Officium | Lucius Tiberius Lepidus

  • Spätestens jetzt war es ihrer guten Erziehung geschuldet, so dass sie ihre Emotionen noch einigermaßen im Griff halten konnte und ihm gegenüber nicht handgreiflich wurde. Eine Andere hätte ihm wahrscheinlich dieses dämliche Lächeln aus dem Gesicht herausgeschlagen. Dazu auch noch dieses schmierige Getue! Er behandelte sie doch tatsächlich wie eine Irre! Als wäre sie nicht zurechnungsfähig. Dabei war es doch sonnenklar, wer von ihnen beiden der Verrücktere war! Dieser verfluchte Mistkerl versuchte nun den Spieß umzudrehen und damit traf er bei ihr genau ins Schwarze! Doch glücklicherweise erinnerte sie sich der weisen Worte ihrer Mutter, die sie in solchen Situationen stets zur Besonnenheit aufgerufen hatte. Contenance! Genauso hatte sie sie immer ermahnt! Haltung bewahren und den Feind mit den eigenen Waffen schlagen. Sie durfte sich nicht länger so von ihren Gefühlen lenken lassen, denn irgendwann würden diese sie mit fortreißen.


    Allmählich entschwanden die wütenden Züge aus ihrem Gesicht. Ihre Muskulatur begann sich zu entspannen, nur um kurze Zeit später ein ebensolches Lächeln auf ihr Gesicht zu pflanzen, welches sie im Antlitz ihres Gatten erblickte.
    „Ach ja? In der Tat! Ich habe wohl etwas überreagiert!“, meinte sie beschwingt lächelnd und lachte etwas gekünstelt. Auch ihre Stimme hatte sich verändert. Sie klang nun viel höher, freundlicher, süßer... zuckersüß. „Nun gut, vielleicht war meine Wortwahl, was dich und die Geschehnisse in unserer Hochzeitsnacht betreffen, dir gegenüber nicht wirklich... treffend gewählt. Da habe ich mich wohl zu sehr von meinen Gefühlen leiten lassen. Aber wer könnte mir das verdenken, schließlich bin ich ja eine Frau! Und ganz zu schweigen von meinen Erwartungen an dich..,“ leicht schüttelte sie ihren Kopf und hatte dabei diesen verschmitzten Ausdruck auf dem Gesicht. „... die, wie sich nun herausgestellt hat, tatsächlich etwas... nun ja... zu hochgeschraubt waren. Dadurch habe ich dich nur in Verlegenheit gebracht, weil ich dachte, ein so großer und beeindruckender Mann, wie du es bist, ist auf allen Gebieten versiert. Bitte entschuldige, dass ich so unachtsam und rücksichtslos war und dich auf diese Art bloß gestellt habe. In Zukunft werde ich dir gegenüber etwas mehr Verständnis aufbringen und Nachsicht walten lassen. Ich verspreche es dir, so war ich hier stehe... äh sitze! Ich meine, es ist ja keine Schande, wenn man am Anfang ein paar Anlaufschwierigkeiten hat, nicht wahr? Das kann doch jedem mal passieren! Wir sind doch nicht perfekt, nicht wahr!“ Diesmal war sie es, die grinste und ihm aufmunternd zuzwinkerte. „Ich meine, im Notfall… also versteh mich jetzt nicht falsch… ich will ja nur dein Bestes, das musst du mir jetzt einfach glauben... also was ich sagen wollte, du kannst dir auch gerne eine der jüngeren Sklavinnen kommen lassen…. nur zu Übungszwecken natürlich. Da hätte ich absolut nichts dagegen und würde auch nichts sagen.“ Bei diesem delikaten Thema wusste sie punktgenau zu erröten. „Also was ich einfach damit sagen will, lass uns das Geschehene vergessen und lass uns einfach noch einmal von vorne beginnen! Wenn du also guten Willens bist, so wie du sagst, dann will ich das auch sein! Na, was sagst du dazu? Wie wunderbar versöhnlich ich doch sein kann! Da staunst du, was!? Ja, das tue ich nur, weil du es mir wert bist, mein Liebster!“ Dabei rückte sie etwas näher an seinen Schreibtisch heran, so dass ihre Hand die seine zu fassen bekam. Natürlich hatte sie während all dem ihr Dauergrinsen in ihrem Gesicht behalten.

