Triclinium | Jahreszeiten einer Ehe

  • Irgendwann einmal, sobald Minor das Glatteis sprachlicher Unsicherheiten würde überwunden, die Fallstricke korrekter grammatikalischer Ausdrucksweisen identifiziert haben und sicher über die bisweilen recht einengenden Pfade einwandfreien Sprachschatzes würde wandeln, würde der Vater dem Sohne die Ästhetik gezielter Satzmanipulation, die Grazie individueller Neologismen und den Liebreiz dialektischer Kleinode näher zu bringen versuchen, um das Colorit seiner Sprache durch spielerische Metamorphose und formvollendeten Individualismus zu einzigartiger Eigenart zu perfektionnieren, gab es seiner Ansicht nach doch kaum ein sich auf die Persönlichkeit inspirativer auswirkendes Element als die Sprache an sich. Doch bis dahin würde noch ein wenig Zeit ins Lande ziehen, würde Minor noch viele Stunden rhetorischer Ausbildung über sich ergehen lassen müssen, würde in seinem Alter sprachliche Neuformung den Jungen doch nur zu sehr zu verwirren wissen, so dass 'vergessen auf' unbezweifelt nicht die letzte eigentümliche Kuriosität war, mit welcher Gracchus seinen Sohn würde verwundern - gleichsam würde den Vater wohl selbst diese Verwunderung verwundern, waren seine Eigenheiten ihm doch derart zu eigen, dass sie ihm in alltäglicher Verwendung gänzlich der Norm zu entsprechen schienen und nur dann auffällig herausragten, so er sich intensiver damit befasste. Ohnehin befasste er sich in diesem Augenblicke mehr mit Minor und der Tatsache, dass jener augenscheinlich der väterlichen Linie folgte, war Gracchus doch nicht derart einfältig zu glauben, sein Sohn würde mit Peregrinen spielen, welche Namen wie Perictone, Glaphyra, Lakrates oder Artaxias trugen, wusste zugleich, dass in seinem Haushalt alle Sklaven nach antik östlicher Nomenklatur waren benannt - bis auf wenige Ausnahmen -, auch wenn er kaum einen von ihnen zu benennen wusste. Es war dies ein Punkt, welchen er unbedingt mit Antonia würde besprechen müssen, taten sich vor Gracchus' innerem Auge doch endlose Schreckenszenarien auf, einige davon vom Hintergrund eigener Erfahrung und kindlich übertriebener Erinnerung genährt. Bezüglich der Auswahl der Spielarten beunruhigte ihn indes nur, dass Minor den Centurio der Legion wählte, und hoffte darob, dass es keinen Legatus Legionis unter den Figuren gab, sein Sohn also nicht dem Sklaven sich unterordnete, wiewohl er sich bemühte, in die Neigung zu soldatischem Spiel noch keinerlei zukünftige Intention zu interpretieren.
    "Ich habe dir selbstre..dent auch etwas mitgebracht, ein Spiel."
    Kurz zog er seine Aufmerksamkeit von Minor ab und bedachte seinen Sklaven Sciurus mit seinem Blick.
    "Sciurus ..."
    Der Sklave nickte und wandte sich um, wurde doch von seinem Herrn noch einen Moment aufgehalten.
    "Das Präsent für meine Gemahlin ebenfalls!"
    "Ja, Herr", ohne noch einmal sich umzudrehen verschwand der Sklave. Gracchus indes wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Sohn zu und obgleich er - wie stets - fürchtete, dem Jungen könne sein Geschenk nicht gefallen, so freute er doch sich darauf, es überreichen zu können, bereitete es ihm doch stets viel mehr Freude, Überraschungen zu verteilen, denn zu erhalten.

