Die kleine Sklavin erreichte das Atrium. Dort bot sie dem Besucher einen Stuhl an der zu einer Sitzgruppe und einem kleinen Tisch gehörte. "Bitte einen Moment, ich hole den dominus!"
Bevor das Mädchen zu Arsitides cubiculum eilte, servierte sie dem Besucher noch eine Erfrischung. Bei der herrschenden Hitze ein Muss! Dann verließ sie das Atrium und überließ den Besucher sich selbst, doch nur für kurze Zeit.
Atrium | spes est, quae pascat amorem... - Decimus Serapio et Flavius Aristides
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Grauer Rauch stieg von dem kleinen Altar auf, vor dem Marcus kniete und an ihm etwas von dem Weihrauch, dem ihm ein Sklave noch am selbigen Tag erworben hatte, verbrannte. Rot glühend glomm es in der kleinen Schale, die von innen ganz verrußt war und – vielleicht im Kontrast zu der sonstigen Pracht der villa – mehr schlicht war. Das tägliche Gebet – insbesondere seinen inbrünstigem Wunsch, seinem Bein möge doch eine Wunderheilung wiederfahren – hatte er gerade hinter sich gebracht. Das Leuchten des schwachen Feuers schimmerte auf dem sonst mit Schatten verdeckten Gesicht von Marcus als er leise Schritte hinter sich vernahm, doch Marcus rührte sich nicht, er betrachtete den aufsteigenden Rauch, der seine Worte zu den Göttern tragen sollte, den Wesen, die über Glück und Unglück, über Freude und Leid im Leben eines Menschen entscheiden konnten. Erst nach einem längeren Moment löste er seine Augen von dem roten Schimmern und sah zu zu dem Mädchen, das verlegen und still hinter ihm verharrte.
„Ja?“
Piepsig war die Stimme des Mädchens, vielleicht der Schüchternheit wegen.
„Besuch für Dich, Herr, Decimus Serapio, Herr. Er wartet im atrium!“
Eine verwunderte Falte erschien zwischen Marcus' Augenbrauen, er nickte marginal und entließ das Mädchen mit einem Handwinken. Das rote Glimmen erlosch in der eisernen Pfanne und der Rauch löste sich in der Dunkelheit auf, Marcus erhob sich langsam und setzte vorsichtig seinen Fuß auf den Boden, leider war die Wunderheilung an jenem Tage nicht eingetroffen.Große Umstände machte sich Marcus nicht, noch ließ er weitere Zeit verstreichen, denn wenn der optio schon in die villa kam, mußte wohl etwas bei den CU vorgefallen sein. Wie immer leicht hinkend schritt Marcus jedoch zügig aus und in Richtung der großen Halle, die eingangs der villa sich befand. Nur mit seiner rostroten Tunika, den normalen Haussandalen und einem breiten, dunkelbraunen Ledergürtel wirkte Marcus mehr fehl in dieser prächtigen villa, abermals mehr wie einer, der nur zufällig in dem patrizischen Haushalte arbeitete. Er nickte Serapio zum Gruße zu.
„Salve, optio! Gibt es Schwierigkeiten? Oder ist etwas vorgefallen?“ -
Es war das erste mal in meinem Leben, dass ich so eine Patriziervilla von innen sah, und ich war ziemlich überwältigt. Gut, vielleicht hatte ich bei meinem Besuch in der Villa Germanica noch mehr Prunk zu Augen bekommen, aber das hier war richtig elegant, richtig nobel! Vorsichtig nahm ich erst mal nur auf der Kante des gebotenen Stuhles Platz und nippte an dem kühlen Getränk, während meine Augen umherschweiften. Es dauerte nicht lange, und der Centurio erschien, wobei mir auffiel, dass er gar nicht so richtig in das schicke, verfeinerte Interieur hier hineinpassen wollte... Hoffentlich hatte ich ihn jetzt nicht bei was wichtigem gestört. Das wäre sicherlich schlecht für mein Anliegen... Rasch stellte ich das Glas ab, sprang auf die Füsse - das Klimpern des Cingulums tönte laut in der Weite der Halle - und salutierte förmlich vor meinem Vorgesetzten.
"Salve Centurio! Nein, nein es gibt keine Schwierigkeiten. Ich bin aus einem anderen Grund hier. Ähm."
Wie das sagen? Oh, schrecklich, ich kam mir ja fast schon so vor als wäre ich hier um um die Hand seiner Tochter anzuhalten, falls er denn eine hätte. Oder jedenfalls so ähnlich.
"Ich hoffe ich störe nicht. Es ist etwas Privates wegen dem ich hier bin." -
Schon mit dem Schlimmsten rechnend - die Baracken der CU waren nieder gebrannt, es hat ein Attentat auf den PU gegeben, Aufstand unter den Soldaten, weil eine Tagesration nicht ausgeteilt wurde, Spielverbot für die Soldaten mit den Würfeln, was auch immer, auf jeden Fall etwas dienstliches – dermaßen gewappnet trat Marcus in das atrium, das von der Öffnung im Dache mit Sonne geflutet wurde und auf dessen Marmorboden sich viele helle Flecken abzeichneten, die nur die Seitenflügel mit den Ahnenbildern nicht zu erreichen schien. Neben dem Bildnis eines Kaisers blieb Marcus erstmal stehen – eines mehr klobig geformten Gesichtes, was aber noch aus Lebzeiten stammte und Marcus hatte jenen Mann sogar noch erlebt, weswegen er das Aussehen – theoretisch – auch bestätigen könnte. Keine Schwierigkeiten? Verwirrt runzelte Marcus die Stirn, alles andere könnte ja schließlich bis zum Dienst warten. Was Privates?
„Äh...!“
, murmelte Marcus verdutzt.
„Ja...natürlich!“
Was auch immer er ansprechen wollte, gut, auch dafür hatte Marcus Zeit.
„Nimm' doch bitte Platz, Decimus!“
Marcus deutete einladend auf die Stühle, die Serapio schon genutzt hatte und nahm selber Platz.
„Um was geht es denn, optio?“ -
Unwillkürlich huschte mein Blick vom Gesicht des Centurio zu der kaiserlichen Büste, und dann wieder zurück - ich suchte nach einer Ähnlichkeit. Auf den ersten Blick wurde ich nicht fündig, doch dann schien es mir, als ob die Brauen, der Schnitt der Augenbrauen doch ziemlich übereinstimmen würden. Und auch der Hang zum Beleibten. Diese ganze Atmosphäre hier machte mich beklommen, und ich wünschte in dem Moment ich hätte den Centurio doch lieber in der Castra aufgesucht als in diesem... Mausoleum vergangener Grösse.
"Danke", murmelte ich und setzte mich wieder. Meine Finger schlossen sich um die Lehne, suchten sich einen Halt.
"Es ist so, dass ich... also ich weiss es ist ein ungewöhnliches Anliegen, aber... "
Faustus, komm zum Punkt!
Es war schwierig! Centurio Aristides war für mich, ohne Übertreibung, jemand den ich sehr hoch achtete, und den ich beinahe wie einen Vater ansah - er hatte mich ausgebildet, unter seinem Befehl war ich in Parthien mit heiler Haut davonkommen, er hatte ein Auge auf mich gehabt und vor allem: er hatte mir was zugetraut, und mir die Chance gegeben zu zeigen dass ich ein richtiger Decimer war, kein Taugenichts und Versager. Da wollte ich natürlich auch gut vor ihm dastehen! Aber jetzt hatte ich das Gefühl, dass er mir alles, meine Beweggründe, meine unrömischen Neigungen, an der Nasenspitze ansehen konnte. Ich sah es schon vor mir: ich würde weitersprechen, und sein Blick würde sich verändern, Stück für Stück, erst Überraschung zeigen und dann in Missbilligung umschlagen, und Enttäuschung - diese Miene, die ich so gut kannte, die ich so oft gezeigt bekommen hatte, diese Miene mit der mich auch Onkel Livianus betrachtet hatte, als ich ihm zum letzten Mal gegenüber gestanden hatte.
