"Doch obschon manche dafürhielten, Cornelius habe den Zenit seines Ruhms durch jene ehrenvollen Ämter erreicht und genieße nun endlich, da sein Patron und Förderer Divus Iulianus selbst zu den Göttern abberufen war, seine wohlverdiente Muse, so wurden sie eines besseren belehrt!"
Wie Manius Minor auf diversen Abendgesellschaften vernommen hatte, bei denen Manius Maior obskurerweise eine notable Zurückhaltung an den Tag hatte gelegt, die indessen aufgrund parallel zur geglückten Ermordung Valerianus' geschmiedeten Komplotte seines Vaters mit Tiberius Durus leichtlich war zu plausibilisieren, hatte man gemeinhin die Designation Palmas zum Thronfolger des Valerianus in der Tat als profunde Überraschung bewertet, zumal, wie manche gelöste Zunge zu späterer Stunde der Commissatio zu spekulieren wagte, jene Verschwörungs-Version des Vescularius als weitaus plausibler musste erscheinen denn die offizielle Version jener stupenden Erwählung.
Für einen Augenschlag entglitt dank der Remineszenz einer derartigen Szenerie dem Jüngling die triumphale Miene, um indessen sofortig zu retournieren und seinen Weg durch die Domus Laudationis Palmae fortzusetzen:
"Denn als sein Sohn, unser seliger Valerianus, seinerseits die letzten Dinge bedachte, da gewahrte er sich des treuen Dieners seines Vaters, dessen Ruhm weithin bekannt und dessen Qualitäten einem jeden von den Grenzen Syrias bis zu den Basilicae Roms ein Begriff waren. In augusteischer Weisheit und unter dem Beistand der unsterblichen Götter bedachte er bei sich nämlich sämtliche Eventualitäten und wählte, so sein eigen Fleisch und Blut vor der Zeit mochte abberufen und die Wurzel der Ulpii abgeschlagen werden, nicht etwa jenen Speichellecker und Emporkömmling, der sich an seinem Laborieren labte und die Geschicke der Res Publica an sich gerissen hatte, sondern den Würdigsten aller Senatoren selbst im Verborgenen zu seinem Erben und Nachfolger, um ihn vor Neidern zu bewahren."
Selbstredend verblieb auch diese Interpretation überaus dubitabel, doch fuhr der Jüngling dessenungeachtet direkt mit den Qualitäten des Princeps fort, die ohnehin das Herzstück seiner Argumentatio bildeten:
"Und in der Tat traf er diese Wahl aufs Vortrefflichste, denn wer mag bestreiten, dass unter dem Prinzipat des Cornelius eine Tugend des Kaisers nach der anderen aufstrahlte gleich Sternen in der Dämmerung?"
Fragend blickte der junge Flavius in die Runde, als könne es jemand wagen, seine Frage mit jener allzu evidenten Replik zu bedenken, welche auf die zahlreichen Desillusionierten jener allzu stillen Herrschaftsära ebenso wie auf die Verlierer der palmanischen Machtergreifung mochte verweisen.
"Schon vor Antritt seiner Herrschaft bewies er jene edelste aller Mannestugenden, die Virtus: Denn mitnichten fiel die legitime Macht ihm in den Schoß, sondern vielmehr war er genötigt, sich sein Recht an der Spitze getreuer Truppen gegen jenen abscheulichen Usurpatoren zu erstreiten, wobei er, wie es einem wahren Quiriten entspricht, seinen Mut bewies, indem er an der Spitze seiner Truppen selbst in die Schlacht eingriff und den Feind bezwang."
Obschon dies selbstredend einen Topos repräsentierte, der sämtlichen Imperatoren von Caius Marius bis zu Divus Traianus war zugeschrieben worden, so hatte Manius Minor in jenem Falle in der Tat erfahren, dass Palma in der Schlacht von Misenum einen Flügel seiner Kavallerie in persona kommandiert hatte, was zumindest bei sämtlichen Vorbehalten admirabel erschien.
"Doch noch ehe Roms Pforten waren erreicht, sah Cornelius den Moment gekommen, Paludamentum gegen Toga zu tauschen und die Virtus zu schonen, um jene vortreffliche Tugend des Friedens, die Clementia, hervorzukehren: Anstatt jene, die sich ihm entgegen stellten, weil sie in Irrtum sich durch jenes Sacramentum an den Usurpator gebunden glaubten, zu strafen, zu verbannen oder niederzumetzeln, ehrte er nämlich ihren Mut und zeichnete gar die Vortrefflichsten unter ihnen persönlich mit militärischen Ehren aus."