  • Oho, was hatte er nicht für glückliches Händchen! Eigentlich hätte er gedacht, dass er noch mehr heuchlerisches Süßholz raspeln musste bis sie sich anschickte sich endlich zu beruhigen. Aber da warf man einmal ein bisschen Zucker hin und schon kam die Liebenswürdigkeit zum Vorschein. Oder halt moment... das ging doch nun wirklich etwas schnell. Verdächtig schnell. Ein bisschen Charme hatte er ja wohl, das war nicht zu leugnen, aber das ging selbst für des Tiberiers Geschmack etwas zu hurtig. Aber hey, diese Stimmungsschwankungen bei Frauen waren ja allgemein bekannt und wenn man bedachte, dass seine Frau, wie er zuvor ganz sicher festgestellt hatte, auch ein bisschen umnachtet war in Anbetracht der aufregenden Zeit, die auf ihr Gemüt schlug, dann ließ sich das sicher ganz einfach erklären.


    Wie dem auch sein mochte. Die Sklaven vor der Tür konnten wohl wieder ihre Hände von den Ohren nehmen, denn großartiges Gebrüll war aus dem Officium erst einmal nicht zu hören. "Schön, dass du Einsicht zeigst", sprach er ganz gönnerhaft in Anbetracht der Tatsache, dass sie wirklich bemerkte welch unangemessene Wortwahl sie verwendete. "Nennen wir es einen nicht weiter zu beanstandenden Ausrutscher" Was sie dann aber im Folgenden sagte, ließ seine Augenbraue bis zum Anschlag nach oben wandern. Er sollte sich Sklavinnen nehmen? Was redete sie da bloß? Haben diese Frauen denn nur das eine im Kopf? "Meine liebe, ich denke du missverstehst hier einige Sachen recht grundlegend". Dabei erschrak der Tiberier förmlich, als sie nun näher kam und seine Hand mit der ihrigen wohl in zärtlicher Absicht berührte. Blitzschnell zog er sie weg, ohne dass er die Berührung noch verhindern konnte. Er lehnte sich weit zurück, damit er wieder etwas Abstand von ihr gewinnen konnte. "Sicherlich werde ich mir keine Sklavinnen zuführen lassen! Ob ich nun mit jungen hübschen Frauen schlafe oder mit dir..." war das jetzt eine unabsichtliche Beleidigung? "...ist mir völlig gleichgültig." Und so erklärte der Tiberier dann auch worum es in der Hochzeitsnach ging. "Nein, ich finde körperliche 'Nähe' in allen Formen höchst unangenehm und belanglos" Ja, vielleicht sogar widerwärtig. "Tja, meine liebe Flavia, mich hat sowas noch nie wirklich gereizt. Das alles erscheint mir doch eine große Zeitverschwendung zu sein. Venus hat ihren lüsternen Zauber über mich nicht ausgesprochen und das tat sie sicherlich aus gutem Grunde. Ich bin zu mehr bestimmt, als dass ich mich mit solchen Dingen ernsthaft beschäftigen könnte." Ob die göttliche Erklärung hier die angemessenste war, blieb sicherlich zu hinterfragen. Ebenso die Schlussfolgerung, dass er ja zu ach so viel mehr bestimmt wäre. Bestenfalls war der Tiberier doch einfach nur gestört, was aber dann sicherlich auch wieder irgendetwas mit den Göttern zu tun haben musste. Welches Spiel mochten sie treiben? Wie dem auch sei. Lepidus erkannte die Problematik darin keineswegs. Es war einfach so für ihn und er hatte auch eine passende Rechtfertigung, weshalb das so sein musste. Mehr blieb nicht zu sagen. "Wie dem auch sei. Ich werde gern davon ablassen mit dir irgendwelche Spielchen zu treiben, die dich verunsichern und dir unbehaglich sind. Ich hoffe, dass ich damit einer entsprechenden Erwartung von dir entgegenkomme" Auch wenn dies ein Aspekt war, der ihm in der Hochzeitsnacht wenigstens Spaß gemacht hatte, wenn auch in keiner Weise in sexueller Hinsicht. Schon schade, dass er nun seine eigene Frau nicht mehr quälen konnte. Verdammt, dabei waren sie doch erst sooo kurz zusammen, das wäre noch verdammt witzig geworden. Ebenso bedauerlich, dass seine Frau nicht den geringsten Humor hatte. "Dafür bedränge du mich nicht mit deinem 'Körper'. Ich denke, dies ist eine faire Vereinbarung. Das Bett werden wir nur in regelmäßigen Abständen zum Zwecke der Kindeszeugung teilen, so wie es unsere Pflicht ist. Nicht mehr, nicht weniger." Mal sehen, ob sie ihr 'Dauergrinsen' noch aufrechterhalten konnte.

