Am Abend des Tages, an welchem Vera starb, war auch schon die Einbalsamierung abgeschlossen, der Libitinarius, den Piso aus der Subura aufgetrieben hatte, zog seiner Wege und kassierte für seine Dienste, die im Wesentlichen darin bestanden hatten, die Leiche einzubalsamieren und im Atrium hinzustellen, sorgfältig drapiert, die Füße zur Türe hin ausgerichtet. Vera sah wunderschön aus, dachte sich Piso, als er den einbalsamierten Leichnam mit wässrigen Augen betrachtete. Nigrina hatte ihr schönstes Gewand für sie herausgesucht, und der Libitinarius war freilich kein unfähiges Würstchen gewesen – vielmehr hatte er hart gearbeitet. Vera sah ein wenig aus, als hätte sie sich in eine Statue verwandelt unter den fähigen Händen des Handwerkers. Dessen Dienste waren nun nicht mehr erforderlich, Piso selbst hatte ihm garantiert, er selber würde dazu schauen, dass Vera fachgemäß bestattet werden würde, hatte der Mann ihm doch noch profitgierig angeboten, dass er seine Träger benutzen konnte, gegen Bezahlung, natürlich.
Nun waren alle weg, es verblieben nur noch Piso und Vera im Atrium. Lange, lange blickte er ihr auf die Augenlider in Ermangelung von Augen. Er musste daran denken, wie er früher am Tage Acanthus den Auftrag gegeben hatte, einen Zypressenzweig an der Türe aufzuhängen, zum Ausdruck dessen, dass ein Familienmitglied verstorben war. Es war nun endgültig und der Welt sichtbar, dass sie tot war. Eine heiße, salzige Träne glit von seinen Augenwinkeln und flog hinab, Veras linkes Ohr knapp verfehlend. Piso fuhr zurück und schlug hastig das Tuch über ihr Gesicht. Er musste schlafen, er musste sich etwas ins Bett legen, er würde noch irre werden. Piso zog einen Obulus aus seiner Tasche und legte sie Vera in den Mund; dann schloss er ihn. Eilends verließ er anschließend das Atrium.
Es war am nächsten Morgen, dass das ganze Theater richtig anfing. Piso hatte eine unruhige Nacht verbracht, und es war kein Wunder, dass er der erste der Gens war, welcher sich am Morgen wieder einfand vorm Sarg, in welchem Vera aufgebahrt lag. Zuvor hatte er sich gewaschen, rituell natürlich, wie man es machen musste, wenn man mit den Tod in Berührung kam, apathisch und teilnahmslos hatte er die Reinigungsformel gesprochen. Der Tod war unrein, niemand sollte sich damit beschmutzen, auch wenn sich Piso fragte, was genau an seiner Vera je unrein werden würde. Dennoch machte er es. Er trug eine dunkle Toga, die den Trauernden vorbehalten war. Man sah, dass er sich nicht rasiert hatte – seine Trauer konnte man kaum stärker als durch Bartstoppeln ausdrücken, das war jedem Römer klar.
Kurz nachdem er sich dort eingefunden hatte, kamen die bestellten Klageweiber. Es war nicht die Art des Römers, seiner Trauer lautstark Ausdruck zu geben (sogar Piso war relativ ruhig gewesen nach dem ersten Schock), doch die Trauerweiber scherten sich kaum darum – sie verdienten Geld dabei, den Lärm zu erzeugen, den die engsten Familienangehörigen nicht machen durften. Je lauter, desto mehr Trinkgeld bekamen sie normalerweise.
Es muffelte nach Weihrauch, Sklaven hatten es entzündet, denn es konnte nicht schaden.
Das misstönende (für Piso gar nicht einmal unangenehme, doch er hatte nun anderes im Kopf als Ästhetik) Heulen der Frauen musste jeden in der Villa aufwecken, und klar machen, dass die Aufbahrung begonnen hatte. Er fragte sich, wer alles kommen würde, um Vera ihren letzten Gruß zu erweisen.
Trauergäste können einfach hineinkommen ohne Umweg über die Porta!