Ravenna | Domus des Aelius Calvaster

  • Calvaster warf einen kurzen Seitenblick zu Axilla. Seine Augen umrahmten viele kleine Lächfältchen, als er grinste, und Axilla erkannte darin bestimmt Caius' Grinsen wieder, das hatte er nämlich von seinem Vater geerbt. Bis auf die vielen Fältchen bisher zumindest.
    »Wenn dir das gefällt«, sagte Calvaster sehr freundlich und ohne eine Wertung abzugeben. Seiner Meinung nach blieb eben etwas Farbe nicht aus, wenn man im Süden lebte oder auf dem Land wie sie hier. Caenis war da allerdings auch recht eigen, und Calvaster machte sich immer über die komischen Sonnenschirmchen lustig, die seine Frau manchmal für sich herumtragen ließ, wenn sie spazieren gingen. Für sein Alter jedenfalls war Calvaster noch recht gut auf Zack.
    »Dann hast du Caius bestimmt in Alexandrien kennengelernt, was?« fragte er beiläufig.
    »Ist eine schöne Stadt, nur etwas zu warm für meinen Geschmack. Ich hatte damals das Gefühl, dass die Luft getanden hat um die Mittagszeit. Hier geht immerhin ein laues Lüftchen.« Calvaster lächelte vor sich hin und bog dann mit Axilla vom Weg ab. An einem üppigen Rhododendron vorbei ging es auf das Plätschern zu, das sich nach wenigen Schritten als kleiner Wandbrunnen entpuppte, gesäumt von einem breiten Sitzrand und gefüllt mit klarem, kühlen Wasser. Kleine, (zum Teil fehlende) Mosaiksteinchen in vielen Blautönen schmückten den Brunnen. Calvaster seufzte zufrieden.


    Auf den Iunier ging er gar nicht weiter ein, Axilla kannte ihn ja nicht, also machte es keinen Sinn, da weiter nachzuhaken. Außerdem war man wohl eh nicht mehr befreundet nach einem halben Leben ohne Kontakt. Da änderten sich viele Menschen.
    »Ja, das ist es. Du hättest den Stall früher sehen sollen, die Kinder waren abends kaum da raus zu bekommen. Standen ein paar hübsche Pferde drin.« Calvaster ließ Axilla los und setzte sich auf den Brunnenrand und besah sich sein Land.
    »Rom wäre mir zu stickig und zu eng. Ich bin froh, dass ich Caenis dazu bewegen konnte, hierher zu ziehen. Die Stadt ist nichts für mich«, gab er preis und sah Axilla großväterlich an.
    »Wie ist das mit dir, hat dir Alexandrien gefallen?«

  • Wenn es ihr gefiel, heller zu sein? Ihr war es im Grunde ganz egal, sie hatte nichts gegen die Sonne. Aber sie wollte einen guten Eindruck machen. Zumindest einen besseren als jetzt, auch wenn der vermutlich noch schlechter gewesen wäre, wenn sie das grüne Kleid angezogen hätte, dessen Ausschnitt vorne bis zum Brustansatz ging und den Großteil des Rückens auch frei ließ. Im Grunde wurde das nur von den Spangen auf den Schultern gehalten. Vermutlich hätte Archias Mutter einen Herzanfall bekommen, wenn sie es gesehen hätte.
    Sie schlenderten an einem riesigen Busch mit blassrosa Blüten vorbei auf das Plätschern zu, das sich alsbald als Wandbrunnen entpuppte. “Ja, genau, in Alexandria. Ich war dort die zweite Woche, und es war Sommer und entsetzlich heiß. Da bin ich in den Cursus Publicus gegangen, um ein bisschen Schatten zu finden, und hab Caius beim Essen überrascht. Das ist jetzt 2 Jahre her.“ Axilla lächelte kurz ganz leicht bei der Erinnerung. Später waren sie noch in diese Ägyptische Gaststätte gegangen zusammen mit Germanica Aelia und Duccia Venusia, auch wenn die beiden Frauen wenig gesprächig gewesen waren. Damals war alles noch viel leichter.


    Calvaster setzte sich auf den Brunnenrand, Axilla blieb noch einen Moment stehen und sah auch über das Land. Ja, es war wirklich schön hier. Und sehr viel freier als in Rom. Sie konnte ihn verstehen, warum er das hier gegen die Stadt getauscht hatte. Ihr Blick folgte in Richtung Stall, wo nun ihre Tiere gerade untergebracht wurden. Ihr Lächeln, das sie noch gut geschauspielert hatte bis eben, bekam ganz kurz einen traurigen Zug, ehe die Maske wieder saß. Sie setzte sich ebenfalls auf den Rand und planschte etwas gedankenverloren in dem Becken mit einer Hand.
    “Also, ich fand Alexandria sehr schön. Dort war alles so bunt und groß und aufregend. Und ich kannte eigentlich alle wichtigen Personen der Stadt, sie waren oft Gast zuhause. Und ich konnte so viel tun... Urgulania hatte immer Angst, dass mir etwas passiert, bis ich ihr versprochen habe, immer einen Sklaven mitzunehmen...“ Ihr Blick wanderte in weiter Ferne, und kurz wurden ihre Augen glänzend, als sie an ihre Cousine und an Leander dachte. Sie hatte beide so sehr geliebt. Und beide waren sie jetzt tot. Und sie hatte nichts dagegen tun können. Aber sie ließ die Gedanken daran nicht zu, nicht jetzt. Also holte sie einmal Luft und richtete sich auf, sah sich etwas näher um. Irgendwas musste es ja geben, was sie aufgreifen konnte. “Die Blumen sind auch sehr schön“, war das erstbeste, was ihr einfiel. Auch wenn ihr ein vernünftiger Baum immernoch lieber war als jeder Blumenbusch der Welt.

