Es hätte ihr schon vorher auffallen müssen. Die Art, wie er Serrana anschaute. Wie sie immer beisammen waren. Bei der Verlobungsfeier bei den Iuliern, genau, da hatte er sie geküsst, auf eine Art und Weise, die sie für rein freundschaftlich erachtet hatte – doch da war mehr dahinter. Wie auch jetzt, als er ihr sichtbar zuzwinkerte, wie sie es aus ihren Augenwinkeln bemerkte. In ihrem gesicht wurde sie eine Spur weißer, als es normal war. Irgendwie drangen Serranas Worte an ihr Bewusstsein, welches kurz davor war, sich auszuknipsen. Wir werden heiraten, ist das nicht wundervoll? Ihr Herz schlug schneller, es war nicht das freudige Herzklopfen, welches man hatte, wenn man die große Liebe sah, sondern eines, welches einherging mit Panik, mit Schrecken, mit Klammheit. Ihr feldherrenmäßig-provokanter Gesichtsausdruck schwand von der einen auf die andere Sekunde, und machte dem verständnislosen, armseligen, ja furchtsamen Gesichtsausdruck eines Kindes, dem man ungerechtfertigt eine Ohrfeige gegeben hatte, Platz. Den so fühlte sie sich, als ob man ihr mit diesen Worten mitten ins Gesicht geschlagen hätte.
Calvena, sie hatte auch davon gewusst. Alle hatten sie es gewusst, nur sie nicht, warum? Warum? Septima entschuldigte sich für irgendetwas, in Romanas Ohren klingelte es aber nur noch gedämpft herum, sodass sie nicht verstand, wovon die Tiberia quatschte. Irgendwas wegen Gefühlen... Hohn in den Ohren der geprellten Claudia.
Sie blickte wieder auf Serrana, die sie ja etwas gefragt hatte – nur was, das wusste sie nicht mehr. Irgendwas. „Ich...“ Schamvoll, unsicher klang ihre Stimme. Noch nie hatte sich Romana, obwohl im Umkreis ihrer besten Freundinnen so alleine, so verlassen gefühlt. Was sie fühlte, konnte, durfte sie niemandem erzählen... sie musste es in sich behalten, zulassen, dass es ihr herz und ihre Seele vergiftete. „Ich muss schnell... kurz... Verzeih... zeihung...“ Sie erhob sich mit einer leicht zittrigen Bewegung aus der Kline. „Ja... ähm... gleich wieder da...“, nuschelte sie eher, als dass sie es sagte, und eilte sich, wegzukommen. Ein seltsames Verhalten für Romana war dies, vor allem in den Augen aller, die sie als die ruhige, über allem stehende, prinzipientreue Claudierin kannten. Denn nun war sie – wenn auch nur für einige schreckliche Minuten – nur das Mädchen Romana, deren Schwarm einfach so von ihr weggenommen worden war.
Schnell weg. Nichts wie weg von dieser Misere, von diesen Leuten, von ihrer Freundin Serrana, die den Mann, in den sie sich verknallt hatte, heiraten würde – und das Recht darauf hatte, im Gegensatz zu Romana. Auf die Latrinen zu; nur weg von hier, um wieder irgendwie die Contenance zu finden.