Die Worte Pisos gefielen Quarto sichtlich.
Er nickte und wenn man genau hinsah, dann konnte man sogar ein angedeutetes Lächeln über sein Gesicht huschen sehen.
“Eine Lösung wie du sie skizzierst, Aulus Flavius Piso, eine solche Lösung des Nachfolgeproblems erscheint mir durchaus realisierbar und, wenn ich für mich sprechen darf, auch wünschenswert.
Natürlich müsste sie juristisch noch geprüft werden.
Selbstverständlich ist auch richtig was du gesagt hast, Senator Flavius Furianus. Es ist nicht festgelegt, dass der Sohn eines Kaisers sein Nachfolger werden muss. Der regierende Kaiser kann auch einen anderen bestimmen.
Ich fürchte nur, dass genau dies zu einer Situation führen würde, die das Reich destabilisiert und dann erneut das Monster eines Bürgerkrieges am Horizont erscheint, so wie du es, Senator Flavius Gracchus, gesagt hast.
Bliebe es dabei, dass der Imperator Caesar Augustus seine Nachfolge unbestimmt lässt, dann wird sie durch die Gesetze geregelt. Auch dann wäre, nach den Buchstaben dieser Gesetze, sein Sohn Maioranus der Nachfolger. Aber dann wäre unklar, wie zu verfahren ist, sollte dieser noch nicht volljährig sein und er hätte nicht den zusätzlichen Rückhalt eines Caesaren-Titels.
Ein Mann wie der Praefectus Urbi könnte dann versucht sein, einen so jungen Kaiser unter seinen Einfluss zu bringen und weiterhin die Amtsgeschäfte zu führen, so wie er es schon jetzt tut, oder vielleicht sogar mit noch viel weiter reichenden Vollmachten.“
Es war ungewohnt für Quarto, mit den alten und gewohnten Feinden derart offen über dieses Thema zu sprechen. Noch vor wenigen Wochen hätte er es vermutlich rundweg abgelehnt und sich gesagt, dass ginge diese gar nicht weiter an.
Aber diese alten Feinde sollten vielleicht zu Freunden werden und er wusste auch, dass er so viele Mitstreiter wie nur irgend möglich gewinnen musste, um eine Kaisernachfolge in seinem Sinne zu gewährleisten. Solange Maioranus noch im Knabenalter war und Salinator Einfluss hatte stand das ganze Unterfangen auf wackeligen Füßen und konnte leicht scheitern.
“Wir scheinen uns einig darin, dass wir einen Bürgerkrieg unter allen Umständen verhindern wollen.
Der Praefectus Urbi verfügt hier in Rom über nur wenige Anhänger, soweit ich weiß. Mir gegenüber hat noch kein Senator offen seine Sympathien für ihn bekundet, aber viele haben sich über ihn beklagt.
Allerdings glaube ich, einige werden insgeheim doch auf seiner Seite stehen und wenn nicht aus Überzeugung, so doch vielleicht weil er ihre Schulden bezahlt hat.
Denn Geld hat der Mann zur Verfügung und er hat den Befehl über die Urbaner.
Außerdem, sehr richtig, muss man vermuten, dass ihm auch die illyrischen Legionen sehr weit folgen würden, selbst wenn er einen Weg einschlagen sollte, der sich nicht mit der Verfassung deckt. Das wären meines Wissens vier: die Legio XXV Sarmata, die Legio XIII Gemina, die Legio VII Claudia und die Legio XIV... oh, welch Zufall, sie trägt den Beinamen 'Flavia'.
Wer weiß, vielleicht erstreckt sich sein Einfluss sogar noch weiter und auch auf die weiter östlich, in Dacia und in Thracia stehenden Legionen. Das wären dann nochmals vier.“
Quarto behauptete gerne, sich in militärischen Fragen nicht auszukennen. Aber wenn es so war, dann hatte er sich zumindest über diese Details kundig gemacht.
“Ich gebe zu, dass ist nur eine sehr einfache Rechnung. Doch in der Summe ergäbe das bereits eine beachtliche Streitmacht. Und wer weiß, vielleicht ist da noch mehr. Es gibt das Gerücht, er würde freundschaftliche Briefe mit Publius Veturius Cicurinus austauschen. Veturius Cicurinus ist der Statthalter von Syria, wie ihr natürlich wisst. Andere Gerüchte besagen, er hege eine tiefe Abneigung gegen alle Patrizier und man munkelt sogar, er wolle ihre Steuerfreiheit beenden – also eure Steuerfreiheit.“
Quarto warf einen Blick in die Runde. Er sah dabei ein bisschen wie ein altes, lauerndes Reptil aus.
Gab es solche Gerüchte tatsächlich, oder hatte er sie sich nur ausgedacht?
“Wer sind seine Freunde? Eine gute Frage.
Woran bin ich mit euch? Wo stehen die Flavier?
Steht ihr fest zum Regime der Ulpier? Er wurde oft beteuert und gerne will ich es glauben.
Aber dennoch hat ein Sohn eures Hauses versucht den alten Kaiser Iulianus umzubringen. Marcus Flavius Sextus, ein Knabe eures Blutes!
Vielleicht war er besessen, vielleicht hat ihn aber auch der Traum verleitet, einst könnte wieder ein Flavier auf dem Thron sitzen, so wie es einmal war.
Wie steht es um eure Träume?“
Diplomatisch und freundlich hatte Quarto angefangen. Jedem einzelnen seiner Gastgeber hatte er zugestimmt. Aber das Ende war eine unverblümte Attacke. Wollte er seine Gesprächspartner herausfordern?
Als wäre nichts gewesen ergriff er in aller Ruhe seinen inzwischen leeren Becher und hielt ihm einem der Sklaven hin, damit der ihm nachschenken konnte.
Ich muss bei diesem Gespräch ein kleines Problem umschiffen.
Chronologisch vor diesem Treffen, aber in Realzeit parallel dazu, sprechen Archias und Quarto in Misenum mit dem Kaiser. Quarto wird im Rahmen dieser Unterhaltung – so habe ich es zumindest vor – noch auf die Themen Nachfolgeregelung/Caesar und die Unbeliebtheit Salinators zu sprechen kommen.
Aber das ist jetzt noch nicht geschehen und darum weiß ich zum jetzigen Zeitpunkt auch noch nicht, wie der Kaiser darauf reagiert. Das ist nun ein bisschen unglücklich, aber darum muss ich bei Quartos Antworten momentan noch etwas wage bleiben.
Ihr könnt Quartos Ausweichen bei diesen Themen SimOn natürlich trotzdem als gegeben nehmen. Versteht aber bitte, dass ich Quarto, selbst wenn ich es wollte, bei einigen Einzelheiten zurzeit einfach noch nicht konkreter werden lassen kann.