Triclinium | Ein flavisch-aelisches Mahl

  • Quarto schob die ohnehin leere Schüssel von sich fort.
    Das von Furianus angeschnittene Thema behagte ihm nicht.
    Grundsätzlich sprach er nicht gerne über den Gesundheitszustand seines Bruders, obwohl, oder besser gesagt, gerade weil er in letzter Zeit häufig danach gefragt wurde.
    Er gab den Gerüchten höchst ungern neue Nahrung und in diesem Rahmen, diesem heiklen Treffen, das eine sehr alte und tiefe Feindschaft überwinden sollte, wollte er ganz bestimmt nicht darüber reden.


    “Ich fürchte, dass kann ich nicht.“, antwortete er deshalb sehr ausweichend.


    “Was ich sagen kann ist kaum mehr als das, was allgemein und offiziell bekannt ist. Wie ihr alle wisst, befindet sich der Imperator Caesar Augustus in Misenum, um eine hartnäckige Krankheit auszukurieren. Die Mediziner, die ihn dort betreuen – die besten die es gibt, wie ich betonen kann – diese also möchten, dass er noch eine Weile dort bleibt, damit das förderliche Klima Campanias zu seiner endgültige Genesung beiträgt. Der Kaiser hat sich ihrem dringenden Wunsch gebeugt.“


    Er machte eine Pause, presste die Lippen aufeinander und kniff die Augen zusammen.


    “Mehr zu sagen muss ich mir leider verbieten. Ich würde nur die Spekulationen nähren, die bereits jetzt zahlreich sind, aber ebenso schädlich, und wenig helfen.
    Sage ich, es geht ihm schon wieder gut, dann werden sich Stimmen erheben und sie werden fragen, warum ignoriert den Rat seiner Ärzte nicht und kehrt sofort zurück? Sage ich aber, ihm geht es noch immer sehr schlecht, dann werde ich Sorgen sähen und Ängste schüren.
    Die Verantwortung für die Stabilität der Regierung und die Sicherheit des Staates verbietet es mir, zu viel und zu wortreich über den Gesundheitszustand des Kaisers zu sprechen.“

  • Nach Gracchus' Geschmack war der Spargel etwas fade gewürzt, wiewohl die Leber weit mehr Pfeffer hätte vertragen können, doch hätte der Koch sich an Gracchus' Geschmack orientiert, so hätte dies wohl noch jeden Gast aus dem Hause vertrieben, war er in dieser Hinsicht - wenn auch unbezweifelt nicht nur in dieser - doch ein wenig eigen. Überaus aufmerksam beäugte er die Reaktion des aelischen Senators auf seines Vetters Frage den Gesundheitszustand des Imperators betreffend, wiewohl dessen Antwort seiner Ansicht nach kaum hätte deutlicher ausfallen können, wenn auch Quarto augenscheinlich versuchte, mit seinen konjunktivistischen Formulierungen die flavische Auffassungsgabe zu irritieren.
    "Um so besser, dass der Imperator sich in diesen Zeiten auf Ver..traute in Rom stützen kann, welche für die Stabilität der Regierung und die Si'herheit des Staates Sorge tragen"
    , warf Gracchus beiläufig - doch ohne jeden Hintergedanken - ein, ehedem er das letzte Stückchen Leber auf seinem Teller verspeiste. Als Vorbereitung auf diesen Abend hatte er sich ein wenig kundig gemacht über die derzeitigen Machtverhältnisse in Rom, doch entweder war Sciurus nachlässig gewesen in seinen Nachforschungen - was Gracchus dem Sklaven nicht zutraute - oder aber die Situation war längstens nicht so bedenklich, wie es ihm bei dem Gespräch mit seinen Vettern war erschienen, gar als würde in Kürze bereits ein Machtwechsel dräuen - wieohl es durchaus angebracht schien, wachsam zu sein.

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  • Obgleich die Intention seines Vetters, der eigentlich sein Onkel war, jeglichem politischen Konstrukt entbehrte, konnte sich Flavius Furianus ein kleines Lächeln nicht verkneiffen. "Vertraute in Rom", wiederholte er noch ein weiteres Mal in seinen Gedanken, um sich an dieser Köstlichkeit noch einmal zu erfreuen. Dann räusperte er sich.
    "Nun ja", begann er nichtssagend und streckte den Arm nach einer Portion der kredenzten Speise, ehe er im Plauderton, ohne einen Aelier mit seinem Blick zu streifen, fortfuhr "ich hoffe nur, dass der Kaiser der guten Vertrauten schon bald nicht mehr bedarf."
    Vielleicht war dies doch ein wenig zu spitz formuliert und triefte geradezu vor Mehrdeutigkeiten, aber nun war es ja gesagt.
    Die kurze Pause, die dadurch entstand, nutzte der Flavier sogleich, um seinen Becher empor zu heben. Man musste nach solchen Worten den Gästen gegenüber ein gewisses Entgegenkommen erbringen.
    "Trinken wir auf die Gesundheit unseres geliebten Kaisers. Möge er schnell gesunden."
    Ein freundliches Lächeln streifte die beiden Aelier und verharrte auf dem Gesicht des Quarto. Diesen Mann verstand der Flavier bis zum heutigen Tage nicht. Er war quasi die rechte Hand seines Bruders und stand doch in einem beachtlichen Schatten. In einem Schatten, den der Preafectus Urbi erfolgreich über den Aelier warf. Blind schien der dreimalige Consul nicht, schließlich wäre er nicht hier, um alte Fehden beiseite zu schaffen und Allianzen zu seinen Gunsten zu schmieden. Aber die Taktik erschien für Flavius Furianus zu defensiv, er hätte es mit mehr Elan getan, er hätte den Praefectus Urbi so bald wie es nur ging um das Amt und dann das Leben gebracht. Es war nur eine Frage der Zeit, davon ging der Flavier aus, bis entweder der Kaiser oder sein offizieller Vertreter in der Stadt verstarb. Wer wem dazu behilflich sein würde - nein -, behilflich sein musste, das wusste der Senator auch schon.

