Erste Anhörung - Duccius Vala vs. Flavius Flaccus

  • Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus
    "Es gibt keine Münze, deren Wert derart gering wäre, Minimus. Du müsstest einen Quadrans in sechs gleich große Teile schlagen, so würde einer dieser Teile dem Wert entspre'hen, über welchen hier verhandelt wird. Ich gehe jedoch davon aus, dass Flaccus seine Waren in größerer Stückzahl hat verkauft, so dass ein halbes Dutzend davon um einen Quadrans weniger kostete als an Gesamther..stellungskosten für alle sechs Stücke angefallen sind. Angenommen er hätte ... 96 Stücke verkauft, so würde die Summe seines Vergehen sich also auf einen Sesterz belaufen."
    Eine mehr als lächerliche Summe aus dem Blickwinkel der Flavier, selbst wenn es 960 Stück und somit 10 Sesterzen gewesen sein mochten.
    "Jenem Manne, welchem diese Diskrepanz aufgefallen ist, wäre zweifelsohne eine sehr erfolgrei'he Beamtenkarriere in der Verwaltung beschieden, dort wird auf solcherlei ... Genauigkeit sehr viel Wert gelegt."


    Dass sich eine derartige Münze selbst der Kenntnis des Vaters entzog, versetzte den Knaben durchaus in Erstaunen, welches doch zumindest gemildert wurde, nachdem dieser auf den summarischen, fehlgehenden Preis einer größeren Menge hinwies, welcher dem jungen Flavius ob seiner tiefsten Abscheu entgegen jedweder Arithmetik selbstredend sich entzogen hatte. Dementsprechend vermochte er es ebenfalls nicht, die kurze, überaus admirabile Aufrechnung des Fehlbetrags auf eine größere Summe nachzuvollziehen, sondern hatte Manius Maior schlicht zu vertrauen.


    Jener abschließende Kommentar hingegen machte Manius Minor nicht wenig beklommen, da ihm derartige Pedanterie gänzlich fern lag, sodass er eine öffentliche Laufbahn, sollte sie nicht durch sein optisches Unvermögen, so doch zumindest durch sein arithmetisches in weite Ferne rücken sah.
    "So etwas tun Magistrate?"
    Selbstredend hatte der Knabe in diesem Falle nicht zwischen dem Magistratus und Procurator, Accensus oder Rationalis differenziert, welche ihm sämtlich für einen Patricius adäquat erschienen, da sie dem Staate dienten, wie man es auch von ihm erwartete.

  • Der Prozess wurde eröffnet und alle, die noch in irgendwelche Gespräche verwickelt gewesen waren, verstummten oder verlagerten sich zunehmend auf den Flüsterton. Vorsichtig schaute Axilla zwischen denjenigen hindurch, die noch vor ihr saßen, und beruhigte ihr aufgeregtes Herz mit der mantraartigen Wiederholung des Gedankens, dass es keinen Grund zur Nervosität gab und sie hier einzig aus Gründen der Berichterstattung war. Derlei Prozesse gab es schließlich selten, dass ein Quästor einen Patricius anklagte. Bestimmt war es von öffentlichem Interesse. Es hatte keine persönlichen Gründe. Sicher nicht.


    Es half ganz passabel, und je länger sie es sich vorsagte, umso mehr konnte sie sich selbst auch glauben. Und so hob sich auch ihr Kopf ein wenig, so dass sie sehen konnte, was vor sich ging. Zuerst erhielt Vala das Wort.
    Axilla sah zu ihm herüber und ein stummes Seufzen entrang sich hier kurz. Er sah stattlich aus, so fein in Toga. Nicht so gut wie als sie ihn kennengelernt hatte, wo er doch etwas urtümlicheres an sich gehabt hatte, aber dennoch. Sie kam nicht umhin, sich zu fragen, wie er in seiner Rüstung wohl aussehen mochte, immerhin war er Tribun gewesen. Doch sie verscheuchte diesen Gedanken gleich wieder und versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren.
    Axilla hatte ihm sicher ein halbes Dutzend Mal gesagt, dass er nobler war, als er von sich dachte. Als er also anfing, davon zu reden, dass er das hier die Rechte derjenigen verteidigen wollte, die ihren Lebensunterhalt auf den Märkten verdienten, den ärmeren, wenngleich nicht den ärmsten Schichten Roms, war Axilla schon etwas verwundert. Er hatte sich so oft dagegen verwehrt, dass sie ihn als gut und nobel ansah, und jetzt tat er etwas nicht aus Eigennutz, sondern für Leute, die er nichtmal kannte. Ob seine Zeit bei der Legio das bei ihm bewirkt hatte? Axilla war der festen Überzeugung, dass dieses Leben Männer zu besseren Männern machte, und sie hatte Vala ja schon vorher perfekt gefunden.
    Aber dennoch konnte sie sich des Gedanken nicht erwehren, was bei allen Göttern der Mann da machte. Er konnte doch nicht einen Patricius so vors Gericht zerren! Auch wenn seine Absicht wirklich wundervoll zu sein schien. Aber er hatte ihr doch erst vor wenigen Wochen den Vortrag gehalten, dass er als Homo Novus es sich nicht leisten konnte, jemand aus den oberen Schichten der Gesellschaft zu vergrätzen, wie die Vinicia. Und Axilla hatte es ihm ja auch geglaubt, hatte ihn verstanden. Einigermaßen zumindest. Aber jetzt, wenn er den Flavier angriff, machte er genau das, was er noch vor wenigen Tagen als unmöglich deklariert hatte. Hatte er sie also angelogen? Oder warum machte er das hier? Axilla verstand es nicht und wollte ihm am liebsten zuflüstern, dass er es sich noch einmal überlegen sollte. Die Flavier waren sicher noch einflussreicher als die Vinicier – denen so ein Auftritt sicher auch nicht unbedingt gefiel.
    Und den Vorschlag zur gütlichen Einigung bedachte Axilla mit einem noch größeren Stirnrunzeln. Flaccus sollte sich in aller Öffentlichkeit entschuldigen? Also eingestehen, dass er einen Fehler gemacht hatte, er, als Flavier, noch vor dem Beginn einer politischen Karriere? Er sollte sich auf die Rostra stellen und sich bei kleinen Krämern und Schlachtern entschuldigen? Öffentlich? Mit Sühneopfer? Irgendwie glaubte Axilla nicht, dass er sich darauf einlassen würde, und sie fragte sich, was Vala da geritten hatte, das als Vorschlag zur Einigung vorzubringen.


