• "Das können wir gerne tun. Wir könnten auch demnächst in die Innenstadt. Ich kenne dort eine Absteige, äh, kleine Kaschemme, wo wir vorzüglich dinieren und Sänftenweise Wein bechern können. Würfelspiele gibt es auch. Du wirst es schon erlernen, einfach locker aus der Hand." Varenus lächelte zum Ende Crispina an und pustete einmal laut tief durch. "So, ich bin mal weg. Vale." Er verschwand auf demselben Weg hinaus wie er gekommen war.

  • Nachdem Varenus die Domus verlassen hatte, ging ich ins Atrium, um zu sehen, wie es Crispina ging.


    Crispina, alles in Ordnung? Ich nehme an, dass du dir bewusst warst, dass ich mithöre. Das Knarren der Tür war ja kaum zu überhören.

  • Ich hatte gerade Varenus zum Abschied gewinkt, als auch schon kurz darauf Florus um die Ecke kam. Ich musste nur schmunzeln und nickte, denn ich wusste ja, dass er sich immer um mich sorgte. "Es ist alles in Ordnung, danke der Nachfrage. Und ja...es ist mir aufgefallen und ich hätte auch gerufen, falls das Gespräch eine andere Richtung genommen hätte, sei versichert." Ich würde bestimmt nicht meinen guten Ruf wegwerfen. "Ich glaube Decimus Varenus war ein wenig enttäuscht und hat mehr von mir erwartet." setzte ich noch ein wenig nachdenklich nach.

  • Ich ging auf Crispina zu und bot ihr an, sie in meine Arme zu nehmen.


    Hoffentlich hat er sich NICHT mehr erhofft. Er sollte genau wissen, was sich gehört und was nicht. Seine letzte Einladung war auf jeden Fall auch nicht ganz sauber. Alleine mit ihm in einer "Absteige", da sollte jeder Vater hellhörig werden.


    Erst nachdem das Wort Vater ausgesprochen war merkte ich, was ich gesagt hatte. Ja, Crispina war in der Zeit, welche sie bei mir in Rom verbracht hatte, beinahe zu meiner Tochter geworden.

  • Ich nahm die Einladung der Umarmung dankend an, da dies nicht oft passierte und ein wenig familiäre Nähe etwas Angenehmes war.


    Nach einigen Sekunden löste ich mich wieder und setzte ein tapferes Lächeln auf. "Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ich würde niemals so eine Einladung annehmen, sei gewiss." Es war ungehörig, auch wenn ich das eher als Scherz denn als tatsächliche Einladung aufgefasst hatte. Auch mir war das "Vater" nicht entgangen und in der Zeit hier hatte Florus sich immer rührend um mich gekümmert. "Ich glaube Varenus wollte mich nur aufziehen. Er ist manchmal ein Schelm."

  • Ich liess Crispina die Umarmung lösen als sie das wollte.

    Ich hoffe du hast recht.

    Danach wusste ich nicht mehr, was ich sagen sollte. Hatte sie mehr für Varenus empfunden? Hätte sie sich mehr gewünscht? Ich wusste es nicht und musste warten, bis sie mit mir darüber sprechen wollte.

  • Ich wusste, dass dies hier eine verpasste Gelegenheit war. Hätte Varenus mich geheiratet? Wahrscheinlich schon, da er interessiert schien, aber da war einfach kein Funke zwischen uns. Ich wollte mir darüber aber jetzt keine Gedanken machen, da ich wieder zurück an die Arbeit musste. Die Wolle sortierte sich nicht von selbst und ich wollte Stella nicht zu lange alleine mit der Arbeit lassen.


    "Ich glaube alles wird gut, so wie es ist. Aber bitte entschuldige mich jetzt. Ich muss Stella noch mit der Wolle im Peristylium helfen." Ich drückte noch einmal kurz seinen Arm und eilte dann davon Richtung Peristylium, wo Arbeit auf mich wartete.

  • Dem soeben eingetroffenen Gast wurden in Windeseile die Füsse gewaschen und danach wurde er ins Atrium geleitet, wo die Sklaven in der Zwischenzeit alles getan hatten, damit ein entspanntes Gespräch mit der Hausherrin möglich sein sollte. Stella selbst erwartete ihren Gast ebendort, nicht wissend, wie sie auf seine plötzliche Wiederkehr von den Toten reagieren sollte.