  • Die Antworten der beiden flavischen Senatoren waren voller Hintersinn und Andeutung, auch wenn der Satz des Gracchus vielleicht argloser war als er klang.


    “Ja, trinken wir auf sein Wohl und seine Gesundheit! Mögen die Götter ihn segnen und ihm viel davon schenken!“, erwiderte Quarto.
    Dann erhob er seinerseits seinen Becher und trank einen kleinen Schluck.


    Er stellte den Becher ab.
    “Aber Freunde, gute Freunde, wahre Freunde, die es ehrlich mit ihm meinen und treu an seiner Seite stehen, braucht jeder Kaiser, ob er nun krank ist oder gesund. Denn immer wird es auch Männer geben, die den Verrat in sich tragen und deren Natur es ist, ein falsches Spiel zu treiben.
    Kein Kaiser kann dieses Reich alleine regieren. Und diese Freunde sind ihm dann eine starke Stütze, wenn sie untereinander einig sind und wenn sie kein Zwist entzweit. Solche Freunde, die auch untereinander in Freundschaft verbunden sind, braucht ein Kaiser und solche Freunde wird er auch gerne belohnen.“

  • Innerhalb kürzester Zeit wurde schon wieder geprostet, diesmal auf die kaiserliche Gesundheit. Caius hob den Becher zum Trinkspruch und machte natürlich mit. Danach musste er einem Sklaven seinen Becher hinhalten, weil der schon leer war. Aus den Gesprächen hielt er sich erstmal weitgehend heraus. Er hatte ja selbst gesehen, wie schlecht es dem Kaiser in Wirklichkeit ging, verstand aber auch Quartos Sicht der Dinge und hütete sich daher, selbst irgendwas über den Gesundheitszustand des Kaisers preiszugeben.


    Verstohlen sah er zu Piso und schob sich einen Bissen in den Mund. Ebenso verstohlen musterte er die anderen beiden Senatoren. Der eine hatte einen gehörigen Sprachfehler, versuchte aber ohrenscheinlich, sich ganz besonders diplomatisch und gepflegt auszudrücken. Der andere war direkt und weniger diplomatisch, fand Caius, aber trotzdem hätte er es wohl mit beiden nicht aufnehmen können, was die Redegewandtheit anbelangte. Ob sie wohl jetzt auf den potentiellen Feind zu sprechen kamen? Noch ehe man sich versöhnt und gemeinsam gegen ihn wenden konnte? Caius hatte nicht allzu viel Ahnung von diesen Dingen, aber selbst ihm erschien es doch etwas riskant, wenn das Gespräch gleich auf diesen Vescularius kommen würde... Erneut tauschte er einen leicht ratlosen Blick mit Piso, der sich, genau wie er, bisher zurück gehalten hatte.

  • Der Flavier hörte den Ausführungen des Aeliers so zu, wie er es sollte - er nahm nicht alles ernst. Auch wenn dies eine Einleitung sein sollte, so würde es der Aelier hier und heute nicht leicht haben, entschied Flavius Furianus, sondern würde sich anstrengen müssen.
    "Und diese Freunde sind ihm dann eine starke Stütze, wenn sie untereinander einig sind und wenn sie kein Zwist entzweit.", hallte es in des Flaviers Kopf. Ja, solche Freunde mochte ein Kaiser gerne, doch solche Freunde gingen niemals in die Annalen der Geschichte ein. Es sind die Freunde, die durch Verrat, Rebellion und andere krasse Gegensätze zur kaiserlichen Politik auffallen und einer Erwähnung in den Geschichtsbüchern für bedürftig befunden werden. Diese Freunde, von denen der Aelier sprach, waren gute Marionetten und ihre Arbeit, ihre Aufopferung und ihr Fleiß, das alles geriet schneller in Vergessenheit als der letzte Held im Amphitheater irgendwo im tiefsten Hinterland des Reiches.
    Aber leicht würde er es ihm nicht machen und so lächelte der Flavier kurz und pflichtete Quarto nickend bei.
    "Wahre Worte, Senator Aelius. Gerade solche Männer sind die Stützen eines Kaisers, die Grundpfeiler des Konstrukts.", erwähnte er, während er sich ein Stück Leber präparierte und am Ende genüsslich im Gaumen verschwinden ließ.
    Er nahm noch einen Schluck, bevor er fortfuhr: "Du sprichst recht negativ von Männern, die Verrat in sich tragen. Natürlich, für einen Kaiser stellen diese Männer eine wahre Bedrohung dar, doch ich finde, dass man es differenzierter durchaus sehen sollte.
    Nehmen wir den ersten Konsul der Republik, nehmen wir diesen berühmten Iunius. War er es nicht, welcher durch Hochverrat an seinem König die Monarchie stürzte? Es war Hochverrat, fürwahr, eine schreckliche Handlung und entbehrte jeglicher Moral und Ehre. Doch wurde jener Iunius bestraft? Ging er als Hochverräter und geächteter Mann in die Annalen unserer Geschichte ein? Die Tatsache, dass wir diesen - solch eine Formulierung möge man mir in diesem freundschaftlichen Kreise erlauben - Verräter heute als Helden bejubeln, stützt sich auf eine einfache Gesetzesmäßigkeit. Nämlich die, dass der Sieger die Geschichte schreibt und der Verlierer sich der herrschenden Meinung, und das ist eben die des Siegers, beugen muss. Dieser eine Hochverrat schaffte die Monarchie ab und läutete ein großes Zeitalter ein, in welchem das Römische Reich durch die Milde der Götter zu der Weltmacht wurde, die es heute noch ist."