  • Oh doch! Ihr Dauergrinsen hielt an. Vorerst noch. Das nannte man dann wohl, gute Miene zum bösen Spiel machen. Im Stillen aber verfluchte sie ihn und wünschte ihm die Pest auf den Hals. Das schaffte vielleicht zunächst ein wenig Befriedigung, täuschte aber nicht über die Tatsache hinweg, dass sie eine Gefangene war. Gefangen in dieser Ehe!
    Doch ein Gutes hatte diese Unterhaltung. Sie schaffte neue Erkenntnisse. Sie beleuchteten nicht nur die dunklen Seiten ihres Mannes, etwa seine krankhafte Asexualität, oder seine soziopathischen Anwandlungen. Nein, sie offenbarten Domitilla auch einige seiner Schwächen und Ängste. Er fürchtete sich regelrecht vor körperlicher Nähe. Selbst der Berührung ihrer Hand wich er aus. Nun, das erklärte Vieles. Bei ihr zu liegen musste für ihn die reinste Tortur bedeuten.


    Langsam verblasste dann doch ihr Grinsen, Spätestens dann als er ihr Angebot, sich ein paar Sklavinnen zu nehmen, mit einer bösartigen und unverschämten Bemerkung ablehnte. In der Tat, sie hatte einen gefühlsarmen kranken Irren geheiratet, der alles Zwischenmenschliche verabscheute und nur ein Interesse daran hatte, nach außen hin zu glänzen und noch mehr Macht zu gewinnen. Ein Scheitern, so hatte sie heute erlebt, war dabei nicht vorgesehen. Ihr selbst fiel dabei nur die Aufgabe zu, schmückendes Beiwerk zu sein. Ein solches Dasein hatte sich die Flavia nun wirklich nicht für sich gewünscht! Es schien wohl ganz und gar ausgeschlossen, dass sie in dieser Ehe jemals die wahre Erfüllung ihre Sehnsüchte und Erwartungen fand. Eine schmerzliche Erkenntnis, die sie entweder in eine tiefe Krise stürzen konnte oder aber aus der sie gestärkt hervorgehen konnte, indem sie es einfach nicht hinnahm, für den Rest ihres Lebens an diesen Menschen gekettet zu sein.


    „Nur nicht so schnell, mein Lieber!“, entgegnete sie ihm, als er ihr eine Art Handel vorgeschlagen hatte. „So schnell kommst du mir nicht davon! Ich habe da auch noch ein paar Bedingungen für unser zukünftiges ‚Zusammenleben‘ einzubringen! Gut, ich werde dich nicht mehr mit ‚meinem Körper bedrängen‘, so wie du es eben so schön ausgedrückt hast. Stattdessen werde ich nach außen hin die überglückliche Ehefrau mimen, die dir stets zur Seite steht und die dich zu allen öffentlichen Veranstaltungen begleitet. Du wirst dir dabei meiner Loyalität stets sicher sein können. Doch dafür verlange ich, dass du mir jegliche Freiheiten zubilligen wirst! Und wenn ich jede sage, dann meine ich auch jede! Selbstverständlich werde ich dabei äußerste Vorsicht walten lassen und diskret vorgehen. Schließlich habe ich ja einen guten Ruf zu verlieren. Falls du nicht einwilligen solltest, wovon ich dir nur dringend abraten kann, wirst du es bitter bereuen, mein Guter!“ Inzwischen warf sie ihm einen kalten Blick zu und auch ihre Stimme hatte nichts mehr liebenswertes an sich. „Du solltest wissen, mein Liebster, inzwischen bin ich an einem Punkt angelangt, an dem es mir gleich ist, ob ich nun in diesem Haus als deine Frau gefangen bin, oder zusammen mit dir, aufgrund eines großen ungeheuerlichen Skandals, untergehe. Glaube mir, ich verfüge über Verbindungen, die nur darauf warten, dich fallen zu sehen.“ Dabei dachte sie in erster Linie an ihre liebe Freundin Sergia. „Na ‚Schatz‘, was sagst du jetzt?“

