Dies Natalis Valeriani

  • Als hätten sie sich abgesprochen in ihrem Tun oder würden einem unmerklichen Zeichen folgen, richteten die Haruspices sich auf und teilten den Pontifices unhörbar für das Publikum die Ergebnisse der Eingeweideschau mit - zumindest schien dies so. Daraufhin trat Cornelius Scapula vor den Altar des Iuppiter und verkündete laut über den Platz hinweg:
    "Litatio! In seiner grenzenlosen Güte hat der göttliche Iuppiter das Opfer akzeptiert und wird weiter unserem Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus sein Wohlwollen zuteilwerden lassen!"
    Nach ihm trat Sestius Gallius vor.
    "Litatio! In ihrer grenzenlosen Güte hat die göttliche Iuno das Opfer akzeptiert und wird weiter unserem Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus ihr Wohlwollen zuteilwerden lassen!"
    Zuguterletzt komplettierte Flavius Gracchus vor dem Altar der Minerva den Ritus.
    "Litatio! In ihrer grenzenlosen Güte hat die göttliche Minerva das Opfer akzeptiert und wird weiter unserem Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus ihr Wohl..wollen zuteilwerden lassen!"
    Damit war das Opfer vollzogen, die vitalia wurden in den Hintergrund hinfort getragen, um dort gekocht zu werden, so dass sie nach der sich anschließenden Vereidigung den Göttern durch das Feuer würden übergeben werden können. Auch der Rest der Opfertiere wurde von einigen Sklaven des Cultus Deorum beiseite getragen, dass auch dies gekocht und im Zuge der anschließenden Feier an das Volk ausgegeben werden konnte. Die Senatoren indes waren noch nicht entlassen, folgte nun doch die Erneuerung ihres Treueeides auf den Imperator Caesar Augustus.



    MFG

  • Potitus hatte sich knapp davon abhalten lassen, während des endlosen Divi Augusti-Rituals ein paar kleine Rosinen einzuverleiben. Schließlich war das Brimborium aber doch beendet und eine neue Wanderung begann, diesmal auf das Capitol. Wie Salinator dabei bemerkte, war der alte Durus auch nicht mehr so gut zu Fuß. Vielleicht sollte man doch mal andenken, ihn in den Ruhestand zu schicken?


    Nach diesem amüsanten Gedanken kam der ganze Zug aber schließlich doch an und die capitolinische Trias wurde zu guter Letzt auch noch mit Opfern bedacht. Diesmal konnte sich der Praefectus nicht davon abhalten lassen, zumindest während der Untersuchung der Haruspices eine Rosine zu naschen, die aber heruntergeschluckt war, bis die Litatio verkündet wurde.


    Damit war endlich sein großer Auftritt gekommen: Salinator hüstelte und trat schließlich in die Mitte, von wo aus er die Senatoren in der ersten Reihe gut sehen konnte. Er hatte allerdings fast das Gefühl, als würden einige fehlen! Aber die Spione des Kaisers würden sicherlich festhalten, wer so frech war, die Geburtstagseinladung des Kaisers auszuschlagen!


    Daher setzte er unberührt zu sprechen an: "Volk von Rom, Freunde des Kaisers!


    Ich begrüße euch alle im Namen des Imperator Caesar Augustus zu dieser Feier. Er entbietet euch allen seine Grüße aus dem fernen Misenum, wo er immer erfolgreicher gegen seine Krankheit kämpft und hofft, schon bald zu euch zurückzukehren! Er wäre sicher gerührt, so viele von euch hier zu treffen, die ihr alle gekommen seid, um ihm Glück und den Segen der Götter zu wünschen! Deshalb soll sein Freudentag auch euer Freudentag sein: Valerianus schenkt seinen geliebten Römern deshalb heute Gladiatorenkämpfe und Brot und Wein, damit niemand von euch hungern muss an seinem Ehrentag!"


    Jubel brandete auch und der Vescularier grinste in die Menge. Solche Auftritte liebte er!