    Er nahm noch einen Schluck und lächelte kurz.
    "Für den König mag es schlecht ausgegangen sein, doch Rom hätte man so nicht vortrefflicher helfen können. Und wie wir alle wissen, so wurde eben jener Iunius, der kein guter Freund seinem König war, durchaus belohnt. Schließlich war er der erste Konsul und für den Rest seines Lebens ein honorabler und machtvoller Mann. Die ganze Gens zehrt noch heute von dem Lichte dieses einen Mannes, der im Grunde ein Verräter war."
    Vielleicht war dies zu scharf formuliert, so dass der Senator fürchten musste seine Gäste schon vor dem Hauptgang zu vergrämen. So holte er lächelnd mit den Armen aus.
    "Aber, wie ich schon sagte, man muss alles differenzierter sehen. Dieser damalige Verrat wurde mit Blut erkauft, römischem Blut, und so etwas ist wiederum - jedenfalls nach meiner Ansicht - grauenvoller als ein Hochverrat. Das ist das verwerfliche an der Macht, man hat mit ihr alles, außer sauberen Händen."
    Hoffentlich relativierte dies das doch recht Konträre, welches er von sich hatte gelassen. Quarto würde es verstehen, dass die Flavier und insbesondere Furianus ihm nicht gleich ein Silbertablett servieren würden - natürlich im übertragenen Sinne, schließlich war das Besteck, mit dem sie aßen, durchaus ihren Silberling wert. ;)

  • “Ich widerspreche dir in deinem eigenen Haus nicht gerne, Senator Flavius. Aber hier muss ich es tun.“, antwortete Aelius Quarto.


    Er hob den rechten Zeigefinger, um seine nun folgenden Worte noch bedeutungsvoller erscheinen zu lassen.
    Dann sprach er über die alte, mit Mythen getränkte Geschichte, die jeder Römer seit Kindertagen nur zu gut kannte:
    “Lucius Iunius Brutus, der erste consul Roms, war kein Verräter und zurecht wird sein Name bis heute in Ehren gehalten.
    Er hat sich gegen den letzten König von Rom gestellt, dass ist wahr. Er hat Lucius Tarquinius Superbus, diesen letzten König und zudem sein Onkel, er hat ihn vom Thron gestoßen, natürlich.
    Aber war es Verrat?
    Nein! Nur der König und seine Gefolgsleute konnten das glauben, denn sie waren blind und taub.
    Und seine noch herrschenden Vettern im Norden, die wollten es glauben, denn sie missgönnten den Römern ihre Freiheit.
    Wer sich gegen einen rechtmäßigen und gerechten Herrscher erhebt, ja, der ist ein Verräter! Aber Tarquinius Superbus war nicht gerecht, sondern missbrauchte seine Macht. Er ließ freie Römer ermorden und schützte seinen Sohn Sextus Tarquinius. Er bewahrte ihn vor der Strafe, die ihn hätte ereilen müssen, weil er sich an der tugendhaften Lucretia vergangen hatte.
    Und Superbus herrschte am Ende auch nicht mehr rechtmäßig, denn es sind nicht nur unsere von Menschen gemachten Gesetze, die einen Herrscher ins Recht setzen, sondern noch viel mehr die göttliche Macht, die ihn auf seinen Platz verweist.
    Dieser letzte König aber, er hatte die Gunst der Götter verloren und stellte sich gegen sie.
    Iunius Brutus ging nach Delphi, er sah das göttliche Omen und er wurde als ihr Werkzeug zum Helden.“


    Quarto ließ den Finger wieder sinken. Aber der Nachdruck in seiner Stimme blieb.


    “Einen ungerechten Tyrannen zu bekämpfen, der die Macht wie ein Dieb in Händen hält und nicht Rom und den Göttern dient, einen solchen Mann zu stürzen, dass ist kein Verrat. Das ist eine patriotische Tat!“


    Nun lächelte er und seine Stimme wurde wieder sanft.


    “Aber gewiss, dass will ich nicht leugnen, wird später manches verklärt. Oft bestimmen die Sieger, was die Historiker niederschreiben. Und so wird aus einem gefallenen Herrscher schnell ein Unhold, obwohl er im Leben keiner war. Und aus seinen Gegnern werden tugendhafte Leute, auch wenn sie verblendet waren und ihre Motive nicht einmal halb so ehrbar, wie sie selbst vielleicht zu glauben versuchten.
    Ja, natürlich, dass hat es auch schon gegeben und das weiß ich wohl.“

