Marsfeld | Equus October

  • Mit zwei blauen Fähnchen bewaffnet sprang miles Ivinius Pallitius – auch nur Tius – genannt, von seinem Sitz auf, als die Wägen auf die Rennbahn schoßen. Eine ganze Soldatenschar hatte sich heute zu der Rennbahn und dem Wettkampf an diesem Feiertag aufgemacht, um sich ja nicht den Auftritt ihres optio entgehen zu laßen. Sie hatten sogar zusammen gelegt, um genug an Geld zusammen zu kriegen – um von dem Dienst heute befreit zu werden. Tius, Cafo, zudem einige alte Veteranen von der Prima, waren hier, aber auch ein paar von den cohortes urbanae. Denn es hatte sich schnell herum gesprochen, daß der Decimer an dem Rennen teilnahm. Begeistert wedelte Tius mit seinen Fähnchen aus blauem, ausgebleichtem Leinenstoff.
    „Vor, vor, optio, gewinne, für die veneta! Los! Los!“
    „Hey, Tius, der fährt nicht für die veneta. Der fährt für die aurata!“
    „Wie...?“
    Tius starrt auf die Bahn und erkannte die golden leuchtende Beschläge am Wagen.
    „..für den Drecksverein? Das gibt’s doch nicht...!“
    „Was soll das heißen? Drecksverein? Ich geb' Dir gleich Dreck zu freßen, Tius!“
    Ein stämmiger Soldat, Briso hieß er, schon seit Jahren Fan der aurata, wobei er auch hin und wieder mit der russata liebäugelte, stand auf und hob drohend die Faust. Sie waren alle schon recht angetrunken zu dieser Stunde.
    „Jungs, das reicht, hinsetzen. Hier wird nicht geprügelt.“
    Aus einem Reflex heraus setzte sich die Männer als sie ihren Zenturio erkannten, der in zivil, sich einen Weg durch die Menschemengen gebahnt hatte und bis zu den Rängen, die sich die Soldaten bereits vor einigen Stunden ergattert hatten, sie hatten auch nicht zimperlich mit ihren Ellbogen oder Fäusten gesparrt um die praesina Fraktion, eine immer mehr schwindende Anhängerschaft, dort zu vertreiben. Denn in einem waren sich die Männer alle einig, die praesina konnte man wirklich in den Sack stecken und getrost vergeßen.
    „Wir...ähm...centurio, wollten uns gar nicht prügeln. Bestimmt nicht...“
    „Wie steht es denn?“
    „Erste Runde, centurio, noch ist alles offen.“
    „Macht er sich gut?“
    „Bis jetzt ja!“


    Aus kollegialer Solidarität ließ Tius dann auch die blauen Fahnen schnell verschwinden, einige Münzen wurden gewechselt und der Soldat hatte kurze Zeit später eine grellgelbe Fahne in der Hand – golden war zu teuer für den Mann. Erneut sprang er auf, gerade als der Decimer an ihrer Bande vorbei kam, und brüllte aus Leibeskraft – und er hatte ein mächtiges Stimmorgan:
    „Serapio zum Sieg,
    Meister über die Parther flieg.
    Mach sie nieder,
    häng sie ab, immer wieder!“

    Tius hatte noch nie einen Sinn für solche Dinge wie das Reimen gehabt, aber dafür inbrünstige Leidenschaft für den Rennsport. Er sah bestätigend zu seine Kumpanen.
    „Na, wenn der im Krieg sich gemacht hat, dann wird das hier ein Kinderspiel sein, findet ihr nicht auch?“
    Bestätigendes Nicken.
    „Serapio, los, los!“
    , stimmten auch die anderen Soldaten mit ein.

  • Abwartend sah der Decimus zu seinem Verwandten. Als dieser dann seine Frage bejahte und sich als Decimus Serapio vorstellte, wurde Crassus in seiner Vermutung bestätigt. Er nickte leicht auf.


    "Tiberius Decimus Crassus."


    Einige Sekunden später wurde der Rennstart angekündigt. Es blieb keine Zeit mehr groß über Serapio nachzudenken oder mit ihm ein Pläuschchen zu führen. Das große Rennen zu Ehren des Mars begann! Ein Wagen nach dem anderen startete und preschte nun über die Rennbahn. Tiberius fühlte sich schon selbst im Rennen, doch das war er nicht, beziehungsweise noch nicht. Bis er realisieren konnte, wie im geschieht, waren bereits die ersten vier Wagen an ihm vorbeigezischt. Ein Rad seiner Biga hatte sich im Sand verhakt! Auch wenn es dem Decimus wie Minuten vorkam, konnten ihn seine Pferde innerhalb von wenigen Sekunden aus dieser misslichen Lage befreien. Unter der Anfeuerung des Lenkers und der tobenden Menge gelang es dem Gespann als eines der letzten aktiv ins Renngeschehen einzugreifen. Nun eilte auch der mit roten Markierungen verzierte Russatawagen über die Bahn. Crassus steuerte in die erste Kurve, woraufhin wieder eine kurze gerade Strecke folgte. Er nutzte den Moment um kurz die aktuelle Rennlage zu analysieren. Zwei Fahrer waren noch hinter ihm, der der Purpurea und der der Praesina. Danach blickte der Decimus nach vorne zur Spitzengruppe, die sich bereits einige Meter absetzen konnte. Unter anderem entdeckte Tiberius auch Serapio's golden verzierten Wagen, der anscheinend einen guten Start hingelegt hatte. Crassus konzentrierte sich wieder auf das Steuern seines Wagens und lenkte nun in die nächste Kurve ein. Doch auch in dieser Kurve war das Glück anscheinend noch immer nicht auf seiner Seite. Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit nutzte der Auriga der Purpurea Tiberius' schlechte Kurvenlage und zischte an diesem vorbei. "Mist!", stieß der junge Decimus hervor. Doch noch war bestimmt nicht aller Tage Ende. Immerhin war er noch nicht letzter, auch wenn der Grüne hinter ihm nun hartnäckig versuchte ebenfalls das rote Gespann zu überholen. Immer wieder bremste der unerfahrene Crassus den Kontrahenten hinter ihm geschickt aus und versuchte gleichzeitig mit lautem Geschrei sein Gespann zu einem schnelleren Tempo zu bewegen. Der Start des Decimus war zwar unglücklich, doch das Rennen war noch lang und der Wille des jungen Auriga groß...

