Triclinium | Jahreszeiten einer Ehe

  • Wenig nur hatte sich verändert in den Räumen der Villa Flavia, im Atrium und im Triclinium, doch waren es eben diese kleinen Modifikationen, welche die Dauer der Absenz Gracchus vor Augen führten. Als er Platz hatte genommen, und Sciurus dafür Sorge trug, dass Wein und Obst in den Raum wurden gebracht, beäugte der Patrizier lange eine Ecke des Raumes, unsicher, was an diesem Anblick ihn irritierte, bis er schlussendlich sich wurde dessen gewahr, dass dort jene Vase griechischen Stils in Schwarz und Rot mit der überaus ästhetischen Abbildung der dios kouroi Kastor und Polydeukes fehlte, jenes Kleinod, welches Gracchus selbst hatte ausgewählt, um die dissonante Leere in eben dieser Ecke des Triclinium zu füllen. Mit einem tiefen Seufzen ob der Tragik dieses Verlustes lehnte er sich zurück, lenkte alsbald jedoch seine Gedanken zurück auf den bevorstehenden Augenblick, während er auf die Erscheinung seiner Gemahlin wartete.

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  • Wenig nur hatte sich auch Antonia verändert, seit sie und Gracchus sich zum letzten Male von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hatten. Wenig für einen Fremden wohl, denn die Claudia, die sich tagtäglich im Spiegel sah, wusste sehr wohl, dass sie inzwischen weiter von der 20 entfernt war, als sie zuzugeben bereit war.
    In Erwartung eines familienexternen Besuchers hatte sie eine würdevolle Miene aufgesetzt und betrat nun erhabenen Schrittes das Triclinium. Etwas an jenem Mann, der nun dort auf der Kline Platz genommen hatte, irritierte sie. Nicht allein, dass er in den Speiseraum gebracht worden war, anstatt, wie üblich, ihn im Atrium warten zu lassen, nein, es war vielmehr eine sonderbare Aura, die ihn umgab und die Antonia, als sie seiner angesichtig wurde, inne halten ließ ohne sofort das Wort an ihn zu richten. Eine gewisse Vertrautheit ging von ihm aus, als habe sie ihn bereits schon einmal getroffen und doch, irgendetwas war sonderbar. Dieser Bart.. wen kannte sie, der einen Bart trug?
    Mit einem Mal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich kannte sie ihn, natürlich hatte sie ihn bereits gesehen. Und dennoch war es unmöglich, mussten ihre Sinne ihr einen Streich spielen.
    [SIZE=7]"Manius?!"[/SIZE], wisperte sie ton-, ja beinahe lautlos. Mehr Frage denn Feststellung schwang in jenem Ausspruch mit, konnte sie doch nicht glauben, dass tatsächlich ihr Gatte hier vor ihr saß. So absurd schien ihr dieser Gedanke zu sein, dass sie versucht war ungläubig ihre Augen zu reiben. Es war ausgeschlossen, niemals konnte er hier sein. Und doch, wer sonst, wenn nicht Gracchus, sollte es sein? Seine Augen, Minors Augen, jene Augen, unter welchen sie stets zu zerfließen drohte. Sein Blick, der allezeit sie ins Wanken brachte und dem sie nie hatte standhalten können, der stets jede Fassade hatte bröckeln lassen.
    Er war es. Ebenso sicher, wie sie sich vor wenigen Augenblicken noch war, dass ihr Gemahl nicht hier sein konnte, dass er in Achaia weilte, um sich auszukurieren, war sie es nun, dass er wirklich und wahrhaftig hier saß. Und sie? Stand stocksteif da, eingefroren, ungläubig starrend wie die sensationsgierige Menge vor einem Mordopfer.
    "Manius.", krächzte sie abermals, feststellend diesmal, mit einem Zittern in der Stimme und doch lauter als das vorige Mal. Er war hier. Er war zurück.
    Unmöglich jenes Chaos, das Antonias Emotionen in ihrem Inneren nun veranstalteten in Worte zu fassen, unmöglich den Kampf von Freude und Schuldgefühlen in ihr zu beschreiben. Er war ihretwegen hier. Gewiss ihretwegen, ihr Brief, ihr Kummer, ihre Klagen hatten ihn derart beunruhigt, dass er seine Gesundheit zu vernachlässigen bereit war, nur um seine Gattin zu besänftigen, nur um ihre Unzulänglichkeiten wieder so auszugleichen, wie er es stets getan hatte. Und während so die Last der Sorge ihr von den Schultern genommen wurde, drückte das Joch des Selbstvorwurfs selbige wieder hinab. Was hatte sie nur getan? Ginge es ihm von nun an wieder schlechter, niemals würde sie sich vergeben können. Dennoch gewann temporär die Freude, erkämpfte Euphorie sich ihren Platz im Gesicht Antonias, ließ Erleichterung sie endlich die Starre lösen und auf den Gemahl zugehen.
    "Manius!" Sie jauchzte es beinahe, war mit wenigen Schritten beim zurückgekehrten Exilanten und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen, fast als wolle sie haptisch bestätigen, was optisch so undenkbar war.
    "Du bist hier.", setzte sie hernach, mehr um sich selbst zu überzeugen, als um es allgemein festzustellen.

  • In seine Gedanken - ein nervöses Gewirr trüber Aussichten, körperlichen Verlangens, banger Hoffnung und vorsichtiger Freude - versunken, wurde Gracchus seiner Gemahlin erst sich gewahr, als jene den Raum hatte bereits betreten, als zum zweiten Male sein Name aus ihrem Munde drang, leise noch, doch laut genug, die Stille zu durchdringen. Ein Ruck fuhr durch seinen Leib, verebbte jedoch auf dem Wege des hastig getroffenen Gedankens bis zur Tat seiner Ausführung hin, so dass er unbewegt verharrte, der Anblick ihrer Person ungehindert durch jeglich sonstige Handlung seinen Geist durchflutete. Durch endlose Meilen Land und Wasser von ihr getrennt, hatte Gracchus tiefste Sehnsucht nach seiner Gattin empfunden, gar Begierde und Verlagen nach ihrem Leibe in sich verspürt, doch nun in ihrem Angesichte wurde er dessen sich gewahr, dass all dies Trug seiner Sinne war gewesen, dass seine Sehnsucht, seine Begierde und sein Verlangen aus dem Drängen nach Roma und der Familie waren erwachsen, dass die Essenz Antonias für all das hatte gestanden, was Rom und dieses Leben für ihn bedeutete. Noch immer war sie das Abbild absoluter weiblicher Schönheit, perfekter Makellosigkeit, und mit seinem Verstande und klaren Sinnen betrachtend empfand Gracchus tiefste Entzückung ob der ästhetischen Harmonie ihrer Schönheit, wusste sein Geist ihre Anmut zu schätzen, klang seine Seele reagibel in symphonischem Wohlgefallen, gleich wie er sich im Anblick künstlerisch idealisierter Statuen konnte verlieren, gleich wie er im Klang eines vollendeten Gedichtes konnte zergehen, gleich wie der Geschmack eines gustiösen Gerichtes ihn konnte in Wonne versetzen - doch aus den urgründigen Tiefen seines begehrenden Leibes betrachtet hatte ihr Anblick jenen Effekt auf ihn, welchen er schon immer hatte ausgeübt, denn schlussendlich blieb Antonia was sie stets war gewesen: eine Frau, mit überaus weiblichen Formen, eines jener Wesen, welche noch nie seinen Leib in hemmungslose Wallung, in zügellose Begierde, in bedingungslose Hingabe hatte versetzen können - und so glätteten die aufgeworfenen, schäumenden Wogen des Verlangens sich, erlosch das lodernde Feuer leidenschaftlicher Glut, legte das flehentliche Sehnen nach Kopulation mit ihrem Körper sich zur Ruhe. Die Zeiten hatten sich gewandelt, doch Gracchus selbst war augenscheinlich noch immer der gleiche, ein Faktum, welches ihn gleichermaßen erleichterte, doch ebenso einen Anklang von Bedauern in ihm zurück ließ, blieb so doch weiterhin jene desperate Leere, welche nicht zu füllen er wusste. Seine Lippen strebten auseinander und die Entschuldigung, es tut mir leid, lag bereits auf ihnen, war es doch dies, was ihn stets bedrängte so er sich dessen wurde bewusst, dass er unfähig war, sie zu begehren, dass die Schönheit seiner Gemahlin an ihn war verschwendet, dass er nicht ihren Leib, noch ihre Person hatte verdient. Die regelrechte Euphorie Antonias indes kam jedem Worte zuvor, schien es doch tatsächliche, bedingungslose Freude über seine Rückkehr, jenes seltsame, ihm ein wenig unverständliche emotionale Konstrukt, welches bereits in ihrem Brief war angeklungen - doch mochte ein leiser Zweifel ob ihrer Intention bestehen, so wurde er hinfort getragen durch ihre Geste, ihre Berührung, als ihre Hände sein Gesicht umfassten, den dichten Bart berührten, welcher über Wochen hinweg dort seinen Platz hatte gefunden. Zu Beginn war dies ob der Versunkenheit in Lethargie und Melancholie gewesen, Ausdruck des Müßigganges und der Trägheit, welche dieser vergangenen Tage ihn hatten befallen, so dass den Barbier er nicht hatte sehen, die allmorgendliche Prozedur der Rasur über sich ergehen lassen wollen, da ohnehin seine Morgen erst spät hatten begonnen, gleichsam in träger Langsamkeit sich dahin gezogen. Später dann hatte er Gewöhnung, gar Gefallen daran gefunden, so dass zwar der Barbier wieder durfte erscheinen, doch nicht der Rasur wegen, sondern nur zum feinsäuberlichen Stutzen und Formen des Bartes. Man sagte den Griechen spöttisch nach, sich hinter ihren Bärten verstecken zu wollen, und obgleich dies Gracchus nicht derart offensichtlich bewusst war, so war sicher auch dies ein Grund für seine Entscheidung, hoffte er doch unterschwellig so in Rom nicht eben auf den ersten Blick als derjenige erkannt zu werden, der er hier war - jene äußere Fassade des Manius Flavius Gracchus, welche kaum ein Innerstes, doch umso mehr Pflichten und Erwartungen zu erfüllen hatte - und augenscheinlich, obgleich er auch dessen nicht sich bewusst war, funktionierte dies bestens, da selbst seine Gemahlin zu Beginn ihre Zweifel an seiner Person hegte, und um so überschwänglicher ihre Freude ausfiel im Augenblicke des Erkennens. Ihr Entzücken, ihre Euphorie ließen ungleich adorabler sie erscheinen, so dass es Gracchus nurmehr drängte, Tribut zu zollen ihrem erquicklichen, blühenden Wesen.
    "Kein Augenblick scheint vergangen da ich Rom verließ, ... gemessen am Anblick deiner Schönheit, deren Blüte ni'ht um die margi..nalste Spur verblasst ist. Es muss dies die Gunst der Götter sein, dass ... während sie uns jeden Tag an Zeit abfordern, sie dir gewähren, jeden Tag no'h schöner zu strahlen als an jenem zuvor."
    Obgleich ihr Inhalt Gracchus ohne jegliche Mühe in die Sinne gelangte, zog die Aussprache seiner Sätze quälend schleichend und langatmig sich dahin, farblos und ausgebleicht in ihrer Couleur, in solch affröser Zerklüftung und trister Monotonie, dass sie beinah den Inhalt mochten Lügen strafen, und augenblicklich dauerte es ihn, überhaupt sich zu diesen Worten hinreißen lassen zu haben. Ein zaghaftes Lächeln kräuselte sich um seine Lippen, suchte über seine Verlegenheit hinweg zu täuschen, ließ den linken Mundwinkel ein wenig empor klettern - und trotz aller Brüchigkeit der Worte musste er doch sich eingestehen, dass jedes einzelne davon ihr zustand, wenn auch niemals ihr konnte gerecht werden -, und er fasste mit der eigenen Linken ihre Rechte.
    "Wie geht es dir?"
    , suchte er von sich selbst abzulenken.