    Dann aber war Flaccus dran, auf Valas Rede zu antworten. Und wie er das tat! Axilla glaubte, noch nie eine so lange Rede gehört zu haben. Und diese wäre sicherlich noch einmal so effektiv gewesen, wenn der Flavier hin und wieder eine Sprechpause gemacht hätte, um seinen Zuhörern so die Gelegenheit zu geben, die genannten Punkte einzeln und jeden für sich zu begreifen. So aber redete er immer weiter, kam von einem zum nächsten, was zwar seine Redeausbildung wirklich zur Geltung brachte, aber Axilla dann insgesamt grübelnd zurückließ.
    Sicher, Flaccus Rede war emotional bewegender gewesen als die von Vala. Aber er hatte ein paar Punkte darin aufgeführt, bei denen sich Axilla so manche Frage stellte.
    Zunächst einmal das, was auch der vorsitzende Iudex auch gleich richtigstellte: Wie konnte man keine Kosten haben? Was fraßen seine Ziegen im Winter, wenn es kein Gras mehr gab, das sie fressen konnten? Da musste man doch Getreide zufüttern. Dieses konnte man folgerichtig nicht verkaufen, wodurch Kosten entstanden. Dazu noch die Sklaven, die ja auch essen mussten, etwas anziehen, die mal krank wurden und auch starben, denen man auch ein Pecunium zugestand, die ausfielen, wenn sie Kinder bekamen, welche dann wiederum essen mussten, schlafen, etwas anziehen, die im Winter heizen mussten, die irgendwo wohnen mussten, die den Hausgöttern opfern mussten...
    Aber Purgitius Macer stellte das ganze auch gleich mit seinem nächsten Statement eindeutig richtig, dass natürlich bei jedem Betrieb Produktionskosten und Erhaltungskosten anfielen. Alles andere hätte Axilla auch gewundert. Sie betrieb eine Imkerei, was nicht viel mehr war, als ein paar Bienenstöcke in der Nähe eines Waldes aufzustellen, und selbst das verursachte auch Kosten. Da musste ein Ziegenhof doch mehr Kosten verursachen als ein paar popelige Bienen.
    Die nächste Frage, die sich Axilla stellte, sobald Flaccus es ansprach, betraf desen Mutter. Wieso musste er für sie sorgen? Es war ja nichts ungewöhnliches, dass ein Sohn sich um seine Mutter kümmerte, das war ja sogar sehr tugendhaft. Aber Axilla konnte sich nicht vorstellen, dass die Flavier mit ihrer Jahrhunderte währenden Gensgeschichte und ihren Kaisern und ihrem Stand in eine arme Familie eingeheiratet hätten. Und da Flaccus' Mutter folglich nicht total verarmt sein konnte, musste sie doch eigentlich genug eigenes Vermögen haben – oder zumindest ihre Familie genug eigenes Vermögen besitzen – dass sie nicht auf die Unterstützung ihres Sohnes in dem Maße angewiesen war, als dass es um ihre bloße Existenz ginge. Was natürlich nicht hieß, dass er sie nicht mehr unterstützen sollte, nur sah Axilla die Notwendigkeit nicht. Und die zweite Sache bezüglich der Mutter war dann auch gleich bei der Hand: Wenn sie so jung verwitwet war, warum hatte sie nicht erneut geheiratet? Axilla wusste nichts davon, dass Flaccus Geschwister hatte – allerdings war ihre Bekanntschaft auch oberflächlich genug, dass sie ihn danach auch gar nicht gefragt hatte – und sofern seine Mutter nicht drei Kinder bekommen hatte, war sie ja sogar verpflichtet, erneut zu heiraten. Axilla wusste das nur zu gut, war ihre Situation doch gar nicht so unähnlich.
    Wo Flaccus allerdings Recht hatte, war die Frage nach Valas Frau, nach seinen Kindern, und Axilla ließ ihren Blick etwas wehmütig zu dem großen Germanen schweifen. Wenn er nur... nein, das führte zu nichts. Hättewärewenn brachte rein gar nichts, denn es war nicht so, wie es eventuell hätte sein können. Und es bedeutete nur Kopfschmerzen, darüber nachzudenken. Ein weiteres, lautloses Seufzen entrang sich ihr, und in ihrer Trübsal bekam sie nur halb die Antwort des Flaviers auf den 'gütlichen Vorschlag' mit.