  • Das Rennen startete und Ursus war hin und hergerissen. Sollte er zu dem Wagen halten, der die Farben der Aurata trug? Heute starteten die Wagen nicht für die Factiones, dies war schließlich kein gewöhnliches Rennen. Es waren nur die Gespanne und Wagen, die eigentlich den Factiones gehörten. Die Fahrer waren auch keineswegs die normalen Fahrer der Factiones, sondern junge Männer aus dem Volk, die ihr Talent beweisen und die Götter ehren wollten. Der goldene Wagen wurde von einem Angehörigen der Gens Decima gelenkt, wie Ursus von Meridius wußte. Ungewöhnlich, jedoch nicht ohne Ehre, wie er fand. Und es war ja auch eine Ehre, daß eines der Aurata-Gespanne zu diesem Rennen antrat. Doch der Sieg würde auch den Tod bedeuten für eines dieser edlen Tiere. Natürlich war für die Götter nichts zu gut. Aber es wäre dennoch ein herber Verlust für die Factio, denn dort unten lief ein gutes und eingespieltes Gespann.


    Eine Gruppe von Soldaten ereiferte sich ein wenig und Ursus mußte schmunzeln. Die waren mit Feuer und Flamme dabei. Und so sollte es auch eigentlich sein. Recht hatten sie! Anscheinend kannten sie den Fahrer, denn sie feuerten ihn ordentlich an. Und anscheinend waren die meisten auch Anhänger der Aurata, was die Jungs doppelt sympathisch machte.

  • Auf der Tribüne hatte Macer auch bis zum Start noch keine Einigkeit mit sich selbst erzielt, wie er dieses Rennen nun betrachten sollte. Einerseits war dies ein Wagenrennen, er war Rennsportanhänger und auf der Bahn waren Wagen und Pferde der Russata unterwegs. Andererseits waren das da unten Zweispänner, es fuhren bestenfalls ambitionierte Amateure und mit den Factiones hatte das Rennen wenig zu tun. Dass er nicht zum ersten mal beim Equus October dabei war und diesen Kampf mit sich selbst schon häufiger führen musste, half ihm auch nicht weiter.


    Letztlich setze sich eine Mischung aus Interesse und Gelassenheit durch und er begann, das Rennen zu analysieren. Natürlich fiel sein Blick zuerst auf Decimus Crassus und den Wagen der Russata und sofort fiel ihm auf, dass der junge Mann ganz anders fuhr, als es Brinno getan hatte, mit dem die beiden Pferde jahrelang vertraut waren. Kein Wunder, dass der Start da nicht blendend gelang. Auch in den Kurven waren die Fehler eines unerfahrenen Fahrers zu bemerken, die ein anderer gleich auszunutzen wusste. Von der Purpurea war bei den großen Renn schon lange nichts mehr zu sehen gewesen, aber hier waren sie also offenbar am Start. Suchend blickte sich macer auf der Tribüne um, ob wohl ein Senator zu entdecken war, der den purpurnen zuzuordnen war, konnte aber niemanden erblicken.

  • | Caius Optimus


    Die ersten Anfeuerungsrufe und -schläge zeigten tatsächlich Erfolg! Während er konzentriert auf die Bahn vor ihm blickte, bemerkte er nach kurzer Zeit, dass keiner der anderen Gespanne in seinem Gesichtsfeld lag. Er drehte sich um: Er wurde dicht von dem Fahrer der Aurata verfolgt, dahinter war einiger Freiraum.


    Doch der Aurata-Mann kam beängstigend näher und in der Kurve hatte er schließlich aufgeschlossen. Nun galt es, sein Fahrer-Talent zu beweisen: Abwechselnd auf die Bahn und zurückblickend versuchte er, vorherzusehen, in welche Richtung Serapio zum Überholen ansetzen wollte.


    Er würde es zu verhindern wissen, dass dieser Typ (er war angeblich Soldat) an seinen treuen Tieren vorbeizog!





    AURIGA - FACTIO VENETA

  • Es war phantastisch! Die Pferde streckten sich, flogen nur so dahin, und ich kam dem blauen Wagen immer näher! Die Anfeuerungsrufe von der Tribüne beflügelten mich, ich sah ganz kurz, nur aus den Augenwinkeln hin, und erblickte Tius mit den Fähnchen wedelnd, und einen Haufen anderer Kameraden. "Serapio zum Sieg", das klang doch wunderbar. Ein breites Grinsen schob sich auf mein Gesicht bei dem ungeschlachten Reim, ich freute mich kolossal über diese Unterstützung, und voll Zuversicht ging ich in die erste Kurve.
    Es war jetzt ganz knapp, nur noch eine halbe Wagenlänge Abstand. Entschlossen lenkte ich die Pferde nach links, und ging scharf in die Kurve - schärfer als Geta mir das gerade geraten hatte. Man kann schon sagen, dass der Jubel und das alles mich dazu verleitete, waghalsiger zu fahren, als ich es eigentlich vorgehabt hatte, und auch waghalsiger als es meiner sehr überschaubaren Erfahrung damit entsprach. Aber das war wie ein Rausch!
    Etwas in die Knie gehen auf dem Wagen, das Gewicht nach innen verlagern... holla, der Schwung wollte mich schon wieder nach draussen tragen, aber ich versuchte doch verbissen, mich auf die Innenbahn zu drängen, um so endlich an dem Veneta-Wagen vorbeizukommen!

