Atrium | Die Rückkehr einer Totgeglaubten

  • Sim-Off:

    Sorry, hatte ich ganz vergessen! :(


    Fusus´ aufrichtiges Mitgefühl, mit dem er den jungen Flavius wie auch sie bedachte, empfand sie als sehr rührend. Obschon er sie kaum kannte, auch wenn sie miteinander verwandt waren. Blut musste eben doch ganz eindeutig dicker als Wasser sein. Sie hoffte darauf, auch in Zukunft in schwierigen Situationen auf ihren Neffen bauen zu können und in ihm einen Vertrauten zu finden.
    „Dein Angebot ist sehr zuvorkommend, Fusus. Ich danke dir dafür und wenn du erlaubst, werde ich gerne darauf zurückkommen, wenn ich deiner Zuwendung bedarf. Doch wie Gracchus Minor es bereits sagte, geht es uns allen wieder gut. Den Göttern sei Dank!“
    Selbstredend hatte Domitilla nicht die leiseste Ahnung davon, wie es dem Jüngling während der Flucht ergangen war und wie es nun in seinem Inneren aussah. Im Grunde hatte sie gar keine Erfahrungen mit Jünglingen in diesem, doch für ihre Entwicklung sehr wichtigen, aber auch sehr schwierigen Alter. Dementsprechend empfand sie nun die Atmosphäre etwas bedrückend wenn nicht sogar leicht rührselig.


    „Was haltet ihr davon, wenn wir den Göttern dafür danken, dass sie uns alle wohlbehalten wieder nach Rom zurückgeführt haben? Und wenn wir schon dabei sind, wie wäre es, wenn wir danach ein wenig der Kultur frönen?“ Der Glanz war in Domitillas Augen zurückgekehrt, als sie die Idee, die soeben in ihrem Kopf geboren worden war, sogleich mit ihren Verwandten teilte.
    „Gracchus Minor,“ wandte sie sich an den jungen Flavius. „Du bist doch ganz sicher darin bewandert, was in den Theatern Roms derzeit gespielt wird? Ich hätte große Lust auf eine Komödie!“

  • Den persönlichen Dank an die Götter hatte Manius Minor bis zu diesem Moment zu keiner Zeit ins Auge gefasst, was wohl primär auf den Status seiner Unmündigkeit zu reduzieren war, in welchem es stets an Manius Maior als Pater Familias und damit zugleich oberstem Pontifex des Hauses gewesen war, die Familiaren, insonderheit jene im Kindesalter, im Angesicht der Götter zu vertreten, was in diesem Falle zweifelsohne auch ohne seine Attendenz durchaus sich ereignet haben mochte, sodass weitere Zuwendungen wohl nicht erforderlich waren.
    "Ich nehme an, Vater hat dies bereits unternommen."
    , gab er daher zum Einwand, wobei er, kaum waren jene Worte gesprochen, gewahr wurde, dass diese Opfer keinesfalls die soeben zurückgekehrte Tante Domitilla inkludiert haben konnten, weswegen er sie rasch präzisierte:
    "Aber für deine sichere Heimkunft sollten wir den Göttern noch danken, das ist wahr."


    Eine Kombination mit kulturellen Ereignissen schien dementgegen weniger adäquat, da sein Vater derartiges für gewöhnlich am heimischen Lararium und lediglich in extravaganten Fällen in den Tempeln der Stadt vollbrachte, die lokal zumindest nicht direkt mit den Stätten der Kurzweil identisch waren, obwohl, wie der Knabe wusste, auch im Circus Maximus oder dem Theater des Pompeius staatliche Kultstätten zu finden waren. Hinzu trat der Umstand, dass der junge Flavius trotz des Interesses für die Dramatik seit seiner Heimkehr eben jene Stätten nicht mehr frequentiert hatte, sondern mit Rezitationen der Stücke durch Patrokolos Vorlieb genommen hatte, obschon seine Hypermetropie ihm kurioserweise das Verfolgen der Bühnendarstellungen in gestochener Schärfe erlaubte.
    "Ich muss deplorablerweise passen, werte Tante."
    , blieb ihm somit zu gestehen, woraufhin er rasch seine Haupt dem bisher stummen Gefährten an seiner Seite zuwandte:
    "Ist dir etwas bekannt, Patrokolos?"
    "Leider nicht, Domine. Ich wusste nicht, dass du einen solchen Besuch planst."
    Selbstredend hatte der junge Flavius derartiges seit der Schenkung des Sklaven nicht ins Auge gefasst und viel weniger verbalisiert, sodass jener diesem keinen Vorwurf aus jener Unwissenheit zu machen geneigt war, sondern schlichtweg in der Fragerunde weiter wanderte:
    "Iullus?"
    Obschon er den ersten der milonischen Gebrüder bis zur Ankunft des zweiten stets als 'Onkel Scato' tituliert hatte, wie dies auch bei all den übrigen, ihn an Alter übertreffenden Anverwandten der Fall gewesen war, so hatte er doch bereits an jenem Tage, an welchem er Fusus' erstmals ansichtig geworden war, in Replikation der Praxis dessen zum vertrauten Praenomen gegriffen.