Es war ein ganz fürchterliches Dilemma.
Aber ich liebte! Liebte einen Mann, der hier in diesem Haus, von meinem Centurio in (metaphorischen, aber nichtsdestotrotz seiner äusserst unwürdigen) Fesseln gehalten wurde. Allein beim Gedanken an ihn, seinen dunklen Tierblick, und seine Küsse - die absolut hielten was dieser Blick versprach - durchrieselte es mich heiss, und ich formulierte dann doch entschlossen mein Anliegen."Ich hätte grosses Interesse daran, Dir einen Deiner Sklaven abzukaufen, Centurio. - Hannibal. Ich weiss dass er sehr wertvoll ist, deshalb würde ich Dir im Gegenzug ein Stück Land anbieten. Es ist bei Tarraco gelegen, in schöner Landschaft, und mit einem Bestand alter Olivenbäume, die einen sehr guten Ertrag abwerfen." Aus meiner Gürteltasche zückte ich ein Bündel mit Schriftrollen - eine Karte, die Besitzurkunde, eine Liste der Erträge. "Ich habe, ähm, die Dokumente dazu mitgebracht, falls Du interessiert bist."
Oh, bei Eros und Anteros, hoffentlich war er das! Erwartungsvoll sah ich ihn an, und hörte nicht auf die strenge Stimme in meinem Hinterkopf, die mich rügte:
"Liebe vergeht. Hektar besteht!"
(Das hatte meine alte iberische Grossmutter manchmal gesagt.) -
Abwartend lehnte sich Marcus zurück und sah den optio an; welchen Grund dieser hatte, zu ihm zu kommen, dem jungen Mann schien es wichtig zu sein, gleichsam Marcus nicht die geringste Vorstellung hatte, was es denn sein konnte. Aber Marcus wartete einfach ab und schwieg, während der Decimer mit sich zu ringen schien. Sklaven abkaufen...Hannibal...Sklaven...Hannibal gegen Land? Verdutzt blinzelte Marcus einige Male, sicherlich, es war nicht das erste Mal, daß ihm jemand Hannibal abkaufen wollte, in Baiae war es sogar früher öfters vorgekommen, ein gebildeter und treuer Sklave aus der flavischen Sklavenlinie war nun mal sehr viel wert, aber daß der Decimer auf den Gedanken kam und die Absicht hatte, das ließ Marcus doch aus allen Wolken fallen.
„Ähm, was?“
, gab Marcus von sich und sah irritiert auf das ausgebreitete Dokument, das er zwar mit seinen Augen streifte, jedoch nicht wirklich auf das Geschriebene achtete, es war ihm eh zu klein verfaßt und er hätte sich abmühen müßen, es jetzt zu entziffern.
„Du willst mir Hannibal abkaufen?“
, wiederholte Marcus nochmal, obwohl er es doch deutlich verstanden hatte. Marcus holte tief Luft und sah den Decimer einige Herzschläge lang stumm an. Ratlosen Blickes griff er nach einer Amphore mit Wein und goß sich ein, um einen großen und tiefen Schluck davon zu nehmen. Er wollte den jungen Mann nicht gleich vor den Kopf stoßen, indem er brüsk sein Anliegen abwies.„Nun, Decimus, vielleicht ist es Dir gar nicht bekannt, aber Hannibal stammt aus einer flavischen Sklavenlinie, schon mehrere Generationen dienten seine Vorfahren uns Flaviern als Sklaven und enge Vertraute. Diese Sklaven sind nicht verkäuflich, wir haben noch nie einen Sklaven aus dieser Linie her gegeben und ich gedenke das auch nicht zu ändern.“
Marcus besah sich die Schriftrollen, die von ihrem Wert nicht zu verachten waren.
„Das ist ein stolzer Preis, den Du mir für Hannibal anbieten willst, das will ich nicht bestreiten, aber selbst wenn ich ihn verkaufen würde, wäre das nur ein Bruchteil von dem, was der Sklave wert ist. Ich glaube kaum, daß Du Dir den Sklaven wirklich leisten könntest! Aber wie gesagt, diese Sklavenlinie ist unverkäuflich, es gibt nur zwei Wege, wie sie unseren Besitz verlaßen. Indem sie freigelaßen werden oder sterben!“
Eine Freilaßung war jedoch so gut wie unmöglich, hatte es bisher noch nicht gegeben, obwohl Marcus das Versprechen an seinen Sklaven gegeben hatte und auch gedachte, irgendwann jenes Versprechen auch einzuhalten.
„Aber warum willst Du ihn eigentlich kaufen, Decimus?“
Nachdenklich musterte er den Decimer und wußte keinen Reim auf die Angelegenheit, sie kannten sich, das wußte er schon, aber woher und wie und warum, das vermochte Marcus nicht zu sagen.
„Hannibal hat Dir das doch nicht etwa eingeredet, hm?“
Marcus winkte eine Sklaven heran und flüsterte ihm einige leise Worte zu, der Sklave nickte und verschwand aus dem atrium. -
Unverkäuflich. Das traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ja, ich hatte natürlich von Anfang an gezweifelt ob mein Versuch überhaupt Sinn hatte, aber ich hatte doch trotzdem... gehofft!
Un-ver-käuf-lich. Hart und schmerzlich trafen die Silben auf das zarte, romantische Traumgespinst dieser Hoffnung, und bleischwer legte sich die Enttäuschung über mich, liess meine Schultern herabsinken, den Blick zu Boden wandern, wo er auf dem verästelten Adergeflecht des mamornen Boden verharrte. Ich grub die Zähne in die Unterlippe. Schluckte. Atmete tief durch. Hob dann wieder den Blick und begegnete den Augen des Centurio die mich musterten, mich wägten...
"Nein." Ich schüttelte leicht den Kopf und bekräftigte: "Nein, er hat mir das nicht eingeredet." Obwohl ich mir Mühe gab meine Stimme neutral zu halten, schwang da doch etwas Defensives mit. Mochte es auch eine dumme Idee sein, es war meine dumme Idee! Und mochte mein schöner Olivenwald inmitten dieses Prunkes hier auch ziemlich belanglos erscheinen, so war er doch mein ganzer Reichtum. Aber der Centurio nahm mich nicht ernst... - gut, es hatte auch wieder so etwas väterliches, wie er reagierte. Aber trotzdem.Die Frage nach dem Warum war nicht so leicht zu beantworten. Ich zögerte, und einen kurzen Moment lang war ich tatsächlich in Versuchung ihm einfach die Wahrheit zu sagen. Wäre so schön einfach. Aber ich bezweifelte, dass ich damit sein Herz rühren könnte, viel eher würde ich in seinen Augen herabsinken, eben zu einem cinaedus, einem pathicus. Das Problem war ja auch, dass Hannibal viel älter war als ich, ein richtiger Mann, nicht ein hübscher Knabe, bei dem es zwar nicht gutgeheissen, aber doch viel eher hingenommen wird wenn man eine Leidenschaft für so ein junges Geschöpf hegt.