  • Obgleich nicht zu erwarten war gewesen, dass Flaccus nur wenige Worte würde verlieren, seine Verteidigung gar dilettantisch würde ausfallen, so war Gracchus doch ein wenig erstaunt über die Länge der Apologie, mit welcher sein Großneffe schlussendlich aufwartete, andererseits indes gab es nur wenige Flavier, welche keinen Gefallen an oppulenten Reden fanden, und allfällig gehörte der junge Flavier eben zu jenen Mitgliedern der Familie, welche schlichtweg nicht dazu fähig waren, sich kurz zu fassen - wie Gracchus selbst etwa, welcher dies bisweilen durchaus als Makel bedauerte, neidete er doch jenen Männer, welche eine Information derart in einen einzigen, kurzen Satz konnten verpacken, dass ihr Gehalt nicht verloren ging, gleichsam indes nichts überflüssiges an dem Konstrukt zu finden war. Alles in allem befand er die Apologie durchaus als gelungen, wenn auch in einigen Punkten ein wenig übertrieben und zweifelsohne nicht gänzlich perfekt, doch konnte es eine perfekte Rede ohnehin kaum geben. Selbstredend entging Gracchus die kleine Spitze seines Verwandten gegen den Praetor, welcher die Klage hatte entgegen genommen, nicht, und wiewohl ihn der Umstand nicht verwunderte, dass ihm dies Detail war entgangen, so irritierte ihn, dass Sciurus dieser Fehler war unterlaufen, wiewohl ihn dies Faktum gleichsam sekkierte, hätte doch - wäre nicht Flaccus der Angeklagte - durchaus daraus ein publikes Nachspiel noch erwachsen können, welches weit bedenklicher sich hätte zeigen können als nur die Komprommitierung durch die Tatsache, dass er während seiner Amtszeit es an Sorgfalt hatte mangeln lassen. Dem Fortgang der Rede folgte Gracchus konzentriert, sann ein wenig noch über die erwähnten Punkte nach, neuerdings noch einmal über die Intention des Duccius, ehedem er hernach seinen Kopf zu seinem Sohn wandte, um diesem einen Hinweis zu geben, doch während er das Antlitz Minors von der Seite betrachtete, kam ihm zu Sinnen, dass er jenem noch eine Antwort war schuldig. Hastig suchte er sich dessen zu erinnern, wie die letzte Frage seines Sohnes hatte gelautet, war dessen sich sicher, dass es zweifelsohne etwas mit dem Prozess hatte zu tun, konnte sich indes partout nicht dessen entsinnen, ob dessen er schlussendlich darüber hinweg wollte gehen und mit seinem neuen Hinweis fortfahren, nur um festzustellen, dass ihm über den vergeblichen Versuch des Erinnerns auch dieser war verlustig gegangen. Ein leises, missmutiges Brummen entfuhr seiner Kehle als er sich von Minor abwandte, dem Geschehen vor ihnen wiederum seine Aufmerksamkeit schenkend, wo Flaccus den Erläuterungen des Iudex eben hatte zugestimmt. Ohnehin war es besser, die Konzentration seines Sohnes nicht zu stören und über das Geschehen erst im Nachhinein zu reflektieren, dass Minor nicht etwa im entscheidenden Augenblicke die Essenz der Anhörung würde verpassen.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Konträr zum Ansinnen Gracchus Maiors, die Konzentration Gracchus Minors nicht durch erläuternde Disputationen zu disturbieren, verwirrte die Replikschuld den Geist des Knaben neuerlich, da jenes abwartende Brummen ihm suggerierte, bei seiner Frage habe es sich um eine überaus absurde oder gar dümmliche gehandelt. So frug er sich beständig, welches Malheur ihm unterlaufen sein mochte, während Onkel Flaccus sich aufs Neue zu dem Casus äußerte.

  • Während der Flavier seine Rede hielt, registrierte Vala mit zunehmender Enttäuschung, dass er einen vollkommenen Hornochsen vor Gericht gezerrt hatte. Was hier von dem Angeklagten an rhetorischer Fähigkeit gezeigt wurde, entbehrte er gleichsam an dargestellter Substanz... als würde der Mann ein Haus anstreichen bevor er überhaupt einen Gedanken daran verschwendete Wände hochzuziehen. Innerlich notierte er sich die Breschen, die der Flavier selbst in seine Verteidigung geschlagen hatte, und wartete darauf, dass der Monolog sein Ende fand um mit offensichtlich kaum benötigter Mühe durch die Selbstdarstellung des Angeklagten zu marschieren... doch da nahm ihm der Iudex auch schon einen Anteil der Arbeit ab, wenn auch etwas viel weniger streitlustig als Vala das getan hätte.
    Jetzt galt es an ihm, den Karren sicher nach Hause zu fahren, und die Wahl der Mittel fiel auf eine deutlich nüchternere Prozessführung, dafür mit mehr Gehalt als der in allen Farben schillernden Luftblasen, die der Flavier ausspuckte.


    "In diesem Fall muss ich mich wohl korrigieren. Da Flavius Flaccus nicht den geringsten Überblick über die Herstellungsbedingungen der in seinem Namen angebotenen Waren zu haben scheint, kann man wohl leidlich von einer absichtlichen Benachteiligung der Mitbewerber sprechen.", ruderte Vala ein paar Schritte zurück, nur um sich gleich darauf wieder voll ins Holz zu legen, "Das habe ich allerdings auch gar nicht. Ich habe bereits festgestellt, dass Flavius Flaccus bisher nicht mit den Gesetzen der ewigen Stadt in Konflikt geraten ist, wer möchte ihm da niedere Intentionen vorwerfen, anstelle die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass er schlecht beraten worden ist?"
    Ein gönnerhafter Blick zum Angeklagten und in die Runde sollte seine Milde in dieser Hinsicht unterstreichen, wurde im Anschluss aber von einer rückkehrenden Entschlossenheit abgelöst: "Das tut hier aber gar nichts zur Sache. Genauso wenig wie die letztlich verkaufte Menge, denn es geht nur um das Angebot. Flavius Flaccus hat gegen die Gesetze der Stadt verstoßen, um nichts anderes geht es gerade. Aber das will ihm anscheinend nicht in den Kopf... So möchte er die Sühne der Tat vollziehen ohne die Tat anzuerkennen? Was für eine paradoxe Situation soll das sein? Und welcher Gott würde solch ein Sühneopfer annehmen? Wäre dies nicht eine offene Beleidigung des Merkur, ihm zu opfern und gleichwohl das versehentlich aber doch geschehene Vergehen an den Marktgesetzen der Stadt zu leugnen? Die Pax Deorum hat sich in vergangener Zeit als fragiles Gut erwiesen.. willst du eine Beschädigung dessen aus eigenem Stolz riskieren, Flavius?"


    Den Vorwurf ließ Vala drohend im Saal stehen und einige Momente verstreichen, in dem die Möglichkeit einer Störung des Götterfriedens durch die Impertinenz des Flaviers in Betracht gezogen werden konnte.


    "Du sprichst von deiner armen zu versorgenden Mutter? In was für einer Zeit leben wir, dass sich die ältesten, verdientesten und ruhmreichsten Gentes und Familien der Stadt dazu herablassen müssen, sich mit den Familien einfacher Fleischer und Marktwirker zu vergleichen? Und worüber soll dein Angriff auf meine Ambition wirklich hinwegtäuschen? Erwartest du tatsächlich, dass sich die von dir und deinen Verwaltern geschädigten Männer selbst vor Gericht gegen dich durchsetzen? Fleischer sollen eine Anzeige formulieren, sie vor dem Iudex argumentieren und schließlich eine Einigung erreichen? Flavius, muss ich dich wirklich darauf hinweisen, dass es den Traditionen der Stadt entspricht sich für solche Fälle durch Männer vertreten zu lassen die Lesen und Schreiben können? Die mit den Gesetzen der Stadt Rom vertraut sind und mit dem Wirken vor Gericht? Alles andere wäre eine Schau, kaum des Gerichts würdig.. so leicht kannst du es dir nicht machen wollen."


