Frühlingsgefühle - Duccisch-Prudentischer Erkundungsspaziergang

  • "Schwer zu sagen. Mogontiacum ist mir mittlerweile zur zweiten Heimat geworden und ich lebe gerne hier. Nach Brogilus zieht es mich im nur noch, weil meine Familie dort lebt. Ansonsten hat dieses Kaff nur noch ein paar schöne Erinnerungen für mich übrig. Meine Zukunft allerdings liegt hier." Die Straße wurde etwas abschüssig, man konnte bereits den Rhenus sehen, auf dessen Wellen gemächlich eine beladene Barkasse vorbeiglitt. "So selten bist du aus dem Haus gegangen? Klingt für mich schwer nach Gefangenschaft." Verständnisvoll fügte er noch hinzu: "Auch wenn deine Mutter schwer krank war. Aber ich würde in einem Haus ohne den täglichen Ausgang verenden wie ein Tier in einem Käfig." Klang das jetzt zu sehr nach dem Vorurteil über den germanischen Freiheitswillen? Nein, Witjon fand das schon ganz richtig was er da sagte. Endlich waren sie nun am Kai angekommen. Der Rhenus plätscherte ruhig vor sich hin, während rechts von ihnen der Handelshafen in regem Betrieb lag. Witjon schaute nach Osten, wo die Weiden am Ufer lagen, begrenzt von Wäldern und kleinen Gehöften. "Ist das nicht ein wunderbarer Anblick?" Ob es in Italien wohl auch so saftig grüne Landschaft gab wie hier?

  • Kurz zuckte sie mit den Schultern und überlegte, ob sie dazu noch einen Kommentar abgeben wollte. Sie hatte ja schon damit gerechnet, dass er es seltsam finden würde, wie oft (oder besser gesagt wie selten) sie aus dem Haus gegangen war. Selbst für römische Frauen war das eindeutig sehr wenig. "Ich habe es nicht als Gefangenschaft empfunden." Callista bemühte sich, keine Wertigkeit in diese Aussage zu legen. Er sollte nicht glauben, dass sie seine Worte als unhöflich empfunden hatte, aber Recht geben wollte sie ihm auch nicht so direkt. Sie fand es interessant, dass er so wenig von seiner Casa hielt, dass er es dort nicht mal einen ganzen Tag aushielt. "Sind germanische Frauen denn mehr unterwegs als römische?" fragte sie laut, obwohl sie das eigentlich eher gedacht hatte. Es gab soviele klitzekleine Unterschiede, die von weiter weg betrachtet ein sehr anderes Bild der beiden Kulturen abgaben.


    Dann allerdings beäugte sie auch das Panorama da vor ihnen und nahm sich einige Augenblicke Zeit alle Details in Augenschein zu nehmen. Der Rhenus, sanft und breit, wogte vor ihnen und diente unzähligen Schiffen als Transportweg. Drehte man sich nach rechts, konnte man dort die Arbeiter sehen, die fleißig und lautstark Schiffe ent- und beluden, Kapitäne die Anweisungen brüllten, Händler die um Ware feilschten und über allem lag ein Hauch von Wichtigkeit. Hier wurden so viele unterschiedliche, teure und exotische Waren verschifft, dass Callista sich nur in ihren kühnsten Träumen ausmalen konnte, was in den Kisten, Fässern und Truhen zu finden war. Wenn man dann allerdings nach Osten sag wirkte Germania weitaus idyllischer, mit den Wiesen und Weiden, den angrenzenden Wäldern, die auf Calllista dunkel und ungewohnt wirkten und dazwischen immer wieder Ansammlungen von Häusern. Wohlweislich Bauern mit ihren Familien. Callista schaute sich genau um und lächelte dann sanft. Schlecht war es hier keinesfalls. Nur anders. "Ja, herrlich." Ihre Stimme klang schwärmerisch und sie musste schmunzeln.