  • "Bestimmt wäre das angebracht", stimmt auch Flavius Fusus der Idee eines Opfers zu, nicht dass er selbst über das übliche Maß hinaus bewandert in diesen Dingen wäre. Doch einfache Gaben an kleineren Altaren vermag selbstverständlich auch er als wohlerzogener Römer darzubringen. "Hast du denn angesichts deiner außerordentlichen Erlebnisse ein besonderes Opfer für einen bestimmten Gott im Sinn, Domitilla? Oder dachtest du vielmehr an einen Dank für die Laren im lararium der Villa?" Mit einer leichten Geste beider Arme durchmisst er die Räumlichkeit des sie umgebenden Atriums, stellvertretend für das flavische Anwesen.


    Nachdenklich schürzt er hernach die fein geschwungenen Lippen, als man sich von ihm eine Auskunft über die römischen Theaterprogramme erhofft. "Uff... Leider nein, Manius. Über einen solchen Überblick verfüge ich nunmehrig nicht. Ich muss auch gestehen, dass die modernen Komödien und ihre Handlungen mich manches Mal mit Befremdnis erfüllen. Versuchen will ich es euch zuliebe freilich gern." Ist Fusus auch ein recht heiterer und lebensfroher Zeitgenosse, so bereiten die streckenweise obszönen und vulgären Themen der zeitgemäßen römischen Komödie häufig Unbehagen und wecken statt seinem Amüsement eine gewisse Irritation. Für die Sexualität als solche ist der junge Mann trotz seiner 19 Lenze und einer ersten, aufgenötigten Erfahrung noch nicht entbrannt und steht ihr mit einer skeptischen Distanz gegenüber, empfindet vieles an daran als unsauber und schmachvoll. Die ebenso häufig in Komödien persiflierten Untaten und Delikte wiederum erinnern ihn unangenehm an Aspekte der Realität, welche aus seinem idealisierten Weltbild allzu häufig verdrängt werden. Empfänglicher ist er für derartige Eindrücke allein in dezenterer Präsentation als es die offensiv vorgehenden Komödien pflegen. Somit bringt er an dieser Stelle einen alternativen Vorschlag an: "Allein der Sinn stünde mir auch danach - so sich dies ermöglichen ließe - abermals eine der großen klassichen Tragödien wie etwa den Oedipus Rex zu attendieren. Freilich will ich euch dies' Ansinnen aber nicht aufzwingen und schließe mich zu unserer gemeinsamen Unternehmung euer beider Entschluss an." Er lächelt freundlich und willens sich den Wünschen und Vorlieben seiner Verwandten in dieser Sache einmal anzuschließen.


    "Wir sollten unbedingt Auskunft einholen lassen, welche Optionen sich uns in Rom derzeit bieten." Bei diesen Worten fokussiert der Flavier kurzzeitig fragend den Sklaven Patroklos, der schon zuvor von Gracchus Minor als potenzielle Auskunftstelle angesprochen ward.

  • Da die beiden jungen Flavier Domitillas Vorschlag befürworteten, den Unstreblichen für ihre Rettung und ihre sichere Heimkehr zu danken, stellte sich nur noch die Frage, welcher Gottheit sie ihren Dank aussprechen sollte. Im Grunde stellte sich diese Frage für Domitilla nicht. Es gab nur eine Göttin, der sie ein Opfer versprochen hatte, sollte sie wohlbehalten in die urbs aeterna zurückkehren. Wenige Tage waren es erst her, doch es schien ihr, als läge bereits eine halbe Ewigkeit zwischen dem heutigen und jenem Tag, an dem sie in dem keinen Schrein nahe des Dorfes im Apennin, welches ihr Refugium gewesen war, zu Fortuna gebetet und ihr dieses Versprechen gegeben hatte.
    „Die Leute, unter denen ich gelebt habe, pflegten Fortuna stets ihre Fürbitten vorzutragen, zum Beispiel um eine gute Ernte zu erzielen. Nach meiner Genesung habe ich ihr regelmäßig geopfert und ich versprach ihr, wenn sie mich zurück zu meiner Familie führt, dann würde ich ihr ein großes Opfer darbringen.“ Fortina hatte ihren Teil geleistet. Nun lag es an ihr! Wenn sie sich recht entsinnen konnte, gab es einen Tempel am Forum Holitorium. Doch sicher ließ sich genauer eruieren, wo dieser Tempel zu finden war.