    Nach dieser Zurechtweisung richtete Vala sich wieder an den purgitischen Iudex: "Nachdem der Flavius viel geredet und wenig gesagt hat, und sein Angebot nicht mehr darstellt als den lächerlichen Versuchung einer Verdrehung der Selbstdarstellung seiner selbst, beharre ich auf der von mir zuvor genannten Forderung: ein Sühneopfer unter Anerkennung der von ihm selbst auf sich geladenen Schuld, eine Festellung des letztlichen Schadens und eine Kompensation in diesem Umfang an die Konkurrenten auf den Märkten der Stadt."

  • In einem Anflug von Verweiflung ob der einfältigen Starrsinnigkeit seines Kontrahenten, musste Flaccus sich an den Kopf greifen. Denn obschon das wohlkonstruierte Gebäude seiner Verteidigung durch die rhetorische Qualität seiner Rede gleichsam Glanz und Strahlkraft gewinnen musste, so war doch kein einziges überflüssiges Wort darin enthalten gewesen. Dem Iudex zu widersprechen, dass jener wohl nicht allen Ernstes im Sinn haben konnte, den Preis eines Messers auf hunderte und aberhunderte einzelne Ziegen aufzuteilen, die damit getötet werden konnten, noch weniger auf die tausenden einzelnen Stücke Fleisch, welche schließlich tatsächlich zum Verkauf bestimmt waren, hielt der junge Flavius für ungünstig, und unterließ es - wenigstens für den Moment. Denn der Duccius ließ keine Hoffnung daran aufkommen, dem aberwitzigen Treiben ein Ende zu bereiten, sondern war in seinem Wahn sichtlich gewillt, sein Gesicht in einem ausgewachsenen Prozess auf das Spiel zu setzen. Bereits in seinem ersten Satz stellte der riesige Germane seine Einfältigkeit erneut bereitwillig zur Schau. "... kann man wohl leidlich von einer absichtlichen Benachteiligung der Mitbewerber sprechen." - Ein wahres Wort aus dem Munde des Klägers, welches bereits diese Anhörung, vielmehr noch einen tatsächlichen Prozess völlig zwecklos machte. Denn wenn der Duccius selbst der Meinung war, dass Flaccus seine Mitbewerber nicht absichtlich benachteiligt hatte, so war der Gesetzestext nicht erfüllt, die Handlung somit nicht tatbestandsmäßig und folglich auch nicht als dem Gesetze zuwider handelnd anzusehen. Immernoch zwang sich der junge Flavius allerdings zu höflicher, stoischer Ruhe, erst als der Duccius es wagte, die pietas des Flaviers in Zweifel zu stellen, sah jener sich genötigt, in den wüsten Strom der Anschuldigungen ordnend einzugreifen.


    "Werter Duccius.", begann er also direkt in jene Pause, die Vala wohl als seine Worte wirksam unterstreichend erachtet hatte, ruhig und entspannt, "Offenbar warst du nicht gewillt, meinen Worten zur Gänze zu folgen, doch ich will sie dir nochmals vergegenwärtigen: Nicht zur Sühne für nicht begangenes Unrecht, sondern pro populo Romano Quiritibus, zum Wohl und Heil der Stadt und des römischen Volkes will ich ein öffentliches Opfer im Tempel des Merkur darbringen, jenes Gottes, welchen ich auch als Zeuge dafür anrufe, dass kein Unrecht in meinem Namen geschehen ist! Du magst mir, einem angesehenen Arvalbruder, der ich alle kultischen Pflichten stets mit höchster Sorgfalt vollziehe, wohl kaum vorwerfen, die pax deum läge mir nicht am Herzen!"


    Die völlig deplatzierten und allen Formen des Anstands entbehrenden Angriffe des Duccius auf Aemilia Flava, deren Lebensunterhalt sich natürlich aus den Erträgen des lucanischen Landguts speiste, und die flavische gens an sich ließ Flaccus unkommentiert, wie er auch das Beharren des Mannes auf seinem Standpunkt schweigend zur Kenntnis nahm. Heute war nicht der Tag, um mehr zu sagen, denn der Zweck der Anhörung war erfüllt - beide Parteien hatten ihre Ansichten vorgetragen - das Ziel einer gütlichen Einigung jedoch durch die Stumpfsinnigkeit des Germanen verfehlt.

  • Macer verfolgte das Schauspiel durchaus mit Vergnügen, was er sich als Iudex allerdings nicht allzu offen anmerken lassen wollte. Aber die Reden waren durchaus weiter spannend. Was es den beiden Männern an Erfahrung mangelte machten sie durch Eifer wieder wett. Manchmal wünschte sich Macer mehr solcher Reden, gerne auch im Senat. Solange man am Ende zu einem Ergebnis kam, waren sie ein weitaus angenehmerer Zeitvertreib als manche einsilbigen Wortgefechte, die er schon erlebt hatte.


    Aber bei aller Freue wollte er auch hier das Ergebnis nicht aus den Augen verlieren und ergriff dann auch wieder das Wort, denn er sah seine Frage nicht zufriedenstellend beantwortet. "Duccius Vala, darf ich dich noch einmal auffordern, meine Frage zu beantworten. Bist du ebenfalls der Ansicht, dass der Beklagte Waren zu einem zu geringen Preis angeboten hat oder hat anbieten lassen, dass dadurch jedoch keinem Konkurrenten geschadet wurde? Aus deiner zweiten Rede ist mir dies nicht recht deutlich geworden." Bevor er jedoch die Antwort entgegen nahm, blickte er noch einmal beide Beteiligten an und fügte einen allgemeinen Hinweis an. "Zweifellos werden auch jetzt schon die Götter euer Tun und Reden abschätzen und namentlich Iustitia wird es zweifellos gerne sehen, wenn ihr euch der Gerechtigkeit auch eurem Gegenüber gegenüber verpflichtet fühlt."