  • Dass die zwei sich schon zwei Jahre lang kannten, wunderte Calvaster zwar etwas (ausgedrückt durch hochgezogene Augenbrauen), aber er sagte dazu nichts. Sein aelischer Geist kombinierte aber geschickt, dass Caius Seiana da schon gekannt hatte. Er schmunzelte.
    »Beim Essen, na das sieht ihm ähnlich!« sagte Calvaster grinsend und schüttelte den Kopf. Dann betrachtete er Axilla. Die Sonne schimmerte auf ihrem frisch gewaschenen Haar und spiegelte sich in den kleinen Wellen des Brunnens. Sicherlich gab es hübschere Frauen, es gab aber auch hässlichere. Axilla war anders als Seiana, sie hatte auch nicht diesen bestimmten Ausdruck auf den Zügen, aber sie hatte was für sich. Calvaster war doch irgendwie stolz auf seinen Sohn, auch wenn Seiana vielleicht in Caenis' Augen die bessere Wahl gewesen wäre. Den Schatten, der über ihr Gesicht huschte, bemerkte er, konnte sich darauf aber keinen Reim machen und tat deswegen so, als hätte er nichts gesehen.


    »Eine so reizende Dame sollte auf jeden Fall jemanden dabei haben«, erwiderte Calvaster halb im Scherz ermahnend, halb ernst. Diese Urgulania kombinierte er richtig als eine Verwandte zusammen.
    »Stell dir nur vor, was passieren könnte. Caius würde es sich nie verzeihen, wenn dir was passiert.« Ganz zu schweigen davon, dass er sich erpressbar machen würde. Calvaster hatte keine Ahnung, wie nahe er da der Wahrheit gekommen war. Er lächelte, als er das sagte. Irgendwie hatte er Axilla gern.


    »Hmh? Oh, ja... Das ist Caenis' Welt, nicht meine. Ich hab einen anderen Sockenschuss«, lachte er über sich selbst und beugte sich dann verschwörerisch zu Axilla hin.
    »Ich zeig ihn dir, wenn du willst.«

  • Dass Calvaster sich über irgend einen Teil ihrer Worte wunderte, entging Axilla komplett. Sie schaute sowieso die meiste Zeit entweder etwas verträumt ins Wasser oder auf die Pflanzen oder auf die Gebäude, und nur dann und wann zu dem Mann neben ihr. Vor allem, als er dann anfing, dass jemand wie sie jemand dabei haben sollte, weil sonst sonstwas passieren konnte. Axilla hielt eher eisern ihr leichtes Lächeln bei, auch wenn sie wohlweißlich den Kopf abwandte, damit Calvaster nicht ihre Augen sehen konnte. Sie war geübt darin, ihren Schmerz zu verbergen und hinter scheinbar unsinniger Fröhlichkeit zu verstecken, und auch jetzt machte sie sich innerlich hart und schob die Gedanken weit von sich. Sie lächelte einfach schweigend weiter und betrachtete scheinbar fasziniert eine Hummel, die von Blume zu Blume flog.
    “Ich kann auch nicht so viel mit Pflanzen anfangen. Ich hab immer Angst, ich mach sie kaputt“, gestand sie, um nicht allzu lange zu schweigen und um subtil von den unangenehmen Themen abzulenken.
    Dass er aber von einer persönlichen Leidenschaft als Sockenschuss redete, machte Axillas Schmunzeln doch wieder ein stückweit echter, auch wenn sie sich beherrschen musste, nicht zu amüsiert dreinzuschauen. “Gerne. Also, wenn du es mir zeigen magst. Und... ähm... ich weiß ja nicht, wie lange Caius badet....“ Sie wusste jetzt nicht, ob das Absicht war, dass sie allein mit Calvaster war, damit sich sein Vater ein Bild von ihr machen konnte, oder ob Archias nicht doch eigentlich auf sie wartete.

  • »Ach, Blumen sind bei zarten Frauenhänden am besten aufgehoben. Ich glaube nicht, dass du da was kaputt machen würdest. Darf ich?« Meinte der alte Aelius und schnappte sich kurzerhand Axillas Hand, um sie zu betrachten. Nur flüchtig, nicht allzu eingehend. Dann ließ er sie mit einem Lächeln wieder los und nickte bestimmt.
    »Schaut gut aus. Ich denke, du kannst mir helfen. Komm nur!« Calvaster rutschte von dem Brunnen, legte die Arme auf den Rücken und machte sich schlendernder Weise zurück durch den Garten und auf das Haus zu, das er an einer anderen Stelle wieder betreten wollte als sie es verlassen hatten.


    »Jeder Mensch braucht etwas zu tun, das ihn entspannt«, erzählte er Axilla und warf ihr einen bedeutenden Seitenblick zu.
    »Ganz besonders in der Ehe«, bemerkte er mit einem Zwinkern. Es ging vorbei an einem duftenden Jasmin und einigen wilden Kornblumen und betrat vor Axilla das Haus in einen Seitenflügel. Von hier aus ging es bis zum Ende des Flures und dann standen sie vor einer normalen Holztür. Calvaster nahm ein Band von seinem Hals, präsentierte Axilla grinsend den kleinen Schlüssel daran und schloss die Tür dann auf.
    »Willkommen in meinem kleinen Reich«, sagte er und stieß die Tür vor Axilla auf, die kurz darauf sehen konnte, was Calvaster in seiner Freizeit so anstellte.


    Da gab es allerlei aus Holz. Kleine Elefanten, Giraffen, Pferde, Bäume, Menschen, eine angefangene und halb bemalte Legion, Gebäude und was man sich sonst noch alles erdenken konnte. Hier und dort waren Dinge direkt auf den Boden gemalt, ein Fluss beispielsweise, und Straßen. An der Längsseite stand ein einfacher, hochlehniger Sessel und jede Menge Holz in Scheiten, Ästen und Spänen. Calvaster grinste Axilla mit unverhohlenem Stolz an.
    »Na?«