"Hannibal... ich kenne ihn aus der Zeit bevor ich sub aquila gegangen bin. Ich glaube, ich habe Dir schonmal erzählt, es war keine sonderlich gute Zeit für mich. Er hat mir damals geholfen, als ich, ähm, in Schwierigkeiten steckte. Hannibal ist... ein Freund für mich, und er ist so ein grosszügiger, selbstloser, nobler Mensch - ich finde einfach er sollte kein Sklave sein!" Die letzten Worte sprach ich zunehmend eindringlich, denn davon war ich wirklich überzeugt.
"Deshalb hatte ich gehofft ihn kaufen und freilassen zu können. - Ich meine, es passt gar nicht zu ihm, Sklave zu sein, ich habe selten einen freien Bürger getroffen der mit soviel Würde und Anstand und Freundlichkeit und Edelmut durchs Leben geht wie Hannibal. Es wird ihm nicht gerecht, ihm, seinem Wesen..." -
Es tat Marcus ja durchaus Leid, den jungen Mann zu enttäuschen, aber so war es nun mal bei den Flaviern üblich mit dieser Sklavenlinie und Marcus hatte nicht vor, mit den Traditionen seiner Familie zu brechen. Er lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, dabei den Decimer nicht aus den Augen laßend. Irgendwie fand Marcus das ganze Ansinnen an sich etwas merkwürdig, Serapio brauchte den Sklaven nicht und die Freundschaft zwischen den Beiden kam ihm doch etwas merkwürdig vor. Aber was soll's, sein Sklave trieb sich nun mal viel herum, da wunderte ihn schon gar nichts mehr. Mit wachsendem Staunen lauschte er jedoch den Worten von Serapio. Großzügig? Wahrscheinlich mit seinem – also Marcus – Geld. Selbstlos? Hannibal? Nobel? Marcus' Mundwinkel begannen leicht zu zucken. Obwohl der kurze Heiterkeitsausbruch, der schon in ihm hoch kam, bei den nächsten Worten erstickt wurde. Er sollte kein Sklave sein? Mit einem Schlag verspürte Marcus Ärger darüber. Vielleicht auch, weil er ein wenig ein schlechtes Gewißen hegte, sein Versprechen gegenüber seinem Sklaven noch nicht wahr gemacht zu haben. Aber es war immer noch Marcus' Entscheidung, wann sein Sklave die Freiheit erhielt. Marcus taxierte Serapio durchdringend. Warum setzt er sich für Hannibal so ein? In dieser Art? , dachte Marcus und seine Augenbrauen zogen sich langsam zusammen, während er darüber nachdachte.
„Du findest also wirklich, daß Hannibal kein Sklave sein sollte und möchtest ihn deswegen kaufen?“
Marcus lachte leise auf, aber es klang in dem Moment sehr humorlos und nicht wie sonst sein kollerndes Lachen; es hatte etwas hartes und zynisches an sich, etwas, was Marcus nicht oft offenbarte.
„Mir dünkt, Du kennst meinen Sklaven sehr, sehr schlecht, Decimus! Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang, all die Tugenden, die Du ihm zusprechen möchtest, besitzt er nicht! Nein!“
Marcus sah in die Augen von Serapio, irgendwie kam ihm das alles nicht ganz koscher vor. Der Tonfall, dieses Schwärmen, diese Inbrunst, mit der er die angeblichen Vorzüge von Hannibal pries...fast wie ein Werbender...Marcus blinzelte, verblüfft und mit sich weitenden Augen als ein Verdacht in ihm aufstieg, nein, Hannibal und Serapio? Marcus wußte durchaus gut von Hannibals Eskapaden, die ihn selber oftmals in Schwierigkeiten gebracht hatten, gerade in Baiae, aber auch auf Reisen. Er kannte seinen Sklaven sehr gut, wie auch umgekehrt. Irritiert schüttelte Marcus den Kopf, nein, das würde er dem Decimer nicht zutrauen, wobei...nun ja, er hatte schon etwas weichliches an sich. Mit einem Seufzen lehnte sich Marcus zurück und griff nach einem Becher Wein. Herrje, warum konnte sein Sklave nicht so wie Sciurus sein? Unkompliziert und dabei treu! Marcus wandte den Blick von Serapio ab und betrachtete die Büste von seinem Vorfahren, bzw. seinem verstorbenem Verwandten. Viele Herzschläge vergingen, ehe sich Marcus wieder anschickte, zu sprechen.„Decimus, ich glaube, ich ahne, warum Du das möchtest und ich kann Dir nur einen guten Rat geben!“
Marcus sah wieder zu seinem optio.
„Wenn Du glaubst, Hannibal ist ein nobler und selbstloser Mensch, so irrst Du Dich gewaltig. Im Gegenteil, wenn Du Dich weiterhin mit ihm einläßt, dann wirst Du mit Sicherheit in Schwierigkeiten kommen. Nicht von meiner Seite, aber Hannibal selber ist nicht ungefährlich. Er hat schon das eine oder andere Menschenleben auf seinem Gewißen, ich habe seine Taten immer hin genommen und sogar gedeckt, weil er mein treuester Sklave ist und auch...nun, mein Freund einst war. Ich sage Dir das, damit Du weißt, worauf Du Dich einläßt.“
Ach, Marcus wich solchen Fragen und Verwicklungen gerne aus, seine Vettern hatten ja auch solche Vorlieben, weswegen Marcus jetzt nicht vor Scham oder Ekel zerging, aber sonderlich recht, über solche Dinge zu sprechen, war es ihm nicht. Insgeheim hoffte er immer noch, daß sein Verdacht einfach falsch war.
„Im Übrigen sage ich Dir das im Vertrauen, sollte ich noch mal danach gefragt werden, so habe ich das eben natürlich nicht gesagt, Decimus! “ -
Tja. Da war es doch passiert. Er hatte mich durchschaut. Ich sah die Veränderung in seiner Miene, die Jovialität war wie weggeblasen, Skepsis stand ihm ins Gesicht geschrieben, er seufzte enttäuscht, er wandte den Blick ab...
Mierda! Das hatte ich jetzt davon! Ich spürte wie mir das Blut in die Wangen stieg. ..ich glaube, ich ahne, warum Du das möchtest..., sagte er, und ich fühlte mich so was von blossgestellt, mein Gesicht wurde ganz heiss, glühte förmlich... In tiefste Verlegenheit gestürzt, rieb ich mir die Nase, und schwieg. Dabei ärgerte ich mich über mich selbst, denn ich fand eigentlich, dass ich mich überhaupt nicht schämen musste, dass es keinen Grund gab sich zu schämen, ich liebte Hannibal nun mal, und Liebe ist etwas göttliches. Basta. Aber - ich schämte mich trotzdem, vor dem Centurio, und litt, kleinmütig, unter seiner Missbilligung, und bekam jetzt auch Angst es könnte Konsequenzen für mich im Dienst haben, ja, mit einem Mal wünschte ich mir ich wäre gar nicht hierhergekommen.Aber dass der Centurio so schlecht von Hannibal dachte, das konnte ich überhaupt nicht verstehen. Man musste ja blind sein, um nicht zu erkennen wie edel und hochherzig Hannibal war! Wenn ich mich recht erinnerte, hatte Hannibal sich einmal gerühmt, Aristides würde gut auf ihn hören... - da hatte er wohl etwas übertrieben.
