II - III
Die nachfolgenden Tage folgten einem stets gleichen Muster, welches mit einem müden Erwachen in fremden, unbequemen Betten begann - der Leib dabei weder erholt, noch regeneriert über die kurze Nacht hin -, gefolgt von einem kargen Frühstücksmahl - denn obgleich sie durchaus einige Münzen von Tiboetes hatten erhalten, so war schlussendlich nicht abzusehen, wie lange sie tatsächlich damit würden auskommen müssen. Hernach folgte ein Ritt durch die kühle, karge Landschaft auf den gepflasterten Straßen, welche allerorten ident erschienen, vorbei an Dörfern und Häusern, die kaum voneinander differierten so als ritten sie beständig im Kreise - und nur die Erhebungen und Täler der sich wandelnden Landschaft wussten diesen trügerischen Eindruck zu durchbrechen. Gegen Mittag suchten sie sich eine Garküche, aus welcher sie ein Mahl mit sich nahmen und außerhalb der Siedlungen aßen, dazwischen legten sie nur wenige Pausen ein, zumeist um den Pferden ein wenig Schonung zu gewähren, bis sie am Abend schlussendlich in eine Herberge einkehrten, um den Tag in einem fremden, unbequemen Bett abzuschließen.
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Gracchus hatte vergessen, die Tage zu zählen, welche sie bereits unterwegs waren seit sie Rom hatten verlassen, und da ihm die zurückliegenden Tage alle in gleicher Weise abominabel erschienen, gleich trist und mehr noch peinvoll, konnte er kurz vor Mantua sie nicht einmal mehr voneinander differenzieren, um so ihre Anzahl zu ermitteln. Obgleich sein eigener Leib in jeder Muskel, jedem Knochen und jeder Faser schmerzte und er darob vorwiegend mit sich selbst und seinen eigenen Qualen war beschäftigt, so bemerkte er doch seit dem Vortage an Flaccus wieder ein übermäßiges Unwohlsein, da sein Neffe die fiebrige Erkältung nicht gänzlich abgeschüttelt zu haben schien, so dass er froh war, dass sie ihr vorläufiges Ziel in einer schäbigen Unterkunft einige Meilen vor der Stadt erreichten, wiewohl er aufs heftigste darauf hoffte, dass Aurelius Ursus sie nicht würde abweisen oder gar schlimmer noch ihnen feindlich gesinnt sein. Sie hatten kaum einen kleinen Raum bezogen, welcher ihnen womöglich noch als Schlafgemach würde dienen, hatten sich gerade - mangels anderer Sitzgelegenheiten - auf den harten Betten niedergelassen, da hatte Flaccus sich bereits auf der Liegefläche zusammen gekauert und war eingeschlafen.
"Es ist wohl besser, wenn ich direkt aufbreche"
, wandte Gracchus sich darob an seinen Sohn, welchem die Spuren der Reise ebenfalls deutlich in sein junges Gesicht waren geschrieben.
"Ich werde zur Legio I reiten, um mit dem Legaten Aurelius Ursus zu spre'hen. Du wirst hier bei deinem Vetter bleiben und auf mich warten. Sollte ich nicht bis morgen früh wieder zurückkehren, so werdet ihr beide weiter nach Norden reiten. Falls irgend..jemand an die Türe klopft, so werdet ihr nicht öffnen und keinen Laut von euch geben."
Gracchus überlegte kurz, sog einen Augenblick lang die Unterlippe zwischen die Zähne, ehedem er Minor wieder fixierte.
"Wenn ich zurückkomme und euch auffordere die Türe zu öffnen, so werdet ihr ebenfalls schweigen, es sei denn ... es sei denn, ich füge folgenden Worte an: Hephaistion ... Hephaistion hat die Gestade Aegyptens erreicht. Präge dir dies gut ein, Minimus - Hephaistion hat die Gestade Aegyptens er..reicht. Nur auf diese Worte hin werdet ihr die Türe öffnen, gleich was ich euch sonst auch sage, hast du verstanden? Erwähne ich diesen Satz nicht, so wartet, bis es wieder ruhig ist auf dem Flur und verlasst dann diesen Ort so schnell wie möglich."
Es gab noch so viele Eventualitäten, auf welche Gracchus Maior seinen Sohn mochte vorbereiten, doch die Zeit drängte, wiewohl er wohl ohnehin nie jede mögliche Situation würde bedenken können, so dass er nach einem leisen Seufzen sich erhob und einen kleinen Stoffbeutel von seinem Gürtel nestelte, in welchem der flavische Siegelring war verwahrt, welchen er auf eine überaus unangenehme Art und Weise hatte aus Rom geschmuggelt, welche er niemals irgendjemandem würde eingestehen.
"Passe gut darauf auf und vergiss niemals, dass du ein Flavius bist und ... und dass ich ... sehr stolz auf dich bin, Minimus."
Ein wenig zögerlich fuhr er dem Jungen über das dunkle Haar, zögerte einen Augenblick in Gedanken daran, ihn noch einmal zu umarmen, entschied sich jedoch gegen diese übermäßige Emotionalität und klopfte ihm nur aufmunternd auf die Schulter. Dann nahm er die Tasche, in welcher unter anderem das Schriftstück lag, welches er mit Tiboetes Hilfe in Scapulas Villa im Namen des Collegium Pontificum hatte verfasst, und trat zur Tür.
"Schließe hinter mir den Riegel"
, wies er Minor an, ehedem er die Türe hinter sich zu zog und mit hastigen, ein wenig gequälten Schritten, das Haus verließ, sein Pferd aus dem Stall zu holen. Er wollte nicht daran denken, dass dies womöglich die letzten Augenblicke würden sein können, welche er je mit seinem Sohn hatte verbracht, doch gerade ob dessen drängte sich dies aufdringlich in seinen Geist - legte sich gar über den Schmerz, welcher wieder in seinem Leib entflammte, kaum dass er auf dem Rücken des Pferdes saß. Vor der Herberge kehrte er zurück auf die gepflasterte Hauptstraße, auf welcher sie gekommen waren, wagte erst nach einer kurzen Wegstrecke einen ihm entgegenkommenden Mann nach dem Weg zur Legio I zu befragen, um diesen einzuschlagen.