  • Centho wurde mit allem zeremoniell an der Porta empfangen, und auch wenn er eigentlich ins Atrium wollte, um die Verwandten davon zu überzeugen, dass es mit seinem Ableben doch noch nicht so weit her war. Davon, dass man auch Antoninus für Tod hielt, wusste er ja noch gar nichts. Eben nur was er vor vielleicht einer Stunde im Atrium seines Hauses erfahren hatte.

    Mit wohlriechenden Füßen und sehr lebendig trat er also in das Atrium der Annaeaischen Villa. „Salve Sella, erschrecke dich nicht, ich bin wie du siehst sehr lebendig.“ Versuchte er es vorsichtig, denn die Römer waren ein abergläubisches Völkchen.

  • Stella war schon etwas länger über das Stadium des Erschreckens hinaus, doch sie traute der Sache noch nicht ganz. Zwar hatte sie noch nie einen Geist gesehen, aber sie war sich ziemlich sicher, dass Geister sich nicht die Füsse waschen liessen, daher war es eher unwahrscheinlich, dass sie einen Geist vor sich sah. Was sie jedoch noch nicht gänzlich ausschliessen konnte, war ein Mensch, der Iulius Centho bloss wahnsinnig ähnlich sah und sich nun an das Vermögen der Iulii heranmachen wollte. Daher blieb sie vorerst einmal distanziert.


    Bitte, Senator, setz dich doch und lass dir einschenken. Ich weiss leider nicht mehr genau, was du zu trinken gewohnt warst.
    In Wirklichkeit konnte sie sich sehr gut daran erinnern, was Centho jeweils getrunken hatte und in welcher Mischung. Ein kleiner Trick, der vermutlich die meisten Betrüger entlarven würde.

  • Centho war schon mal erleichert, dass Stella die Situation so gefasst aufnahm. Der eine oder die andere hätte sich sicher erschrocken. Wenn er da an die verschreckten Sklaven in seinem Haus dachte, war das ja nicht so ungewöhnlich. Mit einer deutlichen Erleichterung nahm er den angebotenen Platz an, und an den Sklaven, der mit Getränken bereit stand, sagte er. „Nur etwas Wasser mit etwas Saft, höchstens ein Drittel.“ Er trank schon seit mehr als 20 Jahren tagsüber keinen Wein mehr und abends nur im beschränkten Maß. Er bekam einfach mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Kopfschmerzen davon. Dass er wie sein ältester Sohn in jungen Jahren auch gern mal einen über den Durst getrunken hatte, war in der Familie nur noch schemenhaft bekannt, und das war auch ganz gut so.


    „Stella, ich kam heute aus Caesarea in Cappadocia zurück und stelle fest, dass mein Maiordomus Phocylides verstorben ist und man mich für tot hält.“ Begann er zu erzählen. Und natürlich wurde auch aus dem Erklärten klar, dass der Mann, der hier saß, die Strukturen in der Villa kannte. Wobei natürlich auch außerhalb des Hauses bekannt war, dass Phocylides der Maiordomus des Hauses war. Er trug auf Centhos Geheiß eine silberne Kette, an der zwar eine silberne Platte hing, auf der stand, dass er Sklave von Centho war, aber allein das Material war eine Mine Silber gewesen. Allein das und die Kleidung von Phocylides zeigten, dass er als Sklave eine herausgehobene Stellung im Haus hatte.

  • Stella stellte mit etwas Erleichterung fest, dass der ihr gegenüber sitzende Mann dieselbe ungewöhnliche Trinkgewohnheit hatte, wie der ihr bekannte Iulius Centho, oder diese zumindest vorspielte. Es war zwar nicht unmöglich, dass jemand sich diese Gewohnheit irgendwo abgeschaut hatte, oder sie von jemandem weitererzählt worden war, doch es war ein erster beruhigender Schritt. Als der Gast dann auch begann die Geschichte vom Tode der iulischen Sklaven zu erzählen, reihten sich Hinweise an Hinweise, dass es sich scheinbar doch um den echten Iulius Centho handeln könnte. Noch war Iulia Stella aber nicht überzeugt.