Menschenleben auf seinem Gewissen? Ich runzelte die Stirn, war im ersten Moment sehr erschrocken und fragte: "Wie... Menschenleben?!" - aber dann wurde mir klar, der Centurio meinte bestimmt diese Subura-Sache, er war wohl doch irgendwie dahinter gekommen. Also, um irgendwelche blutrünstigen Schergen von dem verrückten Satryus, Leute die Hannibal wohlgemerkt hatten abstechen wollen, da war es ganz und gar nicht schade. Leise sagte ich: "Wir haben auch Menschenleben auf dem Gewissen, Centurio."Zwar fand ich, so von meinem heutigen Standpunkt aus, die Sachen die Hannibal damals in der Subura getrieben hatte auch nicht gerade glorreich, aber er hatte das ja inzwischen an den Nagel gehängt. Ausserdem hatte er damals, anders als die meisten, die Mädchen wirklich gut behandelt. Phyllis und Gladiola jedenfalls waren voll des Lobes gewesen... Ja, Hannibal hatte schon den Ruf gehabt wirklich gefährlich zu sein, jemand mit dem man sich besser nicht anlegt, jemand vor dem sogar solche Schläger wie Quentin den Schwanz einzogen, und irgendwie hatte mich das damals auch sehr fasziniert, aber das war halt ein Ruf gewesen, nur eine Fassade die man brauchte, um in dem Milieu erfolgreich Geschäfte zu machen... Oder? Irgendwoher musste so ein Ruf ja auch stammen. Nachdenklich nagte ich an meiner Unterlippe, aber so ganz ernst konnte ich die Warnung nicht nehmen. Ausserdem war ich Parthia-Veteran, ich war auch gefährlich.
"Nun... danke für die Warnung." Ich lächelte eigensinnig. "Aber ich bin mir da ganz sicher. Centurio, wie kann ich Dich umstimmen? Hm, wenn Du ihn verkaufen wollen würdest, was würdest du für ihn haben wollen? - Und erlaube mir bitte die Frage.. Du hast gesagt, nur durch Tod oder Freilassung können diese Sklaven Deine Familie verlassen... wirst Du Deinen treuesten Sklaven denn freilassen?" -
Selbst der nächste Becher Wein, den Marcus mit wenigen Schlücken trank, half nicht den komischen Geschmack aus seinem Mund zu vertreiben, geschweige denn dieses Unwohlsein, was ihn überkam bei dem Gespräch mit dem jungen Decimer. Marcus lehnte sich zurück und ein tiefer Seufzer war von ihm zu hören; Himmel und alle guten Götter, der optio machte es ihm nicht leicht. Die Röte in dem Gesicht von Serapio bemerkte Marcus durchaus und es war tatsächlich ein Herzschlag lang Enttäuschung in dem Gesicht von Marcus zu sehen; Enttäuschung, weil sein Sklave ihn erneut hintergangen und ihre Abmachung gebrochen hatte, die sie vor Jahren getroffen hatten. Ein Quäntchen Hoffnung stieg in Marcus' Augen auf als er den Schreck bei Serapio sah, doch scheinbar war der junge Mann blind gegenüber jeglicher Vernunft, Marcus wollte sich jedoch nicht klarer ausdrücken, brachte es ihn doch selber in genügend Schwierigkeiten. Er schüttelte resigniert den Kopf bei dem Einwand.
„Das ist etwas anderes, wir haben es schließlich nicht aus Eigensucht getan, auch nicht aus niederen Beweggründen, sondern weil uns der Kaiser in den Krieg geschickt hat. Unser Bestreben hatte das Wohlwollen der Götter, Hannibal hat jedoch gemordet.“
, setzte Marcus nach, gleichwohl er schon erkannt hatte, daß wohl auch jener Einwand verlorene Liebesmühe war. Schon war Marcus bereit, den nächsten Becher nach zu schenken und tat es auch. Der Wein gluckerte mit einem Schwung in den Tonbecher und füllte ihn bis zum Rand. Ein wenig von dem roten Rebsaft tropfte auf die Tischplatte, wie drei kleine Blutstropfen. Als sich die Hand von Marcus um den Becher schloß, schüttelte Marcus erneut seinen Kopf.
„Man kann mich nicht umstimmen, optio, er ist unverkäuflich, gut, ab einer gewißen Summe würde ich es mir überlegen, aber sie wäre zu hoch, viel zu hoch als daß ich es mir selber ausdenken könnte. Nein, Decimus, das ist keine verhandelbare Option.“Entschieden und entschloßen schüttelte Marcus den Kopf; wobei ein leises Wispern raunte, daß diese Möglichkeit doch keine Schlechte wäre, langsam wurde Hannibal mehr eine Last und die frühere Freundschaft zwischen ihm und Marcus war in den letzten Jahren bedeutend abgekühlt, sah Marcus doch seinen Sklaven sehr selten und hielt rein gar nichts von deßem Treiben in der subura und sonstigen Vierteln; schließlich fiel das stets auf Marcus zurück, wenn einer davon erfuhr. Vielleicht war auch deswegen ein kurzes Zaudern bei Marcus zu erkennen, ein nachdenkliches Runzeln seiner Stirn, als es dahinter arbeitete und er - so schnell er es konnte- das Für und Wider abwog. Hach, herrje nochmal, und solche Dinge kamen immer vor der cena, wo Marcus doch schon Hunger verspürte und dann selten einen klaren und vernünftigen Gedanken hatte, wenn es um solche schwerwiegenden Entscheidungen ging.
„Meinen treuesten Sklaven frei laßen? Bei Mars, Decimus...!“
Marcus stöhnte erneut und ein drittes Mal fand der Weinbecher zu seinem Mund, dieses Mal jedoch nur mit einem dezenten Schluck, denn er spürte schon die Wärme des Weines, es war nicht erst der dritte Becher an diesem Nachmittag und nun sogar auf nüchternen Magen.
„Ja...“
, grollte Marcus schließlich.
„Natürlich würde ich das...ich habe es ihm früher versprochen, aber wann ich ihn frei laße, das habe ich noch nicht entschieden.“
Etwas Wein schwappte über als Marcus den Becher entschloßen auf den Tisch zurück stellte und sich nach vorne beugte, um den Decimer mit den Augen zu fixieren und prüfend zu mustern.
„Jetzt sag' mir, Decimus, was versprichst Du Dir davon, wenn er frei ist? Ist es nur eine selbstlose Tat von Dir oder was willst Du von Hannibal, hm?“ -
Becher um Becher kippte der Centurio, und ich hätte jetzt auch gut mehr Wein vertragen können. Wie - gemordet, was sollte das heissen, waren damit wirklich Satryus' Schläger gemeint oder nicht womöglich doch was anderes? Hätte der Centurio nicht, wenn es nur um solchen Abschaum ginge, ein anders Wort als gemordet verwendet? Ich verstand nicht, eigentlich verstand ich gar nicht mehr - aber eines wusste ich genau: wenn Hannibal jemandem umgebracht hatte, dann hatte er mit Sicherheit einen guten Grund dafür gehabt! Ganz bestimmt.
Aber verdammt, wie hatte ich mich nur in diese Situation hier hineinmanövrieren können?! Mehr als unbehaglich rutschte ich auf meinem Sitz hin und her, legte einen Arm auf die Lehne und nahm ihn wieder runter, schlang die Finger um meinen leeren Becher und entknotete sie wieder. 'Unverkäuflich' hiess also wirklich unverkäuflich, und das 'wann' klang für mich mehr wie ein sehr vages 'möglicherweise irgendwann mal'. Deprimiert drehte ich den Becher in den Händen, hier war scheinbar wirklich nichts zu machen. Enttäuschung auf allen Seiten, sozusagen.Meine Fragen hatten den Centurio eben doch ein wenig ins Schwitzen gebracht, aber jetzt ging er auf einmal heftig in die Offensive. Wie ein Stier, wenn er zum Angriff den Kopf senkt, den Bestiarius auf die Hörner nehmen will, so erschien mir der Flavier, als er sich vorbeugte und mich ins Auge fasste. Unangenehm, diese Fragen... aber ich hatte ja jetzt eh nicht mehr wirklich was zu verlieren. Und ich war wütend! Denn auch mein Centurio, mein verehrter Centurio, war am Ende doch bloss ein Spiessbürger, engstirnig und borniert und ohne Verständnis für die Dinge jenseits seines gutrömischen Horizontes.
