst! Das hat nichts mit besser oder schlechter zu tun, sondern mit Wissen. Ich habe bei den besten Lehrern des Museions und bei einem Priester der Isis gelernt, und deswegen halte ich mich für etwas Besseres, wenn es darum geht dir zu sagen, welche Krankheit dich befallen hat, und welche Schritte zur Behandlung anzuwenden sind."


    Seine Stimme war gefasst und bar jeder Wut. Axilla gelang es nicht ihn auf die Palme zu bringen, dafür nahm er sie einfach nicht ernst genug. Sie mochte sich zwar für eine Frau halten und körperlich mochte das auch stimmen, aber ihr Ausbruch zeigte genau das Gegenteil. Einer richtigen Frau wäre so etwas nicht passiert. Dazu kam dann noch das Fieber als entschuldigender Faktor, zumal er mit ihrer Mutter offenbar einen wunden Punkt getroffen hatte.


    "Entschuldige, dass ich mich lustig gemacht habe. Das mit deiner Mutter wusste ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass du nicht an derselben Krankheit leidest wie sie. So wie du es beschreibst, wird sie wohl an einer Dyskrasie ds Blutes in der Lunge geltten haben. Sei aber unbesorgt, du hast diese schwere Krankheit ganz sicher nicht. Es mag dir wieder ein wenig arrogant erscheinen, aber Patienten sind die schlechtesten Ärzte, so wie Ärzte auch die schlimmsten Patienten sind aber das tut hier nichts zur Sache, und du solltest dich bei Krankheiten an Sokrates' Ausspruch: Ich weis dass ich nichts weiss halten, solange du kein anerkannter Iatros bist. Ich verspreche dir, dass du in einer Woche wieder gesund bist. Vertraue mir."


    Er wusste, das man sich als Arzt normal keine Prognosen leisten durfte, aber er wollte ihr diese Todesangst nehmen, denn sie war deutlich schlimmer als eine normale Wehleidigkeit und konnte vielleicht sogar gefährlich werden. Aber dann wurde sein Gesicht ernst und angespannt. Zuerst bekam Axilla Sklave einen beinahe tötlichen Blick ab, aber dann entspannten sich Anthis Gesichtszüge wieder ein wenig.


    "Und was meinen Bruder betrifft, weis ich nicht ob er noch etwas für dich empfindet oder ob du ihn interessierst. Ich für meinen Teil hoffe nicht, denn eure Affäre hat nicht nur euch in große Gefahr gebracht, sondern auch meine Frau, Ilias und mich. Und nun würde auch noch unser Kind dazu kommen. Überleg mal was passiert wäre, wenn du schwanger geworden wärest und das auch noch gerade jetzt, wo die Stadt von Unruhen erschüttert wird? Timos hätte gute Chancen gehabt am Kreuz zu enden und wir gleich mit ihm. Dein Vetter hätte sich sicher nicht über eine solche Nachricht gefreut. Und ist er nicht Soldat? Sicher hatte sich der Legionärspräfekt gefreut zwei Prytanen als Exempel ans Kreuz schlagen zu können, und ihre Familien gleich mit. Du musst mir also verzeihen, dass ich froh wäre wenn ihr beide euch nie wieder über den Weg lauft, denn wenn ihr euch seht schwebt jedes mal ein Damoklesschwert über meiner Familie und ich habe keinen Einfluss darauf. Ich hoffe du kannst das verstehen. Mir bleibt nichts anderes übrig als an euch beide zu appellieren das sein zu lassen. Trotz alledem schätze ich dich als meine Freundin und trage dir den Ausrutscher mit meinem Bruder nicht nach. Und wenn du gedacht hasst, dass wir Freunde sind, kann ich das von meiner Seite aus nur mit einem JA beantworten."


    Er wusste nicht, was er jetzt sagen sollte, denn er hatte eigentlich nicht vorgehabt ihr das so hart zu sagen. Aber so war es nunmal und irgendwie musste sie das verstehen, wenn ihr Geist nicht zu sehr vom Fieber getrübt war.


    "Und jetzt musst du aber wirklich etwas trinken. Du solltest deinem Körper nichts vorenthalten, was er braucht."