  • Ja, was sollte er denn groß sagen, wenn man ihn nicht zu Wort kommen ließ? Er aß nur seine Leber, blickte hie und da zu Archias hin, mit einem Blick, der nur zwischen zwei Leuten, die nicht richtig in eine Konversation einsteigen konnten, gewechselt werden konnte, und hörte zu. Das Gespräch driftete ab in eine Richtung, bei der er sich gut auskannte, sehr gut sogar. Er schrieb ja ein Gedicht darüber. Er lächelte, als das familiäre Thema angeschlagen wurde, und wartete auf die geeignete Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen.
    „Man muss aber bedenken, Iunius Brutus und Tarquinius Collatinus, die beiden ersten Consul, hätten ihren König nicht stürzen können, nur aus dem Gefühl heraus, dass er ein schlechter König war. Es musste eine Missetat geben, die der König begehen würde, welche das Volk gegen den Tyrannen aufbringen würde, und einen legalen Grund hergeben würde, um einen Umsturz zu initiieren. Und genau dies tat der letzte Kronprinz von Rom, als er Lucretia schändete. Diese Tat war so ungeheuerlich, dass es einen legitimen Grund gab, die Monarchie zu stürzen. Es gab nach der Vergewaltigung eine gesetzliche Basis für die Absetzung des Königtums. Die Verbannung war somit kein Verrat mehr, sondern ein Dienst am Vaterland.“
    Er beugte sich zurück und klatschte zweimal in die Hände. Es wurde für alle Beteiligten am Mahl eine Suppe gebracht, wieder von den selben 5 Sklaven. „Hühnersuppe a la Flavia.“, wisperte einer der katzbuckelnden Sklaven, dessen Ankündigung sowieso ignoriert wurde. Man konnte ja schließlich sehen, dass es eine solche war – mit Gewürzen durchaus exquisit abgeschmeckt.
    „Es muss also einen Grund geben, um einen Despoten abzusetzen. Er muss an einen deutlich festsetzbaren Punkt daneben treten, um seine Legitimität zu verlieren.“, meinte er, als er sich der Suppe zuwendete und interessiert mit dem dargereichten Löffel darin kurz herumrührte, bevor er sie probierte.

  • Es gab Suppe.


    “Natürlich kommt beim Fall von Tarquinius Superbus hinzu: die Menschen hatten das Königtum als falsch für Rom erkannt. Wir Römer sind frei und niemandes Untertan. Das erhebt uns über die Völker, die in Knechtschaft leben.“

  • Das Gespräch wurde ein wenig delikat, das versprach er sich schon nach dem ersten Augenblicke, aber als dann noch ein Flavius Piso seinem eigenen Verwandten geradezu in den Rücken fiel, ohne jeglichen Gespür für die politische Intention dessen Aussagen, hätte wohl ein jeder zum rhetorischen Schirlingsbecher gegriffen. Aber den Göttern sei Dank gab es noch die andere Sorte von Männern, welche anstatt einen Schritt zurück zu machen, lieber noch einen vor gingen.
    "Zweifelsohne mag Tarquinius Superbus nicht bar jeder Schuld und Fehlern gewesen sein - wie wohl kein König, Kaiser oder anderweitiger Mann in ähnlicher Position sein könnte. Zweifelsohne entbehrt die Schändung der eigenen Mutter jeglichen Erklärungen unserer aller tiefsten Aversionen darüber. Und zweifelsohne gab es gute Gründe für die Absetzung des Königs.
    Aber, Herrschaften, man könnte dies alles wiederum etwas differenzierter betrachten. Denn wenn Superbus die Rechtmäßigkeit seiner Macht dadurch verlor, indem er billigend das Vergießen des Blutes freier Römer in Kauf nahm, so hätte ein Caius Iulius Caesar, welcher den Rubicon überschritt, oder gar ein Augustus, welcher in Actium gegen seine Landsleute focht, wie auch jede andere Persönlichkeit unserer Geschichte, ob Kaiser oder Konsul, niemals ein Anrecht auf jegliche Macht jemals besessen. Und was sich der Plebs unter Missetaten und Verfehlungen des Herrschers vorzustellen hat, wurde mitunter auch durch feurige Reden der Widersacher gebildet.
    Und wenn Sextus Tarquinius seine Mutter aufgrund einer Missdeutung des Orakels hin befleckte und der liebende Vater seinem Sohne verzeihen konnte, so legitimiert die Verfehlung - besser gesagt diese Schandtat - keinen Mann dazu den Vater für die Fehler des Sohnes hin verantwortlich zu machen und somit zu stürzen. Wie viele Konsuln hätten infolge dieser Begründung von ihren Ämtern zurück treten oder gestürzt werden müssen?"
    , während er sprach, wechselte sein Blick von Quarto zu Piso und wieder zurück.
    Ein letzter Schluck noch, bevor er diese Thematik ad acta legen wollte.
    "Die Meinung darüber, was falsch und was richtig ist, ob es sich um Hochverrat oder eine Heldentat handelt, diese Meinung wird durch uns selbst und wenn nicht unmittelbar durch unseren freien Geist und Verstand, so doch durch die Geschichte und dadurch durch die Federn ihrer Verfasser gebildet. Eine Meinung gibt es nicht, es gibt nur die allgemein akzeptierte, die primäre - und neben ihr existieren noch unzählige."
    Darauf kam es ihm an. Auch wenn sie hier und heute keine Zusagen hinlänglich einer Allianz mit den Aeliern würden erreichen können, so dürfte die Gens Flavia durch diesen Schritt niemals in den Augen der Öffentlichkeit etwas Verräterisches annehmen. Man war loyal, loyal den herrschenden Gegebenheiten und dem eigenen Stand gegenüber. Keinem Kaiser. Flavius Furianus schon gar nicht.
    "Wir sind hier alle in diesem Raum auf einem gewissen Niveau der politischen Versiertheit, so dass ich wohl kaum erwähnen muss, mit welcher Absicht unser Freund, Aelius Quarto, diesen kleinen Diskurs einführte. Dieser Name wird an diesem Abend wohl häufiger fallen, so dass ich mich nicht geniere ihn sogleich vor dem Hauptgang in den Mund zu nehmen. Der derzeitige Praefectus Urbi, Senator Vescularius Salinator, hat durch die Absenz des Kaisers von Rom eine beachtliche Machtfülle sich aufbauen können. Und auch wenn ich Gerüchten nur ungern Glauben schenke, so wird gesagt dir missfällt dies, Aelius. Das kann ich mir, wenn ich ehrlich bin, in deiner Position auch gut vorstellen. Du bist der Bruder des Kaisers und gewillt die Machtfülle in der Familie zu halten.
    Es verwundert mich jedoch zutiefst, dass die politisch gegebene Möglichkeit dies zu beseitigen, von dir wie auch vom Kaiser, scheinbar noch nicht durchgeführt worden ist. Dem Reiche fehlt ein Caesar, ein legitimer Nachfolger, welcher als des Kaisers Bruder durchaus du sein könntest, Aelius."