Jolín! Ich hatte auf einmal den starken Drang ihn zu schockieren. Überhaupt war ich es so satt drumrumzureden und mich zu verstellen!
"Centurio...", sagte ich, und beugte mich auch vor, spiegelbildlich zu ihm, so dass unsere Augen nicht weit voneinander entfernt waren, "ich glaube Du willst das gar nicht so genau wissen, was ich von Hannibal will..."
Meine Hand zitterte, vor Anspannung, als auch ich den Becher abstellte, dann holte ich tief Luft.
"Ach verdammt! Bei allen Göttern, Centurio - ich liebe ihn! Ich liebe ihn mehr als alles auf der Welt!"
In mir war heilloser Aufruhr. Es hielt mich nicht mehr auf meinem Sitz, ich sprang auf und schleuderte meinem Centurio, stellvertretend für alle Spiessbürger dieser Welt, dramatisch entgegen:
"Und ich schäme mich nicht dafür!"
(Was ja nicht so ganz der Wahrheit entsprach, aber dafür meiner wild aufgepeitschen Gemütsverfassung.)
"Bei Eros und Anteros! Wenn Du jemanden liebst, Centurio, dann würdest Du doch auch nicht wollen, dass er sein Leben in Sklaverei fristen muss! Wie ein stolzer Adler, eingesperrt in einen viel zu kleinen Käfig!! - Ähm. Oder sie. - Oder?!!" -
Es war einfach zu früh für solche Gespräche; Marcus hatte noch nicht mal zur cena gegeßen, fühlte bereits den grollenden Wolf in seinem Magen, der sich melden wollte, und in einer solchen Zeit war Marcus gereizter und mißlauniger als sonst, entgegen seinem sonst mehr ausgeglichenem Gemüt. Seine Lippen kniffen sich fester zusammen als er den Trotz in dem jungen Decimer erkannte, scheinbar wollte der junge Mann nicht einsehen, was das Beste für ihn war. Aber er – Marcus – kannte seinen Sklaven doch wohl beßer als es Serapio vermochte. Marcus wollte zu weiteren energischen Worten ansetzen, doch der theatralische Auftritt, der jedem Akteur in einer Tragödie Konkurrenz gemacht hätte, ließ Marcus verdutzt schweigen. Was er von Hannibal will...nicht wißen...ja, doch Marcus wollte es nicht wißen, er versuchte schon zu einem schnellen Nicken anzusetzen, um dem Decimer da wirklich von abzuhalten, es ihm zu offenbaren, denn Unwißenheit war in mancher Hinsicht eine Gnade, doch zu spät. Gleichsam Ödipus seinem Schicksal nicht entrinnen konnte und seinen Vater erschlug, Hektor den Tod im Kriege finden mußte, gleichsam war die Szene noch nicht zu Ende und schien ihren Lauf nehmen zu müßen. Marcus lehnte sich erschlagen von den Worten zurück. Er liebt ihn? Oh, nein, bei den Göttern, warum tut ihr mir das an, schoß es durch Marcus Kopf. Langsam schüttelte er den Kopf und fuhr sich müde mit der Hand über das Gesicht. Beim Tartaros, hatte er nicht Hannibal das letzte Mal klar gemacht, daß er solche Verwicklungen nicht mehr dulden würde? Marcus ließ die Hand sinken und sah seinen optio schweigend an. War Marcus schockiert? Weil der Decimer sich lieber den Männern widmete? Nein, nicht wirklich, Marcus' Vettern hatten ihm das schon früh ausgetrieben. Außer, daß Marcus es für einen Soldaten sehr umpaßend fand. Aber er war nicht amüsiert über das Verhalten seines Sklaven in dieser Hinsicht.
„Ein stolzer Adler...“
, murmelte Marcus kaum hörbar und versuchte, ein bitteres Lachen zu unterdrücken. Herrje, den Decimer hatte es ordentlich erwischt. Und wie! Marcus drehte den Becher und hatte mit einem Mal den Impuls, sich gehörig zu betrinken, hier, jetzt und auf der Stelle! Doch er stellte den noch fast vollen dritten Becher zur Seite und schwieg weiter. Er war einfach ratlos, was er noch sagen könnte, es würde nur vergehen wie ein Tropfen auf heißem Lavastein. Marcus stand auf und ging an dem Decimer vorbei, drehte sich um und ging einige Schritte zurück.
„Ja, womöglich würde ich sie auch kaufen wollen.“
, meinte Marcus schließlich.
„Gäbe es eine solche Frau, eine Sklavin, aber doch nicht um sie...frei zu laßen, das hat doch alles keine Zukunft. Bei Dir und Hannibal genauso wenig.“
Kopfschüttelnd blieb Marcus neben einer Säule stehen und wandte sich um, im Schatten stand wie immer einer der flavischen Sklaven, der natürlich alles mit angehört hatte – wahrscheinlich würde das das Tratschthema Nummer Eins für die nächsten Tage in den Sklavenunterkünften sein – ach, herrje! Verärgert starrte Marcus den Sklaven an, als ob dieser schon alles heraus geplaudert hätte.
„Geh' und hole Hannibal, ich will ihn sofort hier sprechen.“
Kalt und schneidend war die Stimme von Marcus, der Sklave zuckte zusammen und eilte schnell davon. -
Dämmrig und muffig. Derart war es in der Sklavenunterkunft, dort, wo Hannibal in dem Augenblick saß, als der Sklave ihn fand. Hannibal hatte eine kleine Kiste geöffnet und drehte die Gegenstände in seiner Hand. Jene, die er schon seit Jahren darin aufbewahrte. Ab und an wanderte noch etwas neues dazu, nicht oft, aber manchmal. Er drehte eine goldblonde Haarsträhne in seinen Händen. Es war als ob ein Strahl der Sonne herab geblinzelt war und sich wohl dachte, auf der Erde bleiben zu wollen. Denn so hell leuchteten die Haare, die Hannibal in seiner Hand hielt und melancholisch anschaute. Er hob den Kopf als ihn der Sklave ansprach und nickte. Wenn er auch nicht wusste, was so dringend sein konnte um 'sofort' zu seinem Herrn zitiert zu werden. Hannibal erhob sich, legte die Dinge wieder in die Kiste, verschloss sie und stellte sie zurück. Gleichsam er 'sofort' kommen sollte, eilte sich Hannibal nicht sehr. Ruhig ging er durch die Gänge, vorbei an dem Treiben in der Küche. Wo schon die Essensgerüche für die Cena heraus drangen, die hektische Stimme des Kochs das Klappern der Töpfe übertönte und das Wehklagen eines Sklaven, der vom Koch geschlagen wurde. Auch vorbei an der Waschküche, wo Sklavenhände die Kleidung der Herrschaften von den schmutzigen Makeln befreiten. Und schließlich in jene Gänge, die nun schön anzusehen waren. Wo Bilder und Mosaike die Wände und Böden zierten. Dunkle Holztüren in luxuriöse Zimmer einluden. Bis hinein ins Herz des Hauses, dem Atrium.