  • Die ganze Zeit Zeit über war Axilla auf der Seite liegen geblieben, Anthi die kalte Schulter wortwörtlich zugewandt, und hatte nur immer wieder gehustet. Ansonsten hatte ihr Gesicht einen verbissenen und trotzigen Ausdruck, während sie sich in Schonhaltung einigelte.
    Leander, der heute wohl einen sehr schlechten tag hatte, versuchte einmal, sie aus ihrer Lethargie zu holen, indem er sich so vor ihr Bett kniete, dass ihr Blick auf ihn fiel. Aber sie starrte ihn nur bitterböse an.
    “Geh, und nimm auch die anderen mit…“ kam der ungewohnt hart klingende Befehl über Axillas Lippen, und Leander nickte nur stumm und gab auch den anderen Sklaven Zeichen, sie sollten sich mit ihm zurückziehen.
    Axilla wartete, bis sie das Geräusch der Türe hörte, ehe sie sich leicht umdrehte und auch Ánthimos mit eben jenem Blick bedachte, der wohl tödlicher nicht hätte sein können.
    “Mein Vetter… mein toller Vetter… ja, ganz toller Vetter. Was weißt du denn schon von meiner Familie? Oder von mir? Hm?“
    Axilla war einfach nur wütend, auf alles und jeden, aber vor allem auf diesen Griechen hier, der scheinbar alles besser wusste und doch absolut gar nichts wusste. Sie sollte ihm die Diagnose über ihren Zustand überlassen? Wie sollte er da irgendetwas fassen, wo er doch ihr Wesen niemals fassen konnte? Wie wollte er da wissen, was ihr Körper brauchte, Museion hin oder her?
    “Du weißt gar nichts von mir, Ánthimos.“
    Es war nicht einmal böse gesprochen, es war eine ganz nüchterne Feststellung. Axilla ließ sich wieder in die Kissen zurücksinken, hielt sich dabei hustend die Rippen, die ihr bei jedem Keuchen zu bersten schienen. Sie blickte Anthi einfach an mit einem Blick, der irgendwo zwischen Resignation, Zorn und Trotz lag. Sie war es leid, die fröhliche Maske aufzusetzen und so zu tun, als wäre nichts und als wäre die Welt in Ordnung. Sie war es so leid, ihr Leid nicht zu zeigen. Sie würde sterben, egal was er auch meinte, da hatte es keinen Sinn, jetzt tapfer zu lächeln.
    “Mein Körper braucht gar nichts, höchstens ein Gift, damit er nicht so leiden muss.“
    Sie sah kurz zu Anthi auf, und der Blick ihrer Augen veränderte sich leicht. Als Arzt hatte er Zugang zu Gift und hätte ihr wohl ein schmerzloses geben können. Aber sicher würde er das nicht tun. Ihre Stimme wurde langsam, fast leiernd, und sehr ruhig.
    “Und zu Timos… hab ich dir je Grund gegeben, mir nicht zu trauen? War ich unehrlich oder treulos? Es ist nun wie lange her? Ein halbes Jahr? Hast du irgendwelche Klagen gehört? Auch nur eine kleine?
    Axillas Blick glitt zum Fenster und von dort in den Garten.
    “Du bist ungerecht, Ánthimos. Dein Bruder hat mich mitgenommen, nicht ich ihn, und ich habe alles getan, ihn zu schützen danach. Und trotzdem behandelst du mich, als wolle ich euch etwas antun.
    Wusstest du, dass Urgulania befürchtet, Terentius Cyprianus könnte mir etwas antun, um sich an ihr zu rächen? Weil wir Iunier so gut mit den Griechen zusammen wirken? Und doch meinst du, ich könnte ihm etwas verraten?“

    Ihre Gedanken drehten sich immer mehr, weshalb sie vom hundertsten ins Tausendste kam, ohne dass es wirklich flüssige Übergänge gegeben hätte. Und ihr Kopf dröhnte so sehr vom Fieber, dass Axilla nur die Augen schloss, als könne sie den Schmerz damit mit aussperren.
    Am liebsten wollte sie alles aussperren. Sie fühlte sich so unendlich einsam, da war es nur eine Frage der Ordnung, auch allein sein zu wollen. Allein war die Einsamkeit besser zu ertragen, fand Axilla.

  • Anthi blieb weiterhin ruhig.