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  • Von jenem Wandel, der sich in Gracchus' Innerem vollzog, bemerkte die treusorgende Gattin selbstredend nichts. Die Gracchi betreffend schien generell ihre Aufmerksamkeit und die Interpretation von Gesehenem auf dem Wege von den Sinnesorganen zu ihrem Kopf enorm viel Information zu verlieren. Teils war dies zweifellos ein immenser Vorteil, meist jedoch führte dies zu enormen Missverständnissen. Hätte Antonia in jenem Moment geahnt, was ihr Anblick in dem Flavier auslöste, sie hätte wohl nie wieder ihr Cubiculum verlassen, in der Annahme, ihre Erscheinung sei derartig abstoßend, dass nicht einmal der eigene Gatte sie zu begehren imstande war.
    Nichtsdestotrotz, das Glück, das sie empfand ob der Tatsache, dass ihr Gemahl wieder hier war, war ihr überdeutlich anzusehen und kaum fehlzuinterpretieren. Allein seine Reaktion irritierte sie einen Augenblick. Er stand nicht auf, schloss sie nicht in seine Arme? Eine dunkle Ahnung kroch in ihr empor: Stand es derart schlecht um ihn, dass er kaum imstande war, sich zu bewegen? Ihr Lächeln wankte für einen Moment, fand jedoch schnell zurück, als Gracchus die Stimme erhob. Und hatte der Bart sie noch zweifeln lassen, so stand mit dem Ausspruch jener Begrüßung doch zweifellos fest, dass dies Manius Flavius Gracchus war. Wer sonst war derart eloquent, vermochte mit wenigen Worten Schmeicheleien schöner zu verpacken, als jedes Gedicht, jede Ode und jedes Lied es je könnten. Und auch wenn sie wusste, dass er maßlos übertrieb, glaubte, dass es seine Art war, nahezu jedes weibliche Wesen mit derartigen Worten zu bedenken, sie war froh, sie wieder hören zu dürfen. So ließ Antonia sich strahlend hinabsinken, nahm Platz neben dem so lange vermissten Gatten, die Hände von seinem Gesicht schließlich nehmend, doch mit ihren Fingern die Seine weiterhin umfassend.
    Allein seine Stimme brachte sie ins Grübeln. Das 'ch' war ihm, offensichtlich, abermals verlustig gegangen, nachdem er es sich doch erst wieder mühsam angeeignet hatte. Ganz abgesehen davon, dass seine Stimme, seine Tonfarbe, sich verändert hatte. Hatte er einst stets die perfekte Sprachmelodie gefunden, so klangen seine Worte nun beinahe tot. Tot und lieblos, so widersprüchlich zum Inhalt seiner Sätze, dass die Claudia zu glauben begann, allein die ungeliebte Pflicht habe ihn zurück nach Rom getrieben, ohne auch nur eine geringe Wiedersehensfreude zu verspüren, er gar im Gegenteil bereits sein Einsiedlerdasein zu vermissen begann. Erst sein kleines Lächeln, welches so hart kämpfen musste, um überhaupt wahrgenommen zu werden, rief ihr die vermeintlichen Tatsachen ins Gedächtnis. Er war nicht der vitale, gottgleiche Gracchus, den sie stets in ihrem Inneren vor sich gesehen hatte, nicht der unverletzbare Heroe und ganz gewiss nicht der Gracchus, den sie vor Jahren geehelicht hatte. Und dennoch war er ungebrochen, war trotz aller Schicksalsschläge und Beeinträchtigungen der vollkommenste Römer, der perfekte Patrizier, den sie seit jeher in ihm gesehen hatte. Doch ehe jene Grübeleien sich auf ihrem Gesicht hätten abzeichnen können, brachte seine abschließende Frage sie ins Stutzen. Er war zum zweiten Male dem Tode entronnen und er fragte sie, wie es ihr ging. Plötzlich und unvermittelt begann sie zu lachen. Sie lachte, weil die Erinnerung an vergangene Tage sie überkam, lachte, weil es so typisch für ihn schien, sich nur um das Wohl anderer zu sorgen, lachte, weil es ihr zweifellos wesentlich besser ging als ihm. Und sie lachte, damit sie nicht weinen musste.
    "Ich kann nicht klagen.", antwortete sie also wahrheitsgemäß. "Nun, da ich dich wieder vor mir sehe, könnte es mir besser gar nicht gehen."
    Ein Schmunzeln war geblieben von jenem Intermezzo, sah sie doch eine Szene vor sich, in welcher nach Gracchus' erstem Anfall er ihr ebenfalls diese Frage gestellt hatte. Und sie hatte offenbart schwanger zu sein. Dies würde heute zweifellos nicht folgen, hatte Antonia doch die beeindruckende Fähigkeit Enthaltsamkeit durch das bemuttern des Sohnes auszugleichen.
    Der Bart indes hielt ihren Blick gefangen, jenes ungewohnte Monstrum, das das vertraute Gesicht vor den Augen der Welt abschirmte. Er gefiel ihr nicht, er war unrömisch, doch würde sie sich hüten, dies laut auszusprechen. Wenigstens noch nicht.
    "Aber wie gehts es dir? Du ahnst nicht, wie sehr wir in Sorge waren. Was ist nur geschehen? Was löste erneut einen Anfall aus?"
    Vielleicht fühlte er sich ja besser, als sie befürchtete? Vielleicht sah sie nur abermals alles zu schwarz, so wie sie es immer tat? Gewiss würde er sogleich wort- und gestenreich bekunden, dass es ihm blendend ginge, dass allein die Anstrengungen der Reise ihn niederdrückten und er etwas Ruhe benötigte. Sicher, das war es. Und das war es, was ihre Augen erflehten, was der bange Blick als Erwiderung verlangte, obgleich der Mund noch immer lächelte. Denn wer war sie, fiele jene Stütze, fiele die Hoffnung auf Normalität weg? Wer würde durch seine Kraft, seine Überlegenheit, seine Vollkommenheit all ihre Unzulänglichkeiten ausgleichen, wer würde ihre Fehler berichtigen, wer würde Gaius sein, wo sie Gaia war?
    Nein. Er war hier. Er war hier und dies bedeutete, dass es ihm gut ging. Etwas anderes war sie nicht gewillt zu akzeptieren.

