Hatte ich mir so die heutigen Meditrinalia vorgestellt? - Definitiv: Nein! Eigentlich und ursprünglich hatte ich heute abend, wenn es denn mein Zustand zugelassen hätte, meiner Freundin Paula einen Besuch abstatten wollen. Die Gute hatte nämlich in den vergangenen sieben Tagen das Domizil ihres Gatten unter großem Aufwand in eine herbstliche Festoase verwandelt.. extra für dieses feucht-fröhliche Fest im October.. dieses Oktoberfest. (Dabei waren.. wären Tusca und ich natürlich ihre Ehrengäste gewesen!) Und verdammt, obwohl ich Wein sicherlich nur in Maßen (wenn überhaupt) getrunken hätte, wäre wenigstens die Ablenkung von meinen Schwangerschaftswehwehchen und -sorgen schon mehr als Grund genug zur Annahme dieser Einladung gewesen!
Stattdessen saß ich nun jedoch hier, affektiv mal breitbeinig, mal meine Oberschenkel so fest wie möglich zusammendrückend in einem Balneum, das mir zunehmend stickig und heiß erschien und alles andere als "wohltemperiert". Wehe nach Wehe kam und verging und wurde tatsächlich immer intensiver und stärker. Mittlerweile kam ich mir vor, als müsste ich mit meinem Geschrei den ganzen Esquilin unterhalten, auch wenn meine Stimme durch die diversen Mauern und Türen sicherlich kaum viel weiter als bis ins Obergeschoss und in den Garten drang. Und ich merkte, wie meine Kräfte stetig schwanden, wie mein Schweiß rann und wie.. nach zwei gefühlten Ewigkeiten endlich mein Medicus den Ort des Geschehens erreichte! Mit im Gepäck hatte er einen Gehilfen und eine Gehilfin sowie eine Hebamme mit ebenfalls zwei Gehilfinnen. (Ein Teil dieser Leute kam von der Taberna Medica Decima. Ich hatte keinen Schimmer, welcher Teil nun genau; aber meine private Geldschatulle würde später mit ganzen 100 Sesterzen seitens dieser decimischen Praxis belastet sein.)
Da erwischte mich erneut eine dieser elendigen Wehen: "A..AAARRRGHR!" Schmerzerfüllt kniff ich meine Augen zusammen. Ich schaffte es nicht, sie wieder zu öffnen, nachdem auch diese Wehe verklungen war. Stattdessen verabschiedete sich mein Geist für einen kurzen (?) Augenblick aus dem Hier und Jetzt.... nur um sich wenig später frei von jedem Schmerz scheinbar am Ufer des Nil wiederzufinden. Genauer gesagt handelte es sich um einen Arm dieses Flusses im Nildelta. Als kleines Mädchen hatte ich auf dem schmalen Sandstreifen meine ersten Sandkuchen gebacken.. zusammen mit meinem Vater. Und kaum hatte ich das gedacht, da sah ich ihn auch schon, meinen Vater, wie er am anderen Ufer des Flussarms direkt vor der orangenen, untergehenden Sonnenscheibe stand. Ich winkte ihm freudig zu. Aber er sah mich nicht.. oder wollte mich auch einfach nur nicht sehen, wie mir kurz darauf vielmehr schien. Denn er befand sich gerade mitten in einem Gespräch.. mit ausgerechnet.. meinem Onkel Sergius Agrippa!! Erster Ärger keimte in mir. "Was bei den Göttern hast du hier zu suchen?!", rief er zu mir. "Geh gefälligst dorthin zurück, wo du hergekommen bist!" Das war endgültig genug! Ich kochte vor Wut....
..und schrie: "A..AAARRRGHR!" Ein kühler Lappen wurde auf meine Stirn gelegt und ich spürte eine leichte Wärme (ganz so wie nach einer Ohrfeige) auf meiner linken Wange. "Da ist sie wieder.", hörte ich die zufriedenen Worte der Amme, die in der Zwischenzeit ihre Vorbereitungen soweit abgeschlossen hatte. "Sergia, hör mir zu. Deine Kräfte neigen sich mit jeder Wehe mehr ihrem Ende entgegen. Ich möchte also von dir, dass du die nächste Wehe nutzt und presst, was das Zeug hält.. als ginge es um dein Leben!" Denn es ging wohl so langsam auch genau darum. "Hast du das verstanden?!" Ich wollte gegen diesen Oberlehrertonfall mir gegenüber protestieren. Aber meine Kräfte reichten nur noch für ein stummes Nicken. Dann spürte ich, wie sich die nächste Wehe ankündigte. Eine Träne der Erschöpfung, Angst und Verzweiflung verließ meine Augen.
Dann drückte ich und presste ich und versuchte irgendwie zwischendurch auch noch möglichst nicht zu ersticken sondern irgendwie hechelnd nach Luft zu schnappen. Eine weitere Träne löste sich aus meinen Augen; dann noch eine und wieder eine. "Sergia! Bei den Göttern! Bei deinen Ahnen! Press, verdammt nochmal! Wer bist du, hm? Bist du die Ritterin und Postpräfektin Sergia? ..oder bist du nur ein armes, schwaches Ding, das nicht mal ein Kind zur Welt bringen kann?!" Ich wurde sauer! Denn SO hatte NIEMAND mit mir zu sprechen! ..erst recht keine kleine Hebamme, die in der Gesellschaftspyramide weit, weit unter mir stand! "A..AAARRRGHR!", setzte ich dieser blöden Kuh wütend pressend entgegen. "Und atmen und Luft holen nicht vergessen! Der Kopf ist fast da - gut so!" Ich war mir nicht sicher, ob dieses Kompliment wirklich ernst gemeint war. "Und weiter, weiter! Das Pressen nicht vergessen! Los!", blaffte sie mich kurz darauf wieder an und ich war mir wieder mehr als je zuvor sicher, dass diese Hebamme es noch bitter bereuen würde, sich so im Ton vergriffen zu haben. "A..AAARRRGHR!" Wenn ich nur erstmal durch diese Geburt wäre.. sie wäre mause....
"Prima. Du hast es geschafft.", unterbrach die Amme in jetzt doch deutlich wohlwollenderem Tonfall meine Gedanken. Es folgte kurz darauf ein Babygeschrei aus dem Hintergrund, wo sich die Gehilfen der Amme um das Kleine zu kümmern begannen, während der Medicus samt seinen Helferlein sich meiner annahm. Die Amme tupfte mir sorgsam mit einem Lappen den Schweiß von der Stirn, bevor eine ihrer Gehilfinnen mit einem weißen Bündel an sie heran trat. Das in Windeln gewickelte Kind wurde zuerst in ihre Arme gelegt. Dann gab sie es weiter an mich. "Ich gratuliere dir, Sergia. Du hast einen kleinen Bub auf die Welt gebracht." Mit einem Lächeln im Gesicht ließ sie mir einen ersten Moment mit meinem Sohn. Fix und fertig strahlte ich ihn an und konnte meine Augen kaum von ihm lösen. Wenn ich nur nicht so vollkommen kaputt und so ungeheuerlich müde wäre..