  • "Kein Wunder, dass viele Römer so blass sind," scherzte Witjon, um die Stimmung etwas aufzulockern und nicht zu sehr in bedrückende Themen wie Gefangenschaft oder die verstorbene Mutter zu rutschen. Auf ihre Frage antwortete er wie folgt: "Kommt ganz auf die Frau an." Ein Blöder Kommentar, natürlich. Aber er neckte sie ja nur ein wenig und mit einem Schmunzeln fuhr er fort. "Die Frau vom Land verlässt ihr Dorf für gewöhnlich höchstens einmal im Leben. Und das ist der Fall, wenn sie einen Mann aus einem anderen Dorf zum Gemahl nimmt und in sein Haus einzieht. Aber die Germanen, die im Imperium leben sind zum Teil anders gestrickt. Natürlich gibt es hier auch viele Dörfer, die nach den selben Regeln leben wie jenseits des Rhenus. Aber in den Civitates sieht es oft anders aus. Da haben besonders germanische Frauen viel mehr Freiheiten als die Römerinnen."


    Witjon stimmte es zufrieden, dass die Aussicht seiner Zukünftigen wohl zu gefallen schien. Er deutete auf die Rhenusbrücke, die linker Hand lag. "Dort siehst du die große Steinbrücke, die den Dreh- und Angelpunkt des Handels in dieser Gegend darstellt. Sie ist im Umkreis von etlichen Meilen die einzige Möglichkeit den reißenden Fluss zu überqueren." Der junge Duccier mochte den Anblick dieser Brücke. Sie war eins der vielen in Stein gehauenen Beweise für das architektonische Können der römischen Baumeister und symbolisierte zugleich die Verbindung zwischen Germania Superior und Germania Libera.

  • Germaninnen die mehr Freiheiten hatten als Römerinnen? Einen Moment sah sie Witjon wortlos an, doch ers sah nicht aus als würde er scherzen. Das waren wirklich Neuigkeiten, die sie so nicht erwartet hatte. Aber es würde sich sowieso erst noch zeigen wieviel er ihr dann tatsächlich zugestand. Sie folgte seinem Fingerzeig und lächelte. Von der Rhenusbrücke hatte sie gelesen, auch wenn Architektur nicht unbedingt ein allzu interessantes Thema war. Viel wichtiger war dagegen, für was die Rhenusbrücke eigentlich stand und was sie symbolisierte und daher nickte sie.


    "Sie ist beeindruckend." Callista trat einen Schritt näher heran und folgte seinem Fignerzeig, schaute sich nicht nur das Panaroma sondern vor allem die Brücke genau an und stand einen Moment ganz still. Dann wollte sie sich umdrehen und zu ihm blicken, übersah aber einen großen Kiesel, der zu ihren Füßen lag. Sie trat drauf und rutschte seitlich mit ihrem Fuß wieder ab, was sie aus dem Gleichgewicht brachte und - natürlich ( :D ) - nach ihrem Verlobten greifen ließ, um sich zu fangen. Gefallen wäre sie vielleicht nicht, aber sie hatte keine Lust den Fuß zu verdrehen und gar zu riskieren, dass ihr etwas geschah. Da war es einfacher, ihre Scheu zu überwinden und sich kurz an ihm festzuhalten, was sowieso mehr aus Reflex denn aus wohlüberlegtem Denken geschah. Schüchtern sah sie an ihm hoch und richtete sich wieder auf. [SIZE=7]"Entschuldigung."[/SIZE] murmelte sie und blickte nach unten um zu verbergen, dass sie rot anlief. Jetzt dachte er bestimmt sie würde sich ihm an den Hals werfen.

  • Das Thema Freiheiten und Frauen war damit also abgehakt. Auch gut, dachte sich Witjon und betrachtete schweigend noch ein wenig die Landschaft. Er überlegte gerade, was er seiner Versprochenen als nächstes zeigen sollte, hatte jedoch nicht mit ihrer einstweiligen Tollpatschigkeit gerechnet, die ihn völlig aus dem Konzept brachte. "HOPPALA!" Wenig damenhaft krallte sich die Prudentia in seine Kleider, um nicht auf die Nase zu fallen. So gut Witjon konnte, fing er die junge Dame auf und stellte sie sogleich wieder auf die Beine, denn ihre Sklavin sprang vor Schreck noch hinzu und wollte schon eingreifen. Der junge Duccier war verwirrt. War das jetzt Absicht gewesen? Wollte sie ihm unbedingt in die Arme fallen? Oder war sie wirklich so tollpatschig? Zumindest schien sie verdammt verlegen zu sein, denn Callista schaute jetzt auf ihre Füße und sagte kein Wort mehr. Bis auf eine leise Entschuldigung.
    Witjon entschied sich für diskretes Ignorieren und lächelte gütig. "Ich glaube, wir sollten uns jetzt einmal die hiesigen Thermen anschauen." Er räusperte sich leicht und machte auf dem Absatz kehrt. Lieber den Hafen schnell verlassen und diese kleine Peinlichkeit verdrängen. "Wenn ich bitten darf?" Er wies den beiden Frauen den Weg zurück zum Forum. Auf dem Weg lagen die Thermae Iuliani, von denen er auf dem Weg dorthin schon einmal etwas berichtete. "Die Thermen wurden von einem bekannten Baumeister...ich glaube er stammt aus der Gens Germanica...zu Ehren unseres zuletzt verstorbenen Imperators Divius Iulianus erbaut. Sie bieten einigen Komfort. Warm- und Kaltwasserbäder, Sauna, Sportanlagen. Eben alles was ein hygienebewusster Römer begehrt. Aber vermutlich sind diese Anlagen nicht zu vergleichen mit den Prachtbauten Roms." So oder ähnlich stellte der Ubier sich die ewige Stadt nämlich vor. Alles musste größer, kunstvoller, prächtiger sein, denn Mogontiacum war ja angeblich nur ein mickriges Abbild der Hauptstadt der römischen Welt.