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  • Obschon es seinem Vater durchaus Sorgen bereitete, dass sein Sohn bar jeglicher standesgemäßen Kontakte war, ließ er keinen seiner Gedanken offenbar werden, sodass Manius Minor auch von keinerlei Schuldgefühlen einer insuffizienten sozialen Potenz geplagt werden konnte. So erglomm lediglich ein Leuchten in den dunklen Augen des Knaben, als er von der Perspektive eines Präsents unterrichtet wurde, wobei sich zugleich die Neugier seiner bemächtigte und die Worte unwillkürlich aus seinem kleinen Mund sprudelten:
    "Was denn, Papa? Ein hellenisches?"
    Indessen begann er darüber nachzusinnen, welcher Art die Spiele der Griechen, jenes geradezu strahlenden Volkes, sein mochten - ob sie seinen Geist trainieren mochten bis er dem listenreichen Ulixes ebenbürtig sein würde oder ob es sich lediglich zur Bildung der Geschicklichkeit dienen mochte wie das Spiel der Astragaloi, das er bisweilen mit Artaxias zu spielen pflegte.


    Um nicht zu verpassen, wenn Sciurius mit dem Geschenk zurückkehrte, stützte der junge Flavius sich auf sein Kissen und reckte den Hals um einen aggreableren Blick auf die Tür des Tricliniums zu erhalten, wobei sein Blick zwischen jener und dem Antlitz seines Vaters hin- und hereilte.

  • In gleichem Maße, wie die Augen des kleinen Gracchus begannen zu leuchten, begann das Herz des großen Gracchus vor Freude zu tanzen - dies war es stets, wie er das Vatersein sich hatte vorgestellt.
    "Nein, es ist ein römisches Spiel, doch man spielt es im ge..samten Imperium und si'herlich auch über seine Grenzen hinaus - ludus latrunculorum, kennst du es bereits? Es fordert planerisches Geschick und strate..gisches Denken, du wirst unbezeifelt Gefallen daran finden."
    Anderes war gänzlich unmöglich, selbst wenn Minor derzeit allfällig noch ein wenig zu jung dafür war, so würde er mit der Zeit seine wahre Freude daran finden - jeder Mann der Familia Flavia Vespasiana hatte sich bisher darin verlieren können, indes war es das einzige Spiel, in welchem ein jeder der Vespasian'schen Söhne mit seinem Vater war bisweilen verbunden gewesen, hatte jener sie doch stets herausgefordert, selbst Gracchus bei den seltenen Gelegenheiten, da er seinen Vater überhaupt hatte gesehen. Jener Tag, an welchem er ihn zum ersten Male hatte geschlagen, war ein regelrechter Triumph gewesen, und rückwirkend betrachtet glaubte Gracchus manches mal, dass dies der einzige Tag in seinem Leben war gewesen, da er die Ansprüche Vespasianus' hatte erfüllen können, da dieser mit seinem Sohn war zufrieden gewesen. Würde eines Tages Minor ihn schlagen, so würde dies kein Triumph sein, sondern ein Tag der Freude und unbändigen Stolzes - doch bis dahin würden unbezweifelt noch viele solcher Tage bereits dem vorausgehen, durch andere Erfolge Minors ausgelöst, dessen war Gracchus sich sicher. Unter den aufmerksamen Augen seines Sohnes kehrte Sciurus zurück, reichte Gracchus das Präsent an, welcher es an Minor weiter gab. In einen dunklen, blaufarbenen, samtigen Stoff war die tabula latruncularia eingeschlagen, das Spielbrett selbst aus Kirschholz gefertigt, welches in dunkles Ebenholz war eingefasst, die einzelnen Felder ebenso mit kostbaren Ebenholzintarsien begrenzt. Die latrones, aus Glas gefertigt in grünfarbenem und gelblichem Schimmer, fanden ihren Platz in einem kirschhölzernen Kästchen, dessen einzelne Fächer mit dem gleichen Stoff waren ausgekleidet. Kaum war dies ein geeignetes Spielzeug für ein Kind, doch zweifelsohne ein geeignetes Spielzeug für einen patrizischen Spross.

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  • Selbstredend war dem Knaben das Spiel der Straßenräuber durchaus bekannt, erfreute es sich doch in allen Schichten, selbst jener der Sklaven, größter Popularität! Dennoch entzog es sich seiner Kenntnis, dass ein Interesse dafür bereits dem edlen Blut in seinen Adern innewohnte, ebenso auch die Regularien jenes Spieles.


