Der Streit der Töpfer

  • Zitat

    Magonidas: " hast du nun gerade die Abstimmung einberufen und deine eigene Stimme bereits geäußert?...
    es gibt den Versuch der Töpfer aus dem Vicus Novus auf Kosten der Töpfer im Vicus Apollinensis ihr Geschäft auzuweiten und diese in den Ruin zu stürzen. .. .
    Ich würde nun einmal gerne den Magister Vici vom Vicus Novus hören. Seine Meinung zu dem Thema wurde noch gar nicht geäußert


    "Nein, werter Kollege Magonidas, ich bin hier nicht derjenige, der eine Abstimmung ansetzen kann. Ich habe nur meinen Standpunkt dargelegt und angekündigt, wie ich abstimmen würde. Soweit dieses. Deine Befürchtung, dass die Töpfer aus dem Vicus Novus diejenigen aus dem Vicus Apollinensis in den Ruin treiben könnten, halte ich für überzogen. Auf dem Markt herrscht Wettbewerb. Die Qualität der angebotenen Ware entscheidet. Was haben die Töpfer im Vicus Apollinensis also zu fürchten? Aber deinen Vorschhlag, den Magister vom Vicus Novus anzuhören, unterstütze ich auf jeden Fall".

  • Der Magister des Vicus Novus, Publius Scantinius Rectus, war Kelte mit römischem Bürgerrecht in dritter Generation, das war bekannt. Rectus war jedoch gerade einmal ein Jahr älter als Lucius Petronius Crispus und fühlte sich merklich unwohl dabei, dass er jetzt plötzlich zu Wort gerufen wurde.


    "Ähm", machte er ebenso wortgewandt wie der Petronier. "Ich...muss protestieren!" wagte er sich zu sagen. "Was Petronius und Magonidas da sagen ist nicht der Fall. Die Töpfer meines Vicus...äh...haben nicht die Absicht, Schaden anzurichten. Also, die anderen Töpfer zu verdrängen, meine ich. Außerdem, der werte Decurio Domitius hat es ja schon gesagt: Das ist eben der Markt! Wenn die Töpfer aus dem Vicus Apollinensis nicht so viel Geschirr...äh...verkaufen, wie die aus meinem Vicus, dann sollten sie vielleicht mal ihre Qualität...äh...dings...überprüfen!" Sich verlegen räuspernd setzte Rectus sich schnell wieder hin in der Hoffnung, nicht noch einmal aufstehen zu müssen. Das war viel zu aufregend.

  • Als sich der Schwächling vom Vicus Novus zu Wort meldete, sah Lucius diesen mit vernichtendem Blick an - endlich hatte er einen Gegner auf Augenhöhe, den er besiegen konnte. Dazu stellte sich der Scantinier auch noch ziemlich ungeschickt an, denn er stammelte nur herum - was der junge Petronier bis vor kurzem zwar auch getan hatte, aber dank seiner Verachtungstaktik nun souverän abgelegt hatte.


    "Unsinn! Die Töpfer im Vicus Novus verkaufen ihre Ware zu Schleuderpreisen! Kein Wunder, dass sie meine Töpfer vom Markt drängen."


    Einen Moment überlegte er - Behauptung, Begründung, Beispiel, Beleg - es fehlte noch etwas Unterfütterung, die glücklicherweise nicht nur logisch, sondern auch mathematisch beweisbar war:


    "Die Grundstücks- und Mietpreise im Vicus Apollinensis sind höher als im Novus, was es den Handwerkern dort ermöglicht, ihre Endpreise niedrig zu halten!"

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  • Zitat

    Crispus iunior: "Die Grundstücks- und Mietpreise im Vicus Apollinensis sind höher als im Novus, was es den Handwerkern dort ermöglicht, ihre Endpreise niedrig zu halten!"


    Mir kamen fast die Tränen. Die armen Töpfer aus dem Vicus Apollinensis! Aber jetzt war ein strahlender Held aufgetaucht, der ihrem Elend ein Ende machen wollte. Ein für alle Mal. Ja, auf einen solchen Gedanken muss man erst einmal kommen: wer geringe Gestehungskosten hat, wird auf dem Markt der Civitatis einfach nicht mehr zugelassen. Oder nur ein bißchen zugelassen, damit wieder ausgleichende Gerechtigkeit herrscht. Ich wischte mir meine Tränen ab.


    "Welch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, werte Decuriones! Sollten wir da nicht sofort einschreiten? Mit aller Strenge und mit Feuer und Schwert? Wenn ihr mich fragt, antworte ich dazu: NEIN! Warum? Weil es von unternehmerischer Klugheit zeugt, wenn jemand sich einen Standort sucht, bei dem seine Gestehungskosten niedrig gehalten werden. Chapeau! Es sind schlaue Burschen, diese Töpfer aus dem Vicus Novus. Ich warne davor, wegen dieser Lappalie in den Markt einzugreifen".