  • Nein, er dachte anscheinend nicht, sie wolle sich ihm an den Hals werfen. Viel eher machte es den Eindruck, er dachte sie sei dumm. Oder schlimmer noch, ein Tollpatsch. Tränen schossen in ihre Augen und sie machte sich in Gedanken große Vorwürfe nicht besser aufgepasst zu haben. Sie war hier um einen guten Eindruck zu machen! Verzweifelt warf sie einen Blick zu Vodafonis, die ihr beruhigend zunickte, alles halb so wild, sollte das bedeuten. Callista seufzte und folgte Witjon schweigend, während sie sich seine Ausführungen anhörte und hin und wieder nickte. Sie achtete nun viel mehr auf den Weg und wohin sie trat und hoffte inständig, dass ihr eine weitere Peinlichkeit erspart bleiben würde. Am liebsten hätte sie sich jetzt sowieso in die gebräunten Arme ihrer Sklavin geworfen, damit diese ihr beteuern könnte, dass alles in Ordnung sei - wozu aber Vodafonis wohl auch gar nicht der Typ war. Dennoch... Verlobte sein war schwieriger als sie angenommen hatte.

  • Auf dem Forum angekommen, warf Witjon einen Blick auf den Sonnenstand. Es würde bald zu dämmern anfangen, denn sie waren nun schon einige Zeit unterwegs. Hunter bekam der Duccier auch schon wieder. Er wandte sich seiner Verlobten zu und erklärte daher lächelnd:
    "Es ist spät geworden. Ich denke es wäre an der Zeit, deine Sklavin und dich nun nach Hause zu geleiten, damit ihr pünktlich zur Einnahme der Cena daheim sein könnt." Dass die Prudentia sich auf ihrem Weg vom Hafen her ein unheimliches Gedankenwust zusammengereimt hatte, konnte Witjon zum Glück nicht erahnen und so schaute er die junge Frau nur erwartungsvoll an und wartete auf eine Reaktion.

  • Oh nein. Er hatte genug von ihr. Entschuldigend blickte sie an ihm hoch und nickte. Wieso nur musste er den Spaziergang jetzt beenden? Dann würde ihr keine Gelegenheit bleiben ihm zu zeigen, dass sie eigentlich kein Tollpatsch war. Oder dachte er etwa, sie hätte das extra gemacht und war überrumpelt davon? Vielleicht mochte er Frauen nicht, die ihre Zuneigun zeigten? Sie versuchte in seinen braunen Augen zu lesen und sah nur Freundlichkeit, was sie verwirrte. Schüchtern versuchte sie zu lächeln.


    "Danke, das ist sehr aufmerksam. Vielen Dank, dass du mir die Stadt gezeigt hast. Ich hoffe ich werd bald noch mehr sehen."


    Es kostete sie einiges an Überwindung und Selbstdisziplin, ihre Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen, obwohl ihr zum heulen zu mute war. Dementsprechend wortkarg war sie auf dem Rückweg, den das Paar schnellstmöglich antrat. Die Verabschiedung war kurz, dann ging jeder wieder seiner Wege und hatte Zeit das Erlebte zu überdenken. Callista war natürlich felsenfest der Meinung einen hundsmiserablen Eindruck gemacht zu haben und hoffte nur, Marsus würde darüber hinweg sehen.

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