  • Axilla hatte vieles, aber keine zarten Frauenhände. Und als Calvaster danach griff, zuckte sie im ersten Moment auch erschreckt zurück. Allerdings hielt er sie den kurzen Moment fest, und danach ließ es Axilla unsicher über sich ergehen, dass er ihre Finger so genau unter die Lupe nahm. Nach der langen Zeit, die sie keine Arbeit mehr hatte, konnten keine Tintenflecken mehr vom Schreiben an den Fingern sein, dennoch schaute sie instinktiv darauf, ob da nicht doch ein Fleck wäre. Aber da war nichts, so sehr Calvaster auch zu suchen schien, bis er schließlich zufrieden schien und sie mitnahm.
    Als Axilla ihre Hand wieder hatte, barg sie sie erst einmal instinktiv schützend an ihrer Brust. Das ganze kam ihr reichlich seltsam vor. Und als Calvaster sie dann noch an einen abgelegenen Raum führte und davon zu reden anfing, dass man sich besonders während einer Ehe 'entspannen' müsse, dachte Axilla an etwas völlig anderes. Sie blieb einen Schritt zurück und sah Archias Vater erschreckt an. Der meinte doch jetzt nicht etwa, dass er seine neue Schwiegertochter in jeder Beziehung auf Tauglichkeit als Ehefrau prüfen könnte? Hatte er deshalb vorhin ihre Hand so angesehen, um zu begutachten, ob sie seinem Gemächt auch schmeicheln würde und nicht zu rauh wäre? Axilla machte einen Schritt von der Tür weg und den Mund auf, aber ihr wollte keine Ausrede einfallen. Was sollte sie sagen? Konnte sie sich überhaupt weigern? Würde Archias ihr glauben, wenn sie ihm das erzählte? Sein Vater schien doch so nett zu sein! Und offenbar war der Raum auch abschließbar, denn er zog irgendwoher einen Schlüssel hervor und entriegelte damit das Schloss. Die Muskeln in Axillas Oberschenkeln zuckten schon, als sie mit aller macht den Fluchtreflex unterdrückte.
    Aber dann öffnete er schon die Tür, und anstatt einer Lasterhöhle oder auch einem Bett oder nur einem Ballen Stroh kam etwas anderes zum Vorschein. Spielzeug. Jede Menge Holzspielzeug. Soviel, wie Axilla noch nie gesehen, geschweige denn besessen hätte. Der Fluchtreflex verschwand und machte unsicherer Neugier platz, als Axilla den Raum betrat und sich umsah. Ihre Hände streiften über die Tiere und Soldaten, die alle in mühevoller Kleinarbeit gefertigt worden waren. “Du hast die alle gemacht?“ fragte Axilla noch einmal nach und nahm dann ein geschnitztes Pferd einmal in die Hand, drehte es ein wenig, ehe sie es wieder hinstellte. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, wie immer, wenn sie nicht so recht wusste, was sie sagen sollte. “Das ist viel Spielzeug...“

  • Hui ui, gut dass Calvaster keine Gedanken lesen konnte! Er interpretierte Axillas zögerliches Auftreten als vornehme Zurückhaltung. Immerhin kannte sie ihn ja auch gar nicht, bis auf ein paar wenige Sätze, da war das schon verständlich! Und sie taute ja auch gleich auf, als sie die vielen Holztiere auf dem Boden sah. Mit einem kindlichen Anflug von Stolz nickte er, als sie fragte, ob das alles selbstgemacht war. Er war ja auch schon eine halbe Ewigkeit mit Caenis verheiratet, da kam eben viel zusammen.


    »Genau genommen gar keins«, erwiderte Calvaster auf Axillas Worte und nach einem kurzen Lachen. Er schloss die Tür hinter ihnen und ging dann auf seinen Sessel zu. Er ließ sich ächzend fallen und seufzte dann erleichtert (die Knochen machten eben in einem gewissen Alter nicht mehr so mit).
    »Gefallen sie dir?« fragte er lächelnd. Er hatte sich damit eine kleine, aber feine Welt aufgebaut. Seine Rückzugsmöglichkeit.
    »So sehr ich deine Schwiegermutter liebe, so sehr geht sie mir manchmal auf den Senkel«, sagte Calvaster eben gut gelaunt.
    »Da braucht man Ablenkung, und die habe ich hier.« Calvaster betrachtete Axilla eine Weile wohlwollend und deutete dann auf einen Holzscheit ihm gegenüber. Halbfertige und fertige, aber unbemalte Objekte und Tiere lagen und standen hier herum.
    »Wo du schon da bist, könntest du mir eigentlich helfen«, bemerkte er. Irgendwoher hatte er plötzlich ein Messer in der einen und ein Holzstück in der anderen Hand. Damit deutete er erst auf den Holzscheit und dann auf kleine verkorkte Tonbehälter, die unterschiedliche Farben enthielten.

  • Gar keins? Axilla verstand nicht, was er meinte. Er hatte keins gemacht? Aber er hatte doch genickt? Das war verwirrend. Und die geschlossene Tür war beunruhigend. Und überhaupt kam Axilla sich gerade vor wie ein Eindringling. Ein wenig verlegen kratzte sie sich am Arm und nickte, als er fragte, ob sie ihr gefielen. “Ja, die sind sehr hübsch. Und was machst du mit all den Sachen?“ Axilla hatte hier keine kleinen Kinder gesehen, aber sie war ja auch noch nicht lange hier. Vielleicht hatte Archias ja irgendwelche Nichten und Neffen, von denen sie nichts wusste. Wobei sie meinte, er wäre Einzelkind....? Egal, es war ja nicht so wichtig, und Calvaster würde sie sicher aufklären.
    Zu der Sache mit Caenis hielt sie wohlweißlich den Mund. Schwiegermutter... das Wort klang seltsam. War Caenis das jetzt für sie, eine Schwiegermutter? Axilla hatte ja schon Probleme, damit klarzukommen, was mit ihrer eigenen Mutter gewesen war. Wie diese gewesen war. Sie wusste nicht, ob sie schon reif für eine Schwiegermutter war.
    “Helfen?“ Axilla wurde etwas aus ihren Gedanken gerissen und sah nur verwirrt zu Calvaster, der mittlerweile in seinem Sessel saß. Was sollte sie ihm helfen? Sie hatte noch nie geschnitzt, zumindest nicht sowas. Wozu auch? Oder meinte er etwas anderes? Die Angst von vorhin kam wieder, auch wenn Axilla sich einredete, dass das Unsinn sei, dennoch sah sie ein wenig ängstlich zu dem älteren Mann herüber und spielte die Unwissende.