    "Ich muss im Moment auch nur von dir wissen, welche Krankheit du hast und wie ich sie heilen kann. Und da ich beides weis, wirst du schon bald wieder gesund werden und auch ohne Gift nicht allzu lange leiden. Im Übrigen wäre es mir auch nicht gestattet dir ein Gift zu verabreichen."


    Also entweder war sie verweichlichste Patientin die er je gehabt hatte, oder sie glaubte wirklich, dass sie bald sterben würde.


    "Ich glaube dir gerne, dass du Angst hast, aber ich bin mir bei meiner Diagnose sicher und werde darüber auch nicht weiter diskutieren. Dass du an meiner Fachkenntnis gezweifelt hast, werden ich dir nachsehen, da du noch Fieber hast."


    Ihn mit einem rhomäischen Zahnbrecher zu vergleichen war ja schon beinahe ungeheurlich. Schließlich war er ein iatros des Museions und nicht so ein dahergelaufener hispanischer Quacksalber!


    "Und den rest sollten wir in Ruhe besprechen, wenn es dir wieder etwas besser geht. Nur soviel: Es tut mir leid, wenn du dich deswegen aufgeregt hast und nein, ich habe keinen Grund dir nicht zu trauen. Aber ich habe auch nie gesagt, dass ich dir nicht traue."


    Womit er eigentlich sagte, dass er Timos in dieser Sache nicht traute, auch wenn ihm das nicht über die Lippen kam.


    "Das mit Cyprianus verwundert mich schon sehr, allerdings sollten wir auch das erst besprechen, wenn es dir wieder besser geht. Ich bin als Iatros hier und da habe ich darauf zu achten, dass ich mich auch nur Dingen widme, die deine Gesundung unterstützen."


    Es hätte gar nicht so weit kommen dürfen. Er war naiv und ungeschickt gewesen.

  • Ach, er hörte einfach nicht zu. Warum nur glaubte er ihr nicht einfach und ließ sie in Würde sterben? Dann wäre wenigstens alles vorbei und sie würde niemandem mehr Schwierigkeiten bereiten. Und der Fluch wäre auch vorüber, so dass die Männer, die sie liebte, nicht mehr flüchten oder sterben mussten.
    Axilla seufzte und drehte den Kopf wieder von Anthi weg, um vor sich hin zu starren. Ihr Blick war fiebrig leer und irgendwie, als hätte sie aufgegeben. Nicht so lebenssprühend wie sonst.
    “Ich brauch aber jetzt keinen Arzt. Ich brauch einen Freund, der für mich ein Opfer bringt, damit Pluto mich gnädig aufnimmt, und sonst nichts.“
    Ja, Axilla brauchte eigentlich wirklich einen Freund. Sie vermisste Rufus im Moment sehr. Sie hätte sich wirklich gerne noch mit ihm unterhalten, einfach so. Und sie vermisste Umarmungen und kleine Gesten, die für die meisten so selbstverständlich waren.
    Und nicht zuletzt vermisste sie auch noch Dinge, die sie nicht vermissen sollte. Seit einem halben Jahr hatte kein Mann sie mehr zärtlich berührt, und Axilla hätte nie gedacht, dass ihr das so fehlen könnte, aber das tat es. Vielleicht war es wirklich besser, wenn sie da Timos nichtmehr wiedersah, ehe sie starb. Der konnte sich wahrscheinlich ohnehin etwas schöneres vorstellen, als mit einer Frau zu schlafen, die schon halbtot war.


    Axilla schaute wieder zu Ánthimos zurück, der nicht so aussah, als würde er einfach so aufgeben und damit zugeben, dass er vielleicht doch unrecht hatte. Erschöpft atmete sie einmal seufzend und sah ihn einfach nur fast mitleidig an. Eigentlich wollte sie ja nicht, dass er am Ende noch deshalb enttäuscht war, aber das würde er wohl sein.
    “Ich kann dich aber wohl nicht davon abbringen, Arzt zu sein, oder? Was soll das ganze den kosten, was du mit mir machen willst?“
    Wenn sie ihm einfach sagte, dass sie ihm nichts zahlte, vielleicht ließ er sie dann sterben und hörte auf damit, ihr zu sagen, dass er sie heilen könnte.

  • Axilla sah aus wie das Leiden Christi, auch wenn Anthi mit dieser Religion eigentlich nichts zu tun hatte. Sie wollte schon ein Opfer haben, dabei hatte sie nur eine Erkältung.