    Senator, bitte verzeih mir, aber bevor du weiter erzählst, kannst du mir bitte noch einmal in Erinnerung rufen, was du mir und meinem Gatten auf die Hochzeit geschenkt hattest? Ich möchte ganz sicher gehen, dass du es auch wirklich bist und diese Frage wird mir kein Fremder korrekt beantworten können.
    Diese Frage hatte es in sich. Erstens gestand Stella, dass sie misstrauisch war und zweitens würde wohl kein Fremder annehmen, dass sie von einem nahen Verwandten und einflussreichen Senator zu ihrer Hochzeit gar nichts geschenkt erhalten hatte, weil er sich zu dieser Zeit bereits auf seiner langen Reise befunden hatte. Die Art und Weise, wie sie die Frage gestellt hatte, liess zudem erahnen, dass es sich eher um etwas äusserst persönliches gehandelt hätte, als um gar nichts.

  • Centho, der das Misstrauen nicht so richtig wahrnahm, trank einen Schluck von dem Wasser, das mit etwas Saft versetzt war, und entspannte sich erst mal sichtlich, denn er glaubte sich nun in sichereren Gefilden. Immerhin hatte ihn die Verwandte aufgenommen und war nicht verschreckt. Dann aber machte er ein irritiertes Gesicht. „Aber Stella, ich war doch gar nicht bei deiner Hochzeit. Wir waren doch schon nach Cappadocia abgereist!“ Erklärte er mit einem noch immer verirrten Gesichtsausdruck. Natürlich hätte er als Senator und Politiker diese kleinen rhetorischen Fallen entdecken müssen, aber die Situation war auch nicht alltäglich. Man erfuhr ja auch nicht jeden Tag, dass man für tod gehalten wurde.

  • Nun fiel Stella ein Stein vom Herzen. Die Beweise waren erdrückend. Vor ihr sass in der Tat ihr Verwandter! Sie entspannte sich merklich und tat diese Entspannung ihrem Gast auch kund:


    Nun denn, mein lieber Iulius Centho, es scheint, als wärst du in der Tat derjenige, den du zu sein vorgibst. Geister lassen sich bestimmt nicht die Füsse waschen, nur die engsten Freunde wissen, was du den Tag hindurch zu trinken gewohnt bist und niemand, aber auch wirklich niemand würde annehmen, dass ein einflussreicher Senator Roms seiner Cousine gar nichts zu ihrer Hochzeit mit einem anderen Senator aus befreundeter Familie schenken würde, egal ob bereits auf Reise oder nicht. Würde es dein Stand und meine Position als Domina dieses Hauses nicht verbieten, würde ich dich nun umarmen! Du glaubst nicht, mit welcher Trauer wir die Nachrichten aufgenommen haben, dass das einst grosse Haus der Iulii nur noch aus mir und Iulius Dives bestehen sollte!

  • Das gesagte, hier nun versetzte ihm einen ordentlichen Stich ins Herz, denn auch so durch die Hintertür dafür gerügt zu werden, ihnen kein Geschenk gemacht zu haben, das war hart. Wenn es auch natürlich verdient war, den er selbst war nie knauserig mit Geschenken, und das hier war wohl schlecht verzeihlich. Er hatte es schlicht vergessen und das machte es quasi noch schlimmer. Er würde sich etwas einfallen lassen. Das war klar. „Nun es freut mich, dass du in mir wieder den Verwandten erkennst, wenn auch an solch schlechten Beispiel.“ Sagte er und machte trotz des Wiedersehens einen betrübten Eindruck. Dann durchsickerten die Worte weiter seinen Geist. „Wieso, wer ist denn noch tot?“ Dass man auch Antoninus und seinen Sohn Spurinus für tot halten könnte, wusste er ja nicht. Für ihn bezog sich das nur auf ihn und seine Kinder. Warum auch immer. Nicht dass Marcus Iulius Proximus verstorben war. Das wäre in der Tat ein ebenso herber Verlust.

  • Stella bemerkte das Unbehagen des Senators, erkannte jedoch nicht den Grund dahinter. Sie vermutete vielmehr, dass es mit seiner Aussage zu tun hätte, dass weitere Iulii verstorben waren, oder als verstorben galten. Entsprechend stand sie auf und rückte ihren Stuhl so nahe an den des Senators heran, wie es für enge Verwandte schicklich war. Nun sassen sie sich praktisch schräg gegenüber, beinahe schon nebeneinander.