  • Nachdem er bereits ein wenig erleichtert war ob ihrer unübersehbaren Freude, resultierte das Lachen seiner Gattin nurmehr in größter Konfusion in Gracchus' Innerstem, war dies doch nichts, was er bisherig oft hatte vernommen, schien es ob seiner Spontanität so natürlich und gelöst, dass es nicht zu jener zumeist verschlossenen und graven Antonia mochte passen, welche einst er hatte geehelicht, zudem hegte er noch immer beständig leisen Zweifel an ihrer beiderseitigen Annäherung, konnte noch immer nie ganz glauben, dass sie allmählich zu einer vertraulichen Art hatten gefunden, war darob stets ein wenig irritiert, seine Gemahlin in einem Gebaren zu erleben, welches irgendwo zwischen der von allen Zwängen gelösten Antonia - welche es unbezweifelt musste tief in ihr geben - und der perfekten, patrizisch zurückhaltenden Claudia des öffentlichen Lebens lag. Die natürliche Art ihres Lachens indes ließ sie noch makelloser erscheinen, so dass schlussendlich auch dies in das Gesamtbild seiner Gemahlin sich einzufügen wusste, gleichsam bot der Anlass dieser Gefühlsregung neuerlichen Anlass zu Desperation, sah Gracchus doch sich selbst als Ursache, gleichwohl fern jener Art und Weise wie Antonia dies tat, in vergangene Tage zurück blickend, sondern im Moment des Augenblickes, in seiner gänzlichen, nunmehr geradezu vollkommenen Unzulänglichkeit. Bereits in Achaia hatte er ob dieser Reaktion seiner Gemahlin gebangt, denn welch anderer Art mochte dies Lachen sein denn ein solches der Verzweiflung, folgend auf die Erkenntnis, dass sie an ihn gebunden war, dass sie würde zukünftig als Ehefrau allein in der Öffentlichkeit stehen, dass sie würde ihn samt seiner Makel an ihrer Seite in der Öffentlichkeit ertragen müssen oder gar dass sie auf die Öffentlichkeit würde verzichten - gleich welche Wahl sie traf, würde sie nicht nur ihn, seinen maroden Anblick, sondern ebenso jenes leise Raunen hinter vorgehaltenen Händen konnivieren müssen, welches sich zwangsläufig würde einstellen. Ob dessen bereits in neuerlicher Tristesse versinkend, konnte Gracchus die Worte seiner Gemahlin ob ihres Befindens nicht recht einordnen, nicht ihr weiteres Gebaren, welches beinah ein wenig widersprüchlich zu jenem emotionalen Ausbruch schien, gleichsam beruhigte ihn, dass augenscheinlich keine sonstigen Einflüsse ihr auf der Seele lasteten - ein geringer Trost, da ihn zu ertragen wohl genügend Last für ein Leben war. Schlussendlich indes folgten jene Fragen, welche er ebenfalls hatte gefürchtet seit sein Entschluss nach Rom zurückzukehren in ihm war heran gereift, jene Fragen, deren Antworten er in unzähliger Anzahl hatte in Gedanken formuliert, nur um letzten Endes nicht zu wissen, was er sollte ihr sagen, um einerseits sie nicht ob der Zukunft in Unruhe zu versetzen, andererseits nicht falsche Tatsachen ihr vorzutäuschen, welche ohnehin innerhalb kürzester Zeit sie würde durchschauen. Indes wiesen auch jene Fragen auf Antonias Befürchtungen ob ihres Standes in der Gesellschaft hin, mussten sie unweigerlich doch darauf abzielen, auszuloten, welch bittere Zukunft ihr würde bevorstehen, ob dessen bekräftigt Gracchus sich zur Gänze der Wahrheit entschloss, denn nur im Wissen um die Gegenwart und possiblen Aussichten würde sie jene Entscheidung treffen können, welche unweigerlich er ihr würde antragen müssen, um seiner selbst und seinem Status innerhalb der Familie gerecht zu werden.
    "Die medici sind sich nicht einig ob der Ursa'he, wie sie stets sich widersprüchlich sind, ... doch offenbar ist es ein Ungleichge..wicht der Körpersäfte, ein Zuviel an Blut."
    Obgleich Gracchus die Säftelehre nie ganz hatte durchdrungen, so schien ihm diese Erklärung durchaus plausibel allein ob des Bestandteiles des Blutes - schlussendlich war es flavisches Blut, das Erbe seiner Familie, gleichsam verdrängte er diesen Gedanken, würde dies nach seinem Vater und ihm selbst doch auch Minor betreffen, und dies war etwas, was er weit mehr noch fürchtete denn seine eigene Vergänglichkeit.
    "Die rechte Hälfte meines Leibes spüre i'h nurmehr wie durch eine Ne..belschicht hindurch, darob fällt es mir bisweilen schwer, sie zu koor..dinieren, sowohl was das Gehen betrifft, welches jedo'h zumindest auf geradem Wege mir nicht mehr allzu viele Schwierigkeiten bereitet, ... als auch das Greifen und Halten."
    Um etwas aufzunehmen in seine Hand musste er diese Handlung beobachten wie ein Puppenspieler seine Marionette und bisweilen entglitt ihm die Kontrolle, sobald er seine Aufmerksamkeit wieder auf anderes lenkte.
    "Was nach dem flü'htigen, gedanklichen Ansinnen der Körper von si'h aus sollte ausführen, bedarf zu oft meiner Kon..zentra..tion, bedarf meiner Koordination, und man'hes mal beschleicht mich das Gefühl, ... mein Leib sei über Nacht einige Jahrzehnte gealtert, so un..zuverlässig scheint er, so wenig belastbar, so schnell ermattet er."
    Dass dies auch auf die Konstitution seines Geistes sich niederschlug, verschwieg er, hatte der medicus doch behauptet, dies sein eine natürliche Folge der vermehrten Anstrengung des Leibes und darob kein Zeichen geistigen Verfalls - mit welchem Gracchus sich viel eher hätte abfinden können, war er doch wie beinahe jeder Flavier seit Kindertagen darauf vorbereitet, eines Tages im flavischen Wahl zu versinken, welchem bisweilen auch kognitive und mentale Degeneration zugeschrieben wurden.
    "Dass der Klang meiner Worte nurmehr zwischen Schwarz und Weiß rangiert, bleibt kaum wohl unbemerkt, ... zudem werden mir erneut ab und an Worte und Sätze verlustig, obglei'h dies nurmehr selten geschieht. Weitaus bedenkli'her ist indes, dass ich nicht mehr in der Lage bin, einen Text zu lesen, ... ohne dass der Inhalt dessen in meinem Geiste si'h in völligem Chaos verliert. Es ... es wird schwer sein, dies im Amte zu verbergen, ... ob dessen ich no'h nicht entschieden habe, wie diesbe..züglich am besten zu verfahren ist."
    Obgleich die vielen Worte eine regelrechte Qual waren - nicht etwa, da die Aussprache sonderlich anstrengend wäre gewesen, denn diesbezüglich hatte Gracchus nur Schwierigkeiten, so er an einzelnen Silben oder Wörtern sich verfing, sondern da es ihm geradezu abominabel schien, seiner perfekten Gemahlin die affröse Tonlosigkeit seiner Stimme zuzumuten -, musste er dennoch versuchen, sie milde zustimmen, allfällig noch einige Monate ihn zu erdulden, bevor sie ein finales Urteil würde treffen.
    "Davon abgesehen hat sich meine Verfassung bereits enorm novelliert, zudem ist die Prog..nose des Cadipolos Cali..meres, dass diesbezügliche Fortschritte auch nach Jahren sich no'h können einstellen, ... dass die traute Umgebung sich positiv wird auswirken und die Rek.. die ... Rek..."
    Ein Anzeichen von Derangierung huschte über Gracchus' Antlitz, resultierte darin, dass er den Blick von seiner Gemahlin löste, seine Pupillen hektisch umherwanderten als überfliege er ein Schriftstück, während in seinem inneren Thesaurus er eine Alternative suchte, sich auszudrücken, die Barrikaden der Rekonvaleszenz zu umgehen.
    "... Genesung ..."
    , folgte schlussendlich das ermittelte Synonym, ließ jedoch kein Ende des Satzes folgen, nur anhaltendes Zögern, denn über die Kognition war Gracchus die Intention verlustig gegangen, so dass er nicht mehr gänzlich sicher war, wie der Beginn des Satzes hatte gelautet, noch welches Ende er hatte nehmen sollen. Es war stets in solcherlei Augenblicken - wenn die Defizite nicht nur unübersehbar zu Tage tragen, sondern gleichsam er dessen sich auch bewusst war -, da Gracchus die Prognose des medicus stark in Zweifel zog, indes hatte er sich bereits abgefunden mit dem derzeitigen Zustand und mit dem Gedanken arrangiert, dass sich nicht viel noch würde ändern, obgleich dies bisweilen schwer auf seine Seele hinab drückte - weshalb er letztlich fortwährend unentschlossen war, ob nicht zum Wohle Antonias und Minors der endgültige Schritt würde weitaus angemessener sein, war doch nur ihr Wohl von Belang. Er hob nicht seinen Blick wieder, seine Gemahlin zu schauen, konnte und wollte nicht in ihre Augen sehen ob der Furcht, die Endgültigkeit darin zu blicken.
    "Wenn du dies wünschst, wenn du zu der Ansi'ht gelangst, dass dies besser für dich und Minor ist, ... so werde ich noch heute wieder nach Achaia abreisen, ist es doch euer Wohl ... welches am meisten zählt, und es braucht keine arti..fi..ziellen Argumente hierfür, keine Vorwände, denn ... dein Wunsch allein soll mir genügen."
    Er hatte oft bereits darüber nachgedacht, und er würde Achaia nicht wiedersehen, würde sie sich für diese Möglichkeit entscheiden - ihn endgültig in das Exil zu verbannen -, denn auch wenn sie dies niemals würde verlangen, in diesem Falle konnte er nur das einzig mögliche tun, was Antonia und Minor würde von der Last seiner Person befreien - auf einem der Landgüter Italias würde er selbst seinem Leben ein Ende setzen, in jener ehrenhaften Art und Weise, wie bereits seine Mutter für das Wohl ihrer Familie hatte Sorge getragen.