    Aus diesem Grunde enthielt er sich vorerst auch eines Kommentares, sondern blickte erwartungsvoll auf den Sklaven Sciurius, der nun mit einem samtenen Paket in Händen zurückkehrte und es seinem Vater reichte, welcher es wiederum ihm überreichte. Vorsichtig begann Manius Minor, den Stoff zu entfalten, sodass er den Inhalt, ein Kästchen, sowie das preziöse Spielbrett, entdeckte. Seiner Intuition folgend behandelte er beides mit höchster Attention und öffnete das Kleinod, um darin die gläsernen Figuren zu erspähen. Eine davon entnahm er und hielt sie ins Licht. Das Sonnenlicht aus den hochgelegenen Fenstern des Triclinium brachte das grüne Figürlein zum Leuchten, sodass der junge Flavius es gebannt betrachtete.
    "Das ist...schön!"
    Abrubt beendete er die Inspektion seines Präsentes und ließ den gläsernen Latro in die Kiste zurückfallen und blickte seinen Vater an.
    "Danke, Papa!"

  • Der Glanz in den Augen seines Sohnes leuchtete noch einmal auf, als jener das Spiel inspizierte, über das Spielbrett strich, die gläsernen Spielsteine begutachtete, sodann jedoch erlosch er schlagartig. Artig bedankte Minor sich, doch Gracchus hatte dabei das Gefühl, der Junge tue dies nur ob seiner guten Erziehung wegen. Es war geschehen, was er bezüglich des Präsentes am meisten hatte gefürchtet - Minor fand keinen Gefallen daran, was Gracchus erneut sein Versäumnis allzu deutlich hielt vor Augen, da er nicht die geringste Ahnung hatte, woran schlussendlich sein Sohn Gefallen fand, was jener mochte oder nicht mochte, mit was er gerne sich beschäftigte und mit was nicht. Gracchus tat, was er stets tat - er trat die Flucht an, schenkte Minor nurmehr ein schmales Lächeln, nahm sodann das kleine hölzerne Schmuckkästchen, welches Sciurus fortwährend bereit hielt, wandte seine Aufmerksamkeit von seinem Sohne ab, seiner Gemahlin zu, und öffnete die Schatulle, das funkelnde Kleinod darin ihr zu präsentieren - ein Geschmeide aus güldenen Kettengliedern, ziselierten Goldplättchen und einem zentralen, filigran gearbeiteten Anhänger, welcher um einen oval geschliffenen, weinrotfarbenen Karneol herum sich schmiegte.
    "Nichts exis..tiert auf dieser Welt, was dazu könnte gerei'hen, dich schöner no'h erscheinen zu lassen, ... und doch muss ab und an einigen Schmuckstü..cken es zugestanden werden, si'h um den Hals der schönsten aller Frauen ranken zu dürfen, ... auf dass in ihrem Glanze sie er..strahlen."
    Träge flossen seine Worte, die so schnell gefasst und doch so mühsam artikuliert waren, doch jedes einzelne musste er in die Welt hinaus entlassen, im Ansinnen nicht auch noch seine Gemahlin zu enttäuschen. Gerade an diesem Tage fühlte er sich selbst kaum mehr als ein Kleinod, welchem es war vergönnt, als zierendes Beiwerk um seine Gemahlin sich zu ranken.