    Sein Blick ruhte auf dem des aelischen Oberhauptes.

  • Diesen direkten Vorstoß hatte Quarto nicht erwartet.


    “Ich? Nein, oh nein, danach strebe ich nicht!“, versicherte er schnell und hob abwehrend die Hände.


    Wirklich nicht? Seine Reaktion kam vielleicht ein bisschen zu hastig, um wirklich glaubhaft zu wirken.


    “Ich begnüge mich mit meiner bescheidenen Rolle. Ich berate den Imperator Caesar Augustus und freue mich, wenn er meinen Rat annimmt. Ich unterstütze ihn wo ich kann und wenn ich damit dem Staate diene, dann ist mir das Lohn genug.“, ergänzte er, vielleicht etwas zu bescheiden.


    “Valerianus hat einen Sohn, Publius Ulpius Maioranus, und ihn sollte er zum Caesar ernennen und zu seinem designierten Nachfolger. Das allerdings, da gebe ich dir recht, sollte bald geschehen, schon damit sich Männer wie der Praefectus Urbi keine falschen Hoffnungen auf den Thron machen.“

  • Es kam dem Flavier doch recht theatralisch rüber, in welchem Ausmaße der Aelier auf eine so nahe liegende Frage antwortete. Natürlich hatte er diese Möglichkeit schon unzählige Male im Kopf und ist sicherlich alle Optionen durchgegangen. So überrascht, wie er schien, wäre er niemals gewesen.
    Die Bescheidenheit des Bruders eines Kaisers nahm der Flavier als ebenso übertrieben hin, wie die vorherige Reaktion. Kein Mann hatte bisher den Verlockungen der Macht widerstehen können und außerdem war es geradezu seine Pflicht viel Macht in sich zu vereinen. Er musste die Familie stärken, zumal sein Bruder angeschlagen war, er musste ein Bestehen des Herrscherhauses garantieren - und dies ging mit einer guten Portion an Kompetenzen, Imperien und daher einer gewissen Grundbasis an politischer und militärischer Macht.


    "Ist dieser Junge, der Sohn des Kaisers, meines Wissens nach nicht noch ein Kind?", fragte er spontan.


    Fürwahr wäre in der jetzigen Situation und unter jetzigen politischen Gegebenheiten ein Interims-Caesar namens Lucius Aelius Quarto die augenscheinlich beste Lösung für die Aelier. Aber, das bemerkte er hier schnell, hatte man wohl weitaus gewichtigere Probleme.
    Außerdem müsste der Kaisers, falls er bis dahin überlebte - das bezweifelte der Flavier wahrlich - irgendwann dem eigenen Bruder den Caesarentitel entziehen, um seinen Sohn dahingehend einzusetzen. Ein Verlust der Ehre für Quarto würde damit automatisch einhergehen, auch wenn jeder, der auch nur einen Hauch von politischem Verständnis aufweisen kann, darauf vorbereitet sein würde. Oder man entschied sich für zwei Caesaren, wie einst sein Ahn Vespasianus es tat.

  • Noch während des Grußes aus der Küche begann ein regelrechtes Duell an ungesagten Andeutungen, subtilen Hinweisen, vagen Anspielungen und indirekten Verweisen, so dass es kaum war verwunderlich, dass zur Vorspeise bereits wahrhaft heikle und brisante Themen wurden auf den Tisch geladen, doch selbst hierbei wurden deutlich sichtbare Gegebenheiten hinter fadenscheiniger Bescheidenheit versteckt. Da Furianus das Gespräch in geschickter Taktiererei zu lenken suchte und bisherig dabei nicht übermäßig über die Grenzen angemessener Höflichkeit und Gastfreundschaft hinausging, sah Gracchus vorerst keinen Anlass, selbst das Wort zu ergreifen, sondern widmete sich - nicht ohne dabei jeden gesprochenen Satz auf das genaueste zu prüfen - der Suppe.

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  • “Das ist er, ja.“, gestand Quarto auf Furianus' Frage ein. “Noch ist er ein Knabe, in der Tat. Aber er wird kein Kind bleiben. Ich bete zu den Göttern, dass ihm genug Zeit bleibt um zum Manne zu reifen, bevor der Tag kommt, an dem er die schwere Bürde eines Kaisers von seinem Vater übernehmen muss.“


    Er machte eine kurze Pause, bevor er zögerlich weiter sprach:
    “Die Schwäche dieses Plans ist mir durchaus bewusst. Was, wenn ihm diese Zeit nicht bleibt?
    Aber muss nicht der Sohn auf den Vater folgen? Kann ich, als sein Onkel wollen, dass man ihm sein Erbe vorenthält, weil er jetzt noch zu jung ist um Augustus zu sein, obwohl er nicht mehr zu jung ist, um Caesar zu werden?“

  • Caius war sich ziemlich bewusst, dass er bisher die Klappe gehalten und seine Suppe gelöffelt hatte. Die verstohlenen Blicke, die er und Piso hin und wieder ausgetauscht hatten, hatten ihm gezeigt, dass auch Piso vermutlich etwas anderes bei diesem Treffen erwartet hatte. Kaum war das Gespräch auf den Vescularius gekommen, ging es weiter bis zur Nachfolge des Kaisers, den Caius schließlich inzwischen selbst persönlich kennengelernt hatte. Er legte den Löffel hin und räusperte sich.