    "Nun, wenn du unbedingt opfern möchtest, dann doch wohl besser an Isis oder Asklepios. Aber auch das wird es nicht nötig haben. so wie du heute ausschaust, wirst du ihre hilfe nicht wirklich benötigen. höchstens ein Dankesopfer wäre angebracht, dass deine krankheit nicht so schlimm ist, wie du offenbar immernoch glaubst."


    Immer diese Frage nach dem Preis! egentlich war es ihm gar nicht Recht geld dafür zu nehmen. Aber offenbar schien das die leute anzuspornen ihm noch mehr zu bezahlen. Alleine Flavius Furianus hatte ihm ein Vermögen bezahlt ujnd normal müsste er jetzt einige Jahre kostenlos Patienten behandeln. Wobei er gerade bei armen patienten, besonders bei welchen aus Rhakotis, kein Geld nahm. Aber sicher wollte auch Axilla etwas bezahlen.

    "Die Salbe kostet 10 Drachmen. Ich weis das ist nicht billig, aber der balsam aus Tylus ist leider sehr sehr teuer. Außerdem sind die Kräuter von sehr guter Qualität."


    Vielleicht konnte er sie ja wirklich mit den bloßen Materialkosten abspeisen.

  • Würde das ihre Kopfschmerzen nicht so sehr verschlimmern, hätte Axilla bei Anthis Worten die Augen verdreht. Er hörte ihr absolut nicht zu und war sturer als jeder Esel.
    “Als ob sich die Götter auch nur ein wenig darum scheren, wer ihnen was opfert und was er dafür von ihnen will. Vor allem die beiden, die immer versprechen und versprechen und so wenig halten.
    Nein, der ganze verlogene Haufen kann mir gestohlen bleiben. Ich opfere ihnen nichts. Wenn sie sich nicht an Verträge halten, warum sollte ich?“

    Dass ihre zugegebenermaßen nicht sehr hohe Meinung über Götter eigentlich nichts war, worüber man sprechen sollte, kam Axilla nicht in den sinn. Sie dämmerte schon wieder in einen fiebrigen Halbschlaf hinüber und der Kopfschmerz machte sie unempfänglich für milde Worte und diplomatische Formulierungen – sofern sie sich derer im gesunden Zustand je bemächtigte.


    “Von 10 Drachmen kann sich eine Familie eine Woche lang Brot kaufen. Das zahl ich nicht.“
    So, und jetzt würde er sie hoffentlich endlich in Ruhe sterben lassen. So fies wollte Axilla ja eigentlich gar nicht sein, aber sie hatte schon so viel Leid für sich behalten, bei dieser Sache konnten mal ein paar andere ruhig mit ihr mitleiden. Und sie war ohnehin davon überzeugt, dass Ánthimos sie nicht leiden mochte, nach dem, was er ihr alles vor wenigen Augenblicken noch gesagt hatte.

  • Axilla kratzte stark an seiner Selbstbeherrschung und wäre sie nicht Axilla gewesen, hätte es jetzt ordentlichen Ärger gegeben. Nicht wegen dem Geld, denn Geld hatte Anthi noch nie etwas bedeutet, sondern wegen ihrer offenen gotteslästerlichen Worte. Wo die Götter doch meist sehr gute Ohren hatten-zumindest glaubte Anthi das.


    "Nun ich habe den Göttern viel zu verdanken und daher kann ich deine Sichtweise da ganz und gar nicht leiden. Wenn du so weitermachst, werden sie dich noch mit schlimmeren Dingen strafen als einer Erkältung. Mal ganz davon abgesehen, dass die Götter keine Handelpartner sind. Hoffentlich siehst du geschäftliche Verträge da mit anderen Augen, oder muss ich mir da Gedanken machen?"


    Sie schien zwar heute gegen Humor und etwas Spott völluig immun zu sein, aber einen Versuch war es wert. Aber die Leune spielte bei einem Patienten ja sowieso keine Rolle. Und um Geld würde er ganz sicher nicht mit ihr feilschen.