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  • Mit großer Neugier hatte Antonia auf die Enthüllung der Präsente gewartet, war ihr Gatte doch, in ihren Augen, mit einem geradezu übernatürlichen Talent gesegnet, wenn es um das Beschenken ging. So lächelte sie leise, als Minor sein Geschenk entgegen nahm und inspizierte. Vermutlich wäre ihm ein Holzschwert oder eine kleine Rüstung lieber gewesen, für die besorgte Mutter jedoch hätte Gracchus gar kein besseres Geschenk auswählen können.
    Nun jedoch sollte auch sie selbst an die Reihe kommen. Erwartungsfroh verfolgte sie die Wanderung des Kästchens und hielt den Atem an, als sein Inhalt zum Vorschein kam. Leuchtend fing sich das Licht im kostbaren Metall, brachte den Anhänger und Antonias Augen gleichermaßen zum Leuchten. Erwartungsgemäß hatte ihr Gemahl das wohl vollkommenste Kleinod Achaias mit nach Hause gebracht. Zugleich tanzten seine Worte mit einem Mal vertraut wohlklingend in ihre Ohren, was jedoch vermutlich ihrer blühenden Phantasie zuzuschreiben war.
    "Ach Manius.", hauchte sie und traute sich kaum die Hände auszustrecken, um das Schmuckkästchen entgegen zu nehmen. Sie tat es dennoch, zog das Präsent an sich und studierte die filigrane Arbeit. Sacht, mit Zeige- und Mittelfinger, fuhr sie über den dunkelroten Schmuckstein, ehe sie endlich den Blick losriss und Gracchus ansah. Antonia war wohl die Besitzerin einer der größten Schmucksammlungen Roms und dennoch konnte sie sich immer wieder über ein neues Stück freuen. Besonders natürlich, wenn es von jenem Schenker stammte.
    "Sie ist wundervoll. Ich danke dir." Sie lächelte, sie freute sich und dennoch widerstand sie abermals dem Drang, dem Gatten einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Sie fand es ungehörig in Anwesenheit ihres Sohnes dergleichen Intimitäten auszutauschen.

  • Obgleich dies ihm nicht anzusehen war, so freute Gracchus innerlich sich wie ein kleines Kind, dass zumindest Antonia das Präsent zu gefallen wusste, was unbezweifelt dadurch war belegt, dass sein Namen ihr nicht in der Couleur der Härte oder Ablehnung entwich, sondern geradezu sanftmütig - ob allfällig Manius Minor seinen Teil dazu hatte beigetragen, jenem Namen aus ihrem Munde solch eine weiche Klangfarbe zu verschaffen?
    "Es freut mi'h, dass es dir gefällt."
    Er hob seinen Mundwinkel zu einem Lächeln und erneut dauerte ihn bei ihrem Anblick, dass ihm unmöglich war, ihr ein vollkommener Gemahl zu sein, gleichsam fühlte er nun, da die Anspannung ob der ungewissen Begegnung mit seiner Familie von ihm war abgefallen, die Anstrengung der Reise und einen Anflug von Müdigkeit in Leib und Seele auf sich hernieder sinken, und es drängte ihn danach, sich ein wenig auszuruhen, ein Bad zu genießen und gänzlich zuhause anzukommen.
    "Und es freut mich, wieder ... hier, bei eu'h zu sein. Die Reise hat mi'h allerdings ein wenig ermüdet, so dass ich mich nun werde zu..rückziehen."
    Bevor er jedoch den Raum wollte verlassen, sollte erst sein Sohn dies tun, wollte Gracchus doch nicht in die Verlegenheit gelangen, dass Minor seiner Schwäche allzu deutlich wurde angesichtig, was unbezweifelt war der Fall, so er mit Mühe und Sciurus' Hilfe von der Kline sich würde empor stemmen.
    "Du kannst di'h wieder Gaius widmen, Minimus. Wir ... sehen uns später."
    Später, morgen, übermorgen, jeden Tag, schoss es Gracchus durch die Sinne, würde ihm nun doch kein Tag seines Sohnes mehr verlustig gehen.

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  • Voller Präsumption verfolgte Manius Minor, dem sein Präsent wohl weitaus größere Freude zu bereiten vermochte, als seine Eltern annahmen, die Übergabe des Geschmeides an seine Mutter. Selbstredend hatte er sich etwas weitaus faszinierenderes versprochen, doch wurde ihm durch die kleine Enttäuschung wieder aufs Neue bewusst, welch große Differenz beide Geschlechter trennte, obschon es ihm eines gleichaltrigen Exempels mangelte und er daher lediglich die Unterschiede jener Adulte seines Kosmou zu studieren vermochte.