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  • Er schien ihr jenen Gefallen nicht tun zu wollen, gegenteilig mit der Gänze der Wahrheit trachtete er sie zu belasten. Die erhoffte Erleichterung, die Beruhigung ihres aufgewühlten Inneren blieb aus, stattdessen drang Wort um Wort, Pfeil um Pfeil, Dolch um Dolch in Antonias Herz ein, streute ihr Gatte schließlich noch Salz in offene Wunden, um die Agonie zu perfektionieren.
    Zunächst jedoch schilderte er in eben jener Offenheit seinen Zustand, das Urteil der Ärzte, das nur einen schwachen Hoffnungsschimmer zurück ließ. Die Claudia wusste nichts über jene Art der Krankheit, wusste nicht, was ein Ungleichgewicht der Körpersäfte auslöste oder wie lange es sich hinzuziehen vermochte. Doch sie nickte verständig, hing noch gebannt an den Ausführungen Gracchus', die ebenso gut eine positive Richtung einschlagen konnten. Die Vorstellung, eine ihrer Körperhälften indes nur kaum mehr spüren, geschweigedenn kontrollieren zu können, ließ sie die Augenbrauen heben und unbewusst musterte sie die beeinträchtigte Seite ihres Gatten. Tatsächlich fiel ihr erst in diesem Moment auf, dass nur seine Linke sie in ihren Händen umklammert hielt, die Rechte unbewegt auf der Kline lag, als sei sie ein Zipfel einer Toga, ein abgelegtes und unnütz gewordenes Kleidungsstück. Nichts jedoch, wie ihr schien, was nicht auf irgendeine Art und Weise kurierbar wäre. Erneut den Fokus auf den Gemahl lenkend, schürzte sie kurz die Lippen. Eine Funktionsstörung der Hand ließ sich gewiss mehr oder minder gut verbergen, doch wie gestaltete sich dies beim Gehen? Würde er humpeln? Einem Kaiser Claudius gleich mehr Krüppel denn Mann? Ein Greis im äußeren Schein eines vitalen Römers? Sie ertappte sich dabei, wie sich Zehen und Fingern langsam zusammenkrampften und suchte umgehend dies zu beenden. Nicht ansatzweise, so fürchtete sie, konnte ihr Geist erfassen, was dies für Gracchus bedeuten musste, wie viel Anstrengung ihn die kleinste Regung kosten musste. Und wie schwer es ihm wohl fiel, ihr all dies zu offenbaren. Sich hier Rom und der Verantwortung zu stellen, trotz jener Behinderungen. Was sie nur abermals zu Selbstvorwürfen trieb. Wie hatte sie nur verlangen können, dass er zurückkehrte? Wäre es nicht besser für ihn unbeachtet und in Frieden sein Leben auf einem Landgut der Familie zu leben, bis eine vollständige Genesung eintrat? Sofern sie eintrat..
    Die Marter jedoch fand kein Ende, noch immer gab es Folgen der Krankheit, die er Antonia zu offenbaren gedachte. Nicht allein die Kontrolle über den Körper, vielmehr also auch die Kontrolle über seine Worte, seinen Geist, seien in Mitleidenschaft gezogen. Jene Beeinträchtigung, die sie bereits bemerkt hatte, die unvertuschbar und die Ungnädigste von allen war. Zugleich sprach er ihre Befürchtung aus, bekannte die Befürchtung, kaum mehr ein Amt ausüben zu können, dass es für ihn im Cursus Honorum, im Cultus Deorum nicht weiter nach oben gehen würde. Den Rest seines Lebens würde er wohl schweigend im Senat verbringen, sofern er überhaupt sich überwinden konnte, die Hallen ihrer Väter aufzusuchen. Niemals würde er Consul, niemals Censor werden, kein Flamen, wohl nicht einmal mehr ein Pontifex. Langsam, wenige digiti nur, begann die Claudia den Kopf zu schütteln, nicht bereit die Wahrheit zu akzeptieren, zu billigen, dass die Götter ausgerechnet einem Flavier, ausgerechnet diesem Flavier ein Schicksal der Untätigkeit, des Zusehens aufzubürden gedachten. Einem Mann, dessen Zukunft so strahlend schien, dem mehr Talent für jene Posten innewohnte als allen Senatoren zusammen. Und nicht zuletzt ihr selbst die Bestimmung zuzugestehen, Gemahlin eines politisch unbedeutenden Mannes zu sein. Es war schlicht nicht möglich, es konnte und durfte nicht sein. Was war es nur, das sie getan hatte, das er getan hatte, warum wurde ihnen eine solche Strafte zugedacht?
    Und ließen im ersten Moment die Worte einer möglichen Besserung nach Monaten, nach Jahren gar einen Augenblick lang einen Funken Hoffnung erneut aufglimmen, so löschte jenes gestotterte, verlorene Wort das Feuer bereits im Keim aus ohne auch nur ein Glühen zurückzulassen. Jenes Wort, das nicht einmal zur Hälfte konnte ausgesprochen werden, vermochte dennoch Antonia beinahe körperliche Schmerzen zuzufügen, drückte ihre Schultern hinab, zwang sie die Luft anzuhalten. Erst, als eine Alternative gefunden war, gestattete sie es sich auszuatmen. Die Erleichterung blieb dennoch aus, denn Stille senkte sich herab über das Ehepaar, kam in die Tiefe wie ein Damoklesschwert, vertrieb scheinbar das Licht aus dem Raum und hüllte Claudia und Flavius in tiefste Finsternis. Glücklicherweise wandte ihr Gemahl indes seinen Blick ab, hätte er doch nichts als Verzweiflung, Unglauben und Ohnmacht in Antonias Augen wiedergefunden, spiegelte sich in jenem Moment überdeutlich ihr Inneres in ihnen wider. Kaum war sie fähig, Gracchus' eigenen Kummer zu sehen, die Pein, die sein Zustand ihm selbst bereitete. Schwer hing jenes letzte Wort, das für die so sehnlichst herbeigewünschte Befindlichkeit stand, zwischen ihnen. Überdeutlich, fast als stünde es in materieller Form im Raume, allein um ihr die Fakten vor Augen zu halten.
    Sie hatte begonnen, auf der Unterlippe zu kauen, als abermals Gracchus es war, der das Schweigen durchbrach. Es war dies zu viel, als dass Antonia umgehend hätte antworten können. Zu viel die Verbindung der Zerstörung von Hoffnung und Träumen, die Vernichtung eines Ideals, das sie sich gemacht hatte, die Annihilation eines Manius Flavius Gracchus, den es in dieser Art ohnehin nie gegeben hatte. Noch immer, selbst jetzt, sorgte er sich um sie, um seinen Sohn, war bereit sein eigenes Wohl hintanzustellen. Mit nichts, nichts das sie war, nichts das sie je sein konnte, hatte sie einen solchen Ehemann verdient. Und wie hätte sie ihn je verdienen können, ganz gleich wie schlecht es um ihn stand, ganz gleich, wie wenig er noch die Leiter emporzusteigen im Stande war?
    Und so dauerte es, vielleicht einige Momente zu lange, bis die Claudia den Mund zu einer Antwort öffnete. Die Freude, das Glück war aus ihrem Gesicht verschwunden, hatte einem feierlichen Ernst Platz gemacht. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, hatte gewusst was zu sagen war, noch ehe die Frage gestellt wurde. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie sich ihren Gemahl weit fort gewünscht hatte, in der ein Kontinent zwischen den Eheleuten noch nicht genug gewesen wären. Nun jedoch, nun war ihr der Gedanke an eine abermalige Trennung auf Monate, Jahre gar, unerträglich. Wieder die Ungewissheit, Tag um Tag Hoffen und Bangen, dies zu ertragen war sie nicht imstande, nun, da sie ihn gesehen hatte, das wusste sie. Und wäre dies nicht so, so verböte doch ein anderes Ideal, dass sie ihren Gemahl fort schickte. Wie stets, wie in jedem wachen Moment, so hielt sie sich eine Frage vor Augen: Was täte Cornelia? Was täte jene Frau, jene perfekte Patrizierin, die Mutter der Gracchen, jenes Wesen, dessen Vollkommenheit Antonia anstrebte? Gleich welche Schicksalsschläge sie trafen, sie hatte stets Haltung bewahrt, hatte die Achtung von Feinden wie Freunden erhalten und stets ihr Schicksal ohne Klagen akzeptiert. Wie hätte Antonia also anders reagieren können, als sich schließlich zu straffen, jedes Quäntchen Würde und Erhabenheit, das sie noch in sich finden konnte zusammen zu kratzen und dem Gatten ins Gesicht zu blicken. Immer hatte hinter einem großen Mann eine große Frau gestanden, hatte still und leise im Hintergrund ihn zu unterstützen gewusst. Nun war es an ihr, jene Frau zu sein, jenen Mann zu schützen, solange es ihm selbst nicht möglich war, ebenso wie sie es zeitlebens mit Minor getan hatte.
    Minor. Wozu Maior nicht mehr fähig war, an seiner statt würde Minor strahlen und glänzen, würde das Erbe seines Vaters antreten und ihrer beider Namen erneut zu Ruhm führen. Maior musste nicht länger die Bürde tragen, musste nicht länger die Pflicht auf sich laden, sie würde es tun. Und eines Tages würde ihrer beider Sohn jede Qual sie vergessen lassen.
    "Ich bitte dich", sagte sie also, "nicht zu gehen. Ich bitte dich zu bleiben."
    Fast fühlte sie sich, als verkünde sie ein Urteil, Freispruch oder Tod, welches der beiden, dessen war sie sich nicht gänzlich sicher.
    "Minor braucht dich. Ich brauche dich. Glaube mir, ein.. ein kranker Vater und ein kranker Gemahl sind in jedem Falle einem Absenten vorzuziehen. Und so in Achaia keine andere Besserung zu erwarten, ist als in Rom.. "
    So überhaupt eine Besserung zu erwarten ist, rief sie sich in Erinnerung. Zweifel überkamen sie. Wäre es nicht um seinetwillen besser, ihn nicht zu zwingen, ihn nicht anzuflehen, sich Rom zu stellen? Sich an jene Stadt anzuketten, die ihm nichts zu bieten haben würde? Nur eine Frau, um die er sich stets Sorgen machen musste und ein Sohn, der an seiner statt würde Rom erobern müssen? Hatte ihren Worten vorab noch ein um Fassung bemühter Ton angehaftet, hatten sie noch den Klang einer einstudierten Rede, so folgte noch eine kurze Bitte, leise, drängend, flehend fast, doch darum umso ehrlicher.
    "Bleib hier."