  • »Nichts«, sagte Calvaster und ließ sein Schnitzhandwerk sinken.
    »Ich schnitze sie und male sie an, und dann stehen sie hier und erfreuen mich«, erklärte er Axilla geduldig und lächelte.
    »Es muss ja nicht immer einen Sinn hinter dem geben, was Spaß macht. Und ich schnitze gern.«


    Axilla erschien ihm jetzt deutich verwirrt. Calvaster sah sie prüfend an, wandte sich dann aber wieder seinem Messer und dem halbfertigen Holztier zu.
    »Sicher. Setz dich nur, du könntest die Affen dort bemalen. Oder den Feldherren dort.« Calvaster deutete auf eine kleine Gruppe von drei Affen, von denen einer nichts sah, der andere nichts hörte und der dritte nichts sagte. Und danach auf den Feldherren mit ausgestreckt von sich weisendem Arm, der gerade Befehle erteilte. Seine Legion stand schon auf dem Terrain, umfasste aber nur zwanzig Mann. Genug für diesen Raum, fand Calvaster allerdings.


    »Was tust du denn in deiner Freizeit, Axilla?« erkundigte sich Calvaster und sah dabei nur kurz von seiner Arbeit auf.


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    Im atrium tauchte derweil Caius auf, der sich geschniegelt und gestriegelt gleich viel besser fühlte. Er suchte Axilla, fand aber nur seine Mutter, die mit einer Sklavin vor einemBlumentopf stand und irgendwelche Dinge besprach. Er hielt sich gar nicht lange hier auf, sondern marschierte gleich weiter (und den Blick seiner Mutter ignorierte er einfach). Caius graste das tablinum ab, das Esszimmer, den Säulengang und den Garten. Nichts. Vielleicht war Axilla ja schon in ihrem Zimmer? Caius bekam ein ungutes Gefühl. Aber sie war weder im Gäste- noch in seinem Zimmer....und dann fiel es ihm siedend heiß ein. Sie war ja mit Calvaster unterwegs gewesen... Caius beschleunigte seine Schritte und machte sich auf den Weg, um Axilla vor Calvasters kleiner Freizeitbeschäftigung zu retten.

  • Einfach nur schnitzen und anmalen? Einfach so? Axilla sah sich die Ausbeute der Jahre an, die hier im Raum verteilt stand und fragte sich einen Moment, ob das sowas wie eine Flucht nach innen wohl war. Und sie kam auch sehr rasch zu der Entscheidung, dass sie sowas nicht könnte, einfach dasitzen und ein Stück Holz bearbeiten, auch noch über Jahre hinweg immer und immer wieder, weil ihr etwas nicht passte. So schüchtern und still und leise sie auch war, wenn sie dachte, dass sie Schuld an etwas trug, so wenig konnte sie ertragen, wenn sie keine Schuld an etwas hatte. Sich so zurückzuziehen und sowas zu machen, das würde bei ihr nie funktionieren.
    Und dann fing Calvaster an, sie solle Figuren anmalen. Axilla besah sich die Äffchen und den Feldherrn, rührte sie aber nicht an. Sie sollte jetzt anfangen, und sie anmalen? Und das einzige gute Kleid, das sie mit hatte, mit Farbe bekleckern, so dass seine Frau später nur noch viel wütender auf sie war? “Ich halte das nicht für so eine gute Idee. Ich meine, das sind doch deine Figuren, da solltest auch du sie anmalen...“ Es war eine Ausrede, aber Axilla fiel kein anderer Weg ein, höflich abzulehnen. Sie konnte hier jetzt nicht anfangen, mit Farbe rumzupanschen. Außerdem war ihr künstlerisches Talent bestenfalls mittelmäßig.
    Und dann kam auch schon die frage, was sie in ihrer Freizeit machte. Ähm... nichts?“ Das war es ja, Axilla langweilte sich, weil es zuviel Zeit gab, in der sie ncihts zu tun hatte. “Ich kümmer mich um meine Betriebe oder geh zum Markt oder les etwas...“ Axilla zuckte die Schultern. Was sollte sie denn groß tun? Figuren schnitzen? Das war nichts für sie.

  • Calvaster sah wieder auf und schwieg einen Augenblick. Offenbar wollte die junge Dame nicht malen, und Calvaster vermutete, dass sie fürchtete, sich zu vermalen. Auf die Idee mit dem bekleckerten Kleid kam er gar nicht erst. Jedenfalls machte er kurz ein trauriges Gesicht und legte Schnitzwerkzeug und Holz dann beiseite. Sonst kommentierte er das nicht weiter.


    »Nichts?« fragte Calvaster überrascht nach.
    »Langweilst du dich da nicht?« Sogar Caenis langweilte sich manchmal, wenn im Garten alles erledigt, das Haus saisonal dekoriert worden war und sie genügend Kaffeekränzchen mit ihren Freundinnen abgehalten hatte, aber eben erst dann. Und nicht vorher, denn da hatte sie ja was zu tun. Und Axilla hatte ja dann nicht mal sowas? Es wäre ihm ziemlich ungehobelt vorgekommen, sie zu fragen, ob sie denn keine Freunde hatte in Rom. Also fragte er stattdessen was anderes.
    »Was hast du denn in Alexandrien dann so angestellt?«


    Axilla befand sich gerade mitten in der potentiellen Antwort, als die Tür aufging und Calvasters Kopf regelrecht herumflog.
    »Vorsicht!! Die..« Caius stoppte die Tür gerade noch rechtzeitig und sah erschrocken auf eine hölzerne Pferdeherde runter. Calvaster ließ sich entkräftet auf den Sessel zurücksinken, von dem er alarmiert aufgesprungen war.
    »...Pferde...« murmelte er matt.
    »Sohn, du bescherst mir irgendwann noch mal einen Herzkasper.«
    »'tschuldigung, Paps. Oh, Mann, ist ja richtig viel geworden«, bemerkte Caius anerkennend. Nach einem kurzen Bick über die Miniaturwelt blieb er an Axilla hängen und lächelte sie ein wenig zaghaft an.
    »Hat er dich als Geisel genommen?« fragte er in einem milden Scherz und lehnte sich dann in den Türrahmen.
    »Ich würde dir gern meine Sabinerin klauen«, sagte Caius und sah danach zu seinem Vater. Der stand auf und machte eine untermalende Geste mit der Hand.
    »Nur zu. Du kannst ihr noch den Rest zeigen, wir waren bisher erst im Garten und hier«, erwiderte Calvaster, und Caius sah Axilla kurz grinsend und bedauernd an.
    »Du Ärmste«, bemerkte er. Irgendwie fühlte sich das alles ein bisschen falsch an, wie ei Theaterstück. Aber Caius gab sich wirklich Mühe.