    »Unser Kaiser wäre vermutlich nicht begeistert, wenn er hören könnte, worüber hier diskutiert wird. Statt über sein Leiden und seinen Nachfolger zu sprechen, als sei er schon tot, sollten wir uns lieber Gedanken machen, wie wir ihm bestmöglich unter die Arme greifen können«, gab er zu bedenken.
    »Wir sind doch heute nicht hier, um uns wie Raben um die besten Stücke zu streiten, auch wenn ihr alle das viel wortgewandter verpacken könnt als ich selbst, das weiß ich. Wir sitzen zusammen, weil Piso den Mut hatte, vorzuschlagen, dass unsere Familien sich versöhnen, und weil Quarto zugestimmt hat, den alten Streit beizulegen. Wie wir eben gehört haben, sind wir im Grunde alle einer Meinung, nämlich dass Vescularius Salinator ein Mensch ist, den wir mit Vorsicht genießen müsssen und dem man auf die Finger schauen sollte. Darüber sollten wir sprechen, über Bündnisse und Versöhnungen, nicht über die Nachfolge unseres Kaisers.«


    Caius sah kurz in die Runde. Er wusste, dass er keinem einzigen hier das Wasser reichen konnte mit der Rhetorik, die er nicht besaß, aber er war jemand, der meistens offen sagte, was er dachte, wenn er etwas sagte. Diese Ränkespiele lagen ihm nicht, die Andeutungen und Anspielungen. Er war direkt. Und jetzt blieb zu hoffen, dass (selbst wenn sie ihn erstmal auslachen würden) die Anwesenden sich darauf besannen, warum dieses Essen überhaupt stattfand. Es gab einen Feind, und den konnte man nur gemeinsam bewzingen.

  • "Es steht meines Wissens nirgendwo geschrieben, dass ein Sohn eines Kaisers das Recht von Geburt an besitzt seinem Vater zu folgen.", entgegnete er trocken, bevor er die Ausführungen Quartos weiterhin lauschte.
    Es war durchaus eine gefährliche Lage, wenn das Caesarenamt vakant blieb und auch Quarto schien sich dessen bewusst. Natürlich war es keineswegs die Absicht des Flaviers den Aelier nun darin zu bedrängen endlich einen entscheidenden Schritt zu tun, doch es war einfach für einen Flavius Furianus nervenzermürbend, wenn die Aelier sich so schleppend um die Belange ihrer Machterhaltung kümmerten. Er wäre da sicherlich forscher gewesen.
    "Außerdem kann das Caesarenamt auch von zwei Kandidaten ausgefüllten werden. Oder auch nur auf Zeit.", warf er wieder ein, bis der junge Aelius anfing.


    Eine recht unkonventionelle, gar aduleszente, Art der Rhetorik. Er kam auf den Punkt, durchaus, doch recht rabiat, gar zu schnell und ohne jegliches Geschick in Diplomatie und den latenten Sitten solcher Gespräche. Da war wohl einer der neueren Rhetorikgelehrten verwickelt gewesen - von einem alten Sophisten hätte dieser Aelius jene Art von Rhetorik sicherlich nicht lernen können.
    So lächelte der Flavier milde.
    "Meinst du nicht auch, Aelius Archias, dass sich der Kaiser ruhiger zu Bette legen könnte, wenn er eine gesicherte Nachfolge hätte? Ich denke dies wäre sicherlich eine überaus große Erleichterung für ihn - und es würde diejenigen abschrecken, welche in der jetzigen Situation glauben gewisse Vorteile diesbezüglich sich sichern zu können."
    Die weiteren Ausführungen musste Flavius Furianus heftig dementieren. Er war sich sicher mit keinem Wort erwähnt zu haben einen gewissen Vescularius Salinator observieren zu müssen. Geschweige denn, dass man einer Meinung war - und über eine Versöhnung hatte man sich vorab, aber das konnte der Aelius natürlich nicht wissen, schon konträr geäußert.
    So schwieg er, denn nun aktiv zu widersprechen, dies würde jede weitere Gesprächsbasis zunichte machen. Statt dessen blickte er Aelius Archias einen kurzen Moment in die Augen und wandte sich an einen der Sklaven, welcher dem Senator neues Wasser zum Händewaschen bringen sollte.

  • Seina mangelnden Rhetorikkünste lagen bestimmt nicht an seinen alten Lehrern, die Götter haben sie selig. Vielmehr daran, dass Caius schon immer eher ein Quatschkopf gewesen war, und so sehr seine Mutter sich damals auch versucht hatte, darüber hinwegzusetzen, so freizügiger war da sein Paps gewesen, mit dem Caius sich immer schon sehr viel besser verstanden hatte. Caius hätte sich auf Anhieb an zahlreise Begebenheiten erinnern können, bei denen Decimus Calvaster ihm sogar zur Flucht verholfen hatte, indem er die Lehrer abgelenkt hatte, so dass sie später nur mosernd hinter Caius her aus dem Fenster hatten starren können.