  • Der Tiberier gewann langsam tatsächlich den Eindruck, dass ihn diese Frau nun wirklich verstanden hatte. Ja, es hatte schon ein bisschen was gekostet, das jetzt so alles offenzulegen, aber was nützte es auch? Sie war einfach zu widerspenstig, um einfach das zu tun, was er ihr sagte ohne große Fragen zu stellen. Immerhin hatte sie nun endlich den richtigen Pfad eingeschlagen. Ganz gerissen, wie man eben in einer solchen Situation sein sollte, versuchte sie das Beste für sich herauszuschlagen. Verhandlungen waren doch in der Tat noch die akzeptabelsten zwischenmenschlichen Beziehungen, die man haben konnte.


    "Nun, ich sehe, du hast verstanden und ich kann deine Intention möglichst viel zu deinem Vorteil herauszuschlagen nur zu gut verstehen. Ja, ich bin sogar ein kleines bisschen beeindruckt" Ja, auf so einer Basis ließe sich eine Zweckehe doch bestens führen. "Dein Wille in der Repräsentation nach außen eine bestmögliche Figur zu machen ist überaus löblich. Ich denke, dass uns dies letztlich beiden zugute kommen wird. Auch wenn du gern bereit bist Skandale zu riskieren, so nehme ich an, dass du dem skandal- und tratschfreien Leben doch den Vorzug gibst" Im Übrigen bezweifelte der Tiberier doch stark daran, was diese 'Verbindungen' denn sein sollten. Da stappelte sie ganz sicher viel zu hoch, war sie doch nach seinem Eindruck eher eine typisch verwöhnte Patrizierin, die die Villa selten von außen sah. Aber solange sie sich arrangierten, musste er sich auch um die 'Verbindungen' erstmal keine Gedanken machen. "Nun zu deinen Bedingungen: Ich gebe dir Freiheiten. Du kannst gern tun, was du für richtig hältst, aber es müssen natürlich richtig verstandene Freiheiten sein. Wenn du diese schließlich nur nutzen würdest, um mir zu schaden, dann erscheint mir dies nicht sinnvoll. Ich nenne mal ein Beispiel um es plastischer zu machen: Ein guter Freund von mir musste es sich vor nicht allzu langer Zeit gefallen lassen, dass seine eigene Frau einem seiner senatorischen Verbündeten eine Straftat unterstellte und ihn vor den Gerichten anzeigte. Du kannst dir vorstellen, dass so etwas sehr belastend und politisch schädlich für ihn war. Nicht zuletzt kann so etwas tiefere Bündnis-Beziehungen stören, die mühsam aufgebaut wurde" Dass es sich bei den Genannten um Iulius Dives und seine Frau Sergia Fausta handelte, die wiederum den Freund von Dives mit Namen Germanicus Sedulus anzeigte, ließ er unerwähnt. Es ging ja ums Prinzip und nicht um den speziellen Einzelfall. "So muss ich denn zumindest darauf bestehen, dass wenn du öffentliche Akte vollziehst, wie etwa eine Anzeige vorzubringen, es mir mit vorher absprichst, auf dass kein politischer Schaden entsteht. Was du ansonsten treibst, soll mich nicht weiter angehen" Soweit kam er ihr gern entgegen. Es gefiel ihm zwar nicht unbedingt, dass er keine vollständige Kontrolle hatte, aber in Anbetracht dieser doch etwas hartnäckigen Flavia, die er sich da ins Haus geholt hatte, konnte er wohl nichts anderes mehr verlangen. Hauptsache es herrschte Ruhe.

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