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • [Blockierte Grafik: http://img129.imageshack.us/img129/8084/wagenlenkerer4.png] | Modicus Pansa


    Die Nüstern der zwei weißen Pferde blähten sich erwartungsvoll, als Modicus die Zügel auf ihren Rücken klatschen ließ. Sein Körper pumpte Adrenalin wie schon lange nicht mehr, seine Hände zitterten und er konnte kaum vor sich selbst verbergen, dass er Angst hatte. Er gedachte gehässig seinen Kollegen, die ihm zum Metzger des Monats gewählt hatten. Dann machte das Gespann auch schon einen so plötzlichen Satz nach vorn, dass er alles um sich herum vergaß und Mühe hatte, in der Kanzel stehen zu bleiben. Aus den Augenwinkeln sah er, wie einer der beiden Decimer einen ziemlich guten Start hinbekam und direkt mit dem Venetafahrer vorbei zog. Modicus selbst war kurz Dritter, dann Vierter, und als ihn ein Brot - ein Brot? - noch vor der ersten Kurve einholte, lieferte er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit diesem TemPANIus-Wagen. Ein paar Mal schlingerte die bigae gefährlich nahe an seiner eigenen, doch noch passierte nichts. Innerlich starb Modicus tausend Tode. Tausendundeinen, wenn man die Kurve mitrechnete. Jetzt war der Bäcker auch noch eine halbe Pferdelänge vor ihm!


    Modicus wandte sich um und sah nach hinten. Irgendwo lieferten sich der andere Decimus und der Kerl in dem Grünen Wagen ein...verdammt, das war gar kein Kerl! Wer ließ denn sein Weib einen Wagen lenken! Da sah man es wieder. Frauen konnten keine Rennenfahren, das war seit Jahren bewiesene Tatsache. Abgesehen davon, dass es sich rein gar nicht schickte. Wer würde so ein Mannweib denn wollen? Über diesen Skandal derart durcheinander gebracht, vergaß Modicus kurzzeitig, seine Pferde anzustacheln, weswegen der Bäcker die zweite Kurve mit einer halben Wagenlänge Vorsprung erreichte. "He du Mehlnase! Platz da vorne, jetzt komm ich!" brüllte er gegen das Sausen der Geschwindigkeit an und gab den Pferden noch einmal neu Zunder.


    Caius Optimus war am Ende der ersten Runde immer noch erster. Verdammte Blaue, die hatten sicher getrickst. Decimus Serapio kam direkt dahinter, quasi Holz-an-Holz, dann kam eine Wagenlänge gar nichts und dann rollte dort die Nummer Drei dahin. Vierter und Fünfter waren dieser Bäcker und Modicus, wobei es schien, als könnten sich die beiden nicht entscheiden, wer nun vierter und wer der fünfte war. Vorletzer war Decimus Crasssus, und gar nicht mehr so weit entfernt hinter ihm lenkte die Frau ihren grünen Wagen unerbitterlich.

  • Gerade noch rechtzeitig fand sich Phelan zur ersten Runde des Rennens ein. Er hatte einen guten Platz. Das Rennen an sich interessierte ihn nicht übermäßlich, er freute sich viel mehr auf seine Aufgabe als Opferhelfer, welche er später noch auszuüben hätte. Als er durch zufall seinen Lehrer erkannte ging er zu ihm und stellte sich neben ihn. Er verschränkte die Arme, wobei seine Hände auf den jeweiligen Oberarmen ihren Platz fanden. Mit einer kleinen Verbeugung begrüßte er den Aurelier. "Salve magister. Ich habe mich lange auf diesen Tag gefreut, ich wünschte das Rennen würde schneller vorbei gehen als geplant." Es war klar das er sich auf das Opfer freute, vermutlich genausoviel wie Orestes, vielleicht sogar ein wenig mehr, auch wenn Phelans Aufgabe bei weitem nicht so ehrenvoll war, wie die seines Lehrers.

  • | Caius Optimus

    Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio
    [...]


    In der Kurve blickte Caius wieder einmal zurück, um voller Schreck festzustellen, dass der Soldat (Caius nannte ihn im Geiste so) nun zum Angriff ging. Er ging scharf in die Kurve, doch so einfach wollte Caius ihn nicht vorbeiziehen lassen. Er lenkte ebenfalls nach links und gerade so gelang es ihm, dem angreifenden Wagen den Weg abzuschneiden und ihn etwas auszubremsen.


    Dann war die Kurve jedoch überstanden und Caius brüllte seine Pferde an. Er wollte unbedingt Raum zwischen sich und den Angreifer bekommen, ehe es in der nächsten Kurve wieder so eng wurde.