    "Bevor wir aber allzu ausgelassen ins Feiern kommen, möchte der Senat aber auch noch einmal seine Loyalität gegenüber Kaiser Valerianus ausdrücken, indem jeder Senator seinen Eid bekräftigt und erneuert! Ich bitte die Herren Senatoren daher vorzutreten!"


    Ein leichtes Gerangel trat ein, während die anwesenden Senatoren sich nach vorn schoben. Das ganze würde jetzt wie bei der Erneuerung des Fahneneids der Legionen ablaufen: Salinator sprach den Eid vor, die Senatoren bestätigten mit einem "Ita est". So begann es schließlich:


    "NOS, SENATORES POPULI ROMANI QUIRITUM, HAC RE IPSA DECUS IMPERII ROMANI
    NOBIS DEFENSURUM, ET SEMPER PRO POPULO SENATUQUE
    IMPERATOREQUE IMPERII ROMANI ACTURUM ESSE
    SOLLEMNITER IURAMUS.


    NOS, SENATORES POPULI ROMANI QUIRITUM, OFFICIO SENATORIS IMPERII ROMANI ACCIPIMUS,
    DEOS DEASQUE IMPERATOREMQUE ROMAE IN OMNIBUS NOSTRAE VITAE
    PUBLICAE TEMPORIBUS NOBIS CULTURUM, ET VIRTUTES ROMANAS
    PUBLICA PRIVATAQUE VITA NOBIS PERSECUTURUM ESSE IURAMUS.


    NOS, SENATORES POPULI ROMANI QUIRITUM, RELIGIONI ROMANAE NOBIS FAUTURUM ET EAM
    DEFENSURUM, ET NUMQUAM CONTRA EIUS STATUM PUBLICUM NOBIS
    ACTURUM ESSE, NE QUID DETRIMENTI CAPIAT IURAMUS.


    NOS, SENATORES POPULI ROMANI QUIRITUM, OFFICIIS MUNERIS
    SENATORIS NOBIS QUAM OPTIME FUNCTURUM ESSE PRAETEREA IURAMUS.


    NOS CIVIUM IMPERII ROMANI HONORE, CORAM DEIS DEABUSQUE
    POPULI ROMANI, ET VOLUNTATE FAVOREQUE EORUM, NOS
    MUNUS SENATORIS UNA CUM IURIBUS, PRIVILEGIIS, MUNERIBUS
    ET OFFICIIS COMITANTIBUS ACCIPIMUS."


    Aus der Herde der Senatoren kam eher ein Gemurmel als ein einmütiges "Ita est!", aber da alle vor den Augen ganz Roms standen, würden sie es schon nicht wagen, den Mund nicht aufzumachen!

  • Macer war nicht sonderlich überrascht, dass das Opfer an die Trias angenommen wurde. Ein abgelehntes Opfer wäre wohl ein sicheres Zeichen gewesen, dass Rom nicht vollständig über den Gesundheitszustand des Kaisers informiert war und man sich ernstlich Sorgen machen musste. So ging aber zumindest vordergründig alles seinen geordneten und erwarteten Gang.


    Ebenso erwartet war die Erneuerung des Eides. Als Kommandeur und Statthalter hatte Macer schon mehrfach Soldaten den Treueeid am Geburtstag des Kaisers abgenommen, jetzt war er mal wieder einer derjenigen, die einfach nur zu antworten brauchten. "Ita est!" bestätigte er an der passenden Stelle die Worte, die für die Stabilität Roms so viel bedeuteten.

  • Nachdem das Opfer vollzogen war, galt es noch, den Eid auf Valerianus zu erneuern - eine besonders unerfreuliche Aufgabe. Doch andererseits war der Eid ja durchaus auch so zu verstehen, dass man sich prinzipiell zu Kaisertum und Staat bekannte! Und als solches Bekenntnis fasste der alte Tiberier dies auch auf, als er laut


    "Ita est!"


    bestätigte. Dennoch hatte er ein ungutes Gefühl bei dieser Tat. Vielleicht hätte er doch lieber ein wenig leiser sprechen sollen - oder gar nicht! Am Ende zog er sich den Zorn der Götter auf sich! In jedem Fall würde er dem Eidgott Iuppiter zur Besänftigung ein Opfer darbringen!