    Deplorablerweise war weder den beiden Verwandten noch dem Sklaven des Gracchus Minor bekannt, was die Theater Roms dieser Tage zu bieten hatten. Anfangs hatte sie noch voller Erwartung ihren Blick zwischen den Anwesenden schweifen lassen, dach nachdem ein jeder passen musste, musste auch sie vorläufig diesen Wunsch ad acta legen. Jedoch griff sie Fusus‘ Vorschlag gerne auf, dem offenbar die Tragödie wesentlich näher am Herzen lag.
    „Nun denn, eine Tragödie soll mir auch recht sein! Wir sollten in der Tat beizeiten eine Auskunft einholen lassen. Denn so ein Theaterbesuch wäre doch ein besonderes Gaudium, findet ihr nicht?“ Nach so vielen Entbehrungen dürstete es die junge Flavia einfach nach etwas Zerstreuung und Unterhaltung.

  • Obschon dem Knaben Tragödien mit ihren trotz jeglicher retardierender Momente katastrophalen Wendungen in weitaus geringerem Maße zusagten denn Komödien, nach welchen er für gewöhnlich freudig-beschwingt das Theatrum zu verlassen in der Lage war, so respektierte er seinem Usus gemäß auch diesen Entscheid der ihn an Alter übertreffenden Anverwandten, zumal gerade solche Präsentationen, welche Krieg und heroische Charaktere implizierten und somit derzeit das besondere Interesse des Knaben fanden, für gewöhnlich im tragischen Genre zu finden waren.
    "Nun, sofern ihr eine Darbietung erwählt, würde ich gern ebenfalls teilnehmen, sofern Vater es gestattet."
    , gab er somit zu Protokoll.


    In jenem Augenblicke vernahm er mit seinem dank der Hypermetropie durchaus geschärften Ohr sachte Schritte in einiger Entfernung hinter sich, weshalb er sich umwandte, um dort seines Grammaticus ansichtig zu werden, welchen er in dieser Entfernung ja durchaus zu identifizieren in der Lage war. Womöglich hatte dieser die längere Unterbrechung des Unterrichts zum Anlass genommen, seinen Zögling der Faulenzerei zu verdächtigen, ebenso mochte es aber auch denkbar sein, dass die Indiskretion ihn hervorgelockt hatte oder gar die Furcht, allein während der vereinbarten Unterrichtsstunden angetroffen und sich damit seines beachtlichen Salärs nicht angemessen bemüht eingeschätzt zu werden. In jedem Falle interpretierte Manius Minor dessen Erscheinen als dringende Mahnung, sich wieder seinen Studien zuzuwenden, weswegen er sich räusperte und sagte:
    "Ich muss zu meinen Studien zurückkehren. Mein Grammaticus erwartet mich bereits. Ich bitte mich zu entschuldigen."


    Er wandte sich, gefolgt von Patrokolos, zum Gehen, als ihm in den Sinn kam, dass noch ein weiteres Thema soeben zur Sprache gekommen war, zu welchem er auch einen Beitrag zu leisten in der Lage war, weshalb er sich neuerlich umwandte und an Domitilla gewandt diesen unverzüglich verbalisierte:
    "Und sofern du jemanden benötigst, der dir bei deinem Opfer assistiert, werte Tante, stehe ich gern zur Verfügung!"
    In der Tat zählte er im Hause zu jenen Personen, denen mit großem Abstand am häufigsten das Amt des Minister im Rahmen des Hauskultes angetragen wurde, um seinem Vater Weihrauch, kleinere Opfergaben oder bisweilen gar das Culter zur rituellen Entkleidung größerer Opfertiere zu reichen, um ihm die Abläufe dieser Rituale ebenso wie jene des offiziösen Cultus Deorum der Pontifices, bei denen er ebenfalls für gewöhnlich an der Seite seines pontifikalen Erzeugers zu finden war, einzuprägen. Seiner Tante mochte er somit recht nützlich sein und zugleich als wohlgeratener Knabe sich der Familie präsentieren.




  • Fusus schließt sich mit einem Nicken an die Erklärungen seines Onkels an. "Selbstverständlich gilt das auch für mich. Sage nur bescheid, falls du meine noch ungelernte Unterstützung in Anspruch nehmen willst. Wir sollten überdies alsbald einen Spielplan der hiesigen Theater in Erfahrung bringen. Gerne kannst du auch gleich ein Stück auswählen, liebe Tante. Ob Tragödie oder Komödie, ich bin zu beidem gerne bereit."


    Damit streckt er noch einmal die Arme aus, um sie zum vorläufigen Abschied zu umarmen. "In jedem Fall noch einmal herzlich willkommen zurück in Rom, liebe Domitilla."

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