    AURIGA - FACTIO VENETA

  • [Blockierte Grafik: http://img65.imageshack.us/img65/5320/bacillusxy0.jpg] Iullus Bacillus Axilla


    Die Pferde zogen den Wagen, ganz so, wie dies unbezweifelt vor etlicher Zeit einmal von jenem unbenannten Erfinder des Zweigespannes so beabsichtigt gewesen war. Jener Mensch hatte dabei sogar einkalkuliert, dass die Pferde ein wenig zu schnell den Wagen würden ziehen, und darob gleichsam ein Paar Zügel angedacht, mit welchen die Tiere geschickt abgebremst und gleichsam gelenkt werden konnten. Bacillus Axilla war ein einfacher Mann, sein Vater hatte gerade einmal einen Hund besessen, welcher die Ratten in der einfachen Mietswohnung verjagte, und er selbst konnte sich kein Tier leisten. Dennoch hatte auch er das Prinzip des Pferdewagens längst durchschaut - nicht umsonst hatten die Männer der Vereinigung der rechtschaffenen Bäcker der Via Lata ihn als Wagenlenker gekürt - und in den wenigen Übungseinheiten im Circus auch in praktischer Weise erprobt. Allerdings, während jener Übungsstunden war der Circus leer und die Bahn frei von anderen Wägen und sonstigen Hindernissen wie weiterer Pferde gewesen, doch an diesem Tage war alles anders, die Gespanne der Konkurrenten rasten neben dem Bäckersgesellen über die Bahn, Pferde schnaubten, Zügel knallten, Wagenlenker schrien und Zuschauer schrien noch viel lauter. Die Pferde vor Bacillus jagten davon, als wüssten sie bereits, wo ihr Ziel lag, zogen an dem Wagen des Metzgers - obgleich völlig außer Konkurrenz der natürliche Todfeind des Bäckers - vorbei und strebten auf die erste Kurve zu. Strebten auf die erste Kurve zu. Strebten in die erste Kurve hinein. Immer geradeaus. Erschrocken riss Axilla an den Zügeln, wusste in der Eile nicht, ob rechts oder links so er links oder rechts den Tieren wollte anzeigen, suchte irgendwie seinen Wagen auf der Bahn zu halten, kam bedenklich nahe an das Gespann des Metzgers heran, konnte bereits den heißen Atem dessen äußeren Pferdes in seinem Rücken spüren. Mehr schlecht als recht gelang es ihm, die Kurve zu nehmen, Schweiß stand auf seiner Stirn, rann ihm in die Augen, so dass auf der folgenden Gerade er sich kurz erlaubte, mit dem Ärmel darüber zu wischen. Viel zu schnell raste die Welt an ihm vorbei, raste die nächste Kurve unaufhaltsam auf ihn zu.
    'Rechts oder links, rechts oder links?'
    rann die alles entscheidende Frage beständig durch seinen Kopf, während seine Hände ganz eigenständig die Pferde weiter antrieben, um nur dem Metzger kein Vorbeikommen zu ermöglichen, und neuerlich schnitt er ihn in der Kunst seiner Unfähigkeit in der nächsten Kurve derart knapp, dass jener nicht an ihm konnte vorbeiziehen bis zum Ende der ersten Runde.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Als ich die Zuschauerreihen nach bekannten Gesichtern absuchte, erkannte ich niemanden. Ich sah aber eine Gruppe Männer, einer von ihnen war ein Priester, die anderen beiden schienen ebenfalls dem Cultur Deorum anzugehören. Vielleicht war einer der Männer derjenige mit dem ich nach dem Rennen zu meinen Schwestern gehen sollte.

  • [Blockierte Grafik: http://img65.imageshack.us/img65/5320/bacillusxy0.jpg] Iullus Bacillus Axilla


    Die erste Runde war überstanden und Bacillus sandte ein Stoßgebet zu Hippona, der Göttin der Pferde, da ihm im Augenblick der zweiten Kurve siedend heiß war eingefallen, dass er ausgerechnet gerade jene hatte in seiner Amulettsammlung vergessen, dass zudem er hatte ebenso darauf vergessen, ihr zuvor ein kleines Opfer zu bringen - Venus, Fortuna, Felicitas und Euphrosyne hatte er gemeinsam mit den Meistern der Via Lata kleine Opferbrote am Morgen noch dargebracht. Die Zeit jedoch, welche blieb, um der Götter zu gedenken, war indes nicht allzu lange, denn eben in die zweite Runde hinein strebte erneut die erste Kurve auf ihn zu. Der Metzger hatte auf der Außenbahn einen leichten Vorsprung genommen, doch nach allen Regeln und Gesetzen der Circuskunst wollte Axilla ihm diesen in der Kurve streitig machen, dann, wenn sein eigener physikalisch zurückzulegender Weg ein wenig geringer würde sein. Höchst konzentriert kniff der junge Bäckersgeselle die Augen zusammen, ging ein wenig in die Hocke und bereitete sich - mit zittrigen Knien - darauf vor, ruhmreich und siegessicher an Modicus Pansa vorbei zu ziehen. Im geradezu perfekten Augenblicke, wie Bacillus glaubte, zog er gefühlvoll an den Zügeln - doch nichts geschah. Unbeirrt donnerten die Pferde starr gerade aus und augenblicklich wurde der Lenker von neuerlicher Panik überrant. Heftig ruckte er an den Zügeln, so dass die Pferde nun dem Zug folgten, zu weit jedoch auf die Innenbahn ausscherten, den dort schräg neben Bacillus fahrenden Wagen in arge Bedrängnis brachten, dass dessen Lenker in deftige Flüche verfiel.
    'Rechts! Links! Nein!'
    schoss es unkontrolliert durch Axillas Gedanken, der durch seine beständig gegensätzlichen Zügelweisungen die Pferde in unkoordinierte Bahnen lenkte, verzweifelt suchte, sein Gespann von dem des neben ihm dahinbretternden Paullus Ancharius Mus, einem bereits in die Jahre gekommenen Verwaltungsbeamten des Cultus Deorum, welcher in mehr oder minder regelmäßigem Engagement - je nach Anzahl und Ausprägung seiner derzeitigen Gebrechen - sich auf die Rennbahn wagte. Etwa die halbe Kurve war geschafft, als Ancharius neben ihm schrie und schrie - kein Wort drang verständlich in des Bäckersgesellen Sinne vor -, bis dass mit einem Male ein lautes Schleifen, hernach gefolgt von Krachen den Lärm des Circusrund durchbrach. Erschrocken drehte er seinen Kopf zur Seite, blickte in das grimmige Gesicht des Mus, der ihn gleichsam mit unzähligen Flüchen überdeckte. Hektisch suchte Bacillus gegen zu lenken, bemerkte dabei nicht, dass die Wägen ineinander sich hatten verkeilt und er allmählich den seines Konkurrenten mit sich zog, auf der anderen Seite dabei gefährlich nahe an Modicus Pansa heran kam. Mehr und mehr gerieten seine Pferde aus seiner Kontrolle, wurden nurmehr von den neben ihm fahrenden Gespannen in ihre Bahn gedrängt, als plötzlich auch Pansa von der anderen Seite her das erzürnte Gebrüll des Mus mit weiteren Rufen auszugleichen wusste. Krachend schlug letztlich die Seite des Wagens der Vereinigung der rechtschaffenen Bäcker der Via Lata gegen den des Metzgers, die Räder rieben aneinander, und aufgeschreckt durch den Klang suchte der Bäckersgeselle endlich wieder auf der Geraden völlig verzweifelt seine Pferde weiter anzutreiben, um dem Keil zu entkommen, dabei gänzlich ignorierend, was mit jenen Wägen um ihn herum geschah.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • [Blockierte Grafik: http://img129.imageshack.us/img129/8084/wagenlenkerer4.png] | Modicus Pansa