  • Nun ja, was gab es noch Großes über Piso zu berichten? Er lief mit. Mitlaufen, ja, das konnte er, und nichts tun außer sich langsam aber sicher Blasen in die Füße zu laufen. Das Opfer war normal abgelaufen, nichts besonderes. Age hatte er zur selben Zeit gesagt wie die anderen auch, das Blut war geflossen, und gut war es. Piso hatte früher einmal eine recht große Angst gehabt vor Blut. Mittlerweile war ihm der Anblick von Blut schon recht egal, solange es nicht der Anblick seines eigenen Blutes war!
    Es wurde also geopfert, zu Ehren des Vespasian. Zu der Ehre seines Ahnen verweilte er noch ein wenig vor dem geopferten Stier, er musste es ohnehin, denn die Prozession ging noch nicht sofort weiter. Als sie das dann aber tat, reihte er sich wieder bei den Septemviri ein und schaute gebannt zu, wie die Pontifices ihre Opfer vollzogen und ihren Schwur gegenüber den Kaiser erneuerten. Das war richtig erhebend! Noch erhebender würde es sein, hätte Piso nicht gewusst, wie arm und krank der Kaiser dran war, wie schlecht es ihm ging.
    In sich spürte Piso, dass ihm langsam langweilig wurde. Kurz blickte er um sich. Gab es irgendwas, was er zerstören könnte, um sich die Zeit zu vertreiben? Nein. Na gut. Dann blieb er halt stehen und schaute weiterhin zu. Was sollte er auch sonst tun.

  • Nach der Opferung hatte Gracchus zurück zu den übrigen Senatoren sich begeben, und nachdem der Praefectus Urbi sie dazu hatte aufgefordert, ließ auch er das obligatorische
    "Ita est!"
    vernehmen. Es war nicht seine Art öffentlich in Begeisterung zu verfallen, ob dessen seine Schwüre ohnehin stets recht nüchtern ausfielen, und doch - wären die Zeiten andere und der Imperator ein anderer gewesen, Gracchus hätte wohl mehr Couleur der Überzeugung in seine Stimme gelegt, an welcher dieser Tage es ihm ein wenig mangelte.

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  • Den übrigen Fortgang der Zeremonie verlebte der junge Flavius durch einen Vorhang der Scham, der seine Kognition zu trüben vermochte und ihm den Anschein erweckte, der Blick jedes anwesenden Individuums sei strafend auf seine Gestalt gerichtet, sodass er seinerseits nicht geneigt war, den Blick erneut zu erheben. In diesem Gestus der Bescheidenheit verharrend war es ihm indessen schwerlich möglich, tatsächlich von dem weihevollen Eidesritual Notiz zu nehmen, weswegen der die Camilli betreuende Calator neuerlich gezwungen war, den Knaben beiseite zu schieben, als sein Platz von den Senatoren benötigt und prompt eingenommen wurde.

  • Bis jetzt war Victor einfach nur der Menge der Senatoren gefolgt und hatte kein sonderliches Interesse gezeigt in irgendeiner Form aufzufallen. Dieses Verhalten gedachte er auch an dieser Stelle nicht aufzugeben und ließ sich einfach nur mit den anderen Senatoren treiben, als diese für den Eid einige Schritte nach vorne strömten. "Ita est." Deutlich waren die Worte des Octaviers zu vernehmen, schließlich meinte er sie auch so und musste deshalb nicht nuscheln.

  • Potitus beobachtete den einen oder anderen Senatoren, als dieser den Eid bekräftigte. Manchen schien es nicht hunderprozentig zu schmecken! Aber das belustigte den Praefectus mehr, als dass es ihn beunruhigte! In Anbetracht des nahen Endes dieser ganzen Prozeduren war er sogar in ausgesprochen guter Laune!