  • Der Flavier sprach und festigte ohne große Not Valas Eindruck, es hier mit einem Holzkasper zu tun zu haben. Leise ließ er die Luft zwischen seinen Zähnen entweichen, schüttelte schließlich den Kopf und wandte sich wieder dem fragenden Iudex zu: "Iudex Purgitius, da ich keinerlei Einsicht in die Verwaltungsakten der Betriebe und Marktätigkeiten des Flavius Flaccus habe, kann ich diese Frage schwerlich beantworten. Allerdings spricht das Gesetz auch nicht von einer letztlich effektiven Schädigung von Mitbewerbern, sondern nur von dem Angebot von Waren, welches zur effektiven Schädigung führen soll. Nicht von der Annahme desselben durch potentielle Käufer. Es ist daher, von der Feststellung der Kompensation an seine Mitbewerber abgesehen, unerheblich ob effektiv geschädigt wurde, immerhin ist das Angebot direkt nach meiner Anzeige geändert worden, wodurch man davon ausgehen kann, dass ich selbst weiteren Schaden an den redlichen Mitbewerbern des Flavius Flaccus verhindert habe."


    Nachdem er so die Frage des Iudex beantwortet hatte, ließ Vala es sich nicht nehmen den sehr plumpen Versuch des Flaviers zu kommentieren, das Sühneopfer in ein Wahlkampfspektakel zu pervertieren:
    "Flavius Flaccus hat gegen geltendes Recht verstoßen. Aber steht er zu seinem Vergehen, wie es einem wahren Römer zukommen würde? Nein, er flieht in kleinliche Ausflüchte und Verdrehungen die selbst ein Blinder durchschauen würde. Seine schön gewählten Worte sind nicht in der Lage, das Recht zu verkehren welches zu den Grundpfeilern des mächtigsten und ruhmvollsten aller Völker der Erde gehört. Er möchte ein Opfer zum Wohle des Volkes und zum Heil der Stadt darbringen? Das ist rechtes Maß für jemanden, der die Götter und seine Stadt ehrt... auch für jemanden, der bald zu den Wahlen antritt.. aber es ist KEIN Ersatz für die Sühnung der von ihm zweifelsfrei begangenen Straftat. Er selbst ist es, den er noch am meisten täuscht wenn er davon spricht, dass kein Unrecht durch ihn geschehen ist."


    Nach diesem kurzem Intermezzo wandte sich Vala wieder dem Anklagten zu, den er mit eindringlichem Ernst fixierte: "Quintus Flaccus von den Flaviern: Ich fordere dich ein letztes Mal auf, das in deinem Namen begangene Unrecht einzusehen und den von mir vorgeschlagenen Kompromiss zur Sühnung deines Vergehens anzunehmen."

  • Nur ein Hauch von Ärgernis überschattete das ebenmäßige Antlitz des jungen Flavius für den Bruchteil eines Augenblicks, als der Duccius, welcher in seinem kopflosen Wahn wüste Anschuldigungen um sich warf und in seinen verbalen Attacken in Flaccus durchaus den Eindruck eines übergeschnappten Berserkers erweckte, nicht gewillt schien, dem Beispiel seines Kontrahenten folgend, eine nüchterne Antwort auf die Frage des Purgitiers zu geben, sondern sich vielmehr in bizarre Ausflüchte stürzte, als ob er dem Theater so ein wenig der Lächerlichkeit würde rauben können. Vergebens. Seine Worte, denen es an Enthusiasmus nicht zu mangeln schien, erwirkten doch den Eindruck, als wären sie unüberlegt hingeworfen, jeder Form des Scharfsinns entbehrend. Deshalb mochte es auch nicht weiter verwundern, dass sie ihr Ziel weit verfehlten. Denn ebenso freimütig wie er dem Flavius zuvor den Vorsatz, seine Mitbewerber benachteiligen zu wollen, abgesprochen hatte, so entriss Vala dem wenig kunstvoll inszenierten Schauspiel nun bereits zum zweiten Male jedweden Anspruch auf Legitimität.


    Ruhig wartete Flaccus also ab, bis der Narr seine Tirade zu Ende geführt hatte, ehe er seine Stimme erneut erhob, ohne das Starren des Germanen weiter zu beachten, in dem jener wohl einen Ausdruck des eindringlichen Ernstes wähnte, welcher den Flavier allerdings bei längerer Betrachtung ob seiner Absurdität wohl nur zum Schmunzeln gebracht hätte. "Du behauptest also tatsächlich, Duccius...", begann er und bemühte sich den herablassenden Unterton in seiner Stimme auf ein Minimum zu reduzieren, um den Anschein der Höflichkeit aufrecht zu erhalten und gerade darin ein starkes Gegenbild zu dem Germanen zu entwerfen, dessen Worte seine barbarische Starrsinnigkeit nur allzu deutlich ans Tageslicht treten ließen. "Du behauptest tatsächlich, keinerlei Einsicht in die Verwaltungsakten meiner Betriebe und Markttätigkeiten zu haben, willst aber die Herstellungskosten meiner Waren kennen? Nenn' mich einen Tölpel, doch meiner Meinung nach schließt das Eine das Andere aus..." Nun verschwendete er keine Mühen mehr daran, den ironischen Unterton seiner Stimme zu verbergen. Es war ihm die ganze Zeit über rätselhaft erschienen, wie der Duccius auch nur die leiseste Ahnung von der Situation auf dem flavischen Landgut in Lucanien haben konnte. Nun also offenbarte er in seiner Einfalt freimütig, dass er ohnehin nicht die geringste Kenntnis davon hatte. Ein herber Schlag in das wüst ersponnene Anklagegeflecht, in dessen Wunde der Flavius nun nur noch gnadenlos vordringen musste. "Womit, ehrenwerter Duccius, begründest du dann deine Anklage?", mit erhobener Stimme warf er dem Germanen diese Frage an den Kopf, den er damit ernstlich in Erklärungsnotstand gebracht zu haben glaubte. Offensichtlich war Vala verrückt genug, um eine Anklage in Unkenntnis der Fakten gleichsam auf gut Glück auf die Beine zu stellen. Dann allerdings durfte er sich bei den Göttern nicht wundern, wenn es ihn mit großer Wahrscheinlichkeit sein Gesicht kosten würde. "Du hast vor wenigen Augenblicken selbst zugegeben", fuhr Flaccus also flink fort, ohne Vala Gelegenheit zu geben, auf die vorige Frage zu reagieren, "dass es niemals in meinem Sinn lag, Mitbewerber zu benachteiligen und bereits dadurch verliert die Anklage ihre Berechtigung. Jetzt aber erklärst du auch noch, keine Ahnung von den Produktionsbedingungen in meinem Landgut zu haben, wodurch du unmöglich einschätzen kannst, ob jenes Angebot, welches du als in meinem Namen auf Roms Märkten gemacht entdeckt haben willst, tatsächlich unter den Herstellungskosten gelegen hätte." Das verborgene Funkeln des Triumphes lag in den dunklen Augen des Flaviers als er sprach, in der Hoffnung, den Irrsinn Anklage nun endgültig deutlich genug aufgezeigt zu haben.