Beim Ersinnen jener Passagen war Manius Minor wieder eine Unterredung im Kreise der Familie in den Sinn gekommen, bei welcher sowohl Manius Maior als Onkel Furianus sich überaus kritisch hinsichtlich jener 'Tugend' hatten geäußert, die Provinziale und Unwürdige in der Curia Iulia hatte bewahrt, was hier indessen selbstredend zum Vorbildhaften war zu wenden:
"Doch nicht nur der Miles Gregarius, ebenso die Senatoren Roms gelangten in den Genuss der Gnade des Augustus, indem der neue Princeps ihnen die Gelegenheit bot, ihre Fehler und Illoyalitäten gegen den letzten Willen des Valerianus auszulöschen durch neue Leistungen in ihren vertrauten Positionen, sodass halb Rom ihm zu höchstem Danke verpflichtet ist."
Wie sein Vater damalig hatte konzediert, mochte Milde jedoch durchaus in Verderben sich wandeln, während der folgende Casus durchaus positiv zu bewerten blieb:
"Dennoch folgte er zugleich den Maximen der Aequitas und Iustitia, indem er jenes himmelschreiende Unrecht, welches Vescularius zahllosen Quiriten hatte angedeihen lassen, rückgängig machte. Geraubtes und an seine Günstlinge verteiltes Gut wurde erstattet, Ländereien zurückgegeben. Und nicht zuletzt wurden jene verdienten Männer, die dem Usurpator Paroli zu bieten den Mut aufgewiesen hatten, von ihren ungerechten Verdikten befreit und aus dem Exil zurückgeholt. Nicht zuletzt mein eigener Onkel, der allseits geschätzte Consular Lucius Flavius Furianus war unter jenen, welche in den Kerkern der Schergen Salinators hatten leiden müssen, ehe Cornelius Palma sie befreite und die Schmach, nach allen Verdiensten um die Res Publica wie ein Feind des römischen Volkes behandelt zu werden, hinfortwusch."
In der Tat fiel es dem Jüngling weitaus leichter, das Schicksal seines Onkels um des Effektes einer immediaten Identifikation des Redners mit der Sache heranzuziehen. Doch konstituierte dies lediglich den Auftakt zu einer klimatischen Steigerung seiner eigenen Involviertheit in die Unrechtsurteile des Vescularius:
"Doch nicht nur er, auch mein Vater selbst und ich, mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter hatten vor dem Usurpator fliehen müssen, waren gleichsam aus Rom verbannt und in alle Winde zerstreut worden ob fadenscheiniger Verdachtsmomente."
Neuerlich war er genötigt, jener paternalen Coniuratio zu gedenken, welche indessen keinem der Anwesenden präsent konnte sein und somit tunlichst zu verschweigen war.
"Auch mir selbst war es somit eine herzliche Befreiung, als Cornelius Palma die Exilierung meiner Familie aufhob, um uns die Rückkehr in unsere Vaterstadt zu ermöglichen."
In theatralischer Geste legte er die flache Hand auf die Brust und senkte das Haupt in einer kurzen Pause, um die Ergriffenheit, welche jene Umstände in ihm evozierten, nach außen hin zu präsentieren. In Wahrheit jedoch erwiesen die Remineszenz an jene gräuliche Flucht, die Desperanz des mantuanischen Exils und den Schmerz der Trennung von Familie und Freunden sich als imponderabel verglichen mit jenem Laborieren, welches der dem Kriege folgende Verzicht auf den Ratschluss seines geschätzten Vindex, der gleichsam zu seinem Ersatzvater war geworden, der Verlust seiner Mutter wie insonderheit jener finale Bruch mit seinem Erzeuger in ihm evozierten, sodass letztlich lediglich die eine Hölle der anderen gewichen war.
"Mein größter Dank gilt somit dem Verblichenen, der die Flavia Gens aufs Neue restituierte, wie es unserem altehrwürdigen Hause entspricht."
Wieder blickte der junge Flavius in die Schar der Kommilitonen, wo in der Tat kaum einer (sofern man seine Anverwandten exkludierte) über einen derartig beachtlichen Stammbaum verfügte, ja kaum einem den Latus Clavus an der Tunica zu tragen vergönnt war, womit sein bescheidener Stolz auf das flavische Haus durchaus adäquat ihm erschien.