Nichts ahnend trat Hannibal in den Raum, der in der Mitte einen leuchtenden hellen Fleck aufwies. Da wo das Tageslicht durch die Öffnung im Dach hinein fiel. Seine Augen streiften die von Lampen umschmeichelten Ahnenmasken der Flavier. Dann erblickte er auch schon seinen Herrn. Der seltsam düster wirkte. Hannibal war etwas erstaunt. Ob etwas schlimmes vorgefallen war? Bei den Flaviern musste man doch immer mit Todesfällen rechnen und sein Herr nahm das stets sehr schwer. Doch der düstere Zug, der ihn schon fast zornig ansah, deutete er auf etwas anderes. Hannibal sah aus den Augenwinkeln eine Bewegung und folgte dieser mit dem Blick. Und erstarrte in seinem Schritt. Hannibal sog die Luft tief durch seine Nase ein, als er Faustus sah. Seine Nasenflügel blähten sich dabei auf und fielen wieder zurück. Was macht er hier? Und langsam begann Hannibal zu ahnen, warum Aristides derart finster aussah. " Herr?", fragte Hannibal und warf Serapio nur noch einen kurzen Seitenblick zu. War da nicht etwas in der Nacht gewesen als sie in der Stadt unterwegs waren? Irgendwas mit Hannibals Freiheit...aber Hannibal hatte das schon wieder vergessen. Es als eine Opium geschwängerte Idee eingeordnet, die genauso flüchtig wie der Rauch des Krautes war.
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Das Wort war meinem Mund entwichen, und zurückholen konnte ich es nicht mehr. Ich ballte die Faust an meiner Seite, verkrampfte die Finger in heftigem Affekt, und sah meinem Centurio beinahe herausfordernd entgegen. Komm, Spiessbürger, empöre Dich doch, hier stehe ich, hocherhobenen Hauptes, bereit für meine Liebe einzustehen...!
Er wirkte aber nicht empört und auch nicht wirklich schockiert, eher ratlos, und irgendwie resigniert. Ich hätte mit einer heftigen Erwiderung gerechnet, statt dessen blieb er sehr ruhig. - Es hatte keine Zukunft mit Hannibal und mir? Da mochte er recht haben, so auf lange Sicht, aber ich liebte jetzt und unbedingt.
"Ob es eine Zukunft hat... ich meine, ob es eine Zukunft haben kann... das liegt an Dir!", gab ich stur zur Antwort. Aber der Tonfall in dem er nach Hannibal rufen lies, der erschreckte mich. Es war natürlich das allerletzte was ich wollte, dass Hannibal wegen mir Ärger bekam! Und, Mist, der Sklave im Hintergrund war auch nicht taub, bestimmt würde sich alles herumsprechen. Ach, sollten sie sich doch die Mäuler zerreissen! Sollten sie doch alle klatschen und tratschen und lästern! Alles Spiesser!! Ich verschränkte die Arme vor der Brust, blieb da stehen wo ich war, und wartete stumm.Schliesslich betrat Hannibal das Atrium, und bei seinem Anblick tat mein Herz einen Sprung in meiner Brust, es fühlte sich an als würde es sich fest zusammenziehen, etwas wie ein Schmerz ging durch mich hindurch, und zugleich tat es so wohl ihn zu sehen.
"Hannibal", sagte ich, mit ganz aufgewühlter Stimme, und machte eine Körperwendung, eine Bewegung auf ihn zu, alles in mir strebte ja zu ihm hin, aber angesichts der unheilvollen Miene des Centurios verhielt ich meinen Schritt. Hannibal sah mich gar nicht richtig an..... aber das lag natürlich an der bedrohlichen Gewitterstimmung. Ich erblasste, bei der Vorstellung dass der Centurio seinen Zorn über mich an Hannibal auslassen könnte, aber ich wagte es nicht noch etwas zu sagen, mir war als wäre jedes Wort ein Funke der ein Inferno auslösen könnte! -
In das wächserne und starre Gesicht sah Marcus als er stumm wartete, dabei weder auf die trotzige Antwort des Decimers antwortete, noch selber einen neuen Faden begann in diesem Knäuel des Zwistes. Genauso starr wie die Totenmaske seines Ahns starrte Marcus in die Seitenflügel des atrium. Wenn nicht der finstere Ausdruck in seinem Gesicht stehen würde, der düstere Glanz in den Augen, der sich nicht legte, als er einige Zeit später, die bis dahin schweigend vergangen war, endlich Schritte hörte. Na, sein Sklave hatte sich aber reichlich Zeit gelaßen, was Marcus in dem Augenblick noch ein wenig mehr ärgerte, aber das ganze Verhalten von Hannibal in den letzten Jahren mißfiel ihm, der Sklave nahm sich immer mehr heraus, was schon früher dauernd in einem Fiasko geendet hatte. Aber damals...nun, da war es anders als heute, womöglich weil Marcus das früher weniger aufgeregt hatte, für ihn weniger auf dem Spiel stand, als nun, wo Position, Familie und Ansehen an ihm hingen. Was mit einem Mal schwer auf seinen Schultern lastete, langsam löste sich Marcus aus dem Schatten der Säule und trat in das Licht des atrium zurück, sein Blick ruhte auf seinem Sklaven, der einst auch ein guter Freund gewesen war...jetzt immer noch? Marcus war sich deßen nicht sicher und auch, ob er es selber noch sein wollte; ärgerlich schob Marcus den Gedanken und die Frage beiseite und atmete tief ein.
„Optio Decimus Serapio ist mit dem Anliegen zu mir gekommen, Dich von mir zu erwerben. Er möchte Dich frei kaufen und Dir wohl die Freiheit schenken. Er glaubt es tun zu müßen, weil Du wohl ein stolzer Adler bist, der nicht in einem Käfig leben sollte.“
Ob dieser Aussage konnte sich Marcus doch immer noch amüsieren, trotz seines Ärgers.
„Daß dem nicht so ist, das wissen wir Beide zu Genüge. Ich habe ihm die Einzelheiten und Details erspart, warum wir Beide das nicht glauben. Aber es ist Dir anzuraten, Hannibal, daß Du selber Decimus Serapio darüber aufklärst, was für schmutzige und scheußliche Dinge Du begangen hast, die einem Adler wirklich nicht gut zu Gesicht stehen.“
Kühler war die Stimme von Marcus bei den letzten Sätzen.
„Außerdem äußerte Decimus Serapio noch, daß er Dich liebt.“
Jetzt schwoll die Stimme zu eisiger Kälte an, der düstere Schatten verfinsterte sich noch mehr als er seinen Sklaven fixierte.
„Und jetzt sage mir, Hannibal, erwiderst Du das?“ -
Desaströs. Dieser Art war das Ganze in dem Atrium. Hannibal, ganz angespannt, bemühte sich gleichmütig und ruhig zu wirken. Seine Fingernägel gruben sich in die Handballen und er wartete darauf, was Aristides ihm zu sagen hatte. Nur aus den Augenwinkeln erheischte er mal etwas von Faustus. Oh ihr Götter, lass ihn nicht wegen mir hier sein. Doch die Götter wollten mit Hannibal nicht sein, vielleicht lag es daran, dass auch Hannibal die Götter schon vor langer Zeit abgeschrieben hatte. Für einen kurzen Moment schloss Hannibal die Augen als er hörte, weswegen Faustus hier war. Um ihn frei zu kaufen. Hannibal empfand das als einen Schlag ins Gesicht. Ware, um die man feilschte. So empfand der Sklave das. Und er war enttäuscht. Doch es wurde schlimmer. Hannibal öffnete sofort wieder die Augen und sah starr in das Gesicht von Aristides. Düstere Gewitterwolken schienen ihn zu umranken. Hannibal hatte schon die Befürchtung, ein Blitz könnte ihn davon erschlagen. Er hat was gesagt? Hannibal sah jetzt doch zu Faustus. Mit einem fassungslosen Ausdruck in den braunen Augen. Mühsam sog Hannibal die Luft durch seine Nase und kämpfte weiter um seine Beherrschung. Nicht die Regungen zu offenbaren, die ihn wie ein Orkan aufwühlten. Zorn, Wut, Enttäuschung. Er fühlte sich von Faustus hintergangen und an seinen Herrn verraten. Der flavische Sklave löste seine Augen von Faustus und sah zu seinem Herrn.