    Vierter! Oder doch fünfter? Pansa war sich da nicht ganz sicher, er hatte den Eindruck, dass sich das bei jedem Galoppsprung änderte, den die Pferde machten. Eben noch hatten seine Gäule die Nase vorn, dann wieder die des Bäckers. Und plötzlich machte der Wagen neben ihm samt allem, was dazu gehörte, einen Satz zur Seite, das zumindest sagte Pansa sein Blick aus den Augenwinkeln heraus. Man muss dazu sagen, dass er so schnell gar nichts erkennen konnte, außer einem sich bewegenden Etwas. Und als er dann den Kopf wandte, war es bereits zu spät. Der Bäckerwagen schoss auf seinen zu und überwand den Meter Raum zwischen ihren beiden Wagen in atemberaubender Schnelligkeit. Gleichzeitig fiel der Kerl aus dem cultus ein wenig zurück, sodass der Bäcker nun zwischen dem Gottesmann und Pansa selbst eingekeilt war.


    Doch Pansa würde ganz sicher keinen Zollbreit weichen! Er hielt seine Pferde, die von Natur aus ein wenig ausbrechen wollten, um einem möglichen Zusammenstoß zu entgehen, mit eiserner Hand in der Spur. Und er hatte Glück, denn der Bäcker schweifte nun allmählich wieder nach innen und damit auf Paullus Ancharius Mus zu, der alles andere als begeistert war, dass es Bacillus nun wieder auf ihn abgesehen zu haben schien. Doch auch er war anscheinend nicht bereit, auch nur eine Handbreit auszuweichen, und so kam es, wie es kommen musste. All das sah Modicus Pansa allerdings nicht. Er ließ die Zügel schnalzen, trieb seine Tiere mit derben Flüchen an und musste auf die Zuschauer wirken wie ein Lenker, der keine Rücksicht auf seine Umwelt - oder seine Tiere - nahm, nur um zu gewinnen. Tatsächlich war das wahrhaftig der Fall. Er musste seinen Patron glücklich machen. Und er wollte dem Bäcker ordentlich eins reinwürgen. Zudem winkten dreitausend Sesterzen, das war schnell verdientes Geld. Wieder und wieder klatschten die Zügel auf die Rücken der armen Tiere, die weiter ausgriffen. Doch absetzen konnte er sich trotzdem nicht.


    An seinem Ohr summte ein dicker Brummer vorbei. Irgendwo rechts neben ihm brüllte jemand etwas, doch die Laute wurden vom Wind so schnell weitergetragen, dass er nicht einmal ansatzweise etwas davon verstand. Dennoch wandte er den Kopf. Und sah dann Bacillus auf sich zu kommen. Dann prallte dessen Wagen auch schon an seinen eigenen. Pansa hätte um ein Haar einen erschrockenen Satz gemacht, klammerte sich geistesgegenwärtig allerdings nur am Holz der Kanzel fest. Ein ohrenbetäubendes Splittern kreischte in seinen Ohren, und er konnte gar nicht anders, als Bacillus mit schreckgeweiteten Augen anzustarren. Das Publikum johlte, irgendwo wieherte ein Pferd - und dann fand Pansa seine Stimme wieder und bedachte den Erzfeind jedes rechtschaffenen Metzgers mit Flüchen, bei denen einer gestandenen Matrone noch die Ohren geschlackert hätten. Gleichzeitig versuchte er, seinen Wagen von dem Bacillus' wegzulenken, ohne gleichsam zu viel des Wegs aufzugeben. Doch sein Wagen wollte sich nicht mehr steuern lassen - was daran lag, dass sich die Deichseln verkantet hatten und nun miteinander drehten. Egal was es auch war, während der Übungsrunden waren es immer die Deichseln gewesen. Also kam für Pansa jetzt auch nichts anderes in Frage.