  • Als hätte seine Gemahlin bereits sein Todesurteil gesprochen, flossen in den Augenblicken der einsetzenden Stille Reminiszenzen seines Lebens durch Gracchus' Geist, breiteten seinen Werdegang vor ihm aus, welcher in seiner Kürze viel zu bedeutungslos war, als dass er bereits ein Ende würde ihm bieten, welches seiner Herkunft wäre adäquat. Er hatte versagt. So sehr er sich auch hatte bemüht, den Erwartungen gerecht zu werden, so sehr er sich selbst hatte verbogen, um in jenes Paradigma sich einzupassen, welches seine Familie ihm hatte vorgegeben, so sehr hatte er am Ende versagt - und allfällig war er eben wegen jener Flexion von Anbeginn an zum Scheitern verurteilt gewesen, einem groben Rechteck gleich, welches in einen filigranen Stern suchte sich einzuzwängen. Zum Ende hin war er nun nicht einmal mehr ein Rechteck, war nurmehr eine unförmige Struktur, kantig und schroff, ungestalt und affrös - zerfallen wollte er in diesem Augenblicke ob dessen, sich lösen aus seinem eigenen Gefüge, sich zersetzen in unzählige winzige Partikel, ein Häufchen aus Staub, welches irgendein belangloser Sklave in die Ritzen der Vergessenheit würde fegen können, so dass man seine unwürdige Person würde aus den Annalen der Familiengeschichte negieren wie man es einst mit seinem Bruder Tiberius Animus hatte getan. Schlussendlich, noch bevor er konnte zerfallen, unterbrach Antonia die Stille und sandte ihn - wie hätte es anders können sein - hinfort, bat ihn zu gehen, besiegelte sein unabwendbares Schicksal - und nur ein marginales Wort störte an ihrem Satz, jenes nicht, welches ihm selbst bisweilen sich derart aufsässig widersetzte, dass er es in vier Buchstaben aus sich heraus ließ. Antonias nicht indes war perfekt wie alles an ihr, vollständig in fünf kleinen Buchstaben, in solch vorzüglicher Klangfarbe, dass noch bevor er es konnte fassen einen Augenblick lang es im Raume zu schimmern schien, den Raum mit güldenen Strahlen zu füllen, und noch während er selbst nicht gänzlich realisierte, dass jenes nicht über sein Leben zu dessen Gunsten hatte entschieden, ließ seine Gemahlin keinen Zweifel aufkommen an ihrem Wunsch, indem in anderer Gestalt sie noch einmal ihn bekräftigte. Bleiben verdrängte nun die positive Negation, hallte durch seine Gedanken und dröhnte wie die Fanfaren eines Triumpzuges, begleitete Paukenschlag gleich die Vorzüge seiner Anwesenheit in Rom. Minor braucht dich - wer wusste besser als er, wie sehr ein Sohn seinen Vater brauchte, und wer wusste besser als er, wie unverständig der Freitod eines Elternteiles für einen Knaben war. Er hob den Blick zu dem seiner Gemahlin und sah, dass sie es wusste, wie sie all diese Dinge wusste, seine perfekte Ehefrau, welche gleichsam die perfekte Mutter seines Sohens war. Ich brauche dich - womöglich war sie nicht gänzlich perfekt, denn ein marginaler Makel musste es sein, welcher sie an ihn band, doch allfällig übersah sie das Gesamtgefüge des Lebens weitaus besser als er, womöglich, wahrscheinlich sogar, wägte sie weitaus mehr Details, traf ihre Entscheidungen mit weitaus größerer Voraussicht - und letztlich wollte die in ihm aufsteigende Erleichterung Gracchus ohnehin nicht erneut ob dessen sinnieren, nicht zweifeln lassen. Er liebte das Leben zu sehr, entgegen allen Widrigkeiten, allem Defätismus zum Trotze und trotz seiner eigenen Makel, er liebte seinen Sohn und er liebte - auf seine ganz eigene Art und Weise - seine Gemahlin; nicht umsonst war Achaia ihm wie ein Exil erschienen. Waren noch letzte Zweifel in ihm verblieben, so hauchte ihr bleib hier sie hinfort wie der Zephyrus die Kälte, und in Gracchus stieg jenes wohlige Gefühl familiärer Harmonie auf, nach welchem so lange er sich hatte verzehrt.
    "Ich weiß nicht, womit ich eine Gemahlin wie dich ... verdient habe, doch möchte ich dies Glück ni'ht in Frage stellen."
    Er löste seine Hand von der ihren, hob sie empor und strich ihr über die Wangen.
    "Zuletzt war es mir unerträ..glich in Achaia ohne euch, meine Sehnsucht immens, ... und hätte Sciurus mich nicht davon abgehalten, ich wäre zu Fuß losge..zogen, nachdem ich eure Briefe hatte erhalten. Minimus' eigenhändiges Schreiben ..."
    Wie stets, wenn er an jenes Kleinod in Wachs gebannter kindlicher Gedanken dachte, legte ein Lächeln sich um seine Lippen, wie in seinen Augen väterlicher Stolz aufflammte und ein sehnendes Seufzen seinen Weg sich in seiner Kehle formte, welches indes in diesem Augenblicke gänzlich überflüssig war, was Gracchus bereits im nächsten wurde gewahr.
    "Ist er hier?"
    fragte er hoffnungsvoll, war sich jedoch nicht dessen sicher, was Kinder in Minors Alter den Tag über taten, ob sein Sohn die meiste Zeit über würde studieren oder spielen, ob seine paedagogi ihn würden außerhalb des Hauses erziehen oder in seinem Studierzimmer, ob sein Sohn um diese Zeit in der Villa war disponibel oder absent. Doch der geringste Schimmer einer Hoffnung genügte, dass sein Herz vor Aufregung ein wenig schneller noch zu schlagen begann - versetzte die Aussicht auf jenes Wiedersehen ihn doch in ebenso immense Exaltation wie die Begegnung mit seiner Gemahlin, wäre doch Minors Reaktion keineswegs weniger essentiell als jene seiner Mutter.

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  • Die abgewandten Augen, der gesenkte Blick ihres Gemahls hob sich wieder, traf sie und umgehend schmolzen ihre Selbstsicherheit, ihre Vorsätze und ihre Stärke dahin, fühlte sie sich wieder wie die schwache, die unzulängliche Antonia, die sie war. Sie spürte wie sie verlegen zu lächeln begann, wie ein junges Mädchen, das dem Bräutigam vorgestellt wurde. Und sie erkannte, sie hatte sich geirrt, wie schon so oft. Sein Geist, sein Verstand war scharf wie eh und je, treffsicher wie ein parthischer Bogenschütze, deutlich konnte sie es in seinen Augen, in jenem stolzen Blick sehen, der auf ihr ruhte und Scham überkam sie ob der Tatsache, dass sie Gegenteiliges auch nur vermutet hatte.
    Hinfort war gleichermaßen die wiedergefundene innere Ruhe, als seine linke, die gesunde, Hand ihre Haut berührte. Ein wohliger Schauer durchfuhr sie, bis ihr urplötzlich etwas auffiel und sie nicht umhin kam, den Gatten erstaunt anzustarren. Das 'ch', es war zurück, kurz und temporär nur, nicht in jedem Wort vorhanden, doch deutlich hörbar und nicht zu leugnen, fast sichtbar entfleuchte es seinem Mund um seine Gemahlin als Defätistin zu enttarnen. Es war nicht so schlimm, wie Gracchus es geschildert hatte, es würde sich bessern und wie konnte es auch anders sein? Die Götter waren nicht derart ungerecht, nicht so voll Zorn auf die flavisch-claudische Familie, dass sie ihnen nicht eine weitere Chance böten. Derart in Hochstimmung drang nur langsam seine Offenbarung, die Bekundung seiner eigenen Sehnsucht in Achaia zu ihr durch. Gänzlich Glauben schenken konnte sie jener Versicherung indes nicht, zu lange war er Rom fern geblieben, zu lange hatte sie selbst in Ungewissheit über seine Taten und seinen Zustand gelebt. Es war, wie so oft, die Erwähnung ihres Sohnes, die ihre Gemütsverfassung rettete, ließ doch allein die Erinnerung an Minor in euphorischer Vorfreude ihre Augen blitzen.
    Der Brief, den sie geschrieben hatten, hatte ihrem Gemahl also gefallen. Wie hätte dies auch anders sein, wie hätte jenes perfekte kleine Werk des Sohnes ihm nicht zusagen können? Den Stolz, den sie in sich fühlte, glaubte sie in ihrem Gemahl widergespiegelt zu sehen, allein sein Seufzen ließ sie einen Moment lang die Stirn in Falten legen. Welches war die Ursache, die Verbindung jenes unwilligen, missbilligenden Lautes mit dem vollkommenen Sohn und seiner Schöpfung? Was nur war es, das sie übersehen hatte? Glühend heiß entsann sie sich ihres eigenen Briefs, der Erklärung, die sie verfasst hatte. Dies musste es sein, hatte sie sich doch bereits selbst oft genug Vorwürfe ob ihrer Lüge dem Sohn gegenüber gemacht, wie viel größeren Missfallen musste dies bei ihrem Gatten ausgelöst haben?
    Glücklicherweise lenkte der gnädige Gemahl das Thema weiter, doch später, wenn er sich von der Reise erholt hatte, würde er sie gewiss examinieren, ihre Gründe erfragen und sie als Schuldige brandmarken. Zwischenzeitig jedoch gedachte er seine Gemahlin zu verwirren, breitete sich doch Irritation in Antonia auf die Frage nach dem derzeitigen Verbleib Minors aus. Wo sonst sollte Minor sein, wenn nicht hier? Niemals ließ die besorgte Mutter ihn alleine aus dem Haus gehen, niemals nur in Begleitung von Sklaven oder gar alleine, nur in ihrer Gesellschaft war es ihm erlaubt die Villa zu verlassen.
    "Gewiss ist er hier.", antwortete sie also, die erste Reglosigkeit überwindend und in Hinsicht auf die Zusammenführung von Vater und Sohn eine gewisse Vorfreude verspürend, die die Angst auf eine spätere Befragung hinfortschwemmte als sei sie nichts als Treibgut. Doch natürlich, wie hatte sie nur versäumen können sogleich Minor herbeibringen zu lassen? "Warte, ich lasse ihn holen."
    Nur wenige digiti bewegte die Patrizierin sich schließlich, wandte einzig den Kopf zur Türe, um in gemäßigter Lautstärke "Teje!" zu rufen. Eine ägyptisch anmutende Sklavin betrat den Raum und neigte leicht den Kopf. "Hole meinen Sohn.", ordnete die Herrin an. Derart unumschränkt waren Antonias Besitzansprüche in den letzten Monaten über Minor gewesen, dass sie nicht weiter über das verwendete Personalpronomen nachdachte, eine Teilung jener Herrschaft in 'unseren Sohn' nicht annähernd im Bewusstsein hatte. Wie es bei ihr selbst der Fall gewesen war, so wurde auch dieser Sklavin die Anweisung gegeben, keinerlei Hinweise auf den unverhofften Heimkehrer dem Jungen gegenüber zu äußern, wollte sie doch selbst sehen, wie Minor auf seinen Vater reagieren würde. Was ihr abermals den Bart in Erinnerung rief. Und während die Sklavin davoneilte, wandte die Claudia den Blick wieder Gracchus zu. Würde Minor seinen Vater derart überhaupt erkennen? Sie wusste um seine Scheu vor Fremden, würde er am Ende gar vor dem Flavier zurückschrecken, sich hinter ihr vor dem unbekannten Gesicht verbergen? Nein, ein Sohn erkannte den Vater, umso mehr als Minor hochbegabt und Gracchus ein außergewöhnlicher Mann war. Nichtsdestotrotz, das Dickicht in seinem Gesicht musste ab. Hatte sie Glück, so würde ihr Gemahl nach einiger Zeit in Rom von alleine sich des ungeliebten Gesichtshaars entledigen.
    "Sein erster Brief.", brachte sie die Sprache wieder auf jenes Werk. "Er konnte es kaum erwarten Lesen und Schreiben zu Lernen, nachdem.. ". Sie hielt inne, rief sich den Morgen ins Gedächtnis, an dem ihr Sohn sie erstmals um Schulung jener Fertigkeiten gebeten hatte und die Kehle schnürte sich ihr zu. Der Morgen von Gracchus Abreise, der Morgen ihrer Lüge. "Nachdem er einen deiner Briefe erhalten hat." Dies war wenigstens nur die halbe Unwahrheit, schließlich bekundete sie nichts Falsches, ließ lediglich eine Information unerwähnt, in der Hoffnung, Gracchus würde sich um jenes Detail nicht weiter kümmern.