  • Nur mit Mühe konnte Vala ein Lächeln unterdrücken, als der Flavier ein Stück Holz in der maritimen Ödnis gefunden zu haben glaubte, in die er vorher noch sein prächtig ausgeschmücktes aber vollkommen schwimmuntaugliches Argumentationsgefährt gesetzt hatte. Hier wäre viel Spott ob der unfassbaren Ahnungslosigkeit des Flaviers angebracht gewesen, der nicht einmal seine eigenen Verwalter konsultiert zu haben schien, bevor er sich hier vor Gericht begeben hatte. Er hatte einfach nicht die geringste Ahnung...


    "Flavius.", schalt Vala daher seinen Kontrahenten wie ein kleines Kind, das frech zu einem Erwachsenen geworden war, "Wie ahnungslos musst DU denn sein, um nicht zu wissen, dass man nirgendswo im römischen Reich Fleisch zu einem Preis von einer 1.35 Sesterzen verkaufen kann und dabei überhaupt noch die Produktionskosten hereinholt? Nirgends."


    Mit einem bedauernden Kopfschütteln ob des sich selbst mit seiner Ahnungslosigkeit brüskierenden Angeklagten wandte Vala sich daher wieder an den Iudex: "Verehrter Iudex, ich werfe Quintus Flavius Flaccus nicht nur vor, gegen die Gesetze der Stadt Rom verstoßen zu haben, ich werfe ihm zudem vor, nicht die geringste Sachkenntnis von den Gesetzmäßigkeiten des Marktes und der Wirtschaft zu haben. Ich bitte daher darum, dass der Angeklagte die Berechnung seiner Produktionskosten offenlegt, damit bewiesen werden kann, dass er zu Unrecht glaubt einen Preis zustande zu bringen, den niemand anderes im Imperium Romanum auch nur als kostendeckend betrachtet."


    Mit einem schon fast enttäuschten Blick wandte er sich wieder an den Angeklagten: "Na dann, mal los..."

  • In stoischer Ruhe und Gelassenheit nahm der Flavius das Benehmen des Ducciers hin, sich stets vor Augen haltend, dass jener im Grunde, dem trügerischen Eindruck der Toga zum Trotze, nur ein einfacher Barbar war und an sein Verhalten darob wohl nicht dieselben Ansprüche gestellt werden konnten, wie das bei einem vir vere Romanus, oder gar einem patricius der Fall sein mochte. Grundlos warf er mit Anschuldigungen um sich, die wohl den verzweifelten Versuch darstellen mussten, von seiner eigenen Unfähigkeit abzulenken. Auch wenn die schier unermessliche Selbstbeherrschung des jungen Flaviers mit jedem Worte aus des Ducciers Mund härter auf die Probe gestellt wurde, blieb er bis zur saloppen Aufforderung, seine Produktionskosten offenzulegen, völlig ruhig.


    "Ehrenwerter Iudex.", richtete er sich daraufhin allerdings direkt an den Purgitier, ohne weiter auf die Worte des Germanen einzugehen. "Zuallererst möchte ich es festgehalten wissen, dass Duccius Vala öffentlich kundgetan hat, dass es nicht meine Absicht war, etwaige Mitbewerber zu benachteiligen." Dieses war der erste Streich. "Dann jedoch muss ich an die Vernunft deiner Person und aller hier versammelten Bürger plädieren. Auch an deine, Duccius.", dabei richtete er seinen Blick auf den Kontrahenten, für den er ob dessen niederträchtigen Art mittlerweile lediglich noch Ekel empfinden konnte. "In Roms Schänken erhält man für nur zwei Asse eine ausreichend satt machende Mahlzeit. Hier befinden wir uns allerdings noch deutlich unter dem Wert eines Sesterzen, geschweige denn jenem von 1.35 Sesterzen. Durch die günstigen Bedingungen, die auf meinem Landgut bei Poseidonia gegeben sind, durch den überaus fruchtbare Boden, das für die Landwirtschaft so günstige Wetter, die weitreichenden Ländereien, die bewirtschaftet werden können und die genügsamen Sklaven, welche den Boden bestellen und deren Verpflegung sich gänzlich aus den Erträgen des Landguts speist, ist es mir möglich auch mit einem vergleichsweise geringen Preis noch gute Gewinne zu erzielen. Es mag sein, dass in kleineren Gütern in der Nähe Roms ungünstigere Bedingungen herrschen, wodurch die Preise der Waren selbstverständlich höher angesetzt werden müssen. Es muss jedoch allen hier klar sein, dass die Produktion an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Gegebenheiten niemals im selben Kostenrahmen sich bewegen kann, sondern vielmehr von den verschiedensten Faktoren abhängig ist und durchaus auch in kurzen Zeiträumen sich aufgrund von Missernten oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen verändern kann. Dennoch meint der Duccius, die Produktion auf meinem Landgut verlange einen genau um 0.01 Sesterzen höher angesetzten Preis. Ich bitte ihn, zu erklären, woraus er diesen Schluss zieht und wie er ihn begründen kann. Ich denke es ist hier die Aufgabe des Klägers, seine Anschuldigungen zu beweisen, als die des Beklagten, sich gegen frei ersonnene Belastung zur Wehr zu setzen."

  • Verzweiflung sprach wohl aus dem jungen Flavier, da er längst gegessenes hervorkehrte um doch noch irgendwo einen Haken zu finden, an dem er sich aus dem Sumpf seines Vergehens ziehen konnte... Vala hingegen entlockte dies nur ein müdes Lächeln, und mit einer laschen Handbewegung fegte er den wortreichen Einwand des Flaviers hinfort: "Papperlapapp. Flavius, hat man dir nicht beigebracht, eine Frage nicht mit einander Gegenfrage zu beantworten? Sobald du dargelegt hast, wie du deine Gewinn- und Produktionsspanne berechnest, werde ich dich in deinen eigenen Irrtum einweihen. Also, bitte."