    »Doch, klar. Aber ich denke auch, dass das seine Entscheidung ist, nicht unsere oder eure. Wenn der Kaiser meinen Vetter um Rat bittet, hat er noch nie gezögert, aber wen Valerianus zu seinem Nachfolger macht, muss er selbst entscheiden«, erwiderte Caius gänzlich salopp.
    »Wenn du mich fragst, ist das größte Problem, dass Valerianus Vescularius nicht als Feind sieht, den er abschrecken müsste, sndern als Freund. Warum sonst hätte er ihn zum Stadtpräfekten machen sollen?«
    Caius erwiderte ohne Argwohn den Blick des flavischen Senators. Natürlich war sogar ihm aufgefallen, dass zu den anderen Dingen geschwiegen wurde. Er wandte den Blick und sah Piso an. Das Gespräch drohte zu kippen. Und vielleicht trug Caius sogar dazu bei mit seiner nächsten Frage, die er direkt an Flavius Gracchus richtete, der bisher dazu geschwiegen hatte. Ihm musste man zugute halten, dass er diesmal wenigstens versuchte, ein wenig rhetorisch zu sein.
    »Liegt es im Ermessen der Flavier, sich auszusöhnen, oder war Pisos Einsatz umsonst?« fragte er das Oberhaupt der Flavier.

  • Flavius Furianus schweig zum Casus Vescularius. Dass der Kaiser jeglicher Hilfe bedarf, das sagte der junge Aelier just selbst, was wiederum einer Wiederholung des Flaviers entbehrte.


    Die letzte Aussage, vielmehr der Fauxpass sie an Flavius Gracchus zu richten, entfesselte in dem Flavier einen schier unendlichen Groll. Deutlich missgelaunt antwortete er statt des Vetters, der eigentlich sein Onkel war.
    "Darum sind wir hier, Aelius.", entglitt es dem Flavier in recht rabiatem Ton.


    Er echauffierte sich über den Verlauf der Unterhaltung, seitdem der Jungspund das Ruder zu sich hatte gerissen. Im Gegensatz zum wohl erzogenen Flavius Piso, miemte dieser Aelius Archias, gänzlich ohne politische Meriten - wie man auch deutlich sah und hörte - nun den Wortführer seiner Gens. Schon alleine dieser Umstand zwang den Senator zu einer gewissen Antipathie.
    Zudem hatte dieser Aelius, wohl mit geistigem Paupersimus gesegnet, den Stand des Flavius Furianus innerhalb der eigenen Familie angezweifelt, indem er eine so bedeutende Frage zwar durchaus stellte, aber nach Ermessen des Flavius Furianus, gänzlich an die falsche Person. Er, just noch das Gespräch führte, wurde nun degradiert zu einem Mann, der für den jungen Aelius keine politische Bedeutung zu haben schien.
    Obgleich Flavius Furianus die Contenance zu wahren versuchte, fiel es ihm in seiner endlosen Steigerung bezüglich des gerade vollzogenen Ehrverlustes durch den jungen Aelius, immer schwerer nicht einfach zu gehen.