    "Und dich, werter Petronius Crispus, muss ich fragen, warum du dich so vehement ausgerechnet für die Töpfer einsetzt. Wie konntest du nur übersehen, dass die Bäcker, Schuster, Metzger, Schmiede, Weber, Schreiner, Klempner, Dachdecker, Zimmerleute, Wirte, Schneider, Färber, Fischer, Ärzte, Barbiere und viele mehr im Vicus Apollinensis ebenso hohe Mieten und ebenso hohe Grundstückspreise zahlen müssen, wie deine von unendlichem Elend bedrohten Töpfer?"

  • Der Spott, mit dem Massula über seinen Antrag redete, machte Lucius nur wütender. Dieser fette alte Mann, der glaubte, hinter seinem Schnauzer die letzte Weisheit zu verbergen. Dass dies alles aber nur leeres Gerede war, das jeder Logik entbehrte, übersah er dabei scheinbar.


    "Deine Einwände sind unlogisch:
    Erstens ist es für viele nicht so einfach möglich, ihre Werkstätten zu verlegen.
    Zweitens haben die Handwerker der anderen Vici ja auch die Möglichkeit, ihre Waren auf den Plätzen ihres Vicus anzubieten, wo sie keine Konkurrenz meiner Handwerker haben. Es wäre also gleiches Recht für alle.
    Dittens ist eine Beschränkung der Tage, an denen man auf den Markt gehen darf, wohl kaum ein unglaublich großer Eingriff in den Markt.
    Und viertens ist der Vorwurf, dass ich mich ausgerechnet für die Töpfer einsetze, totaler Unsinn. Erstens muss man irgendwo anfangen und zweitens gibt es eben dort ein Problem und nicht bei den Ärzten oder Fischern. Übrigens gibt es kaum Ärzte außerhalb meines Vicus, dafür aber kaum Fischer innerhalb, da er an keinem Gewässer liegt."


    Allein das zeigte schon die Unreflektiertheit des Domitiers...

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  • Unser lieber Lucius hatte eine gigantische Wolke logischen Staubs, nein, staubiger Logik aufgewirbelt, über welche ich mir keine grauen Haare wachsen lassen wollte. Das kann man getrost den Philosophen der kommenden Jahrhunderte überlassen, sagte ich mir. Auch wenn man dann mit einer anhaltenden Selbstmordserie unter den Philosophen rechnen muss. Ich konnte mir gut vorstellen, dass ein Philosoph, der sich mit Lucius' logischen Fürzen beschäftigen muss, aus Verzweiflung in den Tod getrieben wird oder, schlimmer noch, gar seine Fortpflanzungsfähigkeit verliert.


    "Kehren wir doch zurück zum Ausgangspunkt der Auseinandersetzung. Die Töpfer des Vicus Apollinensis wollen nicht, dass Töpfer aus anderen Vici jederzeit auf dem Forum ihre Waren anbieten können. Geht es um lästige Konkurrenz? Ich denke ja, klar doch. Das ist in unsrer Aussprache wohl auch deutlich geworden. Dem Ordo Decurionum kann ich in diesem Fall nur empfehlen, nicht einzugreifen. Konkurrenz ist die Seele des Marktes und, beim Hades, wir sollten sie um jeden Preis am Leben erhalten."


    "Geht es um die Standplätze? Auch. Das war ja am Anfang des Streits der Töpfer der Knackpunkt. Ich habe mir von der Administratio die einschlägigen Fakten heraussuchen lassen. Der Platz des Forums hat eine Fläche von fünf ein sechstel iugera*. Man kann dort bequem 390 Standplätze für Händler unterbringen. In den Magazinen rechts und links des Forums, also unter Dach, ist Platz für 50 Händler und in der Marktbasilika stehen ständig weitere 64 Standplätze zur Verfügung, bei Bedarf auch mehr. Der Quaestor, der ja den Pachtzins für die Standplätze einnimmt, sagte mir, dass die Standplätze normalerweise nur zu zwei Drittel belegt sind. Maximal zu drei Viertel. Er bedauert das. Ich auch. Von daher sehe ich keinen Grund für irgendwelche, wie auch immer begründeten Einschränkungen."


    Ich wandte mich an den Duumvir. "Die Argumente sind vorgetragen worden. Ich bitte dich, über den Antrag des ehrenwerten Petronius Crispus abstimmen zu lassen".