"Dies wiederum war die Voraussetzung, um jene neue, wahre Concordia des römischen Volkes wiederherzustellen, in deren Schatten wir nunmehr gedeihen dürfen.
Doch keineswegs ist damit die Liste seiner Tugenden vollendet, denn über das Rechtmäßige hinaus offerierte er eine Liberalitas, die unter den Noblen der Urbs ihresgleichen suchte:"
Beim Sinnieren über adäquate Merkmale der Tugendhaftigkeit des Princeps hatte Manius Minor sich jener kuriosen Leichenspiele des Tiberius Durus entsonnen, bei denen Palma, obschon er keineswegs der Spielgeber war gewesen, Brot unter das Volk hatte verteilen lassen.
"Nicht nur zu seinen eigenen Spielen, selbst zu jenen seines Klienten und Freundes Aurelius Lupus-"
Unbewusst spie er jenen Namen, der aufs Engste mit seinem paternalen Konflikt war verwoben, voller Verachtung aus, um indessen sogleich in gewöhnlichem Habitus fortzufahren:
"-erfreute er das Volk durch Brotspenden und sicherte sich damit die Liebe und Zuneigung des gemeinen Pöbels, wie er auch manche Städte des Imperiums mit neuen Rechten und Privilegien ausstattete."
Auch in diesem Falle musste die Ambivalenz jener Aktion, von der böse Zungen im Nachhinein verbreiteten, sie sei ohne Wissen des Princeps durch vorschnelle Beamte in die Wege geleitet worden, ungenannt, da, wie gut unterrichtete Kreise ebenso berichteten, der Aurelius jenen generösen Akt als Affront und Infragestellung der eigenen Potenz hatte bewertet. Indessen verspürte der junge Flavius, welcher ja unter der mit Assistenz des kaiserlichen Klienten erfolgten Anbiederung der Aurelia Prisca laborierte, bestenfalls Hohn hinsichtlich jener Episode, welchen er in dieser Situiertheit selbstredend tunlichst verbarg.
"Zuletzt endlich erwies er auch den Göttern gegenüber jene Pietas, welche die Schreckenszeit des frevlerischen Vescularius so schmerzlich hatte missen lassen: Nicht nur restituierte er die Pax Deorum, indem er seinen regulären Pflichten in jenem höchst bedeutenden Aufgabenfelde getreulich folgte, sondern sorgte gar für eine Renovatio der Mores Maiorum, indem er die Ordnung der vestalischen Jungfrauen erneuerte und in jenen ehrwürdigen Status zurückversetzte, den Numa Pompilius in den Anfangsjahren unserer Vaterstadt ersonnen hatte."
Eine kurzes Innehalten markierte die Finalisierung der Argumentatio, die im Geiste des Jünglings einem ausgedehnten Spaziergang durch den gesamten privaten Bereich der Domus Rhetoris gleichgekommen war, sodass er mentalerweise nun endlich wieder ins Atrium zu treten imstande war, um die letzten Worte zu sprechen und seine Rede gleichsam zusammenzuführen:
"Somit blickten und blicken zweifelsohne die Unsterblichen mit größtem Wohlwollen auf jenen Optimus Princeps herab und werden ihn gemeinsam mit seinen ruhmreichen Ahnen und seinen caesarischen Patronen und Förderern Divus Iulianus und Valerianus voller Freude in ihrer Mitte begrüßen!
So soll er auch uns zum strahlenden Vorbild dienen und seine Heldentaten Anlass sein, unsere Prinzipien zu schulen, unsere Taten anzuleiten und unsere Nachkommen zu belehren, aufdass sein Name, der des Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus, niemals in Vergessenheit gerate und sein Ruhm erstrahle bis in alle Ewigkeit!"
Zum Abschluss hob der junge Flavius ein letztes Mal die Stimme, um gleichsam die letzten Worte zu einem Appell zu formen und die Emotionen des Publikums ein letztes Mal zu mobilisieren.
Dann war das letzte Wort gesprochen und der Rhetor wurde sich gewahr, dass feine Schweißperlen der Mühe seine Stirn zierten, sein Mund trocken, seine Stimme ermattet sich ausnahm. Dennoch verspürte er tiefe Satisfaktion, da kaum einmal sein Redefluss gestockt und sein Gedächtnis sich als überaus zuverlässig, ja kein einziges Mal als fallibel hatte erwiesen.