Die Frage, sie war aus einem ganz bestimmten Grund gefragt. Hannibal erkannte das sofort. Selbst wenn Hannibal mit sich haderte und immer noch darüber sich nicht schlüssig war, was genau er denn nun für Faustus empfand, so war die Antwort klar, die er geben musste. Hannibal holte Luft und suchte seine Stimme zu beruhigen. Dennoch war ein heiserer Ton in seiner Stimme als er leise meinte. "Nein."
Doch werter Leser, die Verwirrung ist zu verstehen. Warum musste Hannibal das sagen, egal, was wirklich war? Darum wollen wir doch einen kleinen Rückblick wagen. Zu dem Anfang des ganzes Fiaskos. Es ist schon viele, viele Jahre her und trug sich einst in dem schönen Badeort Baiae zu:
Der Horizont hatte die Sonne vor einer Hora verschluckt. In all den Häusern brannten die Öllampen. In vielen der vornehmen Villen wurde gespeist, gefeiert und sich der Lustbarkeit hingegeben. Die Hitze des Sommers drückte schwül auf das Städtchen. Dennoch vermochte die sanfte Brise von der Meeresbucht die Hitze zu mildern. Es war in der Villa Flavia. Lange Schatten zogen sich über den Boden und Hannibal lehnte dagegen. Zitternd, die Augen halb geschlossen. Die Tür ging auf und er hörte die Stimme zweier Männer. Sie lachten und klangen angetrunken. Sein Herr, Aristides, war auch dabei. Jung waren sie damals gewesen. Schritte näherten sich ihm, dann fiel ein Lichtschein auf ihn. "Ach, Hannibal, was machst Du...bei den Göttern, bist Du verletzt?" Hannibal sah auf. Immer noch kauerte er neben der Säule. Seine Hände waren blutig rot. Seine Tunika von Blut durchtränkt. "Nein. Sie sind tot!“ Er hörte wie Aristides mit jemand einige Worte wechselte, dann entfernten sich Schritte. "Wer?" "Sie, Romana...und ihr Buhler." "Was...?" Hannibal unterbrach ihn tonlos. "Ich habe sie getötet! Beide."...nicht das einzige Mal, es paßierte zu oft. Darum hatte Hannibal vor vielen Jahren ein Versprechen gegeben. Eines, was er halten mußte. Doch wieder zurück. Tonlos war nun auch die Stimme von Hannibal, etwas heiser: "Nein, das tue ich nicht! " Er sprach das fester aus und sah nicht zu Faustus. Der ihn in diese Situation gebracht hatte.
-
Unerträglich war es, wie der Centurio sarkastisch meine Worte wiederholte, voll grobem Spott über das was ich empfand, unerträglich wie er die zarten Regungen meines Herzens, die ihn doch gar nichts angingen, hier ans Licht zerrte und brutal darauf herumtrampelte. Unerträglicher noch, Hannibals fassungslosen Blick zu sehen! Verstand er denn nicht, dass ich hier war um ihm zu helfen, mein Versprechen einzulösen ohne auf meinen Ruf oder meine Familie zu achten, dass ich aus Liebe zu ihm hier ein gewaltiges Opfer brachte...? Anscheinend nicht.
So eiskalt bin ich noch nie abserviert worden wie da in diesem Atrium. 'Nein' sagte er einfach, ohne Zögern, ohne drüber Nachzudenken, bloss 'Nein'. Und bekräftigte es nochmal. Ich erstarrte vollkommen, in diesem Augenblick. Äusserlich und innerlich. Als würde ich fallen, so war das, als würde meine Seele mit einem qualvollen Ruck von meinem Körper losgerissen und in tiefes, eisiges Wasser hinabgetaucht. Ich starrte ihn an, und verstand nicht wie er mir sowas antun konnte. Hannibal! Er hatte nie wirklich behauptet er würde mich lieben, aber dass ich ihm keineswegs egal war, das hatte er mir deutlich zu verstehen gegeben. Seinen Brief hatte ich den ganzen Weg durch Parthien bei mir getragen, wie einen Talisman, unendlich oft gelesen... Wie hatte ich mich nach Hannibal verzehrt!
'Nein.'
Wenn er auch nur den Hauch einer Empfindung für mich hätte, würde er nicht einfach nur diese kaltschnäuzige Antwort geben. Ich war ihm egal, völlig egal. Mein Sichtfeld verschwamm, die Konturen meines grausamen Geliebten verflossen, sein Gesicht, das er von mir abgewandt hatte, verlor sich, als mir die Tränen in die Augen stiegen. Die verschränkten Arme sanken herab. Meine Hände fühlten sich kalt an, und taub, als wären sie kein Teil mehr von mir, und ich biss mir fest auf die Unterlippe, die zitterte. Dann floss es nass über die Wangen. Auch das noch. Bekanntlicherweise weinen römische Soldaten nicht, vor allem nicht vor ihren Kaisern - und hier standen gleich mehrere als Büsten oder Statuen herum - aber auch nicht vor ihren Centurionen.
Man sagt ja "Die Hoffnung ist es, die die Liebe nährt", und in dem Moment, als mir da schlagartig alle Hoffnung, oder wohl bessergesagt alle Illusion, geraubt wurde, spürte ich tatsächlich, wie sich etwas wandelte, und sich in sein glühendes Gegenteil verkehrte. In dem Moment hasste ich Hannibal, hasste ihn wie er da stand und mich so völlig unbeteiligt in die Wüste schickte, mich ausserdem noch komplett blosstellte, als den Inbegriff eines verliebten Idioten, vor dem Centurio."So... ist das... also", sagte ich langsam, voll Verzweiflung und bitterem Zorn, jedes Wort mühsam der Erstarrung abringend. "...Du hast also nur mit mir... gespielt mein Erastes... - Bastardo! Cabrón!! .... Hannibal, ich wünsche Dir alle Daimonen der Unterwelt auf den Hals, alle Furien und Larven und Lemuren und Lamien, dass sie Dir das kalte Herz aus der Brust reissen!!! Und vor allem..." - meine Stimme zitterte, drohte in den immer heftiger aufwallenden Tränen zu ersticken -"...vor allem wünschte ich, ich wäre Dir nie begegnet!"
