ZitatOriginal von Appius Decimus Massa
Ein Becher Wein. Ich hielt ihn in beiden Händen, drehte ihn. Roter Wein, rot wie so ziemlich alles, was sich die letzten Tage in mein Gedächtnis eingebrannt hatte. Von meinem Gladius tropfte. In den Sandalen stand. Den Sand in roten Schlamm verwandelte. „ Auf den Sieg.“ Baccus erhielt seinen Teil. Der Wein kratze beim ersten Schluck im Hals. „ Besser überstanden als das erste Gefecht. Das war ein Alptraum. Wäre die Turma nicht aufgetaucht...“ Menas Tod war wieder allgegenwärtig. Unbewußt griff ich zur rechten Schulter. Die Stichwunde verheilte langsam. Der Versuch den Schmerz zu ignorieren, klappt nicht immer. Ich nahm einen kräftigen Schluck vom Wein.
„Ich habe mir nicht träumen lassen, meine Probaten-Zeit in der Wüste zu verbringen. Der Umgang mit Kopis und Speer ist mir nicht fremd. In Formation mit Gladius und Scutum ist es etwas völlig anderes.“ Ich trank, der Wein verursachte eine wohlige Schwere in meinen Gliedern. Der Schmerz verflog. Das Sprechen ging wie von selbst. Seit gestern Morgen hatte ich nichts mehr gegessen. „ Serapio du sagtest du hast Kontakt nach Rom, könntest du genau dem Titus Decimus Verus mitteilen lassen, dass es seinen Neffen in die Wüste verschlagen hat. Deiner Schwester schreibe dafür unbekannter Weise einen Gruß und Dank.“ Ich straffte meinen Rücken. Die letzten Stunden machten sich bemerkbar. „ Was würde ich für ein Bad und eine Massage geben. Dazu gepflegte Unterhaltung. Aber vorerst wird es bei vereinzelten Gesprächen und einem Becher Wein bleiben, so wie es aussieht. Das Gesindel wird nicht so schnell aufgeben. Ich habe einem in die Augen gesehen, als er durch mein Gladius starb. In ihnen war keine Angst.“ Der Becher war leer. Ich sollte keinen mehr trinken. Müdigkeit kündigte sich an. Die Lider wurden schwer. Ich wäre am liebsten auf der Stelle umgefallen. Gehen? Ja Gehen. Hier saß man so angenehm. Es fiel schwer. „ Erzähl mir bitte mehr von deiner Familie.“ Zögerte ich das Gehen hinaus.
Natürlich, Massa war bei dem Angriff auf die Probati dabeigewesen. Dem Überfall bei dem Menas gestorben war. Betroffen blickte ich zu dem Verband an seiner Schulter und murmelte irgendwas von "...unsere Späher... die haben da total versagt..."
Noch ein Schluck Wein. Trotz allem tat es gut, sich einfach zu unterhalten, ohne jedes Wort zu überdenken, ohne ständig eine Fassade wahren zu müssen. In Parthien hatte ich meine Contubernales um mich gehabt, und in Sparsus einen guten Freund (auch wenn er manchmal, glaub ich, genervt von meinem vielen Gequatsche gewesen war), als Stabsoffizier war ich dagegen eher einsam. Ravdushara war zwar angenehme Gesellschaft, aber halt nicht wirklich ebenbürtig, zudem konnte ich, seit der Sache mit Hannibal, keinem Sklaven mehr so ganz, vollständig, hundertprozentig vertrauen.
"Ging mir ähnlich. Ich bin direkt vor dem Parthienfeldzug sub aquila gegangen, und wir haben Teile unserer Grundausbildung in den Marschlagern unterwegs absolviert... - Mhm, in Formation ist ganz anders, nicht kunstvoll aber effektiv... - Klar, das schreib ich ihr, dass sie ihm das sagt, also wenn sich mal wieder ein Postreiter hier blicken lässt. Aber hey, schreib Verus doch auch ein paar Zeilen, der freut sich bestimmt..."
Ich lehnte mich etwas zurück, stützte mich mit ausgestreckten Armen ab, und betrachtete mein Gegenüber unverwandt. 'Massage' hatte er gesagt, das war ein Stichwort, das mich auf der Stelle auf ganz andere Gedanken brachte. Wie es wäre, meinen Mund in dieses Lockenhaar zu wühlen. Diesen gestählten Körper auf mein Lager zu drücken, und... Verboten.VERBOTEN!
"Noch Wein?" Ich schenkte uns nach und gab mich unerschrocken. "Ach, letzlich sind es doch auch nur Menschen, also, Barbaren, wir werden sie schon noch das Fürchten lehren. Keine Ungeheuer, schade eigentlich, ich hatte im Museion nachgelesen und da ganz putzige Bilder von diesen Acephali, sogenannten Blemmyern, gefunden. Sie wären eine große Attraktion in Rom, im Kolosseum."
Die Familie. Ich fuhr mit meinem Finger den Rand des Bechers entlang.
"Hm... die meisten sind Soldaten. Mein Vater - also, mein Adoptivvater, mein leiblicher Vater ist vor langer Zeit in Mauretanien gefallen, aber Livianus hat mich adoptiert, davor war er mein Onkel – er kommandiert in Germanien die Legio Secunda. Nur mein Onkel Mattiacus schlägt aus der Art und ist Advocatus. Und meine Tante Lucilla, sie ist die Schwester von Meridius, wäre auch ein guter General. Meine Schwester Seiana ist unheimlich klug, unterrichtet an der Scola und hat jetzt sogar die Leitung der Acta übernommen. Ich bin echt stolz auf sie. Warst du schon mal in Rom, Massa? Musst uns irgendwann mal besuchen, dann zeig ich dir alles..."
Dummer Faustus, schon machst du wieder große Pläne, versuchst die Parzen. Was ist mit den Plänen, die du mit Menas zusammen geschmiedet hast? Pyramiden erforschen, auf den Pharos steigen, alles Staub und Asche...
Ich kippte meinen Becher runter. Massa konnte morgen schon tot sein. Oder ich. Ein Pfeil und Schluß, Aus, Ende......... Verboten. Aber sowas von verboten. Das war mir scheißegal!!
"Auf ein Bad müssen wir wohl noch länger warten. Aber eine Massage kannst du haben."
Ich schenkte Massa ein charmantes Lächeln, wandte mich dann meinem Sklaven zu.
"Wo ist das Massageöl?"
"Hier Herr." Ravdushara hatte es mit einem Griff. Unter der spartanischen Oberfläche barg mein Zelt nämlich doch manche Annehmlichkeit. Ich nahm das Fläschchen entgegen, öffnete es und schnupperte. Ein herber Sandelholzduft stieg mir in die Nase.
"Ravdushara..."
"Ja?"
"Geh doch bitte raus und löse den Wachtposten draussen ab. Der Mann hat tapfer gekämpft vorhin, er soll auch noch ein bisschen Schlaf bekommen."
Mein Sklave sah nicht gerade begeistert aus. Doch er bejahte, nahm seinen Mantel und verschwand. Ein Hauch von kaltem, trockenem Wind kam durch den Eingang, ließ die Flammen der Öllampe kurz tanzen, dann schlug Ravdushara die Lederplanen wieder übereinander. Voll angespannter Erwartung, aber mit unschuldiger Miene, verrieb ich langsam einige Tropfen des Sandelholzöls zwischen den Handflächen.