  • Obschon es nicht der Gewohnheit des jungen Flavius entsprach und er es stets missbilligte, dass ein Sklave ihn während seines alltäglichen Spieles disturbierte, hatte er dem Ansinnen seiner Mutter stattgegeben und war eben jenem Teje gefolgt. Deplorablerweise hatte dieser jedoch keinerlei Angaben bezüglich des Anlasses der Ladung gemacht, sodass sich eine gewisse Unrast in dem Knaben verbreitet hatte, während er durch die Gänge der Villa gewandelt war. Selbstredend hatte er unterdessen auch versucht zu ersinnen, was das Motiv seiner Mutter sein konnte. Dennoch war er zu keinem Schluss gelangt, als die Tür zum Triclinium geöffnet wurde und Manius Minor seine Mutter an der Seite eines ihm unbekannt erscheinenden Fremden erblickte. Der Schauder seiner Xenophobie durchfuhr ihn während er gemessenen Schrittes näher trat, stets darauf achtend, dass er nicht ungebürlich wirken möge, da seine Mutter derartiges Verhalten nicht zu schätzen pflegte.


    Während er jedoch der Szenerie immer näher trat, begann eine gewisse Insekurität ob der Fremdheit des Mannes aufzukeimen, denn obschon Manius Minor sich sicher glaubte, keinen Mann dieser Statur mit einem derartig barbaresken Gesichtsschmuck zu kennen, erschien ihm dessen Gebahren in gewisser Weise familiär, als habe er dieses bereits wiederholt gesehen. Dennoch gelang es ihm nicht, seinen Vater zu entlarven, sondern fühlte sich ob all jener Eindrücke konsterniert, sodass er hinter der Tunica des ihn begleitenden Sklaven Schutz suchte und lediglich verstohlen in Richtung des Fremden spähte.

  • Wie so oft bemerkte Gracchus nichts von jenen inneren Zweifeln, mit welchen seine Gemahlin rang, weniger indes, da es ihm nicht möglich wäre gewesen in sie zu blicken - was jedoch auch im Falle seiner Aufmerksamkeit tatsächlich nicht wäre ihm möglich gewesen -, sondern da seine Gedanken nurmehr bei ihrem Sohne weilten, mehr noch als dessen Mutter bestätigte, dass jener in der Villa zugegen war, ganz so, als hätte er die ganze Zeit nur auf ihn gewartet. Gleichsam war Gracchus sich dessen sicher, welch trügerischer Gedanke dies war, denn vermutlich hatte Minor kaum je an seinen Vater gedacht, würde er doch an nichts hatte Mangel gehabt haben in dieser Familie, würde doch keine seiner Sehnsüchte unerfüllt geblieben sein, und schlussendlich erachtete Gracchus auch in seiner Rolle und Pflicht als Vater sich für überaus ersetzbar, wenn nicht gar ohnehin inkompentent - allein seiner langen Absenz wegen. Nervös blickte er der Weisung seiner Gattin hernach, ihren Sohn herbei zu bringen, und es entging ihm dabei nicht, dass Minor ihr Sohn war, was gleichermaßen nur mehr noch darauf hinwies, wie überflüssig all die Zeit er diesbezüglich in diesem Hause gewesen war. Was, wenn der Junge seinen Vater nicht nur nicht brauchte, sondern gleichsam nicht brauchen wollte? Allfällig hatte Minor bereits jene Phase erreicht, in welcher Gracchus selbst erst während seiner Pubertät war versunken, jenes Aufbegehren gegen die väterliche Figur in der Ferne, allfällig trachtete er nicht einmal nach Rebellion, sondern würde nur jene Ignoranz ihm entgegen bringen, mit welcher er selbst all die Zeit sich bedacht gewesen musste gefühlt haben. Es drängte Gracchus danach, die Sklavin zurück zu halten in ihrem Auftrag, Antonia zuerst zu befragen ob der Stimmung ihres Sohnes, doch das Wesen namens Teje, dessen Namen er bereits wieder war verlustig geworden, hatte den Raum längst verlassen, eilte unbezweifelt schon hastig durch die Gänge der Villa Flavia, die Weisung ihrer Herrin eiligst auszuführen, um nicht deren Unmut auf sich zu ziehen, und ihren Sohn zu seiner Mutter zu bringen. Reminiszenzen an ein kleines Bündel Mensch schweiften durch seinen Geist, an Minors erstes Lächeln, seine ersten Schritte und seine ersten Worte - wie viel mochte er verpasst haben inzwischen, wieviele erste Taten seines Sohnes? Ihres Sohnes. Weitere Erinnerungen drängten in seine Gedanken empor durch die in ihm nachhallende Formulierung seiner Gemahlin, an jene Zeit vor Minors Geburt, an jene Schwierigkeiten seiner Zeugung, und für einige Augenblicke durchdrang die Furcht ihn, Minor könnte doch nicht sein Sohn sein, nur ihr Sohn. Zweifelsohne war er gewachsen, zweifelsohne zu einem kleinen Charakter heran gereift, dessen Antlitz allfällig Aufschluss würde geben über seine Herkunft - was, wenn in seiner Erscheinung schlussendlich rein gar nichts von einem Flavius sich würde zeigen? Antonia durchbrach seine marternden Zweifel, als den Brief sie ansprach, Minors Bestreben nach den Buchstaben, und erneut brachte dies ein Lächeln auf seine Lippen, welches indes sich nur überaus kurz dort hielt, drang doch mit dem Brief die Notlüge seiner Gemahlin nun auch in sein Bewusstsein vor, welche noch immer er nicht ihr zum Vorwurfe machte, galt doch sein einziger Vorwurf wie stets sich selbst, blieb Antonia über jeden Zweifel erhaben, denn schlussendlich war ihre Not nur erwachsen aus seiner Unzulänglichkeit, weshalb auch ihm selbst die Aufgabe musste zufallen, die Unwahrheit auf sich zu nehmen, obgleich dies das neu zu entdeckende Verhältnis zwischen Vater und Sohn sogleich würde schwer belasten, gleichsam Gracchus gänzlich ratlos war, wie er seinem Sohn jemals die Schönheit und Harmonie der Wahrheit - jene ihm selbst so überaus essentiell erscheinende Tugend - sollte näher bringen, wenn eine Minors erster bewusster Erinnerungen an seinen Vater sogleich mit einer Lüge begann. Es war dies ein Dilemma, welches weitaus schlimmer zu ertragen war, als jeglich verzwickte Situationen bisher in Gracchus' Leben, welches gleichsam unaufhaltsam wie jedes Dilemma seinem Höhepunkt entgegen strebte, da mit einem Male, noch ehe Gracchus zu weiteren Worten wollte ansetzen, die Sklavin wieder im Raume stand und hinter ihr Minor - ein unhaltbarer Zustand, wie Gracchus am Rande bemerkte, denn gleich wie jung sein Sohn auch mochte sein, er war noch immer ein flavischer Herr im eigenen Hause.
    "Minimus!"
    Es war nur ein einziges Wort, doch gleichsam lag so viel Emotion in ihm, wie nur selten Gracchus dies entkam, nicht nur dieser Tage, sondern im Generellen - unbändige Freude, Erleichterung, dass Minor sich wohl befand, Entzücken über seine Anwesenheit und gewaltiger Stolz über seinen prachtvollen Jungen - gleichsam war jeglicher Zweifel bezüglich seiner Herkunft vorerst ausgeräumt, nicht etwa berechtigter optischer Anhaltspunkte wegen, sondern allein ob der Magie des Augenblickes. Indes, überwältigt ob der Kaskade an Sentiment, wollte Gracchus nicht mehr weiter in die Sinne gelangen denn jenes ein wenig tumbe 'Bei den Göttern, bist du groß geworden!', welches wohl seit Beginn der Sprache ein jeder erwachsene Mensch dem kindlichen Gegenüber als erstes entgegenbrachte, so er es nach längerer Trennung wiedersah. Doch Jahrzehnte zuvor hatte der kleine Gracchus ein jedes Mal, da er zu diversen Festivitäten nach Italia musste anreisen und von allen möglichen und unmöglichen Seiten auf diese eine Art und Weise war begrüßt worden, fest sich vorgenommen, später einmal eben nicht solcher Art den Jüngeren gegenüberzutreten. Er hatte sich in diesem Ansinnen nicht auf die Trivialität der Aussage oder Unpersönlichkeit der Allerweltfloskel bezogen, sondern auf die Herabwürdigung der eigenen Person. Tag um Tag hatte der sich selbst und allem um sich herum unsichere Knabe sich abgemüht, die an ihn - faktisch und imaginär - gestellten Anforderungen zu erfüllen, seinen Geist zu trainieren, seinen Leib zu formen, sich in Künsten zu üben und beständig sein Wissen zu mehren, doch gleich welche Fortschritte er hatte erzielt - vom Erlernen der griechischen Sprache, über den ersten Speerwurf über 30 passus, über das Memorieren Ciceros' Laelius, über die Bezwingung der rhetorischen Stilmittel bis hin zu seiner ersten, selbst verfassten Rede - stets wurde bei einem Wiedersehen nur dasjenige an ihm gelobt, zu welchen er nicht das geringste hatte beigetragen - sein Wachstum. Obgleich Minor seit ihrer letzten Begegnung durchaus nicht wenig war gewachsen - derart sogar, dass Gracchus bereits vermutete, die gesamte Entwicklung seines Sohnes verpasst zu haben -, verzichtete er darob auf die Äußerung jener Gegebenheit, wies stattdessen mit der Linken auf die Kline, ein Fleckchen zwischen Antonia und sich selbst, um über seine Unsicherheit hinweg zu täuschen, darüber, dass er nicht genau wusste, worüber mit seinem Sohne er sollte konversieren, dass er nicht genau wusste, wie überhaupt er sollte reagieren oder sich verhalten - ein neuerliches Eingeständnis seiner väterlichen Inkompetenz, wäre doch jedem anderen gegenüber sein Verhalten weitaus souveräner ausgefallen, selbst gegenüber dem Imperator.
    "Komm und setze di'h zu uns."