    Auf der Gerade nach der ersten Kurve dann tauchte eine neue Schwierigkeit auf, im wahrsten Sinne des Wortes: Der Decimer, der vormals Platz zwei inne gehabt hatte, fiel scheinbar ein wenig zurück - oder holten sie auf? Es war im Grunde auch gleich. Denn der Abstand zum Wagen des Decimer schmolz unerbittlich dahin, aus welchen Gründen auch immer...

  • Um uns herum brandete eine unbeschreibliche Lautstärke auf als das Rennen begann. Ich fragte mich, wie das erst bei Factio-Rennen hier in Rom sein musste, wenn schon die privaten Wägen beim Oktoberrennen so viel Aufmerksamkeit genossen. Zu Beginn versuchte Tuktuk noch, mir zu berichten, was auf der Bahn vor sich ging. Einen Wagen hatte man anscheinend schon vor dem Start disqualifiziert, so dass noch sieben Wägen blieben, manche in Factio-Farben, andere als rollende Werbebotschaften. Mein Sklave schwärmte von dem blauen Wagen, der wie ein aufgestauter Fluss los schoss und sich wie eine Flut über die Bahn ergoss, dicht gefolgt von dem goldenen Sonnenstrahl, der sich über die Hügel im Osten schob, um das Flussbett auszudörren. Irgendwo dazwischen flog beschriebenes Pergament dahin, hin und herschwankend wie ein Blatt im Wind, und dahinter kämpfte eine rote Flamme mit einem grünen Grashalm. Ich versuchte nicht, mir aus Tuktuks Beschreibungen ein Wagenrennen zusammen zu basteln, ich genoss vielmehr die in meinem Inneren aufsteigenden Vorstellungen, in der sich alle Elemente zu einem bunten Bild zusammen setzten - auch wenn mein Bild am Ende nicht visuell bunt war. Irgendwann kam Tuktuk nicht mehr nach und um uns herum wurden die Anfeuerungsrufe immer lauter. Ich gab ihm zu verstehen, dass er sich das Rennen anschauen sollte und hörte in die Menge hinein. Pansa und Serapio waren anscheinend zwei Fahrer, denn sie wurden besonders laut angefeuert, Crassus und Bacillus glaubte ich außerdem aufzuschnappen. Irgendwann schrie hinter mir jemand empört, dass eine Frau auf der Bahn sei, wurde allerdings schnell als Blindschleiche und Einfaltspinsel abgetan.

    Die Wägen rasten zur zweiten Runde vor uns vorbei, als Tuktuk plötzlich neben mir freudig aufschrie. "Sie hängen ineinander, njaatigi, zwei Wägen haben sich verkeilt! Hast du das gehört!?"
    "Mhm, ja." Natürlich hatte ich es nicht gehört. Mir hing noch ein kreischendes 'Caius Optimus Maximus!' von einer begeisterten Zuschauerin ein paar Reihen hinter uns in den Ohren. Entweder kannte sie ihn persönlich, oder er war von einer Factio eingesetzt. Aurigae waren bei Frauen immerhin beinah so beliebt wie Gladiatoren.
    Egal ob er mich überhaupt gehört hatte oder nicht, Tuktuk ignorierte mich sowieso. "Da!" Er stieß mir in die Seite, und ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie er dazu auch noch seine Hand ausstreckte und auf die Bahn deutete. "Noch einer! Sie nehmen den Mittleren in die Zange! Nein, die beiden anderen rammen den Äußeren! Sie kommen dem goldenen Blitz immer näher!"
    Um mich herum tobte die Menge und Tuktuk tobte begeistert mit ihr.

  • Auf den Rängen der Senatoren war es nicht ganz so laut wie im Rest des Stadions, denn hier schallte nur der Lärm der anderen Zuschauer herüber, aber die Senatoren selber machten natürlich keinen Lärm. Hätte man Macer allerdings zu einer lautstarken Äußerung genötigt, dann wären es vermutlich keine Anfeuerungsrufe gewesen.


    Wenn Kinder ihren großen Vorbildern im Circus nacheiferten und Gladiatoren spielten, dann entwickelte sich immer ziemlich schnell ein einziges wirres Knäuel von Armen, Beinen und Holzschwertern, die aufeinander ein schlugen, obwohl man in der Arena prima beobachten konnte, wie sich die Gladiatoren meist paarweise duellierten und sich nicht für die Gefechte um sie herum interessierten. Macer beobachtete zwar selten Kinder beim Spielen, aber sowas fiel ihm immer wieder auf. Wenn die Kinder dann zu jungen Männern geworden waren und zur Legion gingen, hatten die Ausbilder entsprechend viel damit zu tun, ihnen Disziplin und das Halten einer Formation beizubringen. Und bei diesem Wagenrennen fühlte sich Macer irgendwie an so ein Knäuel Kinder erinnert. Ständig überholte einer den anderen, fast jeder schien es immer mit dem gesamten Gegnerfeld gleichzeitig aufnehmen zu wollen und fast jeder schrie dazu wild in der Gegend herum. Keiner schien einfach nur seine Linie zu fahren und sich auf die jeweils nächste Herausforderung zu konzentrieren, keiner schien bereit für ein vorausschauendes taktisches Manöver zu sein.


    Keine Frage, Macer war damit bestens unterhalten und schaute schon längst nicht mehr nur nach dem von ihm gestellten roten Wagen, aber gleichzeitig bildete sich der Wunsch, mal wieder ein großes Factio-Rennen in Rom zu sehen.

