Die Villa Laronia lag am südlichen Rand des Esquilin, fast schon auf dem Oppius gelegen, und doch trennten die Villa einige hundert pedes von den prächtigen Gartenanlagen der höchsten Gesellschaft Roms. Dennoch musste der Hausherr sich wohl nicht verstecken mit seinem kleinen Anwesen aus feinem, weißen Stein und dem wundervollen großen Garten mit seinen vielen Statuen, Büsten, Bäumen und Büschen. Aulus Laronius Pola hatte Geld. Sehr viel Geld sogar, vornehmlich geschöpft aus dem Vermögen seiner Frau und diversen klug abgeschlossenen Geschäften, die ihm erlaubten, desöfteren Gastgeber kleiner Feierlichkeiten zu sein, die sich in den Kreisen der Ritterschaft und Senatorenschaft Roms großer Beliebtheit erfreuten.
So auch heute.
Eigentlich hatte Axilla ja gar nicht herkommen wollen. Eigentlich hatte sie überhaupt gar nie vorgehabt, eine solche Veranstaltung auch nur von Weitem zu besuchen. Sie hatte viel zu viel Angst, dass jemand sie erkennen könnte und es dann darüber Gerede geben würde, was sie getan hätte. Ganz zu schweigen von den viel naheliegenderen Risiken, die sich aus solchen Begegnungen, so sie sich darauf einließ, ergeben konnten. Aber am gestrigen Tag hatte sich etwas ergeben, vor dem sie noch mehr Angst hatte.
Nach den letzten Worten des Terentiers war sie doch irgendwann schließlich nach Hause gekommen. Sie hatte versucht, sich einzureden, dass es vorbei war, und dass sie gesiegt hatte. Aber irgendwie hatte sie angefangen zu zittern. Sie hatte sogar eine teure Glasphiole mit Rosenwasser fallen lassen und wäre beinahe barfuß noch in die Scherben getreten, als sie sie wegräumen wollte, wenn Levi sie nicht rechtzeitig noch davon abgehalten hätte. Aber ein Gedanke spukte durch ihre Gedanken, und den wurde sie nicht los: Was, wenn Terentius Cyprianus wirklich mit Vescularius Salinator redete? Was, wenn er oder der PU auf der Feier auftauchen würde und merken würde, dass sie gelogen hatte? Was, wenn er einfach nur den Namen überprüfte? Dann wusste er, welcher Art das Fest hier und heute war. Vielleicht schickte er ja auch nur jemanden, der prüfen sollte, ob sie da war?
Der Gedanke ließ sie einfach nicht los. Den ganzen Abend nicht, und auch nicht die ganze schlaflose Nacht. Am nächsten Morgen schließlich hatte sie ihre Nachbarin einladen lassen und ihr dann eröffnet, dass sie doch die Einladung von dieser annehmen und sie begleiten wollte. Was jene in helle Begeisterung versetzte, und in jeder Menge nützlich gemeinter Tipps zur passenden Garderobe.
Wenigstens jene kam Axilla dergestalt entgegen, dass – wohl eben um mögliches Gerede abzuwenden und so auch die weiblichen Besucher zum Kommen zu bewegen – die Damen eine Maske tragen durften. Und von diesem kleinen Zugeständnis an die Privatsphäre machte Axilla reichlich Gebrauch.
Mit ihrer Nachbarin in deren Sänfte war sie am Haus angekommen, und verhüllt in einen langen Umhang mit Kapuze gingen beide die restlichen Schritte bis zum Haus. Der Ianitor sah fast durch sie hindurch, begrüßte sie nur stumm und ließ sie ein, nachdem Axillas Nachbarin ein paar geheimnisvoll klingende Worte mit diesem gewechselt hatte. Und dann waren sie drinnen und die ganze Pracht Roms schien ihnen hier entgegentreten zu wollen.
Unsicher folgte Axilla ihrer Nachbarin über einen Fußboden, der in einem feinen Mosaik gemustert war. Er zeigte Vögel und wilde Tiere, dazwischen immer wieder einmal auch Nymphen und Satyrn, die sich hinter Büschen versteckten oder hinter Steinen hervorsahen.
“Nimm den Mantel ab“, wies ihre Nachbarin sie an, als ein paar Sklaven auf sie zutraten, um eben jene ihnen abzunehmen. Ein wenig unbeholfen übergab Axilla den ihren und fühlte sich augenblicklich sehr nackt. Auch wenn sie das nicht war. Wenngleich man ihr Kleid wohl auch kaum als solches bezeichnen konnte.
Es war aus feinem, durchscheinenden, hellgrünem Stoff. Die Beine waren geschlitzt bis hinauf zu den Hüften, so dass bei jeder Bewegung ihr komplettes Bein gut sichtbar wurde. Und der Ausschnitt, so man ihn so nennen wollte, hörte nicht sittsam am Dekolleté auf, sondern ging tiefer bis hin zu dem schmalen, goldenen Gürtel, so dass nur zwei fast durchscheinende Streifen Stoff ihre Brüste bedeckten. Eigentlich war Axilla nicht schamhaft, aber hier verschränkte sie ganz kurz die Arme vor der Brust, um sich etwas mehr zu bedecken. Auch wenn ihr gleich darauf wieder einfiel, wie albern das war. Vor allem angesichts ihrer Nachbarin, die bis auf eine Konstruktion aus weichem Leder um ihren Brustkorb und weiß fließendem Stoff um ihre Beine nichts trug, so dass ihre Brüste frei lagen, nur bemalt mit derselben leicht goldenen Farbe, mit der auch Axilla sich Gesicht, Schultern und Hals geschminkt hatte. Dazu trug Axilla noch eine Stoffmaske, die mit ein paar geschickten Haarnadeln mit ihrer Frisur verwebt worden war und so nicht rutschen konnte, ebenso wie ein paar grün gefärbte Federn, die sie in ihren Augen albern, in den Augen ihrer Nachbarin wie Vögelchen aus Arkadien aussehen ließen.
“Versuch, dich zu entspannen. Du bist jetzt schon so lang Witwe und warst immer brav zuhause. Da darfst du auch einmal nochmal aufblühen, bevor du in das nächste Gefängnis wechselst.“
Axilla folgte ihrer Nachbarin weiter den Flur entlang in Richtung einer sanften Flötenmusik und den Stimmen einiger Menschen. “Ich bin entspannt! Aber ich will nur mal kurz gucken, und dann geh ich wieder heim.“ Axilla wollte sich nur versichern, dass Terentius Cyprianus nicht hier war. Oder wenn doch, dass er sie kurz sah, vielleicht nicht erkannte, aber dass sie zumindest sagen konnte, sie hätte ihn gesehen. Wobei sie doch hoffte, dass überhaupt niemand sie erkennen würde und ihre Maskierung sie ausreichend schützte.
“Ach, du musst keine Angst haben. Genieß es einfach. Sieh es dir einfach mal an. Vielleicht änderst du noch deine Meinung.“
Das glaubte Axilla kaum, aber dann betraten sie auch schon das mit Klinen, Kissen und Blumen reich hergerichtete Tablinum, in dem sich jede Menge spärlich bekleideter Frauen und teils vornehm, teils ebenso spärlich bekleideter Männer aller Altersstufen bewegten.
“Oh, die bacchischen Riten sind noch nicht vollzogen. Komm, suchen wir uns eine bequeme Liege. Das musst du sehen.“ Axilla ließ sich mitziehen, und dann war sie mittendrin in dieser beginnenden Orgie.