  • Ob sie sich langweilte war wohl eine Fangfrage. Axilla konnte doch jetzt wohl nicht mit 'Ja, und wie!' antworten? Was würde dann Archias Vater von ihr denken? Axilla wusste, eine römische Matrone hatte zu ertragen, und zwar alles. Es war egal, ob ihr langweilig war, einer Matrone hatte nicht langweilig zu sein. Dann sollte sie weben und sticken und all das machen, was Axilla absolut gar nicht konnte. Und wofür auch keinerlei Notwendigkeit bestand, es zu können. Und sie kannte Calvaster gerade vielleicht eine halbe Stunde, und egal wie locker er zu sein schien oder wie freundlich er war: Sie kannte ihn erst eine halbe Stunde. Da würde sie mit ihm sicher nicht darüber reden, wie es ihr ging. Das tat sie noch nichtmal mit Menschen, die sie schon mehrere Monate kannte.
    So suchte sie also nach einer Erklärung, was sie dann machte und holte etwas hilflos Luft, als zum Glück die nächste Frage kam. Alexandria. Das war einfach, da konnte sie erzählen, ohne sich etwas dabei zu denken. “Oh, in Alexandria steht mein Farbmischer, da hab ich dann oft vorbeigeschaut. Oder auf dem Xenai Agorai ein wenig gebummelt. Und ich hatte ja auch viel Arbeit, ich war ja Scriba des Gymnasiarchos und späteren Epistates. Und weil Urgulania ja auch Exegete war, hatten wir auch immer wieder besuch im Haus, mit dem ich mich dann unterhalten habe. Oder Freunde. Und wenn es wirklcih gar ncihts zu tun gab, bin ich in die Bibliothek und hab ein wenig gestöbert. Oder raus vor die Stadt zum Lacus Maetoris, ein wenig die Schiffe beoba...“
    Die Tür ging auf und Calvaster schrie gerade noch rechtzeitig, bevor seine fein geschnitzte Pferdeherde hätte dran glauben müssen. Axilla brach ab – vor allem, weil sie ihren Satz vergessen hatte – und schaute zu Archias, der im Türrahmen lehnte und seltsam locker wirkte. Er scherzte auch ganz leicht und wollte sie entführen. Axilla war sich etwas unsicher, ob er das so meinte, oder ob er es um den Schein vor seinen Eltern zu wahren spielte.
    “Geisel würde ich nicht sagen. Eher Komplizin“, versuchte sich Axilla auch an einem Scherz. Sie lächelte auch, aber es war nicht ihr echtes Lächeln und auch der Tonfall klang zwar fröhlich, traf es aber nicht ganz. Bestimmt genug, um Calvaster zu täuschen, aber bei Archias war sie sich nicht sicher.
    Als er sie dann auch noch scherzhaft bedauerte, mühte sich Axilla mehr mit dem Lächeln, dass sie Calvaster schenkte. “Achwas, es war doch sehr schön und sehr lehrreich. Wir hatten viel Spaß.“ Eine Lüge, denn nach wie vor war sie sich nicht ganz sicher, ob Calvaster sie wirklich nur hergebracht hatte, um ihr das Spielzeug zu zeigen. Aber die klang nun wirklich echt.
    Trotzdem ging Axilla gleich auf Archias zu, um aus dem Raum hinauszugehen. Wenn er ihr das Haus noch zeigen wollte, konnte er das machen. Vielleicht musste sie sich dann nicht mehr so viel verstellen wie im Moment.

  • Calvaster grinste nur und scheuchte die Caius und Axilla mit einer wedelnden Geste aus dem raum.
    »Na dann raus mit euch, zack zack«, forderte er sie gut gelaunt auf.
    »Und macht bitte die Tür zu, ja?«
    »Alles klar, Paps. Viel Spaß noch...« Calvaster saß schon wieder und winkte nur ab, als Caius Axilla ganz schmetterlingszart die Hand auf den Rücken legte und sie raus führte. Er machte die Tür hinter ihnen beiden zu und sah Axilla dann an. Das war der erste Moment, dass sie hier im Haus quasi alleine waren, und Caius hatte wirklich Schiss, dass sie sich überhaupt gar nicht wohl fühlte und einfach nur wieder weg wollte. Er sah sie zerknirscht an.
    »Ähm. Tut mir leid«, begann er verlegen und bekam gleich einen Hauch Rot über den Ohren. Wie ein ertappter Schuljunge kratzte er sich kurz am Hinterkopf.
    »Also...ich denk, er mag dich. Normalerweise zeigt er das nicht gleich jedem«, fuhr Caius leise fort und nickte zu der Tür hin, vor der sie noch standen. Das fiel ihm dann auch gleich auf. War also vielleicht nicht der beste Ort, um sich zu unterhalten.
    »Hm...möchtest du den Rest denn sehen? Wir müssen nicht...ich mein, ich kann dir auch einfach nur mein Zimmer zeigen erstmal.« Caius kam sich vor, als hätte man ihn gefesselt, geknebelt, ihm die Augen verbunden und dann morgens vor den Senat geschoben, wo er eine Rede halten sollte: Er hatte keine Ahnung. Er war nervös. Er war unsicher. Und er sah Axilla ein bisschen hilflos an.

  • Dass Archias sie wieder führte, obwohl Axilla das eignetlich nicht sehr gern hatte, machte ihr dieses eine Mal gar nichts aus. Sie war froh, aus dem Raum flüchten zu können, auch wenn der an und für sich nicht sehr schrecklich war. Aber Axilla wurde einfach den Gedanken nicht los, den sie beim Eintreten gehabt hatte, ganz gleich, wie nett Calvaster auch gewesen war, und so atmete sie einem unbemerkt tief durch, als sie wieder hinaus in die Nachmittagssonne trat.
    Kaum waren sie draußen, hielten sie aber schon wieder an, und Archias wirkte mit einem Mal wieder wie ausgewechselt. Er war zaghaft und schüchtern, er kratzte sich verlegen und weckte in Axilla das Bedürfnis, dasselbe zu tun. Allerdings nicht am Kopf, sondern am Unterarm. Wer 20 Haarnadeln irgendwo in der Frisur täglich mit sich rumschleppte, der gewöhnte sich bald ab, sich am Kopf zu kratzen.
    “Nein, war schon in Ordnung. Dein Vater war sehr nett. Wir haben uns nur ein wenig unterhalten.“ Kurz sah Axilla unsicher auf, als sie ihre letzten Worte so formulierte, als wolle sie von Archias eine Bestätigung für ihren Schrecken erhalten.