Mit diesen Worten drehte ich mich um, mit einer abgehackten Bewegung, ich sah gar nicht mehr zum Centurio und dachte auch nicht daran meine Paenula, die über dem Sessel lag, mitzunehmen, ich setzte nur den einen Fuss vor den anderen, Schritt für Schritt, und ging auf den Ausgang des Atrium zu, in Richtung der Fauces, wobei ich mir die Tränen unwirsch mit der Hand aus dem Gesicht wischte. Um auch was zu sehen bei meinem Abgang, und nicht zum Beispiel ins Impluvium zu fallen, zu den Seerosen, was das ganze - falls das überhaupt möglich war - noch elender gemacht hätte. -
Die Schritte hallten nach in dem atrium der villa Flavia, schal war der Nachgeschmack von Serpios Worten, wenngleich Marcus mit Zufriedenheit den Umschwung bemerkt hatte, die verträumte Glorifizierung wich der Ernüchterung und kam somit weit näher an die Realität heran; Marcus sah dem jungen Mann nicht hinter her, er fixierte weiterhin seinen Sklaven, mit dem er nicht nur unzufrieden war, nein, er war sehr enttäuscht; immer wieder hatte er ihn gedeckt, geschützt, vertuscht, was Hannibal getan hatte, bis es ihm auch zu viel wurde; vor vielen Jahren hatte er darum ein Versprechen gefordert und der Sklave hatte sich daran nicht gehalten. Marcus fühlte sich hintergangen, zumal er mal wieder der Letzte war, der von der ganzen Angelegenheit erfahren hatte; und in dem Augenblick als er – den Sklaven anstarrend – über alles nachdachte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen; die Beiden hatten einen richtig gehenden Idioten aus ihm gemacht, haben vor seinen Augen noch rumgeturtelt, damals, in Ravenna, bei ihrer Rückkehr, wie lange ging das Ganze schon? Marcus holte tief Luft und wandte sich nun doch ab, von seinem Sklaven; er trat an den Tisch und goß in seinen leeren Becher den vierten Becher des Abends, er winkte einen Sklaven heran, damit dieser sich um das Abendessen kümmerte, Marcus wollte nicht schon betrunken zur cena torkeln, nur weil er all das jetzt herunter spülen mußte. Er trank einen tiefen Schluck und legte den Kopf in den Nacken, sah wütend zu den Säulen hoch.
„Wann hattest Du es vor, mir zu sagen, Hannibal? Hm? Gar nicht vielleicht? Wenn Du wieder ausgerastet wärest und sein Blut an Deinen Händen geklebt hätte? Hm?“
Marcus hatte selber Mühe sich unter Kontrolle zu behalten, seine Hand schloß sich fest um den Tonbecher.
„Und was Du eben gesagt hast, stimmte das? Ist es wirklich so?“
Ein Funken Hoffnung war da noch, wenn es wirklich die Wahrheit war, dann würde Marcus vielleicht nicht weitere Schritt ergreifen müßen und all das würde sich wieder auflösen, sobald der Decimer sich einer neuen Flamme zuwandte und den Sklaven wieder vergeßen hatte, er war ja noch jung, wahrscheinlich sehr impulsiv, so wie er immer wirkte. Marcus wandte seinen Kopf halb zu seinem Sklaven, ein drohender Ausdruck lag in seinen sonst friedfertigen braunen Augen.
„Und lüge mich nicht an!“ -
Einem trügerischem See glich Hannibal in jenem Moment. Äußerlich wirkte das Gewässer ruhig, dennoch strömte das Wasser schnell, zahlreiche Bewohner verursachten große Turbulenzen, Algen und Schlick ließen es unten trüb werden. Wie ein wilder Fischschwarm schossen diverse Gedanken und Emfpindungen durch Hannibal als er die Reaktion von Faustus über sich ergehen liess. Er hatte nicht mit dieser Heftigkeit gerechnet, aber durchaus mit seinem Zorn. Dennoch war Hannibal etwas erschüttert. Auch von dem, was er dahinter vermutete. Konnte sich Faustus nicht denken, dass er vor seinem Herrn nicht frei sprechen würde. Die einzige Regung auf der spiegelglatten Oberfläche waren das Auseinanderweichen seiner Lippen als er tief Atem holte und mit seiner Beherrschung kämpfen musste. Als ihm all die Worte wie ein Orkan entgegen strudelten und ihn schier zu ersticken drohten. Immer noch enttäuscht und betroffen sah Hannibal Faustus hinter her. Und schwieg. So schwieg er erstmal mit seinem Herrn und Hannibal hätte sich gerne noch länger darin versenkt. In Gedanken vertieft. Doch da Aristides nun mal niemand der nachdenklichen Sorte war, ließ auch eine Reaktion nicht lange auf sich warten.
"Sagen?" Verwirrt sah Hannibal zu Aristides. Kopfschüttelnd kniff der Sklave die Lippen zusammen. Sicherlich, er hatte schon viele dumme Sachen getan. Aber so viel hat er auch wieder nicht verbockt und fühlte sich zu Unrecht verdächtigt. Was Hannibal jedoch erschreckte, war der Ausdruck. In den Augen seines Herrn, einen, den er bisher selten erlebt hatte. Hannibal schwieg. Am liebsten hätte er das fortgesetzt und sich einer Antwort entzogen. Einer, die er kaum mit Sicherheit beantworten konnte. "Ich weiß es nicht. " , gab er schließlich zu. Heiser und trocken war seine Stimme bei der Antwort. "Aber es ist nicht wie früher. Wirklich nicht. Außerdem glaube ich kaum, dass Faustus es wirklich ernst meint." Auch darüber war sich Hannibal nicht sicher, aber wie konnte Faustus wirklich solche Gefühle hegen, wenn er ihn doch im Grunde kaum kannte.
Dennoch hatte der Besuch von Faustus noch etwas anderes angeregt. Einen Trotz und der Zorn, den er Aristides schon seit längerem gegenüber verspürte. All das kam zur Oberfläche hoch. "Du müsstest Dir darüber keine Sorgen machen, Marcus, wenn Du endlich Dein Versprechen einlösen würdest. Es ist schon lange fällig, sehr lange. Das weißt Du genau! " Der Ärger war jetzt in Hannibals Augen deutlich zu sehen und er richtete seine Schultern etwas auf.
-
Kieferknochen mahlten aufeinander, als ob sie ganze Säcke voller Wut zerkauen mußten, Marcus hatte den Kopf etwas gesenkt und starrte finster auf den Boden, der Schatten der Säulen fiel auf seine Schultern, wie eine schwere Last. Er weiß es nicht? Bona Dea, was sollte Marcus davon nur halten; egal was er davon hielt, Marcus war mächtig sauer, wie schon lange nicht mehr. Und mit jedem Wort, das Hannibal an ihn richtete, wurde es nur umso schlimmer. Marcus richtete sich etwas auf und stapfte wütend im atrium hin und her, den leeren Becher stellte er auf dem Tisch ab, gedachte nicht, noch mehr zu sich zu nehmen, sonst würde er wohl auch noch die letzte Beherrschung verlieren, die noch die Wut mit einem brüchigen Damm fest hielt. Dennoch war es deutlich in Marcus' Gesicht zu sehen und auch in seiner Stimme zu hören.
„Unsinn und Unfug! Erzähl mir nicht so einen Mumpitz, natürlich würdest Du so reagieren wie früher und gerade wenn er es sich eines Tages doch anders überlegt.“
Marcus schnaubte aufgebracht und schüttelte den Kopf, für ihn war es alles glasklar und völlig durchschaubar, dafür musste er in keinen Eingeweiden lesen laßen, noch einen augur befragen, nein, und Marcus hatte keine Lust mehr auf das ganze Theater insbesondere, da er jetzt auch Familie zu schützen hatte, auf die er nicht den Schatten von Hannibals Untrieben fallen laßen wollte.
„Und was das Versprechen angeht, Hannibal...Du hast das Deine gebrochen, Du hast mich belogen und hinter gangen, damit hat sich das mit Deiner Freiheit auch erledigt. Ausgleichende Gerechtigkeit sozusagen. Und ich will keine Diskussion darüber führen. Geh' mir am besten aus den Augen, ehe ich mich noch vergeße.“
Da Marcus befürchtete, daß die Diskussion doch kam, wandte er sich selber ab und stapfte geharnischt von dannen, jetzt mußte er erst mal etwas essen, um den Groll und die Wogen in sich zu glätten.
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