  • Das anfängliche Vergnügen Macers wich mit dem weiterem Verlauf des Wortgefechts immer mehr deutlicher Missbilligung. Schließlich hatte er genug gehört und erhob sich von seinem Platz. "Meine Herren, ich denke es ist an der Zeit, dass wir dieses unwürdige Schauspiel hier beenden. Ich werde beide Seiten gleich noch genau einmal zu Wort kommen lassen, danach werde ich die erste Anhörung für beendet erklären", kündigte er an. "Es gibt dann drei mögliche Optionen. Erstens: Ihr zeigt doch noch Bereitschaft zu einer gütlichen Einigung und trefft eine Vereinbarung, die der Sache angemessen ist. Dies wäre zweifellos die im Sinne aller Beteiligten beste Option. Zweitens: Wir gehen in die Hauptverhandlung. An deren Ende steht entweder die Feststellung, dass ein Verstoß gegen die Lex Mercatus vorliegt oder die Feststellung, dass kein solcher Verstoß vorliegt. In ersterem Fall wird es wohlgemerkt den Aedilen obliegen, das Strafmaß festzulegen. Das gericht wird nur formal feststellen, ob ein Verstoß vorliegt oder nicht. Ein ziemlich langer Weg also dafür, dass wir hier über eine 'kann'-Bestimmung des Gesetzes streiten. Sollten beide Seiten wieder so auftreten wie heute, wird es zudem auch kein bequemer Weg. Drittens: Ich entscheide nach §26, Satz 3 des Codex Iuridicialis auf Geringfügigkeit der Schuld und mangelndes öffentliches Interesse der Strafverfolgung und rate dem Praetor dazu, auf die Ansetzung eines Hauptverfahrens zu verzichten.". Mit einem säuerlichen Lächeln auf den Lippen blickte er in die Runde. "Ihr habt es in der Hand. Das Wort hat die Anklage." Damit setzte er sich wieder und wartete die letzten Äußerungen beider Seiten ab.

  • Wenn Luca ehrlich war, verstand er nur ein Drittel oder gerade mal die Hälfte von dem, was hier gesprochen wurde. Aber das war einfach nicht seine Welt. Er war auch nicht hier, um zu verstehen und dennoch wollte er ja lernen. Aber hier schlugen ihm so viele fremde Worte um die Ohren, dass es ihn schon irritierte und er schliesslich das meiste ausblendete. Denn er war nicht hier, um zu verstehen, sondern um seinen neuen Herren vor möglichen Handgreiflichkeiten zu schützen.


    Und so nahm er einfach wahr, das eine gewisse Aggressivität in der Luft lag, wenn diese sich eher verbal zeigte. Es war ein Hin und Her und da Luca wie gesagt nicht alles verstand, konzentrierte er sich nur darauf, im Zweifelsfall seinem Herren beizustehen, und sei es, dass er sich vor ihm warf. Aber es wirkte dann auch nicht ganz so, als würde dieser Fall eintreten. Das hier waren eben Römer und sie redeten über etwas, was Luca kaum verstand, auch wenn er glaubte, zu wissen worum es wohl in etwa ging. Aber es lag eben auch daran, dass er die Sprache nicht gut genug beherrschte. Hier eine flammende Rede des Anklägers, dort eine für ihn erst einmal schlüssige Antwort seines Herren. Dennoch: Wer jetzt wirklich hier im Recht war, entzog sich Luca, weil er das römische Recht einfach nicht kannte. Und er hatte schon wahr genommen, dass von dem Ankläger eine gewisse Schärfe ausging, eine Provokation und er fand, dass dies vielleicht nicht angemessen war, aber Luca hatte ja eh keinerlei wirkliche Ahnung, worum es hier ging. Um einen zu niedrigen Marktpreis seines Herren angeblich, der die Preise der anderen ....


    In Lucas Kopf rauchte es. Nein, er war noch zu neu in Rom. Er würe später mal seinen Herren darauf ansprechen. Das war ihm alles zu joch, auch was sonst noch gesprochen wurde, auch wenn er glaubte, herausgehört zu haben, dass sein Herr ja schon auf eine Einigung aus war, diese aber wohl nicht angenommen wurde.


    Das es hier um Ansehen und sonst was ging, das ahnte Luca dann nicht. Nicht weil er dumm war, sondern eil er eben doch nur die Hälfte verstand. Und so stand er weiter bereit da und wartete ab. Nein, über all dies nun grübeln würde nur seine Konzentration schmälern.

  • Valas Mundwinkel zuckten, als er deutlich irritiert die Intervention des Iudex hinnahm. Was sollte das denn jetzt? Er war doch so kurz davor, dem Flavier klarzumachen, dass er hier gründlichen Mist erzählte und offensichtlich nicht die geringste Ahnung von dem zu haben was seine Betriebsverwalter so trieben... eigentlich hätte er hier genauso gut ein Kind vor Gericht zerren können. Hatte er wohl auch, selbst wenn der Mann kaum jünger war als er selbst. Er widerstand der Versuchung, bei soviel taktisch unkluger Einmischung den Kopf zu schütteln, raffte sich zusammen und straffte die Schultern... wenn der Iudex es so wollte, konnte der Flavier halt die ganz harte Tour haben.