    "Römer, nachdem die Senatoren für euch alle den Eid erneuert haben, können wir jetzt gemütlich werden! Euer lieber Kaiser schenkt euch das Opferfleisch! Ihr könnt es später an der Tempelküche abholen!" Das war so nicht ausgemacht gewesen, aber Salinator hatte kurzerhand beschlossen, dass die fetten Pontifices das Fleisch weniger dringend brauchten als die Plebs, auf die Valerianus sich stützen musste! "Ansonsten sehen wir uns heute Nachmittag zu den Spielen! Valete!"


    Damit hatte der Praefectus seinen Part an dieser Sache erledigt. Er grinste die Priesterschaften noch einmal schelmisch an, dann verschwand er in der Schar seiner Skythen, die ihn zu seiner Sänfte führten. Jetzt war es höchste Zeit für einen Becher Wein!

  • Als Senator Vescularius die Senatoren offiziell entließ, wartete Gracchus noch kurze Zeit bis die Menge sich ein wenig hatte zerstreut, um Ausschau zu halten nach seinem Vilicus, welcher nahe des Tempels bei den camilli verharrte, respektive bei Manius Minor. Es dauerte nicht allzu lange bis er Sciurus und damit auch seinen Sohn hatte entdeckt, welcher noch immer den Anschein gab, als laste alle Schwere der Welt auf seinen Schultern, was Gracchus augenblicklich ein schlechtes Gewissen zurück in sein Gedächtnis rief. Er trat zu ihm hin und strich mit seiner Hand über den dunklen, braunfarbenen Haarschopf des Jungen.
    "Nun, Minimus, bist du müde? Ich bin sehr stolz auf dich, dass du die Anstrengung dieses weiten Weges und des langen Ritus so tapfer er..duldet hast."
    Über sein kleines Malheur bei der Handwaschung wollte Gracchus lieber nicht sprechen, würde dies doch bedingen, Minor bereits in die Interna der Opfergestaltung einzuweihen, dass ein Fehler im einen Falle zu Abbruch eines Opfers konnte führen, im anderen jedoch nicht.
    "Und wenn wir erst deiner Mutter davon beri'hten, so wird sie dies zweifelsohne gleichsam mit Freude und Stolz erfüllen."
    Es war ein wenig deplorabel, dass Antonia nicht selbst zumindest dem abschließenden Opfer auf dem Capitol hatte beiwohnen können, doch fühlte sie sich seit einigen Tagen ein wenig unpässlich - nichts ernstliches, dass Gracchus übermäßig in Sorge ob dessen würde verfallen, doch immerhin derart, dass sie das Haus nur ungern verließ.
    "Möchtest du nach Hause oder sollen wir den Geburtstag des Imperators noch ein wenig auf dem Forum fetieren? Es sind Gaukler und Puppenspieler dort, Tänzer und Akrobaten, und allerlei Stände mit Süßspeisen und Naschwerk."
    Da sein Sohn einer jener wenigen Menschen war, denen gegenüber Gracchus es schwer fiel, mit Worten um Verzeihung zu bitten, hoffte er, sein Sohn würde durch solcherlei ein wenig milder in seinem Urteil über die Unzulänglichkeiten seines Vaters gestimmt, obgleich es nicht viel gab, das Gracchus weniger angenehm war als sich in die Vergnügungen der Massen zu stürzen.

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  • Nach der Vereidigung machte Salinator eine doch etwas ungewöhnliche Ankündigung: Das Opferfleisch würde offensichtlich an die Plebs gehen! Nicht, dass Durus oder einer der anderen Priester es wirklich nötig gehabt hätte, doch entsprach es absolut nicht der Tradition, dass bei einem solchen Staatsopfer der gemeine Pöbel partizipierte! Die Magistrate, Senatoren und Priester waren die Repräsentanten des Staates, nicht die arbeitslosen Bettler auf den Straßen! Und welcher Gott wollte schon mit einem Handwerker Mahlgemeinschaft halten?


    So stieg der alte Tiberier mit einem leicht säuerlichen Gesichtsausdruck die Sänfte, die ihn nach Hause bringen würde - vor den Spielen brauchte er erst einmal ein bisschen Ruhe!

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