    Sim-Off:

    *) 1,3 Hektar

  • Galeo Epidius Andronicus
    [Blockierte Grafik: http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/e-roemer-maenner/33.jpg]


    Duumvir Galeo Epidius Andronicus frohlockte innerlich, als er das Ersuchen des Domitius hörte. Ihm war diese Diskussion mittlerweile zu anstrengend geworden. "Allerdings. Ich denke, zur Abstimmung zur schreiten wäre das Beste." Er warf noch einen kurzen Blick auf den jungen Petronius, dann gestand er diesem noch zu: "Die Rednerliste ist damit geschlossen. Petronius, du darfst dich noch einmal abschließend zu deinem Antrag äußern, wenn du wünschst."

  • Für den jungen Petronier klang das alles nicht besonders einleuchtend - wenn man den Markt sich selbst überließ, konnte ja jeder machen, was er wollte. Für die kleinen Handwerker war es auch nicht gerade einfacher, wenn sie mit großen Händlern konkurrieren mussten.


    Dass es genügend Platz gab, war natürlich richtig - aber das Problem war ja eher, wer welchen Platz bekam. Allerdings war es offensichtlich unlogisch, dass der Ordo Decurionum, der ja auf alle Vici zu achten hatte, dieser Argumentation folgte. Aber die Grundsatzebene, auf die die Diskussion gehoben worden war, bot auch ihm Argumentationsmöglichkeiten:


    "Wenn Konkurrenz die Seele des Marktes ist, wieso erheben wir dann von Händlern und Handwerkern aus Nachbarcivitates Zölle? Wieso muss man an allen Provinzgrenzen und am Limes Abgaben zahlen?


    Ich sage euch, warum! Wir wollen unsere eigenen Handwerker und Krämer etwas bevorzugen, denn dass sie genügend verdienen und zu Essen haben, ist unsere primäre Aufgabe! Das-"


    Er hielt kurz inne - wohin sollte sein Argument noch gleich führen? Irgendwie war sein Temperament mit ihm durchgegangen... Wenn er jetzt so weitermachte, würde er seine Partikularinteressen offenlegen, denn die Übertragung der Zoll-Logik auf seinen Antrag würde nur zugunsten des Vicus Apollinensis gehen.


    Die Decurionen glotzten ihn wie eine Herde Kühe an - wie peinlich, ausgerechnet jetzt den Faden zu verlieren! Lucius räusperte sich kurz, dann machte er einen neuen Versuch:


    "Außerdem sollten wir darauf achten, dass es gerecht zugeht in unserer Civitas. Und wie ich schon sagte, haben die Töpfer und Schmiede und was-weiß-ich-was gewisse Nachteile durch ihre zentrale Lage. Ich verlange ja nicht, dass man die Handwerker aus den anderen Vici extra besteuert oder sonst etwas, sondern nur, dass sie sich an die Regeln halten und den ansässigen Handwerkern wenigstens an den Nicht-Markttagen in ihrem eigenen Vicus das Feld überlassen! Das wird sich wahrscheinlich minimal auf ihren Geschäftserfolg auswirken, denn es betrifft ja auch wohl am ehesten die Einwohner des Vicus Apollinensis, weil alle anderen Vicani ja normalerweise sowieso nur zu den Markttagen kommen.


    Es wäre einfach eine kleine Justierung, die keinem groß wehtut und unsere Marktordnung ein kleines bisschen gerechter macht."


    Er hatte es doch noch hingebogen, wie er fand - diese fetten Krämerseelen mit ihren Werkstätten draußen auf dem Land sollten mal ein bisschen weniger an sich denken!

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  • Mathayus war überrascht woher der Domitier plötzlich all diese Werte hatte und wann er sie sich hat raussuchen lassen. Hatte er eine Redepause verpasst. Wohl kaum... vielleicht stand mehr hinter dem Wiederstand des Mannes gegen die Pläne vom jungen Petronier. So wie dieser sein Herz auf der Zunge trug konnte Mathayus sich es sehr gut vorstellen das schon Tage vor der Sitzung bekannt war das er heute versuchen würde seinen Antrag durchzubringen.


    Er wollte sich erst auch noch einmal zu Wort melden der Duumvir beendete dann aber die Diskussion.

  • "Puh...", ächzte Witjon leise, während er versuchte die Debatte zu verfolgen. Massula versuchte die Logik des jüngeren Crispus möglichst unter seinem Calceus zu zerquetschen, wozu er plötzlich eine ganze Menge Fakten aus seiner Toga schüttelte. Holla, da musste Witjon erstmal kurz nachgrübeln. Stimmte das denn alles so? Er konnte es nicht sagen und so schnell auch nicht nachprüfen.


    So langsam reifte in Witjon der Entschluss heran, dass Petronius' Antrag abgelehnt werden sollte. Jedoch nur aus dem Grund, dass man eine umfassende Reformierung der Marktordnung anstreben sollte. Witjon hatte keine Lust, bald alle zwei Wochen die Magistri Vici mit immer neuen Anträgen zum Marktrecht in der Curia palavern zu hören.

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