    "Verehrter Iudex.. der Angeklagte weigert sich nach wie vor die Strukturen anzuerkennen nach denen die Märkte der Stadt Rom wie auch aller anderen Märkte des Reichs funktionieren... und auf welchen die Lex Mercatus fußt. Ich habe einen Kompromiss angeboten in der Absicht den Schaden für Quintus Flaccus von den Flaviern so gering wie möglich zu halten.. aber dieser Kompromiss wurde vom Angeklagten mit Füßen getreten, offensichtlich in der Annahme, dass die Gesetze der Stadt Rom für ihn nicht gelten." , sprach er mit einer Miene, die Bedauern über soviel Naivität ausdrückte, gleichzeitig behielt er aus den Augenwinkeln eins der wenigen Fenster im Blick. Sollte er den Flavier tatsächlich vor die nächste Instanz zerren? Innerlich bat er um ein Zeichen der Götter.. einer geworfenen Münze gleich.. aber das Fenster blieb leer, zeigte nur den blauen Himmel über der Stadt.
    "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.. schon die Einhaltung des durch die Lex Mercatus festgelegten Mindestverkaufspreises in Form der Herstellungskosten stellt für die Mitbewerber einen harten Einschnitt dar, den kaum jemand leisten kann ohne sich selbst zu ruinieren... wenn er aber ganz sicher ruiniert, sind seine Mitbewerber, die Flavius Flaccus durch seine jede Marktrealität verleugnenden Darstellungen verlacht. Von einer Geringfügigkeit kann man hier also kaum sprechen, auch wenn die Streitsumme letztlich klein ausfällt, so wären es die potentiellen Folgen der Kontinuität solchen Geschäftgebahrens sicherlich nicht. Sollte er sich weiterhin weigern meinen Kompromiss wie ich ihn dargestellt habe anzunehmen, beantrage ich die Aufnahme der Hauptverhandlung."

  • Und plötzlich ging es ab - aber richtig! Da konnte der Senator gar nicht so schnell zur Ordnung rufen, wie sich beide Parteien auf ihren Standpunkten verharrend verbal angriffen. Bis ins Private des Gegenübers waren beide gegangen und warfen sich vor nicht zuzuhören oder einfach keine Ahnung zu haben. Das war ein Prozess, wie er dem einfachen Volk gefiel! Es war mehr als deutlich wahrnehmbar, dass die Zuhörer- und Zuschauerschaft unruhig wurde während des heftigen Wortgefechts. Automatisch bildeten sich Unterstützergruppen für beide Lager, die ihre Meinung auch deutlich hörbar mitteilten. Und Dives - als einer nur Weniger - befand sich inmitten dieser Chöre...


    Dann wurde es langsam wirklich etwas unübersichtlich für Dives. Einerseits waren gerade solche Prozesse es, die so groß aufgezogen und mit großen, bekannten Leuten bestückt waren, die es in der Provinz Asia nicht gab und für die allein es sich schon lohnte, hier in Roma zu sein! Auf der anderen Seite blieb zu hoffen, dass die Amtsdiener die Situation auch weiterhin im Griff haben würden, denn Dives hatte wenig Lust auf eine Rauferei à la Wirtshausniveau! Wohlmöglich würde er noch Verletzungen davon tragen. Selbst der beste Kämpfer wäre bei diesen unübersichtlichen Verhältnissen wohl nicht davor gefeit...


    Endlich fand der vorsitzende Richter seine Worte wieder und rief die beiden Hauptakteure in aller Deutlichkeit zur Ordnung. Von jetzt auf gleich brach auch bei allen anderen beinahe absolute Ruhe aus. Der iudex Purgitius hatte die volle Kontrolle über die Lage. Das beruhigte die provinzielle Beunruhigung Dives', die sich wohl mit fortwährendem Aufenthalt in der Metropole Roma langsam legen würde. Hier war eben einfach Vieles neu und ungewohnt und vor allem ging das Leben hier wesentlich schneller und hektischer vonstatten, was Dives durchaus zusagte. Aber an manche Dinge musste er sich eben einfach noch gewöhnen - Manches machte ihm noch etwas Angst. Tja, Dives war ja auch noch jung... keine 20. Die Zeit würde hoffentlich ihr Übriges tun und die Erfahrung ihn reifen lassen...


    Der Ankläger, dieser Duccius, der Dives schon im vorangegangenen heftigen Wortgefecht nicht unbedingt überzeugt hatte - insbesondere nachdem er dem angeklagten Flavius vorwarf, ihm eine Gegenfrage statt einer Antwort gestellt zu haben. Dabei hatte er zuvor eine Frage des Flaviers aus Dives' Sicht nur oberflächlich beantwortet. Jener Duccius also setzte nun ein Ultimatum, indem er bei Nicht-Annahme der eigenen Bedingungen mit einer Hauptverhandlung drohte. Oder war dies gar schon der Antrag? So ganz blickte Dives die Lage noch nicht wieder. Dazu war viel zu viel in so kurzer Zeit passiert.
    Wie dem auch war, sowohl der Duccius als auch der Flavius machten auf Dives nun einen etwas betreteneren Eindruck. Doch jetzt schien der Hauptteil der ersten Anhörung auch gelaufen zu sein. Und er hatte bei Dives wirklich Spannung und Vorfreude auf die Hauptverhandlung bewirkt...




    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    ir-senator.png Iulia2.png

    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Gefasst strich der junge Flavius seine toga zurecht, als er mit ernster Miene kundtat: "Ich denke, es wurde genug gesagt." Heute war nicht der Tag für weitere Worte, und sein erklärtes Ziel, den Duccius aus der Reserve zu locken, und ihn coram publico bloßzustellen, hatte Flaccus für sich ausreichend realisiert.

  • Macer entfuhr ein hörbares Seufzen und er erhob sich noch einmal von seinem Richterplatz. "Nun gut. Die erste Anhörung ist hiermit beendet. Ich stelle fest, dass es zu keiner gütlichen Einigung gekommen ist. Ich werde zunächst dem Prätor meine Entscheidung mitteilen, bevor sie veröffentlicht wird. Kläger und Beklagter sind entlassen."

  • Das Iudicium offerierte dem jungen Flavius neuerlich eine ihm gänzlich fernliegende Welt der Ökonomie und Agrikultur, welche indessen leidlich auf systematische Weise behandelt, denn vielmehr auf exemplarische und eklektische Weise bemüht wurde, womit sie nicht viel mehr denn Konfusion evozierte, möglicherweise ausgenommen jenem Faktum, dass es augenscheinlich von größter Opportunität war, stetig Informationen über den ökonomischen Status seiner Besitzungen vorzuhalten und für die Einhaltung der Leges auf diesen Sorge zu tragen, um derartig enervierende Prozessualien prophylaktisch zu vermeiden.


    Abschließend verfügte der Iudex endlich doch das Ende der Verhandlungen, was Manius Minor zu größter Erleichterung gereichte, mochte er nun doch wieder zurückkehren in die ihm vertraute Welt des trauten Heimes, wo er seinen Wünschen des Spieles weitgehend frei nachgeben zu können gewohnt war.

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