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  • Mochte es ihm zu Beginn noch äußerst fragwürdig erschienen sein, dass ihm die unidentifizierte Person in irgendeiner Weise bekannt sein sollte, war seine Gewissheit, kaum dass sein Vater seinen Kosenamen artikuliert hatte, über jedweden Zweifel erhaben: Hier stand er vor ihm! Obschon es Manius Minor geradezu bizarr erschien, dass sein eigener Vater, der ihm bereits seit sieben Jahren bekannt war, durch ein Übermaß an Gesichtsbehaarung entstellt war, trat er hinter seiner servilen Barriere hervor. In seinem infantilen, überaus begrenzten Geist begann erneut ein Widerstreit der Emotionen: Sollte er voller Elation seinem Vater um den Hals fallen, ihm von seinen zahlreichen Erlebnissen berichten? Sollte er seinem Unmut ob der langen Abwesenheit Ausdruck verleihen? Oder sollte er gar in schlichter Weise der Anweisung Folge leisten und sich auf die Kline begeben, um weiterer Dinge zu harren?
    Angesichts all dieser Alternativen entschloss er sich letzten Endes für ein überbrückendes, freundliches
    "Salve, Papa!"


    Anschließend begann er erneut zu reflektieren, welches Verhalten nun angemessen sein sollte, wobei letztendlich die intermediäre Lösung obsiegte und er die Kline seines Vaters umrundete und sich auf seiner eigenen inmitten seiner Eltern niederließ. Als er nun ein weiteres Mal in die Runde blickte, vermochte er es jedoch nicht, seinen Blick von dem faszinierenden Wuchs im Antlitz seines Vaters abzuwenden. Wie vermochte Derartiges geschehen? Bisher hatte er lediglich Alte wie Barbaren für eine derartige Entwicklung potent genug erachtet.

  • Obgleich er nicht sich dessen war sicher, welche Reaktion er hatte von seinem Sohne erwartet, so war es nicht jene, welche dieser zeigte, gleichsam konnte er dieses Gebaren nicht gänzlich einordnen, ob es schlussendlich doch Desinteresse war, Ablehnung gar, oder aber verhaltene Freude, allfällig gravitätische Beherrschung. So saßen sie denn einige Augenblicke in Stille nebeneinander aufgereiht auf der Kline, die kleine Familia Flavia Gracchus, wieder vereint, sich allesamt so nah und doch so fern. Es drängte Gracchus danach, seinen Sohn in die Arme zu schließen, doch solcherlei sentimentale Bekundung väterlicher Zuneigung war nicht vorgesehen für einen patrizischen Römer, und obgleich er durchaus war geneigt, sich über dererlei hinweg zu setzen, war doch seine Furcht zu groß, dass Minors Ablehnung dabei würde deutlich zu Tage treten können. Während der Sohn also den Vater ob des ungewohnt behaarten Anblickes musterte, konnte jener ebenso wenig den Blick von ersterem lenken, musterte seinen Sohn und suchte nach Similaritäten und Differenzen. Minors Haar war von einem helleren Braunton als sein eigenes, dunkler jedoch noch als jenes Caius', und die Farbe seiner Augen glich der dunklen, endlos tiefen Couleur Antonias Augen, seine Züge indes waren noch immer die eines Knaben, zeigten jedoch bereits Ansätze eines Charakters, zeugten unbezweifelt von Intelligenz und Feinsinn. Seines Erscheinungsbildes nach mochte der Junge tatsächlich sein Sohn sein oder auch nicht, es sprach nichts unweigerlich dafür, doch erfreulicherweise auch nichts dagegen, weshalb Gracchus geneigt war, der Wahrheit weiterhin Glauben zu schenken, bis dass allfällig eines Tages ernsthaftere Belege denn unnachweisbare Zweifel an seiner eigenen Zeugungsunfähigkeit mochten dagegen sprechen - doch selbst dann würde dies weder an seiner rechtlichen, noch familiären Position gegenüber Minor etwas ändern.
    "Ich habe deinen Brief erhalten"
    , durchbrach Gracchus schlussendlich das Schweigen, wagte sich auf jenen Untergrund, welcher ihm stets hatte Stabilität geboten, das Parkett der Worte, welcher ihm trotz der Unstetigkeit des hörbaren Ergebnisses noch immer ein gewisses Maß an Sicherheit bot, weit mehr als jede Ebene der Emotionalität, welche in seiner Welt ohnehin stets ausgesprochen bröckelnd und instabil sich zeigten.
    "Und war darob über..aus erfreut. Zudem bin ich sehr stolz auf dich, denn obglei'h ich nie Zweifel an deinen Fähigkeiten hegte, ... so scheinen mir deine Fortschritte doch überaus exzep..tionell."

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  • Die in keinster Weise zielführenden Reflexionen des Knaben wurden jäh durchbrochen, als sein Vater das Wort an ihn richtete. Als er jene knappe, aber dennoch den Verhältnissen des Knaben angemessene Epistel erwähnte, bemächtigte sich ein Glanz der Augen Manius Minors, weniger der Scham denn des Stolzes ob seiner Tat. Obschon es ihm an Konfrontationen mit Kindern similen Alters mangelte, fühlte er, dass jenes Werk die Erwartungen an sein Alter erfüllt hatten, was auch die Worte des Manius Maior bestätigten.


    Dennoch evozierte die Äußerung im Geiste des Knaben eine gewisse Unschlüssigkeit ob der Tatsache, dass ihm keinerlei Assoziationen zum den Begriff "exzeptionell" geläufig waren, weshalb er in kindlicher Unschuld ersuchte, diesen Mangel innerhalb eines Wissensschatzes zu befrieden:
    "Was heißt 'exzeptionell', Papa?"
    Dennoch befiel ihm nach jener spontanen Äußerung eine gewisse Insekurität, da es ihm nicht möglich war zu erkennen, ob diese Frage dem Anlasse adäquat war oder er dadurch lediglich sein begrenztes Vokabular offenbarte, was die Missbilligung seiner Eltern hervorzurufen vermochte.

  • Besorgt, geradezu beunruhigt verfolgte Antonia das anfängliche Zögern des Jungen, das Verbergen seiner Gestalt hinter der Sklavin. Was nur würde Gracchus ob eines solchen Gebahrens denken von seinem Sohn und, schlimmer noch, von der Mutter, die diesen erzogen hatte? Schon war sie im Begriff Minor herbeizuzitieren, ihm die Hand entgegen zu halten und ihm so zu zeigen, dass er sich vor nichts fürchten musste, doch richtete ihr Gemahl bereits das Wort an seinen Sohn. Antonias Kopf blieb unbewegt, allein ihre Augen wanderten zu Gracchus Maior, der mit keiner Silbe noch bekundete, ob er jenes pädagogische Versäumnis seiner Gattin bemerkt hatte. Vielmehr glaubte sie tatsächliche Freude zu erkennen, wie es anders nicht zu erwarten war. Und wirklich, auf die Anweisung des Vaters hin fiel die Scheu von dem Jungen ab, ließ ihn die schützende lebende Mauer abschütteln und sich setzen. Es gab Dinge, dessen war die Claudia nun überzeugt, die eine Mutter dem Sohn einfach nicht beibringen konnte. Jene Schüchternheit zu verlieren gehörte wohl zweifellos dazu. Umso besser also, dass Gracchus wieder anwesend war.
    So lächelte sie erleichtert, stolz gar auf die Selbstbeherrschtheit des Sohnes, der seine Emotion zu bändigen wusste. Wäre der Spross einer geringeren Familie seinem Erzeuger zweifellos quietschend und jaulend um den Hals gefallen, so hielt der kleine Flavier sich zurück, offenbarte mit nichts die Euphorie, die sicherlich in seinem Inneren herrschte. Nicht gänzlich hatte sie also versagt, obgleich ein großer Teil von Minors guter Erziehung zweifellos bereits auf seinen geerbten Anlagen beruhte. Sanft strich sie also dem Sohne übers Haar, wie sie es stets tat, wenn sie eine seiner Taten wortlos zu loben gedachte.
    Gracchus Maior verlieh seinem Stolz währenddessen verbalen Ausdruck, war voll der Anerkennung von den Leistungen seines Sohnes, der - niemand wusste es besser als Antonia - tatsächlich sein Sohn war. Da sie ohnehin nicht um die nach wie vor vorhandenen Zweifel in Gracchus wusste, nickte sie still, die Worte bekräftigend. Allein Minors Reaktion ließ sie erstarren, innehalten in Erstaunen. Exzeptionell. Wie hatte sie nur versäumen können, wie hatten die paedagogi nur versäumen können, ihrem Kind jenes immens wichtige Wort beizubringen? So presste sie die Lippen aufeinander, senkte verschämt die Augen, als sei sie ein Kind, dass beim Kuchen stehlen erwischt worden war.