    "Gut, dann werde ich kein Geld von dir nehmen. Such dir eine oder mehrere Familien aus und gebe ihnen so viel Brot wie du für angemessen hältst, als Bezahlung für meine Dienste. Ich will das auch gar nicht wissen, mach das mit dir selbst aus. Und jetzt zieh dein Oberteil aus, ich muss dich abhören. Und komm mir jetzt nicht damit, dass du dich nicht ausziehen willst. Als Iatros bin ich nur an deiner Gesundung interessiert und sei versichert, dass ich sowas jeden Tag sehe und keinerlei amourösen Ambitionen hege. Außerdem wird sich da seit gestern sicher nichts verändert haben."


    Langsam wurde er ein wenig ungehalten, hatte er doch wahrlich besseres zu tun, als seine Zeit mit einer unwilligen Patientin zu verschwenden. Er musste noch in die Agora und ins Gymnasium zum Trainieren und zu einer Hydro-Behandlung.

  • “Na, was denn sonst?“ meinte Axilla ehrlich verwirrt auf Anthis Einwurf, Götter seien keine Handelspartner. Was sollten sie denn sonst bitte sein? Immerhin hatte der römische Staat sogar einen Vertrag mit den Göttern geschlossen, und nun besänftigte vor allem der Kaiser die Gottheiten durch die korrekte Abfolge der Feiertage mit dem ganzen Brimborium drumherum. Die Römer ehrten und opferten den Göttern, und diese hielten dafür den göttlichen Frieden und ließen dem Staat nicht ihren göttlichen Zorn zuteil werden. In Axillas Augen – und auch denen vieler anderer Römer – war das ein rein logisches Geschäft. Man musste nicht hingebungsvoll Gebete plärren und sich einer Gottheit ganz verschreiben, das war vollkommen unwichtig. Solange man die Rituale nur richtig vollzog, war alles in Ordnung. Man musste noch nicht einmal an den Gott besonders glauben, dem man opferte, das war überhaupt nicht nötig.
    So schaute Axilla reichlich verwirrt zu Anthimos. Die meisten griechischen Philosophen schlugen eher den Weg ein, beweisen zu wollen, dass die Götter gar nicht existierten oder nur als kosmische Phänomene und nicht in ihrer vielfachen Gestalt. Axilla bezweifelte ja nichtmal die Existenz der Götter, für sie waren die Götter sehr wohl existent. Sie bezweifelte nur die Nützlichkeit der Rituale.
    Aber Ánthimos war wohl ein Eiferer. So wie er sich gab, war er das wohl ganz bestimmt. Axilla wusste nicht, ob sie ihn beneiden oder bemitleiden sollte. Ihr fehlte jedes Gefühl für religiöse Hingabe vollkommen. Als Kind hatte sie es einst besessen, aber das war schon lange her. Sie erinnerte sich nicht einmal mehr richtig daran, wie es gewesen war.
    “Du bist doch wohl nicht abergläubisch?“
    Diese kleine Stichelei konnte sie sich jetzt trotzdem nicht verkneifen. Nachdem er so gemein zu ihr wegen Timos war, musste er das jetzt abkönnen. Einen Kommentar, dass die Christen diesen aufopferungsvollen Glauben an ihre Gottheit predigten, verkniff sie sich aber dann doch noch im letzten Moment.


    Und dann wollte er, dass sie sich auszog, machte sie auch noch ganz dezent darauf aufmerksam, dass er sie schon nackt gesehen hatte und absolut kein Interesse an ihr hatte. Jetzt schmollte Axilla wirklich und stieß ein beleidigtes Schmollen aus. Demontrativ wandte sie ihm die kalte Schulter zu.
    Da konnte er ja gleich sagen, er fand sie hässlich. Das kränkte Axilla nun wirklich. Nicht, dass es ihr lieber gewesen wäre, wenn er sie am liebsten ins Bett gedrückt hätte, aber so waren seine Worte für sie sehr beleidigend.
    Erst hatte Rufus sie schon abgewiesen, von dem sie wusste, dass er sie hübsch fand, und nun kam Ánthimos an und sagte ihr mehr oder minder, dass sie sexuell absolut reizlos war. Sehr schön. Konnte er doch ihren – wohlgemerkt noch immer in einer Tunika steckenden – Rücken untersuchen, wenn er lustig war. Sie würde nicht mehr mit ihm reden. Jetzt schmollte sie.