    Die ganze Situation war merkwürdig und angespannt. Wollte sie sein Zimmer sehen? Wollte sie etwas anderes sehen? Am liebsten wollte sich Axilla verkriechen und nicht über solche Fragen nachdenken. Sie sah an ihm leicht vorbei und über den Hof. Was könnten sie denn anschauen? “Ich weiß nicht. Wenn du es mir zeigen magst, können wir auch mit deinem Zimmer anfangen. Oder zu zeigst mir... das Zimmer, in dem ich dann schlafen werde, damit ich es nachher finde.“ Sie stockte kurz, weil sie daran denken musste, wie Archias Mutter betont hatte, dass es Seianas Zimmer war.
    “Und Levi wäscht sich gerade?“ setzte sie dann noch als Frage hinterher. Immerhin hatte sie vorhin darum gebeten, wenngleich nur bei der Sklavin im Balneum, dass auch die Sklaven sich säubern konnten.

  • Sie sprach mit ihm und ignorierte ihn nicht. Sogar ganze Sätze. Irgendwie war er gleich erleichtert, absolut. So sehr, dass er um ein Haar geseufzt hätte. Aber er sah Axilla nur an und lächelte ein wenig.
    »Immerhin hat er dich gerettet«, erwiderte Caius und spielte damit auf seine Mutter an, deren Verhalten unter aller Kanone gewesen war.
    »Auch wenn du dafür seine Holzsammlung bewundern musstest.« Er hob eine Schulter und ließ sie wieder fallen.
    »Ich hoffe, er hat zwischendurch auch mal Luft geholt. Wenn er erstmal anfängt...« Caius machte eine entsprechende Grimasse, die verdeutlichen sollte, dass es dann so schnell nicht mehr zu Ende ging mit dem gequassel. Da musste man nur das richtige Thema anstoßen und Calvaster war in seinem Element.


    Caius bedachte Axilla nur kurz mit einem ratlosn Blick und deutete dann entschlosen den Flur runter, immerhin standen sie hier in einer Sackgasse.
    »Ich zeig dir mein Zimmer«, kündigte er an. Natürlich wollte er ihr das zeigen, auch wenn das sicher erstmal ein komisches Gefühl sein würde, weil er ja zuletzt mit Seiana da drin gewesen war. Aber Caius hatte sich dazu eh schon was gedacht.
    »Levi? Öh, ich glaub schon. Katander ist dabei, der kennt sich hier aus«, sagte er noch. So genau wusste er das gar nicht, aber die zwei würden sie schon finden, da war er sich sicher. Ob Axilla fragte, weil sie sich mit ihm alleine unwohl fühlte? Besser nicht dran denken. Caius machte einen Schritt und ging damit vor, auch wenn er dann auf Axilla wartete, dass sie fast nebeneinander gingen. Hin und wieder warf er ihr einen Blick zu, wie um sich zu vergewissern, dass sie immer noch da und nicht einfach irgendwie verpufft war.


    »Das war echt daneben, vorhin«, bemerkte er auf dem Weg, als sie um eine Ecke bogen.
    »Dass sie das gesagt hat, mein ich«, spezifizierte er nochmal genauer und blieb dann vor einer Tür stehen, die er dann aufmachte und Axilla vorgehen ließ. Es war alles wie beim letzten Mal. Der kleine Schreibtisch aus Olivenholz mit den Ferkeleien und Kritzeleien darauf, die Spielsachen, ein alter Ball, kleine Soldaten und ein Feldherr mit beweglichen Armen, ein sauber gemachtes Bett und ein großer Kreisel. Jemand hatte frische Blumen hergestellt. Caius machte die Tür zu und blieb da stehen wo er war.
    »Du kannst hier schlafen.« Eine kurze Pause, in der Caius Axilla musterte. Dea Dia, gleich wurde er noch sentimental hier.... Dann...
    »Wenn du magst.«

  • Er hatte sie gerettet? Für Axilla war der Begriff etwas sachlicher, etwas stofflicher. Caenis wäre hoffentlich nicht mit einem Messer auf sie losgegangen, von daher war Rettung vielleicht etwas stark. Allerdings auch nicht völlig daneben. Axilla sagte nichts dazu und zuckte nur etwas indifferent mit den Schultern. Zwar wusste sie noch immer nicht, was sie davon halten sollte, aber Archias war zumindest nicht zusammengezuckt, als sie gemeinte, sie hätten sich nur unterhalten. Hatte ihr ihre Einbildung wohl wirklich nur einen Streich gespielt.