  • Der junge Aelier schien noch nicht sonderlich oft politischen Mählern beigewohnt zu haben, sprach doch die Ungeduld aus seinen Worten, wiewohl die Ansicht, dass die Differenzen zwischen ihren Familien durch ein einfaches Ja oder Nein zu beseitigen seien, und mit einem Mal sah sich Gracchus in Zugzwang, als Archias sich nun explizit ihm zuwandte, augenscheinlich mit Furianus' Gesprächsstil unzufrieden. Einige Augenblicke verschaffte sein Vetter, welcher eigentlich sein Neffe war, ihm noch einen Aufschub, doch brachten dessen Worte nicht die von Gracchus erhoffte Besonnenheit, welche das Gespräch zurück in die relevanten Bahnen würde lenken, gleichwohl Furianus ein weinig echauffiert zu sein schien, was Gracchus - gesegnet, oder aber verdammt mit überaus großer Geduld und Nachsichtigkeit - indes nicht gänzlich konnte nachvollziehen. Langsam stellte er seine Schüssel zurück auf den Tisch.
    "Politik ist keine Münze, Aelius Archias, sie hat weit mehr als zwei Seiten, mehr als ein für oder gegen den Vescu..larier, für oder gegen die Aelier. Wir haben uns heute hier getroffen, zu eruieren, ob unsere Ansi'hten miteinander kompatibel sind, ob die Schnittmengen unserer Ideale und Visionen von ausrei'hendem Maße ist, als gemeinsame Basis zu fungieren - und selbst wenn unsere Vorstellungen in einigen Punkten nicht kongruent sein mögen, so ist dies noch lange kein Grund, dieses Zusammenkommen noch vor der Hauptspeise als gescheitert zu erklären und die Diffe..renzen zwischen unseren Familien bestehen zu lassen - selbst gute Freunde müssen nicht in allen Angelegenheiten einer Meinung sein, so dass dies für die Glättung angespannter Verhältnisse no'h längstens nicht gilt."
    Er tunkte seine Finger in die von einem Sklaven herangereichte Schale lauwarmen Wassers und trocknete sie an dem hernach gereichten Tuch, während er weiter sprach.
    "Es liegt im Ermessen der Flavier, die Stabilität des Imperium Romanum zu gewährleisten, und die Frage der Na'hfolge des Imperators trägt unbezweifelt zu dieser Stabilität bei, wiewohl dies - so er umsi'htig und vorausschauend agiert - keinesfalls nur Angelegenheit Valerianus' selbst ist, gleichsam ebenso wenig nur in Hinblick auf seinen Gesundheitszustand zu beurteilen, hat die Geschichte uns doch gelehrt, dass so man'her Imperator wenige Tage vor seinem Tode noch sich bester Gesundheit erfreute. Deine Worte, Aelius Archias, scheinen zu implizieren, dass Vescularius Salinator als Feid des Imperators und damit des Imperium zu werten ist, wiewohl sich diese Ansi'ht in Rom zu verbreiten scheint. Dies zeigt, dass Rom in Sorge ist, hat doch Valerianus selbst diesen ihm vertrauten Mann als seinen Stellver..treter in der Hauptstadt eingesetzt, und mag der Zustand unseres Kaisers nun blendend oder aber überaus bedenkli'h sein, die Frage nach einem Caesar wird Rom darob beschäftigen und in Uneinigkeit verharren lassen bis sie beantwortet ist, aus Fur'ht vor jenem Augenblicke, da der Imperator stirbt - möge dieser Tag noch fern sein - und Rom in Ungewissheit zurück lässt, denn eine ungeklärte Nachfolge wird dann allfällig zu militärischen Auseinandersetzungen führen, bei welchen Römer gegen Römer kämpfen und somit Römer sterben werden - und dies liegt nicht im Ermessen der Flavier, gänzlich ungea'htet dessen, mit wem wir an einem Tisch sitzen."
    Es waren dies nun doch ein wenig mehr Worte gewesen, als er eigentlich bereit gewesen war, beizusteuern, doch gegensätzlich zu dem Aelier konnte Gracchus weder gerade heraus sagen, was ihn bewegte, noch sich kurz fassen, waren doch bereits seine Gedankengänge derart verworren, dass Worte sie stets nur noch komplexer machten. Er griff mit der Linken nach seinem Becher, um seiner Kehle ein wenig Flüssigkeit zu verschaffen.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Piso suppte fleißig an seiner Suppe herum. Wobei er durchaus mitbekam, wie die Leute rund um ihn weiter diskutierten. Archias schaltete sich ein, und was er von sich gab, veranlasste Piso zu einem leisen Seufzen. Er hatte zwar recht, aber musste er so vorgehen? Der Gute preschte in Gewässer vor, die die drei Flavier und Quarto bis zum Dessert am Liebsten wohlweislich umschifft hätten. Und zog sich den Unmut des Furianus zu. Piso fand es zwar nett von ihm, wie sehr er seine Verdienste hochhielt, aber im Endeffekt brachte es nichts, das Gespräch schon tot zu reden, bevor es sich auch nur dem Ende zuneigte – wie Gracchus es gerade rhetorisch einwandfrei wie immer herausdeutete. Er nickte zu seiner Rede hin und ergriff hernach das Wort.
    „Herrschaften, immer mit der Ruhe.“, meinte er sachte. „Archias, natürlich wäre der Imperator nicht begeistert, würde er uns hören. Der Punkt ist aber, er kann uns nicht hören.“ Paranoid war Piso doch nicht. „Somit steht es uns frei, zu theoretisieren, was sein könnte, wenn der Kaiser stürbe.“ War das jetzt der richtige Konjunktiv? Wurscht. „Wie Gracchus schon gesagt hat, es ist die Frage nach einem Caesar, die uns beschäftigt. Besonders zu dieser Zeit.“ Piso half wohl Archias wirklich nicht, als er dort ansetzte, wo Furianus aufgehört hatte. Aber man sollte die einzelnen Punkte nach und nach abtasten. Wozu hatte er sonst so ein langes Menü vorbereitet? „Man muss für alles gerüstet sein. Dass dem Kaiser ein Leid geschehen wird, ist nur eine Möglichkeit. Genausogut kann alles zur Zufriedenheit aller ausgehen. Allerdings, man braucht eine Sicherheit. So wie ein vernünftiger Mann ein Testament macht, bevor er sein Ende nahen sieht, sollte ein Herrscher einen Nachfolger bestimmen, bevor das Ende kommt. Es ist seine Pflicht. Und wenn der mögliche Nachfolger ein Minderjähriger ist...“ Sein Blick wanderte zu Quarto. „...sollte man jemanden adopieren, wie der göttliche Iulianus es getan hatte, lang bevor er in Parthien fiel. Oder aber man bleibt bei diesem Nachfolger, und macht sich daran, vielleicht einen Tutor für ebendiesen einsetzen, bis zu seiner Volljährigkeit.“ Letzteres schien ihm durchaus machbar. Maioranus als de jure Kaiser, Quarto als sein Tutor und somit de facto Regent.
    „Es liegt natürlich im Interesse unserer gentes, die Nachfolge unseres Kaisers geregelt zu sehen. Senator Aelius, du solltest, so glaube ich, mit deinem Bruder darüber reden. Wir, das Volk von Rom, brauchen einen Caesar.“ Er hüstelte und wechselte das Thema. „Weiß der Kaiser überhaupt über die Missgunst, mit der Vescularius gesehen wird in Rom?“
    Gut möglich. Und gut möglich, dass es ihm egal war. Er nahm sich ein wenig vom Wein und schenkte sich ein. Ein Schluck. „Ich möchte eine Frage in den Raum werfen. Vescularius hat viele Feinde. Doch welche Freunde hat er, abgesehen vom Kaiser? Er ist ja recht beliebt bei einigen einflussreichen Leuten. Besonders im Osten.“ Er trank noch einmal. „Was also könnte er zu seiner Unterstützung mobilisieren?“ Er dachte an die Cohortes Urbanae. Nicht auszudenken, Straßenschlachten zwischen den Cohortes Urbanae und den Praetorianern.

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