  • "Ich denke nicht, dass mein Verhältnis zu den Göttern irgend etwas mit meiner Befähigung als Iatros zu tun hat" antwortete er nur kühl auf ihre Frage. Natürlich war er abergläubig, also zumindest mochten das viele andere so sehen. Aber er war auch ein Priester des Apoll und der Musen und Aberglube implizierte dass man an etwas glaubte das es nicht gab und demnach war für ihn klar, dass er ganz und gar nicht abergläubig war.


    "Hör zu Axilla. Ich bin hier um dich zu behandeln. Wenn du das ganz und gar nicht willst, dann sag es, dann kann ich meine Zeit sinnvoller bestreiten als deinen Rücken anzuschauen. Wenn du willst dass ich die Behandlung abbrechen soll, dann sag es und dann gehe ich einfach. Allerdings muss ich dann, um mich abzusichern, deine Cousine Urgulania einweihen, dass ich auf deinen Wunsch die Behandlung abbreche, denn ich möchte nicht dafür belangt werden, wenn sich dein Zustand dann wegen mangelnder Behandlung verschlechtert. Schließlich habe ich geschworen allen zu helfen, die gesundheitlich angeschlagen sind."


    Er hatte die Faxen jetzt endgültig dicke. Eigentlich gab es ein ganz klares verhältnis zwischen Arzt und Patient und wenn eine Partei ihren Part ganz und gar nicht erfüllte, machte es die Behandlung unmöglich. Es sei denn man würde Zwang anwenden und dafür war eine Erkältung eben einfach nicht schlimm genug.

  • Abergläubig und empfindlich. Erst stellte er sie aufgrund ihres Glaubens als Vertragspartner in Frage, aber wenn sie den Spieß auch nur ein wenig umdrehte, war er eingeschnappt. Würde es ihren Kopf nicht zum Bersten bringen, Axilla hätte den Kopf geschüttelt.
    Und dann wurde er nur immer noch beleidigender. Er hatte also was besseres zu tun? Fein. Er würde Urgulania petzen gehen? Auch fein. Aber den Teil mit der Haftung verstand sie nicht ganz. Seit wann haftete ein Arzt für die Behandlung? Das wär ja ganz was neues. Es starben jeden Tag hunderte, weil der Arzt etwas neues ausprobierte, und kein Hahn krähte danach. Wer sollte ihn denn dafür haftbar machen? Wer sollte ihn anklagen? Und weswegen denn? Weil er ihr helfen wollte und es nicht geklappt hatte? Das war ja nicht so, als würde er ihr einen Dolch zwischen die Rippen jagen.
    Manchmal hatte Anthi schon verrückte Einfälle.


    “Helfen… Hast du auch geschworen, alle zu beleidigen, nur weil du sie nicht leiden kannst?“ Sie schnaubte einmal, noch immer beleidigt von der Art und Weise, wie er sie schon die ganze Zeit behandelte. Er hatte nicht den mindesten Respekt für sie, und das war etwas, mit dem Axilla nicht umgehen konnte. Schon gar nicht, wenn ihr alles weh tat und sie sich nicht richtig wehren konnte.
    “Mach, was du willst…“ meinte sie noch ohne ihn anzusehen. Ihr war es wirklich egal. Sollte er es doch Urgulania petzen, dass sie nicht alles getan hatte, was er wollte, wenn er meinte.

  • Nun wusste Anthi auch nicht weiter. Was hatte sie nur? Hatte er ihr irgend etwas angetan? Auf jeden Fall wusste er eines: Eine weitere Behandlung würde keinen Sinn haben, auch weil sie auf seine kleine List nicht hereingefallen war.


    "Wie du wünschst. Wenn du deine Meinung ändern solltest, weißt du wo du oder deine Sklaven mich finden."


    Er nickte ihr noch einmal zu und entfernte sich dann. Als er aus der Tür kam, lief ihm der Sklave Leander noch über den Weg. Er drückte ihm den Tiegel mit der Salbe in die Hand und meinte:


    "Reibt sie damit zwei Mal am Tag ein. Dann müsste sie bald wieder gesund sein. Sie leht meine Behandlung ab, also müsst ihr das halt machen. Falls es noch etwas gibt, findet ihr mich im Haus der Ärzte oder im Megaro Bantotakia."


    Ohne auf eine Antwort zu warten machte er sich auf den Weg und verließ wie an einer Schnur gezogen das Haus der Iunier: Hier hatte er für heute genug Zeit verschwendet.