    Archias beschloss, ihr sein Zimmer zu zeigen, und langsam gingen sie nebeneinander her. Er sah immer wieder zu ihr herüber, ob sie auch bei ihm blieb und aufschloss, und Axilla begann, sich deshalb unsicher zu fühlen. Es war fast so, als erwarte er, dass sie weg ging, was den Reflex, weg zu gehen und sich diesem Haus, dieser Umgebung und diesem Druck nicht mehr auszusetzen, immer weiter ansteigen ließ. Aber sie blieb, wollte Archias Mutter keinen Grund geben, anzunehmen, zwischen ihnen beiden wäre nicht alles in Ordnung. Wer wusste schon, was die Sklaven tuscheln würden, wenn sie sich auffällig benahm. Also begnügte sie sich damit, nur immer wieder an ihrem Unterarm zu kratzen, während sie ihm durch die Gänge folgte und versuchte, sich alles einzuprägen.
    “Gut. Er war vorhin wirklich dreckig und ich glaube, er will sich alles, was auch nur an Pferd erinnert, gern abwaschen.“ Gut, die Unterhaltung war nicht die intimste oder originellste, aber immerhin sagte sie etwas. Wenn auch nur mit diesem Anflug von höflichem Lächeln, das von ihrem echten weit entfernt war, aber seine Nervosität ging auf sie über.
    Sie kamen schließlich zu einer Tür, die Archias öffnete und sie hineinließ. Etwas zögerlich betrat Axilla den Raum und sah sich um. Da waren Spielzeuge, wie sie Kinder hatten. Ein wenig verwirrte Axilla das schon, sie hatte nicht erwartet, dass er noch einen Kreisel besaß. Oder einen Ball. Gut, aber sein Vater baute Unmengen an Spielsachen, die keinem Zweck dienten außer dem, gebaut zu werden.
    “Sie hat ja nicht ganz unrecht. Du warst ja mit Seiana verlobt, und sie entstammt einer noblen und edlen Familie.“ Axilla versuchte, sich nichts anmerken zu lassen davon, wie sehr sie das vorhin getroffen hatte.
    Ihr Blick fiel auf den Schreibtisch und auf die vielen, eingeritzten Kritzeleien. So viele Phallen sah man wohl sonst nur beim Priapus-Kult. Ihr Blick blieb auf einer Kritzelei hängen, bei der gerade eine Frau eine andere befriedigte, während sich gleichzeitig ein Mann an ihr zu schaffen machte. Ihr kam wieder der Kuss mit Seiana in den Sinn, den sie ihr im Suff gegeben hatte und nach dem Archias später nochmal gefragt hatte. Ob er das wohl wollte? Fanden Männer das gut? So viel Axilla von ihnen wusste, so wenig wusste sie im Grunde doch wiederum.
    Archias riss sie mit seinem Vorschlag dann völlig aus den Gedanken und etwas ertappt drehte sie sich zu ihm um, sah erst ihn an, dann aufs Bett, dann wieder zu ihm, noch immer mit etwas Schrecken im Gesicht. Sie sollte hier schlafen? “Und wo schläfst dann du?“ fragte sie also noch immer völlig verwirrt einfach blauäugig und nicht verstehend, dass er wohl gemeint hatte, sie solle mit ihm hier schlafen.

  • Axilla wirkte verlegen und verletzlich, und Caius kam nicht darauf, dass er dadran schuld war, weil er sie dauernd anschaute. Jetzt hier im Zimmer war das anders, da warf er ihr keine Seitenblicke mehr zu, sondern sah sie generell an. Draußen war es noch hell, später Nachmittag inzwischen. Die Sonne stand tief, Staub tanzte in der Luft. Es war eigentlich ganz angenehm hier drin. Irgendwelche Blumen (von denen er keine Ahnung hatte, wie sie hießen), dufteten ganz dezent nach Sommer. Caius sah zu dem Regal hin, in dem seine alten Spielsachen lagen. Er war so oft mit Piso hier gewesen. Manchmal hatten sie gar nicht gewusst, was sie spielen sollten, so viel Auswahl war da gewesen. Und jetzt lagen hier nur noch seine Lieblingsspielsachen.


    Axilla relativierte gerade die Worte seiner Mutter, und sie erntete dafür einen missmutigen Blick, der aber nicht ihr galt, sondern eben den Worten, die sie gesagt hatte.
    »Und du nicht?« fragte er eigentlich, ohne eine Antwort haben zu wollen. Caius schüttelte den Kopf und seufzte. Axilla wusste ja, dass ihm das eigentlich egal war, wer woher stammte. Seinen Eltern war das nicht egal, aber die Iunier waren ja nu nicht eben eine unbedeutende Familie. Als sie dann seinen Schreibtisch betrachtete, wurden Caius' Ohren noch röter. Irgendwie war ihm das peinlich, dass sie das sah, aber er sagte nichts. Und sie sah ihn irgendwie entsetzt an, nachdem sie erstmal das Bett in Augenschein genommen hatte.
    »Ich geh in...das andere Zimmer«, sagte er und gab sich Mühe, nicht zu stocken. Das war schon nicht einfach, denn Caius hatte kombiniert, dass Axilla regelrecht Angst hatte, mit ihm zusammen in einem Bett schlafen zu wollen, obwohl er das ja gar nicht vorgeschlagen hatte. Oder überhaupt selber daran gedacht hatte. Wieder fragte er sich, was er ihr denn getan hatte. Ob das nur wegen der Sache mit der Rüstung war oder doch noch an was anderem lag. Caius räusperte sich leise und ging dann auf Axilla zu, aber nur zwei Schritte. Dann klopfte es nämlich und Levi steckte seinen Kopf rein, um zu fragen, ob Axilla ihn gerade brauchte.

  • Als er sie fragte, ob sie nicht auch aus einer noblen und edlen Familie stammte, warf Axilla ihm kurz einen blitzenden Blick zu. Beinahe hätte sie in diesem Moment geschnappt, denn auf ihren Namen ließ sie nichts kommen. Sie wusste, woher sie stammte und wer sie war, und sie war durchaus stolz darauf. Und alles, was sie als Beleidigung ihrer Familienehre ansah, wurde von ihr postwendend beantwortet.
    Aber sie ließ es bleiben, sie wollte hier nicht streiten. Und es hätte unweigerlich zu Streit geführt, das wusste Axilla. Und hier wäre es nicht egal, wer sie hörte. Im Palast war es ihr hinterher schon manchmal peinlich, aber hier wäre es ein Todesurteil. “Das hab ich so nicht gesagt“, murrte sie nur etwas unwillig und ließ es dabei bleiben.


    Axilla merkte erst, dass irgendwas seltsam war, als Archias so zurückhaltend reagierte. Erst da ging ihr auf, was er gemeint haben mochte, und sie zögerte kurz. Sie wollte ja antworten, aber sie wusste nicht, was. Sie hatten schon lange nicht mehr in einem Zimmer geschlafen, geschweige denn...
    Zum Glück kam da gerade Levi nach einem Anklopfen herein und fragte, ob Axilla ihn brauchte. Dankbar für die Ablenkung wandte sich Axilla ihm zu. “Nein, alles in Ordnung. Konntest du baden und hast du schon einen Schlafplatz?“
    “Ja, domina. Und nein. Also baden ja, schlafen nein, aber Katander zeigt ihn mir gleich. Levi schaute nochmal prüfend zwischen seiner Herrin und ihrem Mann hin und her. Irgendwas war wieder im Busch, er kannte das schon.
    “Gut, dann lass dir den zeigen, und... du solltest noch was essen. Apropos, gibt es eine Cena?“ Die Frage war an Archias gerichtet. Nach der frostigen Begrüßung war Axilla sich nicht sicher, ob alle gemeinsam Abendessen würden. Großen Hunger hatte sie eigentlich auch nicht, obwohl sie den halben Tag geritten waren und ihr Körper sicherlich was zu essen brauchen würde.