  • Ein konniventes Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen, glaubte er doch sogleich seinen Sohn ein wenig überfordert zu haben - gegenteilig zu seiner Gemahlin kam er nicht einmal auf den Gedanken, den Makel des Nichtwissens bei Minor oder aber die Schuld der Versäumnis bei Antonia zu sehen, war sich ohnehin gänzlich ungewiss, in welchem Alter ein Kind welcherlei Wissensstand sollte aufweisen, und würde zudem niemals von seinem Sohne unumstößliche Perfektion erwarten, obgleich er gegenteilig stets davon überzeugt war, dass Minimus aus sich selbst heraus bereits mehr als vollkommen war, so dass letztlich als Tatsache musste bleiben, dass er Minor hatte zu viel abverlangt.
    "Außergewöhnlich, Minimus, es bedeutet, dass deine Fortschrit..te außergewöhnli'h sind."
    Die freimütige kindliche Neugier indes ließ Gracchus Maior die Scheu vor seinem Sohne verlieren, war dies doch einer der gravierendsten Gründe, weshalb er zurückgekehrt war nach Rom, Minor die Welt zu Füssen zu legen, gleichsam weckte sie ebenso seine eigene Neugier, darauf wie das Leben seines Sohnes sich derzeit gestaltete.
    "Mö'htest du mir berichten, was du heute bereits alles getan hast?"

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  • Die reflexhafte, schamhafte Reaktion seiner Mutter auf evozierte bei dem Knaben eine weitaus stärkere Insekurität, die sich geradezu in eine Konserniertheit modifizierte. Doch sein Vater schien diesen Gestus nicht zu imitieren. Vielmehr vermochte er durch das konnivente Lächeln, wie auch seine joviale Form des Repliks, ihn zu amortisieren.


    Dennoch entsagte er eines weiteren Kommentares und zollte der weiteren Frage seines Vaters Aufmerksamkeit, zumal sie seine vollständige Konzentration erforderte, obschon sein Tagesablauf von größter Similität geprägt war, weshalb er aufzuzählen begann, bedacht darauf, keinerlei Details auszulassen.
    "Aaalso...ich bin aufgestanden, ich habe mein Ientaculum eingenommen, dann hat Mama mit mir Lesen geübt, dann hat sie mir etwas vorgelesen, dann habe ich das Prandium eingenommen, dann...äh...habe ich gespielt. Bis jetzt. Mit Gaius."
    Die Bekanntheit der Titulatur seines hölzernen Spielgefährten legte er diesem Rapport zugrunde, was wohl eine gewisse Berechtigung nicht missen ließ, zumal das kleine Krokodil bereits seit der Geburt des jungen Flaviers zu seinen liebsten Spielzeug zu zählen war.

  • Aufmerksam lauschte Gracchus den Ausführungen seines Sohnes, dessen Tag augenscheinlich geprägt war durch Mahlzeiten und seine Mutter, obgleich ihn ein wenig irritierte, dass der Junge den angebrochenen Nachmittag gänzlich in Spiel hatte verbracht und nicht etwa in weiteren Studien. Gleichsam jedoch milderte 'Gaius' dies Urteil, erfreute den Vater doch der Gedanke, dass sein Sohn hatte einen Freund gefunden - unbezweifelt aus agreablen Verhältnissen stammend, ließ Gaius doch zumindest nicht auf eine Sklavennomenklatur, sondern ein römisches praenomen schließen -, was er sogleich suchte zu verifizieren.
    "Ist Gaius einer deiner Freude?"
    Zweifellos war Minor überaus beliebt und hatte zahlreiche Freunde aus der Nachbarschaft, gab es in den gut betuchten Familien, welche den Quirinal bewohnten, doch stets Kinder jeden Alters.
    "Wel'her Familie entstammt er?"
    Allfällig war es ein Cornelier, wohnten diese doch nicht allzu weit entfernt, zudem wusste Gracchus von mindestens zweier Neffen des Pontifex Cornelius, welche etwa in Minors Alter sich befanden.

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  • Die wohlwollenden Fragen des Manius Maior erzeugte bei Manius Minor eine gewisse Form des Pläsier, wurde er sich doch nun des Trugschlusses seines Vaters gewahr, der jene weiteren Sondierungen provoziert hatten. So ließ der Knabe ein glockenhelles Lachen erschallen, ehe er amüsiert antwortete
    "Nein, nein! Gaius ist mein Krokodil! Hast du das schon vergessen?"
    Zwar mochte der Knabe der Meinung sein, dass jedem Angehörigen der Familia Flavia Graccha sämtliche seiner Spielgefährten wohlbekannt und familiar waren, doch bestand durchaus eine durchaus nicht unterschätzbare Possibilität, dass Manius Maior aufgrund seiner Krankheit und seiner zahlreichen Verpflichtungen niemals in den Genuss gekommen war, seinen Sohn beim Spiel mit dem hölzernen Krokodil beobachtet zu haben, das der blinde Claudius Nerva dem jüngsten Flavier bereits kurz nach dessen Geburt zum Geschenk gemacht hatte.

  • Zuerst derangierte das Lachen seines Sohnes Gracchus ein wenig, kam es doch so gänzlich unvermittelt, da ihm selbst nicht augenfällig, was an seinen Worten ausschlaggebend hierfür war gewesen, doch der Ton an sich, der reine Klang, so kindlich und unverdorben, floss wie eine Woge warmen Wassers, wehte wie ein blumiger Hauch durch Gracchus' Sinne hindurch, tönte erhabener als jeder Epos, jedes Gedicht, jeder Gesang - Minor war ein Kunstwerk, unbezweifelt, ästhetischer und epiphaner als alles, was ein Mensch von Hand konnte formen, und er, Gracchus Maior hatte ihn geschaffen!
    "Aber natürli'h"
    , suchte er sein Nichtwissen mit einem Lächeln zu überspielen, war ihm das Holzkrokodil zwar bekannt, jedoch nur unter der Bezeichnung 'das Holzkrokodil', wiewohl alle Minors Gefährten und Schätze für ihn nur das, was sie tatsächlich waren: leblose Gegenstände, denn eine blühende Phantasie war ihm nurmehr im Geiste zu eigen.
    "Wie konnte ich darauf nur vergessen!"
    Dennoch drängte es Gracchus, noch einmal die Popularität des Jungen zu prüfen, und er hoffte darauf, jener mochte diese von seiner Mutter geerbt haben, denn unbezweifelt war Antonia in ihrer Jugend überaus beliebt gewesen, wie sie dies zweifelsohne auch heute im Kreise ihrer Freundinnen noch war - obgleich Gracchus nichts wusste über Antonias frauliches Sozialleben -, schlussendlich hatte Minor keinen Vetter um sich herum, dessen Anhängsel er konnte werden, so er nach seinem Vater kam.
    "Und wer sind deine Freunde? Was spielst ... du mit ihnen?"

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    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Niemals in seinem Leben hatte der junge Flavius gehört, wie sein Vater, jenes nahezu überirdische Wesen unerschöpflicher Weisheit und Exklusivität, einen vokabularen Fehltritt getan hatte. Aus diesem Grunde erschien es ihm auch nun impossibel, vielmehr gelangte er zu der Annahme, dass es sich bei 'darauf vergessen' um eine jener adultären Floskeln, derer sich lediglich sein Vater wie Männer similer Eloquenz bedienten, handeln musste.


    Indessen vermochte die folgende Frage erneut die flavisch-gracchische Insekurität zu evozieren, unter der auch Manius Minor geradezu beständig litt. Vor einer Weile hatte er einen Knaben kennen gelernt, Worte mit ihm gewechselt und gar mit ihm gespielt. Doch war es legitim, ihn deshalb als 'Freund' zu titulieren? Er beschloss, vorerst von jener primären Frage zu distraktieren und stattdessen die zweite Frage zu beantworten.
    "Also mit Perictone oder Glaphyra spiele ich meistens Ball. Oder mit den Puppen. Aber mit Lakrates nehmen wir oft die Legionäre und ich spiele immer den Centurio! Und Artaxias liest mir meistens eher vor."
    vollendete er die Introduktion seiner beiweitem häufigsten Spielgefährten, wie auch seine präferierten Spiele. Dass es sich bei sämtlichen um einfache Sklaven und Ammen handelte, hatte er selbst niemals als ein Manco betrachtet, zumal ihm keinerlei andersartige Verhältnisse bekannt waren.


    Sim-Off:

    Gern darfst du erneut nachfragen, doch muss ich mit Flavianus Aquilius noch den weiteren Verlauf unserer Beziehung aushandeln.

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