  • Ein Brief war gekommen aus Germania. Zunächst hatte Axilla noch geglaubt, dass Rufus ihr wieder zurückgeschrieben hätte, allerdings hatte sie dann das Siegel gesehen mit dem Blitz der Iunier. Er war von Silanus.
    Aufgeregt war sie damit in ihr Schlafzimmer gelaufen und hatte sich aufs Bett gelegt. Es dauerte eine Weile, bis sie sich traute, das Wachssiegel wirklich zu zerbrechen. Sie hatte sich schon damit abgefunden gehabt, nie mehr von ihm zu hören, in der festen Überzeugung, er wäre ihr auf ewig böse und gram. Aber da war nun der Brief, er hatte geschrieben. Vielleicht verstieß er sie auch aus der gens, aber er hatte ihr geschrieben.


    Ganz vorsichtig brach Axilla das Siegelwachs auf und entrollte das Papyrus. Ihre Augen flogen nur so über die Zeilen. Er entschuldigte sich, es war keine Absicht gewesen, schrieb er. Vielleicht war er ja doch gar nicht so wütend mit ihr?
    Doch dann kamen ein paar Merkwürdigkeiten. Verwandte aus Achaia. Ahja. Und wieso sollte Silanus sie mit nach Germania nehmen? Axilla hatte noch nicht einmal gewusst, dass sie da überhaupt Verwandte hatte. Das musste ja dann wirklich sehr weit verwandt sein.
    Und dann schrieb Silanus was von einer Aufnahme in die Gens. Nun, natürlich durfte er sowas machen, und Axilla hatte auch bestimmt nichts gegen Peregrini. Aber bei dem Namen runzelte sie doch etwas die Stirn. Warum bei allen Namen hatte er sich Brutus genannt? Wenn sie es sich selbst aussuchen durfte, würde sie sich sicher nicht „Dummkopf“ rufen lassen wollen. Und es gab ja nun schon zwei sehr berühmte Iunii Bruti, die beide auf ihre Art und Weise unsterblich in der Geschichte wurden, beidesmal durch das Blut eines anderen. Axilla wusste nicht so recht, ob ihr das wirklich gefallen sollte.


    Der nächste Abschnitt war eher etwas langweilig. Sie sollte opfern für jemanden, den sie nicht kannte. Da hatte Axilla eine bessere Idee, die sie auch umsetzen würde. Opfern war nicht ihre Sache, und wenn der Kerl durch Ägypten gekommen war und nichtmal hallo gesagt hatte, würde sie das auf ihre Art in die Hand nehmen.


    Dann schließlich kam der letzte Absatz, und jetzt wurde Axilla doch ziemlich komisch zumute. Frieden mit den Göttern finden deswegen… oha. Das war etwas, über das Axilla noch nichtmal so wirklich nachdenken wollte. Sie legte den Brief beiseite und drehte sich auf den Rücken, starrte hoch zur Decke.
    Irgendwie ein seltsames Gefühl, dass es nun so geendet hatte. Irgendwie so… leer.


    Nach einer Weile kam Leander in das Zimmer herein, ohne irgendeine besondere Aufgabe zu haben. Axilla war ihm ja irgendwie dankbar, dass er in regelmäßigen Abständen einfach mal nach ihr schaute. Aber er war auch der einzige, der das durfte.
    Und sie brauchte Ablenkung. Also schickte sie ihn gleich wieder los, ihr ihr Schreibzeug zu holen. Sie würde einen Brief schreiben, um sich abzulenken.

  • Axilla schob die Tür zu ihrem Schlafzimmer mit ihrem Hintern auf, denn direkt vor der Tür hatte sie das dringende Bedürfnis übermannt, Archias noch einmal an sich zu ziehen und zu küssen, als würde sie sonst vor Leidenschaft verbrennen. Sie zog ihn mit sich hinein und hoffte nur, dass er die Tür schon zumachen würde, denn ihre Hände waren bereits damit beschäftigt, seinen Gürtel irgendwie zu öffnen.
    Im Moment war Axilla weit entfernt davon, irgendwelche Bedenken noch zu haben. Später würde sie sich wahrscheinlich bis zur Unendlichkeit dafür schämen, all die guten Vorsätze so einfach über Bord geworfen zu haben, aber im Moment war ihr einziges Problem, dass sie viel zu erregt war, um den Gürtel einfach öffnen zu können.

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