    Indessen konstituierte er jedoch, dass dieses Präsent seiner Aufmerksamkeit kaum würdig war und wandte sich erneut seinem Spielbrett zu, dessen nahezu glatte Oberfläche er nun mit dem Finger sinnlich zu erfahren versuchte, ehe sein Vater ihn aus jener Tätigkeit aufschreckte und gebot, den Raum zu verlassen.
    "Danke, Papa! Bis später!"
    quittierte er jenen Befehl und löste sich in nahezu kletternder Weise von seiner Kline, wobei er gezwungen war, seinen neuesten Besitz auf derselben zu deponieren, um ihn nach gelungenem Abstieg erneut aufzunehmen und in der dem Kleinkindalter eigenen, noch immer leicht infantilen Weise aus dem Raume zu stapfen, das Säcklein mit den Latrones in der einen, das Spielbrett in der anderen Hand.

  • Ein Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen als Minor aus dem Raume hinaus lief, ganz ohne Widerspruch, gegenteilig beinah ein wenig erlöst ob der für ihn sicherlich ebenso merkwürdigen, wenn nicht gar weit merkwürdigeren Situation der Wiederbegegnung. Langsam schob hernach auch er seine Füße über den Rand der Kline hinweg, und ein Blick zu seinem Sklaven hin ließ diesen heran treten und sich vor die Liege hocken, dass Gracchus seine Hand auf dessen Schulter konnte legen, und sich mit Sciurus' Hilfe empor stemmen. Einen Herzschlag lang dauerte er, nicht auch gewartet zu haben, bis seine Gemahlin den Raum hatte verlassen, doch letztlich würde vor ihr er ohnehin kaum etwas verbergen können.
    "Bis zur Abend..stunde, schönste aller … Schönen"
    , verabschiedete er kurzzeitig sich auch von seiner Gemahlin, würde er doch trotz aller Widrigkeiten nicht sich nehmen lassen, die Cena gemeinsam mit ihr und seinem Sohn einzunehmen.

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  • Mit gutmütigem Lächeln verfolgte Antonia, wie ihr Sohn den Raum verließ, um sich hernach dem Gatten zuzuwenden, der soeben im Begriff war, sich zu erheben. Sie wusste, es wäre besser gewesen den Blick zu senken, die Wandmalereien oder Fliesen zu betrachten oder gar schnell vorab den Raum zu verlassen, doch so gefesselt, so schockiert war sie von jenem Anblick, der sich ihr nun bot, dass sie, unfähig auch nur zu blinzeln, an Ort und Stelle verharrte.
    Langsam, wie ein lahmer Greis, schoben sich Gracchus' Füße auf den Boden, musste sich der Nachkomme von Kaisern von einem Sklaven in die Höhe ziehen lassen. Sie biss sich auf die Lippe. Eine Idee zu langsam glättete sich ihr Gesichtsausdruck, als der Gemahl sich noch einmal an sie wandte, ob Gracchus ihre Schockierung bemerkt hatte? Ob das maskenhafte Lächeln schnell genug ihr ungläubiges, verzweifelt-hoffnungsloses Starren abgelöst hatte. Sie konnte es nur hoffen, denn nichts wollte sie weniger, als in ihrem Gatten ein Gefühl der Scham hervorzurufen.
    "Ja." , krächzte sie, deren Stimme dem Gesicht nicht in gleicher Schnelle hatte folgen können, "Bis heute Abend."
    Sprachs und wollte sich ebenfalls erheben, den Raum verlassen, allein um nicht gezwungen zu sein, dem Flavius hinterher zu sehen, der auf so quälende Art davonschritt. Doch sie blieb, vermochte weder den Blick abzuwenden, noch sich zu erheben. Erst geraume Zeit nachdem seine Schritte bereits verhallt waren in den unendlichen Gängen der Villa, wagte auch Antonia endlich sich zu erheben und sich zu ihrem Cubiculum zu begeben.

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