Im Gepäck eine lederne Transportbox für Schriftrollen, angefüllt mit einem bereits etwas älteren Exemplar Apollonios von Rhodos' Argonautica, beiliegend ein Brief von M.F.G. an M.F.G.M., zudem ein Brief von M.F.G. an M.F.A. in einer Tasche bei sich tragend, erreichte ein Bote aus flavischem Hause das flavische Haus. Über den Hintereingang verschaffte er sich Zutritt und übergab, ehedem er sich zur Stärkung in 'Mama' Cungahs Arme in die Küche begab, die Rollen einem Sklaven mit der Weisung, dem jungen Manius Gracchus das Präsent seines Vaters zu bringen, einem anderen dagegen den Brief für Flavius Aristides, um eben diesem jenen zu überreichen.
Manius Flavius Gracchus Minor, Villa Flavia Felix, Roma, Italia
Mein Sohn!
Aus der Ferne schreibe ich dir heute, obgleich nichts es zu berichten gibt, doch fand sich in den Mauern dieses mir einst und nun wieder als Heim dienenden Hauses ein kleiner Schatz, welcher aus meinem Besitze in den deinen soll übergehen, denn unbezweifelt wird er auch dir zu jenem Wohlgefallen gereichen, zu welchem einst - als etwa in deinem Alter ich war - er mein Gemüt zu erhöhen wusste, und - wie ich durchaus muss eingestehen - noch immer zu erhöhen weiß. Wohl hast du bereits gelernt, dass in Achaia die Wurzeln unseres Volkes liegen, dass einst von Hand der Götter geführt Anaeas die ihm vertrauten Gestade verließ und sein Heil an den Küsten Italias fand. Obgleich wir Römer längst alle Völker der Welt überflügelt haben, so haftet doch Achaia noch immer der Hauch von Wissen und Weisheit an, von Gelehrigkeit und Gelehrsamkeit, von großen Ideen und Gedanken - und von Abenteuern, von Helden und Heroen, Götterssöhnen und Amazonen, gar der Götter selbst, welche dissimilär zu den unsrigen nicht nur Gestalt verleihen Prinzipien und Ideen, sondern ein ausgefülltes Leben führen wie das Menschengeschlecht gar selbst. Die argonautica erzählt von einem dieser großen Abenteuer, von zahllosen Helden, von Ungeheuern und Gefahren, einer kühnen Reise, und obgleich kaum einer deiner paedagogi sie als Lehrstück dir wird antragen, so soll dennoch - oder gerade ob dessen - sie dir zur Freude gereichen, zu Kompensation der manches mal dröge und fade wirkenden Studien, denn wiewohl du stets dir gewahr sollst sein dessen, dass die Welt in dir sieht, was deine Herkunft gebietet, so darfst niemals du darauf vergessen, dass in dir ein Mensch schlummert, welcher verdient, manches mal auf sein Sehnen Rücksicht zu nehmen.
Dir und deiner Mutter jederzeit Wohlbefinden und die Gunst der Götter!
Dein Vater,
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Marcus Flavius Aristides, Villa Flavia Felix, Roma, Italia
Gruß und Heil dir, Vetter in der Ferne, Wahrer flavischer Pflichten in Rom!
Schon neigt sich das Amtsjahr dem Ende zu, und ich hoffe, es wird dir nicht allzu viel Gram bereitet haben. Hier in Achaia ist nicht viel zu hören über den Cursus Honorum, doch schätze ich dies als gutes Zeichen, interessiert doch fern Roms oftmals mehr die Schmach und Verfehlung eines Amtsträgers denn seine Verdienste, indes bin ich sicher, du wirst deine Pflichten mit Bravour und Eifer gemeistert haben wie stets, sobald erst eine Aufgabe die deine ist.
Die Tage hier sind ohne Ereignisse weiterhin träge, monoton und trist, mehr noch, da meine Gedanken beständig um Rom kreisen, um die Geschicke der Familie und um das Wohl meines Sohnes. Ob dessen, da doch Neuigkeiten von hier es nicht zu vermelden gibt, nurmehr das übliche Lamento, dessen jedoch ich dich will verschonen, gestatte mir nach diesen wenigen Worten bereits wieder zu schließen. So grüße mir die Familie und Rom, behalte meinen Sohn und meine Gemahlin bitte ein wenig im Auge und mich in Gedanken, und genieße die Zeit der Anerkennung und lobenden Worte nach deiner Amtszeit!
Mögen die Götter stets dich und die deinen mit ihrer Gunst beschenken!
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