  • Es war so knapp! Aber dieser verdammte Blaue liess mich einfach nicht vorbei, auch in der zweiten Kurve verhinderte er es geschickt, dass ich an ihm vorüberzog. Abgedrängt durch sein Manöver, kam ich mit einem Mal der Bande gefährlich nahe. Hastig lenkte ich die Pferde seitwärts, um nicht in die Pfosten und Menschen hineinzurasen. Das Leder der Zügel war schweißig unter meinen Händen. In meinen Ohren war ein Brausen, der Lärm der Wägen, das Donnern der Hufe, das Brüllen der Menge, toste über die Bahn hinweg, erfüllte die Luft wie ein Sturm. Mit dem Schwenk brachte ich den Wagen wieder auf Abstand von der Bande, doch durch das Hin und Her verloren die Pferde den Takt. Velox' rotbemähnter Kopf senkte sich, ein harter Ruck ging durch die Zügel, als das Pferd beinahe gestolpert wäre. Nur beinahe, doch der dahinrasende Wagen geriet dadurch ins Schlingern. Meine ganze Umgebung schien auf einmal auf und ab zu schwanken, während sie noch immer in atemberaubendem Tempo an mir vorüberschoss, Kräfte zerrten an mir, wollten den Wagen zum Kippen bringen. Ich schwitzte Blut und Wasser, sah mich schon in hohem Bogen hinausgeschleudert auf die Bahn. Mit weissen Knöcheln klammerte ich mich an den Rand der Kanzel. Nur jetzt nicht die Zügel verlieren, und vor allem nicht die Nerven... Epona sei Dank, es gelang mir den Wagen auf der Geraden zu halten, und nach einigen weiteren Galoppsprüngen waren die Bewegungen der Pferde auch wieder einigermassen im Rhythmus.


    Die erste Kurve der zweiten Runde, nahm ich diesmal weniger riskant, ich war einfach etwas vorsichtiger geworden, und der blaue Wagen war mir jetzt eh wieder ein gutes Stück voraus. Kurz warf ich in der Kurve auch einen Blick zurück auf die anderen Gespanne, von denen mir, nach diesem Missgeschick durch das ich ziemlich an Boden verloren hatte, gleich drei schon gefährlich nahe aufgerückt waren. Mein Verwandter war irgendwo dahinter, und ich wünschte ihm Glück, und uns beiden, dass wir nach dem Rennen noch in der Verfassung sein würden gemeinsam einen darauf zu trinken.


    Auf der zweiten Geraden krachte und schepperte es auf einmal gewaltig hinter mir, so dass ich doch nochmal einen hastigen Blick über die Schulter warf. Bona Dea, die drei Wägen hinter mir waren verkeilt, zu einer einzigen, gewaltigen Masse von Holz, Rädern und wirbelnden Hufen - die sich immer näher an mich heranschob. Eine Keilformation sozusagen, und im Zentrum ausgerechnet der Alles aus dem ganzen Korn-Wagen. Scheiße. Dem waren wohl die Pferde durchgegangen. Ich konnte mich doch nicht von einem Jüngling mit Mehlstaub hinter den Ohren überholen lassen, dessen Pferde noch nicht mal farblich zusammen passten!
    Sowieso, dieses gefährliche Konvolut durfte mich nicht erwischen. Ich beugte mich vor, liess die Peitsche knallen und feuerte meine Pferde an, die jedoch hatten den Schwung vom Anfang noch nicht so recht wiedergefunden. Ich sauste in die zweite Kurve, die Pferde vom Brotwagen hart im Nacken, ich konnte schon hören wie sie hart die Luft durch die Nüstern sogen. Es blieb mir nichts übrig, als die Kurve wiederum sehr scharf anzuvisieren, ich spekulierte darauf, dass die Masse der verkeilten Wägen in ihrer Wendigkeit gelitten hatte, hoffte inständig, dass sie sich in der Kurve gegenseitig behindern würden und ich wieder einen Vorsprung gewinnen könnte, oder wenigstens der drohenden Kollision entgehen würde!

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Sie kamen ein wenig zu spät und hatten den Start des Rennens verpasst. Aber Flava machte sich daraus ohnehin nicht so viel. Sie wollte hier eigentlich nur anwesend sein, um auch ja pünktlich zum anschließenden Opfer zu kommen. Sie hatte dabei zwar keine wichtige Rolle zu spielen, aber sie sollte es hautnah miterleben, um etwas dabei zu lernen. Die junge Frau hoffte ja so sehr, dass sie alles richtig machen und sich vor ihrem Lehrer und vor Verus nicht durch irgendetwas blamieren würde. Nun, eigentlich konnte sie ja nichts falsch machen, hatte sie doch keine wirkliche Aufgabe außer dazustehen, still zu sein und etwas zu lernen. Aber man sollte den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben.
    Sie hielt sich leicht an ihrem Bruder Flavus fest, als dieser für sie beide einen Platz suchte, von wo aus sie das Rennen sehen konnten. Ihr Bruder begeisterte sich wohl ein wenig mehr für dieses Spektakel, hatte sie den Eindruck. Sie sah gerade, wie sich mehrere Wagen ineinander verkeilten und versuchte, auszumachen, ob es einen ihrer Verwandten erwischt hatte. Als sie Serapio aber davor sah, war sie einerseits beruhigt und andererseits besorgt. Hoffentlich entkam er diesem Wagenknäuel.
    Sie konnte gar nicht hinsehen, als Flavus endlich einen Platz für sie beide gefunden hatte. Stattdessen ließ sie ihren Blick einmal über die Menge schweifen. Die Menschen waren wohl begeistert von dem Schauspiel, das sich ihnen bot, und hier und dort hoffte der ein oder andere blutrünstigere Mitbürger wohl auf einen schlimmeren Unfall. Flava schaute über die Ränge, ob sie vielleicht jemanden bekanntes sah. Vielleicht noch jemanden aus ihrer Verwandtschaft, wenn das auch nicht zu wahrscheinlich war.
    Und tatsächlich fand sie jemanden, den sie kannte. Einen Augenblick lang vergaß sie die Menschen um sich herum und musste leicht Lächeln, als sie in einiger Entfernung Verus mit Orestes stehen sah. Seine blonden Haare erkannte sie sofort, auch wenn er es bei ihr mit ihrer Palla wohl schwerer haben würde. Und sie wollte auch nicht zu lange schauen und drehte sich schnell wieder zu ihrem Bruder, an den sie sich ganz kurz leicht anschmiegte.
    Haben wir viel schon verpasst?“, fragte sie ihn leichthin. Von Rennsport hatte sie keine Ahnung.