    Levi ging dann auch schon wieder, um sich das Zimmer von Katander zeigen zu lassen. Axilla blieb mit ihrem Ehemann zurück und kratzte sich kurz verlegen am Arm. “Das hier ist dein Zimmer, da solltest auch du drin schlafen. Deine Mutter wird mich schon nicht in die Besenkammer sperren. Ich nehm das andere Zimmer.“ Anders herum wäre es doch albern.

  • Caius hatte sich selten unwichtiger gefühlt als in diesem Moment. Levi und Axilla waren so vertraut miteinander, wie er das lange nicht mehr mit Axilla gehabt hatte. Er vermisste das so. Es machte ihn traurig, zumal er Axillas Verhalten auch einfach nicht verstand. Abwesend stand er vor seinem alten Regal und sah sich die staubfreien Spielzeuge an, mit denen er früher gespielt hatte. Er beachtete Levi gar nicht wirklich, bis Axilla eine Frage stellte, die an ich gerichtet war. Da drehte er sich wieder rum und sah die beiden an.


    »Ich glaube schon«, sagte er, weil er es nicht genau wusste. Allerdings konnte er sich nicht wirklich vorstellen, dass seine Mutter die cena ausfallen lassen würde, weil sie Axilla nicht mochte. Oder dass Axilla nicht hingehen würde, obwohl sie eigentlich gar nicht wollte. Sie aß in letzter Zeit eh wie ein Spatz, fand Caius. Levi trollte sich dann wieder und ließ sie allein. Bestimmt war es absolut der falsche Zeitpunkt dafür, aber Caius erinnerte sich jetzt wieder an das Gespräch mit Perisander über die Hilfe. Er wollte Axilla ja nur helfen mit dem Vorschlag. Sie fühlte sich ja eh schon schlecht wegen Seiana, immer noch, das wusste er auch. Und wenn sie da dann noch in dem Zimmer schlafen sollte, in dem Seiana als seine Verlobte geschlafen hatte... Da würde sie doch kein Auge zumachen. Ein Scherz nach dem Motto »Da wär ich mir nicht so sicher« wär auch vollkommen falsch gewesen.


    »Ich möchte lieber in dem anderen schlafen«, formulierte er vorsichtig. Er wollte ja nicht, dass sie dachte, er wäre patzig oder bestimmend. Er wollte ihr nur eine schlaflose Nacht ersparen, weil sie vielleicht ständig an Seiana denken musste.
    »Ich hab ein wenig Bauchschmerzen, und das liegt näher an der Latrine. Wenn das für dich in Ordnung ist?« fügte er noch hinzu.


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    Die cena an sich war...anstrengend. Calvaster schien gut gelaunt und erzählte einiges, Caenis war schweigsam, aber höflich, entwickelte sogar etwas wie Interesse an Axillas Aufenthalt in Alexandrien. Caius schob das dem Umstand zu, dass sie da nie gewesen war. Trotzdem entschuldigte sie sich früh und ließ Axilla und Caius mit Calvaster allein, der allerdings auch nur nicht mehr lange blieb und seiner Frau bald nachfolgte.


    »Dann gehen wir auch schlafen, hm?« fragte Caius seine Frau und trank den letzten Rest Wein im Becher aus. Mit einem Klack stellte er ihn auf den Tisch und lächelte ehrlich, aber unsicher. Er war müde, aber er konnte bestimmt eh wieder nicht gut schlafen.

  • Er wollte lieber in Seianas Zimmer schlafen als in seinem eigenen? Das versetzte Axilla einen kleinen Stich, auch wenn Archias das mit Bauchschmerzen begründete. Ob er die Decima vermisste und deshalb in dem Zimmer schlafen wollte? Ob er nicht wollte, dass Axilla etwas mit Seiana gemein hatte? Ob seine Mutter ihn nun davon überzeugt hatte, dass die Decima besser gewesen wäre und das hier nur noch ein kleines Schauspiel war? Axilla wusste es nicht, und sie wand sich den Blumen zu, um sie kurz und vorsichtig zu berühren. Sie wollte sie ja nicht kaputt machen. “Nein, das ist in Ordnung. Ganz, wie du magst.“


    ---------------



    Die Cena war etwas anstrengend für Axilla. Sie mühte sich, das Essen so auf ihrem Teller zu verteilen, dass nicht auffiel, dass sie eigentlich nur drei Bissen gegessen und den Rest nur hin und hergeschoben hatte. Aber sie hatte keinen Hunger und konnte einfach nichts essen. Sie fühlte soviel Anspannung in sich, dass ihr davon ganz schlecht war, und sie wollte sich sicher nicht die Blöße geben, viel zu essen und am Ende zu erbrechen.
    Calvaster aber zum Glück übernahm den Großteil der Unterhaltung bei Tisch, und Axilla schaffte es sogar, fröhlich zu wirken und immer wieder zu lächeln, wenn er erzählte und erzählte. Und als Archias Mutter sich entschuldigt hatte und gegangen war, wurde auch die Iunia etwas entspannter. Und irgendwann ging auch Calvaster zu Bett und nur noch sie und Archias saßen am Tisch.
    “Ja, es war ein langer Tag. Ich bin auch müde.“ Wobei erschöpft es wohl besser getroffen hätte. Axilla war nicht körperlich müde, nur geistig. Aber das reichte schon, sicher würde sie nicht allzu lange wach liegen. Zumindest nicht, wenn sie die Gedanken verdrängen und vielleicht durch den ein oder anderen angenehmeren ersetzen konnte.
    Sie selber hatte keinen Wein getrunken, nur Wasser, auch wenn sie sehr sicher war, dass das Caenis nicht gefallen hatte. Aber sie wurde so schnell betrunken und wollte das heute auf keinen Fall sein. Axilla stand also auf und sah sich nochmal die Türen an. Durch welche musste sie hinaus? “Da lang, nicht?“ fragte sie Archias nochmal und deutete auf eine der Türen.

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