    Nun ja, ich glaube den Tod von Iulia Graecina hast du noch gerade so knapp mitbekommen, bevor du deine Reise angetreten hast. Danach wurden Stück für Stück auch Caius Iulius Spurinus, Manius Iulius Avianus, Lucius Iulius Antoninus und Iulia Aviana Minor zuerst als vermisst und dann als tot gemeldet. Ich selbst habe beim Decemvir litibus iudicandis die Übertragung der Erbschaften beantragt.


    In diesem Moment überkam Stella eine Erkenntnis und sie schlug sich vor Aufregung die Hand vor den Mund.


    Bei allen Göttern, Iulius Centho, wenn du noch lebst, dann könnte es ja sein, dass dies auch auf deine Kinder zutrifft! Bitte sag mir, dass auch Avianus und Aviana Minor noch leben!!


    Während sie dies sagte, fasste Stella mit beiden Händen nach dem Arm des Iulius Centho.

  • Dass er den Tod von Graecina mitbekommen hatte, stimmte. Es war immer sehr traurig, wenn so junge Menschen starben. Aber trotzdem war das der Lauf der Welt. Deswegen sollte es ihr eigentlich nicht wundern, wenn man seinen Tod auch einfach als gegeben hingenommen hatte.


    Centho verzog aber trotzdem irritiert das Gesicht. Das was er da hörte war entsprach absolut nichts mit der Realität zu tun. Da war schon ziemlich im Argen. „Stella, ich kann dir versichern, dass meine Kinder und Caius am Leben sind. Ich habe meine Kinder immer bei mir und in diesem Fall auch Caius.“ Er sah das so, dass, solange sie seiner Gewalt unterworfen waren, hatte er sie eben auch bei sich und sie hatten ihm zu gehorchen. „So auch auf der Reise in den Osten. Sie sind mit mir aus Caesarea zurückgekehrt. Caius hatte ich dabei, weil Antoninus das erste Mal eine Präfektur innehatte und sich nicht um Caius kümmern konnte. Deswegen hatte er mich gebeten, dass ich mich um die Erziehung kümmere.“ Das war hier eine Ausnahme, und da verstand er es natürlich auch wie in vielen anderen Fällen. Aber er hatte seine drei Kinder bei sich, um sie zu kümmern. „Was Antoninus angeht. Er war Präfekt der XV Legion in Cappadocien und ist Präfekt der XXII Legion und meines Wissens nach auf dem Weg nach Germanien, soweit ich weiß.“

  • Nun war es an Stella, mit offenem Mund dazusitzen. Alle lebten noch! Die ganzen Schreckensnachrichten der letzten Jahre, welche aus dem fernen Osten zu ihnen gedrungen waren, sie waren alle falsch gewesen!


    Bei allen Göttern! Was für ein Freudentag! Wir hatten zuerst so lange keinerlei Nachrichten von euch allen und dann kam plötzlich die Nachricht, dass ihr tot seid, so dass wir dies ohne nachzudenken geglaubt haben! Als dann auch noch das Fieber die Sklaven der Iulii in der Domus ereilte, nahmen wir alle an, es handle sich um eine Strafe der Götter für etwas, von dem ich keine Ahnung hatte. Daher sei ich vermutlich verschont geblieben. Nun bin ich natürlich umso erleichterter, dass dies nicht so ist!


    Noch dachte Stella nicht daran, dass dies auch bedeutete, den gewonnen persönlichen Wohlstand bis zu einem gewissen Grade wieder abgeben zu müssen, da die geerbten Grundstücke natürlich an ihre rechtmässigen Besitzer zurückgegeben werden sollten.

  • Centho konnte sich das wirklich nicht erklären. Er war doch auf Wunsch des Augustus in Cappadocia gewesen und Antoninus wurde von der Kanzlei entsannt und auch eben so plötzlich wieder abberufen worden. Aber warte mal, war da nicht diese merkwürdige Geschichte, dass Antoninus vermisst worden war. Das war ganz am Anfang Antoninus erzählt. Er war auf der Anreise überfallen worden. Centho wusste nicht so recht, ob das damit zusammenhängen konnte. Aber er würde dem nachgehen, aber sicher nicht jetzt. „Ja, in der Tat eine merkwürdige Geschichte. Ich kann es mir auch nicht so richtig erklären. Was die Möglichkeit einer Verfluchung angeht, aber ich habe auch schon daran gedacht. Aber ich habe alle Wände absuchen lassen, aber keine Spur von einer Fluchtafel.“ Das hatte ihn in der Tat auch etwas überrascht. Es schien aus der Mode gekommen zu sein.

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