  • Einerseits hasste Marcus solche Menschenansammlungen – vor allem dann, wenn er sich mitten im dichten Menschengewühl befand – andererseits war es für ihn ein erhebendes Erlebnis zum ersten mal hier in Rom, im Zentrum der Welt, einem Wagenrennen beiwohnen zu können. Nicht nur das Marsfeld mit seiner beeindruckenden Kulisse, auch die Atmosphäre und Stimmung hier in der Hauptstadt, war bei einer solchen Veranstaltung nicht mit den Wagenrennen in Britannia zu vergleichen, die Marcus bisher, meist mit seinem Großvater, besucht hatte. Anders als sonst war heute sogar seine Schwester Flava mitgekommen, wobei dies eher an der geplanten Opferzeremonie lag, als an ihrem Interesse an dem Rennen. Als sie ihm nach dem Stand des Rennens fragte, sah er zur Anzeigetafel.


    "Nein Flava. Es hat gerade erst begonnnen. Wir sind in Runde zwei."


    Dann ließ er ebenfalls seinen Blick, zuerst über die Rennstrecke, auf der er den Wagen von Serapio erkannte und schließlich über die Zuschauermassen schweifen. Anders als seine Zwillingsschwester stieß Marcus dabei jedoch nicht auf ein ihm bekanntes Gesicht. Schließlich entdeckte er die Reihen der Senatoren. Dort erkannte er Senator Purgitius Macer sowie Pontifex Tiberius Durus und seinen Amtskollegen Flavius Gracchus. Der junge Decimer überlegte kurz, ob es eine günstige Gelegenheit wäre, bei dieser ausgelassenen Stimmung des heutigen Tages auf Stimmenfang für die kommenden Wahlen zu gehen, ließ sich jedoch vorerst Atmosphäre des Rennens in seinen Bann ziehen und widmete sich wieder dem Geschehen auf der Strecke.

  • | Caius Optimus


    In der zweiten Kurve konnte es Caius dem eingebildeten Soldaten noch einmal so richtig zeigen und wenn er nicht so schnell unterwegs gewesen wäre, hätte er sich wohl umgewandt und ihn angegrinst. Doch langsam hatte er das Gefühl, seine Tiere ermüdeten ein wenig, denn die Gerade der zweiten Runde nahm und nahm kein Ende!


    Plötzlich hörte er ein seltsames Geräusch hinter sich, sodass er sich doch umdrehen musste: Diese Proleten von Bäckern und Metzgern hatten offensichtlich die Kontrolle über ihre Gespanne verloren und sich verhakt! Caius hatte davon gehört, dass besonders leicht gebaute Wägen bei solchen Zusammenstößen zerbrechen konnten - hoffentlich würden die aus der Bahn geräumt werden, wenn er wieder kam!


    Dann hatte er jedoch keine Zeit mehr, weiter nachzudenken, denn er sah den Goldenen wieder angreifen. Oder fuhr er nur dem Wagenhaufen hinter ihm davon? In jedem Fall kam er bedrohlich näher und schon war wieder ein Kurve vor Caius. Diesmal gelang es ihm nicht, Serapio abzudrängen und schon sah er neben sich die Pferde des Decimers fliegen. Doch er wagte es nicht, mit seinem Gespann nach links zu ziehen - er wollte in keinem Fall enden wie die beiden Wägen, die hinter ihm näher kamen!





    AURIGA - FACTIO VENETA

  • Obgleich Gracchus auf die Bahn hinunter blickte, instinktiv seine Augen dem Feld der Gespanne folgten, nahm er nicht sonderlich viel Anteil an dem Renngeschehen, konnte nicht für rasante Starts sich begeistern, nicht für waghalsige Kurvenmanöver und auch nicht für amateurhafte Lenkung und daraus resultierende Malheure. Während hinter ihm die Massen jubelten, bisweilen ausgelassen tobten, wurden neben ihm in den Reihen der Honoratioren allfällig ein paar kleinere Fähnchen in den Farben derjenigen Factiones geschwenkt, welche ein Gespann hatten den Fahrern zur Verfügung gestellt, und Gracchus war einigermaßen froh darüber, in diesen Reihen sitzen zu können, obgleich im anderen Falle ihn dies vermutlich gänzlich vor dem Rennen hätte bewahrt. Sein Blick hob sich zu den Markierungen, welche die zurückgelegten Runden anzeigten, und die Erkenntnis, dass die gefühlten zwanzig Runden tatsächlich erst zwei gefahrenen entsprachen, ließ ihm ein leichtes Seufzen entweichen.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!